Zwölf Wasser 2 - Teil 5 (eBook)

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2015 | 1. Auflage
75 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42585-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwölf Wasser 2 - Teil 5 -  E. L. Greiff
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eSequel: Teil 5  >In die Abgründe< als eSequel in 5 Teilen. Während die Reisenden in verschiedenen Weltgegenden versuchen, die Quellen zu erreichen, bricht unter ihnen der Kontinent auseinander: Erdspalten tun sich auf, längst verloschene Vulkane erwachen und Beben erschüttern die Städte. Aber die wahre Katastrophe droht aus der segurischen Hauptstadt Agen: Dort bereitet die dämonische Asing ihre Rückkehr vor ...   

E. L. Greiff, 1966 in Kapstadt geboren, lebt heute in den Niederlanden. Studium der Theaterwissenschaften und der Germanistik, anschließend zahlreiche freie Regiearbeiten. Neben der Autorentätigkeit arbeitet Greiff als freie Texterin für Agenturen und Unternehmen. Die Fantasy-Trilogie 'Zwölf Wasser' ist ihr Debüt als Romanautorin. 

E. L. Greiff, 1966 in Kapstadt geboren, lebt heute in den Niederlanden. Studium der Theaterwissenschaften und der Germanistik, anschließend zahlreiche freie Regiearbeiten. Neben der Autorentätigkeit arbeitet Greiff als freie Texterin für Agenturen und Unternehmen. Die Fantasy-Trilogie 'Zwölf Wasser' ist ihr Debüt als Romanautorin. 

NEUN


AUS DEM FERNEN SÜDEN ZORN


1


Babu war einfach weitergegangen. Es gab nichts mehr zu sagen, nichts zu fragen. Er konnte um nichts mehr bitten. Was sollte noch kommen nach der Bitte um den eigenen Tod? Also war Babu von der Quelle aus dem Bachlauf hinab gefolgt, war an der Mühle und dem Teich vorbeigelaufen. Und einfach immer weitergegangen. Er war nicht in seine Kammer gestiegen, sondern hatte den Falknerhandschuh und die Weste dort zurückgelassen, sogar den Dolch. Was wollte er mit all dem noch anfangen? Babu war kein Falkner, war kein Szasran mehr und war es nie gewesen. Hatte je eine Zeit durch ihn gesprochen, die Alte Zeit oder eine andere, irgendeine? Nein. Alles war nur Schmerz und Unglück – so war es schon in Babus Kindertagen gewesen und so war es heute noch immer. Vielleicht war das seine Bestimmung? Vielleicht sollte er leiden, vielleicht gab es nicht einmal einen Grund dafür? Denn was für einen Sinn konnte eine solch jämmerliche Existenz schon haben?

Babu ging in die Nacht hinein, und wie damals, als er auf seinem Pony in den Regen geritten war, war seine Stimmung so finster wie die Umgebung. Es war, als ob er immer nur im Kreis lief; egal, wie weit er ging, letztlich tappte er doch immer wieder in seine eigene Dunkelheit. Die Dinge wiederholten sich, war das vielleicht ein Zeichen? Babu hatte geglaubt, das Lange Tal wäre sein Platz, seine Heimat, und Hirte zu sein, das wäre sein Leben. Er hatte sich getäuscht. Er hatte das Lange Tal verlassen. Dann hatte er gehofft, die Freiheit bei den Nogaiyern zu finden und in Nuru die erste Liebe. Aber auch dies war ein Irrtum gewesen. Ob Nuru noch wartete – und ihr Bruder ebenfalls, mit einem Pfeil auf der Sehne seines Bogens, um ihr Unglück zu rächen? Es war egal, Babu würde nicht zurückkehren. Ein ganzer Kontinent lag nun zwischen ihnen, so weit flog kein Pfeil, so lang hielt keine Verliebtheit. Und schließlich, es war erst einen Tag her, hatte er gemeint, zur rechten Zeit am rechten Ort und in Gesellschaft von guten Menschen, vielleicht sogar in der Gegenwart von Wundern zu sein. Aber das war die größte Täuschung von allen gewesen. Denn nun ging er allein durch die Nacht, nun verließ er alles – abermals. Wenn sich die Dinge wiederholten, war das nicht ein Zeichen?

Also erkennst du endlich die Zwangsläufigkeit.

Babu blieb kurz stehen, erschrocken. Ging dann aber gleich mit klopfendem Herzen weiter. Sie hatte bisher niemals im Wachen zu ihm gesprochen. Doch er hatte ihre Stimme gehört, ganz deutlich. Es war, als ob sie direkt hinter ihm ginge. Sie war es, sicher.

Er hatte einen Hügelkamm erreicht, Teleias Tal lag inzwischen weit hinter ihm. Über schneebestäubte Hügelkuppen blickte er in eine weitere sanfte Senke. Nach allen Richtungen war das Land im Mondlicht vor ihm ausgebreitet, nichts verbarg sich vor Babu, weder Himmel noch Erde. Es war, als ob das offenherzige Wesen der Quellhüterin noch bis hierher wirkte und sich in der Landschaft abbildete. Babu brauchte sich nicht zu sorgen, dass ihm, unbewaffnet, wie er war, irgendetwas auflauerte. Denn der wahre Schrecken, das größte Ungeheuer versteckte sich nicht in einem Dickicht oder hinter einem Stein und es kauerte auch nicht in einer Bodensenke. Es verbarg sich in Babu selbst. Er trug es bereits die ganze Zeit über mit sich. Und in dieser Nacht, gerade eben, war es aus ihm heraus- und hinter ihn getreten und hatte zu ihm gesprochen.

2


Es gab kein Ziel. Babu wollte nirgends ankommen, er wollte nur weggehen. Er streifte umher, wanderte durch die spärlich mit kahlen Bäumen und froststarren Sträuchern bewachsene Hügellandschaft. Denn wo sollte, wo konnte Babu noch hin? Die große Gelegenheit war vertan: Er hatte den Kontinent bereits ein Mal verlassen. Was genau hatte ihn eigentlich dazu gebracht, zurückzukehren?

Juhut.

Unwillkürlich legte Babu den Kopf in den Nacken. Dort oben war er, zog seine Kreise und hielt Babu fest. Welch ein Gefühl von Freiheit hatte es ihm früher gegeben, den Falken am Himmel kreisen zu sehen. Wie weit war sein Herz geworden zwei Herzen, das eine so groß wie das andere, beide schlagen gleich. Ja, und sogar der Name des Falken entsprang diesem Gefühl: Juhut-ras, zweites Herz. Aber stimmte das denn? War das Gefühl wirklich so frei, groß und verbindend? Oder war auch das nur eine Täuschung gewesen, eine Einbildung, weil er es sich so sehr gewünscht hatte? Hatte der Falke ihm nicht vielmehr Kummer gebracht und Schmerz? Von dem Augenblick an, als er das Ei in Empfang genommen hatte, war Babus Leben zerbröckelt. Erst hatte er seine Herde aufgeben müssen, danach seine Heimat. Schließlich seinen Freund.

Babu senkte das Kinn auf die Brust. Er hakte die Daumen in den schmalen Ledergürtel, mit dem er den wollenen Kittel enger um seinen immer noch mageren Leib gebunden hatte. Da spürte er etwas unter dem filzigen Stoff. Babu griff sich in den Ausschnitt des Kittels und holte den Zweispat hervor. Er wog den großen Kristall in der Hand. Wann hatte er den denn dort hineingesteckt? Es gab kaum etwas weniger Sinnvolles, das er hätte mitnehmen können – einen hölzernen Löffel vielleicht.

Wirf ihn fort.

Sie war bei ihm. Auch Juhut war noch bei ihm – aber sie war Babu näher. Viel näher. Wenn er ganz still stand, konnte er ihren warmen Atem in seinem Nacken spüren. Er kämpfte den Wunsch nieder, sich blitzschnell umzuwenden, den Zweispat vorm Auge. Er wusste: So einfach war es nicht, so einfach ließ sie sich nicht überlisten. Sie würde dort bleiben, hinter ihm, immer gerade außerhalb seines Blickfeldes. Und ihm Dinge zuflüstern. Aber sehen könnte er sie erst, wenn er sich dazu durchränge, sie sehen zu wollen. Es ging nicht darum, sich kurz einmal umzuwenden. Er müsste sich ihr zuwenden, und zwar ganz.

Wirf ihn doch fort. Du brauchst ihn nicht mehr.

Babu zögerte, obwohl er den Kristall eigentlich nicht mehr haben wollte – dieses in der Tat nutzlose Geschenk eines Mannes, dem er vertraut hatte. Dem er sein Leben anvertraut hatte und der ihn, wie alle anderen auch, enttäuscht hatte. Eine einzige Bitte hatte Babu an Felt gerichtet und er hatte sie ihm verwehrt. Er war ohne Gnade und seine Weigerung hatte Babu den allerletzten Anstoß gegeben, sich von allem Menschlichen abzuwenden und die Einsamkeit zu suchen. Sie hatte recht: Auf wen sollte er den Zweispat richten, wessen wahre Gestalt sollte er erkennen? Hier war niemand. Außer einem Dämon, der ihm im Genick saß. Dennoch konnte Babu den Kristall nicht wegwerfen, noch nicht. Er wollte nicht so schnell klein beigeben und folgsam sein. Der Stein war nicht schwer, er belastete ihn nicht. Babu schloss die Faust um den Kristall und ging weiter.

Da sah er den Wolf.

Er saß einfach da, keine zwanzig Schritt entfernt, ganz ruhig, und im dichten schwarzen Fell auf seiner Brust hingen Eiskristalle. Die Wolken seines heißen Atems schlugen sich dort nieder und gefroren in der kalten Luft. Seine Augen glühten und sie hatten Babu fest im Blick. Babu wusste: Dieser Wolf hatte Hunger und er selbst hatte keine Chance. Nein, so sollte es nicht zu Ende gehen! Babu wollte nicht zerrissen werden von der eigenen Angst, die Gestalt angenommen hatte. Er wollte als Mensch sterben, nur das, mehr nicht.

Der Dolch! Nimm den Dolch.

Ja, das war schon ein Mal gelungen. Juhut hatte es ihm eingegeben, damals, in den Galaten, im Zwischenreich der Welten von Leben und Tod, als er dem Rudel das erste Mal begegnet war. Doch heute erhielt Babu keine solchen Eingebungen von der Szasla mehr und er hatte auch keinen Dolch.

Aber auch wenn der Faden zwischen dem Falken und dem jungen Merzer dünn geworden war, aufgegeben hatte die Szasla Babu noch nicht. Juhut war zwar fern, aber noch da und nun stürzte er aus dem Himmel wie ein fallender Stern. Das weiße Gefieder leuchtete auf; so schnell kam der große Falke herabgeschossen, dass der Wolf ihn spät bemerkte. Gerade noch rechtzeitig duckte er sich weg, wich den tödlichen Klauen aus, jaulte erschrocken auf und sprang davon. Die Flugkünste des Falken waren atemberaubend, Babu hatte das beinahe vergessen. Er beobachtete staunend, wie geschickt Juhut den Fall abbremsen konnte und scheinbar mühelos, mit nur drei Schlägen der breiten Schwingen, die Richtung wechselte und einen Baum ansteuerte. Als er sich auf einem tiefen Ast niederließ, stob trockener Schnee auf.

»Du …«

Babu räusperte sich, denn seine Stimme brach weg. Er hatte das Gefühl, seit Langem nicht mehr gesprochen zu haben. Er ging ein paar Schritte auf den Falken zu. Die Nähe war ihm vertraut und gleichzeitig fremd geworden.

»Du warst es, der zurückwollte, du wolltest Wiatraïn wieder verlassen. Felt hat mich zwar gefragt, ob ich mich ihm anschließen wolle, ob ich mitmachen wolle bei diesem irrsinnigen Vorhaben – der Rettung der Welt! Aber geantwortet habe ich in deinem Sinne. Ich konnte nicht mit deiner Stimme sprechen. Aber mit meiner eigenen auch nicht. Ich konnte kein Szasran sein – und auch nicht ich selbst. Ich wäre geblieben!«

Juhut drehte nur seinen Kopf, saß sonst reglos.

»Du bist nicht mein zweites Herz, wir schlagen nicht gleich. Auch darin habe ich mich getäuscht. Aber was bist du wirklich?«

Babu war nun auf doppelter Armeslänge an Juhut herangetreten, der nach wie vor ruhig auf dem Ast saß, auf Babus Augenhöhe. Lange blickte der junge Mann den großen weißen Vogel an. Dann hob er eine Hand, den Kristall zwischen Daumen und Zeigefinger.

Babu hielt ihn nicht direkt vors Auge, sondern zwischen sich und den...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2015
Reihe/Serie 12-Wasser-Trilogie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Agen • Asing • Babu • Band 2 • eSequel • Estrid • Fantasy • Fantasy-Epos • Felt • High Fantasy • Hohe Frauen • Hüter der Quellen • Kersted • Kwother • Marken • Menschlichkeit • Nendsing • Prophezeiung • Reva • Smirn • Trilogie • Undae • Unterhaltung • Welsen
ISBN-10 3-423-42585-7 / 3423425857
ISBN-13 978-3-423-42585-8 / 9783423425858
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