Stadt der Vergessenen (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
286 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-0714-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stadt der Vergessenen -  Stephen Blackmoore
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Joe Sunday gehört schon lange zum Abschaum von Los Angeles, doch sein Leben wird noch viel wertloser, als er vom Rivalen seines Gangsterbosses umgebracht wird - und als Zombie zurückkehrt. Während sein Körper immer weiter verwest, besteht seine einzige Hoffnung darin, einen Talisman zu stehlen, der ihm Unsterblichkeit verleihen kann. Doch zu allem Unglück ist jeder untote Ganove in Los Angeles nach genau diesem Artefakt her ...

Kapitel 1


Ich werfe meine Jacke auf den Tresen. Setze mich auf den Barhocker neben Julio. Er genehmigt sich gerade den sechsten Drink des Tages, und es ist noch nicht einmal Mittag. Leere Schnapsgläser liegen vereinzelt auf dem Tresen herum. Julio steht auf Tequila und bevorzugt Patrón, wenn er es kriegen kann, andernfalls Cuervo. Ich trinke Scotch. Bestelle mir einen Johnny Walker Black, pur.

»Was zur Hölle machste hier, Joe?«, fragt er und wirft mir aus unsteten Augen einen Seitenblick zu. Außer dem Barkeeper sind wir die Einzigen hier. Henry’s Bar and Grill an der Magnolia ist nicht die schlimmste Spelunke der Stadt, gehört aber zum Übelsten, was man in North Hollywood findet. Alles hier ist rotes Kunstleder und Messingschnickschnack. Sieht aus wie die Hölle, wenn Satan denn ein Lounge-Sänger wäre. Julio ist Stammgast. Wenn er nicht gerade beruflich mit mir unterwegs ist oder zu Hause bei seiner Frau Mariel steckt, sitzt er hier und kippt sich ein paar hinter die Binde.

»Ich wollte dich gerade das Gleiche fragen«, sage ich. »Du wurdest gestern Abend bei Simon erwartet. Hast du mit dem Italiener gesprochen? Hast du den Stein bekommen?«

Simon Patterson ist unser Boss. Der verrückte englische Scheißkerl hat uns eingestellt, um Knochen zu brechen und Hände in Zerkleinerer für Küchenabfälle zu stecken. Den Rest der Leiche notfalls auch.

Wir sind gut in dem Job und er bezahlt uns gut.

»Yeah«, sagt er. »Ich hab mit ihm geredet.«

»Und der Stein? Hast du ihn?«

Er schüttelt den Kopf. Toll. Kein Stein, und Julio ist scheiße noch mal zu besoffen, um klar zu denken. Er hat dann so einen Tausend-Meter-Blick drauf. Einen Moment später blickt er zu mir auf, eine Bitte in den Augen. »Ich kann das nicht machen, Mann.«

»Was machen?«

Er schüttelt den Kopf. »Das hier«, sagt er und starrt dabei auf seine Hände und Arme. Er packt mich am Kragen, zieht mich heran. »Das endet nie, Mann. Das endet verdammt noch mal nie! Ich kann das nicht für immer machen. Scheiße, ich kann das nicht machen.«

Okay, nicht der richtige Zeitpunkt, um den verrückten Bären in den Pelz zu stochern. Sachte befreie ich mich aus seinem Griff und betrachte ihn gründlich. Er sieht furchtbar aus: blutunterlaufene Augen, zitternde Hände. Hat nicht geschlafen. Nervöser, als ich ihn je erlebt habe. Er ist total ausgerastet, und das macht mir eine Scheißangst.

Julio ist der größte Filipino, den ich kenne. Einsfünfundachtzig. Richtig harter Kerl. Stemmt drei-fünfzig, hat Drachentätowierungen an den Schultern. Verprügelt Samoaner zum Spaß. Ich habe den Fehler gemacht, im Fitnessstudio für ein paar Runden gegen ihn anzutreten, und lag mit Gehirnerschütterung und ausgeschlagenem Zahn am Boden. Wenn Julio Angst hat, dann muss es dafür einen verdammt guten Grund geben.

Gestern Abend hat Simon von ihm verlangt, Sandro Giavetti in die Mangel zu nehmen, einen Italiener aus Chicago. Sollte sich den Itaker in seinem Hotel vorknöpfen.

»Jesus, Mann, was zum Teufel ist denn mit dir passiert?«, frage ich Julio.

Vor einer Woche taucht Giavetti bei Simon auf, um Sachen zu kaufen, die man nicht im Handel kriegt. Hat einen Job geplant: In ein Haus einbrechen und einen Edelstein klauen.

Jedenfalls bringt Simon ihn mit drei Jungs zusammen, die gut im Einbrechen sind, und kriegt einen netten dicken Anteil für seine Rolle als Mittelsmann. Nun sind zwei nirgendwo mehr zu finden, und der dritte ist tot. Hat sich vorgestern Abend das Hirn rausgepustet. Es heißt, man hätte genug Patronenhülsen für einen ganzen Ladestreifen gefunden, aber nur eine einzige Kugel. Die Kugel, die er benutzt hat, um seine Wand zu streichen.

Normalerweise würde Simon einen Scheiß darauf geben. Nur machen jetzt Gerüchte die Runde, Simon hätte seine Finger in dem gehabt, was immer zum Teufel da abgelaufen ist. Ein Typ wie Simon aber lebt von seinem Ruf. Ist wertvoller als Gold. Er überlegt sich, dass Giavetti die Klappe aufgerissen hat, also muss Simon ihm jetzt demonstrieren, dass diese Scheiße nicht gut ankommt.

Julio gießt sich einen weiteren Drink ein und kippt ihn herunter, als wäre es Muttermilch. Starrt auf seine Hände. »Sieh nur, was er aus mir gemacht hat.«

Ich recke den Hals, um mir seine Hände anzusehen. Kann nicht erkennen, was damit groß los sein soll.

»Sie sehen prima aus, Julio.«

»Nein, Mann! Das tun sie nicht. Das sind nicht meine Hände. Es sind seine. Es sind seine Scheißhände!«

Ich gebe ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »He! Jetzt komm mal wieder zu dir!«

Also schickt Simon Julio zu Giavetti ins Hotel. Das Arschloch allemachen und den Stein mitnehmen. Weiß der Teufel, was Simon damit möchte. Geht wohl ums Prinzip, vermute ich.

Wie auch immer. Die Sache ist die: Julio sollte sich gestern Abend zurückmelden, ist aber nie aufgetaucht.

Mein Telefon zwitschert mir aus der Jackentasche was vor. Es ist Simon. »Joe, mein alter Kumpan«, sagt er, und der Cockney klingt durch, als lebte er nicht schon seit fünfzehn Jahren in den Staaten. »Hast du ihn gefunden?«

»Ja«, sage ich. »Er dreht durch. Irgendwas ist passiert, aber er hat mir noch nicht erzählt, was.«

»Wie sieht er aus?«

»Er sieht beschissen aus«, sage ich. »Ich denke nicht, dass er geschlafen hat. Trinkt außerdem schon früh am Tag.« Tatsächlich sieht Julio sogar schlimmer aus als vor einer Minute. Ich sehe genauer hin. Ja, als würde sein Gesicht zusammenschrumpfen oder so was.

Julio schließt die Augen, faltet die Hände. Brummt irgendwas auf Tagalog.

»Hat mit Giavetti geredet, oder?«

»Ja, er hat mit ihm geredet. Denke ich wenigstens. Er führt sich irgendwie ganz komisch auf.«

Simons Ton wird eindrücklicher. »Hat er den Stein?«

Ich blicke zu Julio hinüber. Jesus Christus, denke ich, er betet! »Nein«, sage ich. »Sagt, er hätte ihn nicht bekommen. Sieh mal, ich denke, ich muss ihn hier hinausschaffen.« Der Barkeeper guckt uns ganz böse an, und sollte Julio total ausrasten, dann lieber irgendwo, wo’s privat ist.

»Ich brauche diesen Stein, Joe. Ich brauche ihn verdammt noch mal, Kumpel! Stell fest, wo er ist. Wenn Julio Giavetti gesehen hat, dann hat er auch den Stein gesehen. Er weiß, wo das Ding steckt.« Simon klingt atemlos und schrill.

»Jesus, beruhige dich!«, sage ich. »Ich finde es heraus.« Simon kann manchmal ein richtiges Arschloch sein.

»Julio«, sage ich. »Simon möchte …« Ich fahre zusammen, als ich Glas bersten höre. Julio hat seine Flasche Cuervo gepackt und am Tresen zerschmettert.

Instinktiv möchte ich auf Distanz gehen, obwohl ich nicht glaube, dass er auf mich losgehen wird. Trotzdem drehe ich mich zur Seite und verdrehe mir dabei das linke Knie.

Wie sich rausstellt, bin ich nicht der, der sich Sorgen machen muss.

Julio packt den Barkeeper am Hemd, zieht ihn ran, holt richtig weit mit der Flasche aus. Der Typ schreit und rudert mit den Armen, um sich zu befreien.

Julio zieht den Barkeeper noch näher ran und schnappt mit den Kiefern. Als wollte er ihn am Brustbein packen und zubeißen.

Ich ignoriere die Schmerzen im Knie und gehe auf Julio los. Nehme ihn in einen Doppelnelson und zerre ihn rückwärts. Der Barkeeper, gar nicht dumm, nimmt Richtung Hintertür Reißaus.

»Was zum Teufel machste, Mann?«, brülle ich. Julio knurrt und spuckt nur und fuchtelt mit dieser gottverdammten kaputten Tequilaflasche in der Gegend herum.

Ich versuche ihn zu Boden zu ringen, aber ehe ich ihn richtig in den Griff bekomme, beugt er sich vor und schleudert mich sauber über den Tresen. Ich krache gegen eine Wand voller Wild Turkey und Maker’s Mark, und Glas splittert rings um mich.

Ich schlage mit dem verdrehten Knie am Boden auf und schneide mich an Glasscherben. Auf der anderen Seite der Theke pirscht Julio wie ein Panther auf Heroin hin und her und schwingt dabei die Flasche. Er brummt und knurrt, hat völlig den Verstand verloren. Was für ein Zeug hat er sich verdammt noch mal reingezogen?

Ich schnappe mir hinter der Theke ein Gemüsemesser. Die Klinge ist nur drei Zoll lang, aber es ist besser als nichts. Ich humpele hinter dem Tresen hervor, packe einen Schemel, bleibe auf Distanz.

Julio wirbelt herum, sieht mich. Sein Gebrummel wächst sich zu einem Schrei aus, und er geht auf mich los. Dabei fuchtelt er mit der kaputten Flasche herum – nicht so, als betrachtete er sie wirklich als Waffe, sondern eher, als wüsste er sonst nichts damit anzufangen.

Den Barhocker in einer Hand, das Gemüsemesser in der anderen, komme ich mir wie ein geistig zurückgebliebener Löwenbändiger vor.

Und als Julio fast schon in mich hineinrennt, bleibt er stehen.

Der Ausdruck in seinen Augen wechselt zu etwas, was ich noch nie zuvor gesehen habe. Flehen. Beten? Für einen Sekundenbruchteil ist Julio zurück. Lange genug, so scheint es, um Lebwohl zu sagen.

Er stößt sich die zersplitterte Flasche in den Hals und reißt eine schartige Wunde vom Adamsapfel bis zur Halsschlagader, dreht die Flasche nach oben und rammt sich die Schneide durch den Rachen.

Blut spritzt hervor wie Öl aus einem Lastkran. In Panik lasse ich Messer und Barhocker fallen. Versuche, die Blutung zu stoppen. Ich kann Simons blecherne Stimme hören, die aus meinem Telefon auf dem Fußboden immer wieder »Was? Was?« ruft.

...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2015
Übersetzer Thomas Schichtel
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel City of the Lost
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte All Age Fantasy • Eis und Feuer • Elb • Elfe • Epic Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Bücher • Fantasy Roman • Game of Thrones • Herr der Ringe • High Fantasy • Hobbit • Low Fantasy • Tolkien • Troll • Zeitreisen
ISBN-10 3-7325-0714-9 / 3732507149
ISBN-13 978-3-7325-0714-6 / 9783732507146
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