Tagebuch 1944 (eBook)

Und 46 Sonette
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2014 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403172-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tagebuch 1944 -  Hans Keilson
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Der Arzt und Schriftsteller Hans Keilson musste 1936 Deutschland verlassen und überlebte den Krieg in Holland, mit gefälschtem Pass und teilweise im Versteck. 1944 schrieb Hans Keilson Tagebuch. Er schildert die Erfahrung des Untertauchens und berichtet von der beängstigenden Entfremdung gegenüber Frau und Kind, einer heimlichen Liebe, von Gedichten und Lektüre, der Angst vor der Zukunft und der täglichen Bedrohung. Dieses Buch, das auch die 46 Sonette enthält, die Hans Keilson wähernd der Niederschrift des Tagebuchs verfasst hat, ist ein persönliches Dokument ersten Ranges, aber auch ein außergewöhnliches historisches Zeugnis darüber, mit welcher Macht und Konsequenz das Klima von Verfolgung und Willkür auch die intimsten Bereiche der Existenz durchdringt. Das ?Tagebuch 1944? wird von Marita Keilson-Lauritz aus dem Nachlass herausgegeben und kommentiert. Mit einem Nachwort von Heinrich Detering.

Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Der Arzt und Schriftsteller emigrierte 1936 in die Niederlande, wo er bis zu seinem Tod 2011 lebte. Sein erster Roman ?Das Leben geht weiter? erschien 1933 bei S. Fischer. Die Novelle ?Komödie in Moll? wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und 2010 zum Weltbestseller. Hans Keilson wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis, der Moses-Mendelssohn-Medaille, der Humboldt-Medaille und dem »Welt«-Literaturpreis.Literaturpreise:'Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay' der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 2005Moses-Mendelssohn-Medaille 2007

Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren. Der Arzt und Schriftsteller emigrierte 1936 in die Niederlande, wo er bis zu seinem Tod 2011 lebte. Sein erster Roman ›Das Leben geht weiter‹ erschien 1933 bei S. Fischer. Die Novelle ›Komödie in Moll‹ wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und 2010 zum Weltbestseller. Hans Keilson wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis, der Moses-Mendelssohn-Medaille, der Humboldt-Medaille und dem »Welt«-Literaturpreis. Literaturpreise: "Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay" der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 2005 Moses-Mendelssohn-Medaille 2007 Marita Keilson-Lauritz ist Literaturwissenschaftlerin und lebt in den Niederlanden. Das Thema Homosexualität und Literatur bildet einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Sie ist Herausgeberin des »Tagebuchs 1944« und der »Sonette für Hanna« von Hans Keilson. Heinrich Detering ist Professor für Deutsche und Vergleichende Literatur an der Universität Göttingen. Über Thomas Mann liegen zahlreiche Veröffentlichungen von ihm vor, u.a. sein Buch »Thomas Manns amerikanische Religion. Theologie, Politik und Literatur im amerikanischen Exil«. Er ist Mitherausgeber der »Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe« der Werke Thomas Manns.

Eine großartige Entdeckung.

Ein kostbares Lebens- und Zeitdokument.

ein höchst intimes Tagebuch.

Mit dem Tagebuch von 1944 liegt jetzt ein spannender Text vor, der ein besonderes Zeitdokument ist, aber auch etwas Neues zur Biographie und Werkgeschichte […] beiträgt.

Ein ergreifendes Zeitdokument

Ausgiebig erklärt und kommentiert und mit einem Register versehen, ergänzt dieses Fundstück Keilsons Werk auf beeindruckende Weise.

[...] trägt viel zum Verständnis des weltberühmten Literaten und Psychoanalytikers bei und ist zugleich ein ungewöhnliches Zeitdokument des Zweiten Weltkrieges.

Vorwort


Natürlich kann man Hans Keilsons Tagebuch-Text ohne jedes Vorwissen lesen. Und natürlich kann ein Vorwort wie dieses allenfalls zur Orientierung dienen. Und natürlich möchte ich vor allem vermeiden, die Lektüre zu steuern.

Als Literaturhistorikerin habe ich immer gedacht, dass Dichterwitwen ein absolutes Hindernis auf dem Wege zu einem Dichter und seinen Texten sind. Jetzt sitze ich da und schreibe ein Vorwort. Wer hätte das gedacht.

Doch möchte ich zwei Fragen in diesem kleinen Vorwort beantworten: Wie kam es zu dieser Publikation? Und: Was sollte man – vielleicht doch – wissen, bevor man sich an die Lektüre dieses Tagebuchs macht?

 

Das Heft im Folio-Format – selbst geheftet, einundvierzig und eine halbe Seite dicht beschrieben, meist mit blassblauer Tinte (etwas mehr als zwei Seiten mit Bleistift, in einem Moment akuter Gefahr), in zehn Monaten des Jahres 1944 – kam aus einer Schublade zum Vorschein, als ich für meinen Mann, dessen Augen schon sehr schlecht waren, etwas suchen sollte. Ich weiß nicht mehr, was. Es muss 2010 gewesen sein, und wohl schon nach der unerwarteten Wiederentdeckung von Hans Keilsons Werk durch die amerikanische Übersetzung und die Jubel-Rezension der New York Times. Ich habe ihm, mühsam entziffernd, Teile des Tagebuchs vorgelesen. Ich habe ihn mit der von Niederlandismen durchsetzten Sprache dieser Texte geneckt: »Das also meinte Gertrud, als sie sagte: Du darfst die deutsche Sprache nicht verlernen!« (Gertrud war seine erste Frau, die ihn überredet hatte, 1936 zusammen in die Niederlande zu gehen, und die ihm so das Leben gerettet hat.) Wir haben darüber gesprochen, dass in diesem Text die Urform des Romans Der Tod des Widersachers erwähnt ist, noch mit dem Titel Der Tod des Feindes, und darüber, dass dieser Ur-Widersacher womöglich doch erst während der Untertauchzeit in Delft entstanden sei. Er warf ein, dass Gertrud das Typoskript dann nicht, so wie er sich erinnerte, im Garten in Naarden hätte vergraben können.[1] Aber dafür hätte es – folgt man dem Tagebuch-Text – noch viele Möglichkeiten gegeben, bis hin zu derjenigen, dass diese Aktion erst unternommen wurde, nachdem er Ende 1944 nach Naarden zurückgekehrt war, um für die letzten Monate vor der Befreiung der Niederlande von der deutschen Besetzung bei Gertrud unterzutauchen.

Wir haben auch über Hanna gesprochen, die neben Gertrud in den Tagebuch-Seiten eine zentrale Rolle spielt. Hanna Sanders, die dann die in Delft entstandene Komödie in Moll in ihre Muttersprache, das Niederländische, übertrug und also jene mir immer rätselhafte »H. Sanders« war, die als Übersetzerin in den niederländischen Ausgaben von 1947 und von 2010 steht. Ja, die hatte sich in ihn verliebt. Und zögernd: Ja, die hatte er damals wohl auch geliebt.

Sechsundvierzig Sonette hat er für diese Hanna geschrieben, die damals 22 Jahre jung ist, ein Mädchen in seinen Augen – sicher im Vergleich mit Gertrud, die acht Jahre älter war als er. Gedichte hatte er mit ihr gelesen – wann hat er mir das erzählt? Viel früher schon? Nicht nur seine Erinnerungen sind unzuverlässig, wie er selbst in seinen Erinnerungsfragmenten Da steht mein Haus betont.

Die sechsundvierzig Sonette (er schreibt meist »Sonnette« wie Stefan George und in Anlehnung an die englische und die niederländische Schreibweise) haben sich in einem Typoskript erhalten. Die kamen erst nach seinem Tode zum Vorschein. Genau genommen hat sein treuer Lektor Roland Spahr sie mit sicherer Hand aus einem Stapel von Gedichtmanuskripten gefischt. Ich hatte sie zunächst für Übersetzungen gehalten.

Bei näherem Zusehen erweisen sich diese Sonette nicht nur als ebenjene Gedichte, von deren Entstehen im Tagebuch immer wieder die Rede ist. Sie erwiesen sich zudem als Begleitmelodie zum Tagebuch und werden darum unverändert und vollständig in diese Publikation des Tagebuch-Textes aufgenommen. Sie sprechen von der Begegnung mit und der Beziehung zu Hanna, von ihren traumatischen Erlebnissen (eines handelt von der Zerstörung ihres Elternhauses bei der Bombardierung von Rotterdam), von den Gemeinsamkeiten und von dem, was sie trennte. Von der Schwierigkeit, dass er auf Deutsch dichtete und sie seine Gedichte nun ausgerechnet in der Sprache des Feindes lesen musste, der doch auch sein Feind geworden war.

Nein, von Verbrennen oder Vernichten des Tagebuches war nie die Rede. Gut aufbewahren! Dass man es hätte veröffentlichen können, daran hat er sicherlich keine Sekunde gedacht. Um einen solchen Text zu Lebzeiten zu publizieren, dazu müsste man doch über ein höheres Maß an Exhibitionismus verfügen. Dass wir ihn jetzt doch zugänglich machen, in einer – leider, aber das ging nicht anders – von den zahllosen Niederlandismen befreiten, aber ansonsten treulich dem Original folgenden Form[2] – ich denke, dass er damit wohl einverstanden gewesen wäre.

Die Sonette waren in Delft – und vieles spricht dafür, dass das Typoskript in Delft angefertigt wurde – jedenfalls zur Publikation bestimmt, das kann man dem Tagebuch entnehmen. Hat er das dann nach dem Kriege versucht? Davon gibt es einstweilen keine Spuren. Es kann auch sein, dass er mit der Rückkehr zu Gertrud, Ende 1944, nicht nur das Widersacher-Typoskript buchstäblich, sondern auch das Sonette-Projekt im übertragenen Sinne »begraben« hat.[3]

Hanna hatte es nicht leicht mit seiner Entscheidung für Gertrud, die zugleich das Ende der Tagebuchaufzeichnungen bedeutete. Nach dem Kriege sah man sich wohl noch (auch weil Hanna bei der staatlichen Kommission für Jüdische Waisenkinder arbeitete und Hans Keilson bei Le-Ezrat HaJeled, der jüdischen Hilfsorganisation für dieselben Kinder). Sie war beeindruckt von Gertrud und scheint sogar deren graphologische Gutachten übersetzt zu haben. Dann heiratet sie Chanan Hoffman, der in der Jüdischen Brigade gekämpft hatte, und geht mit ihm bzw. zu ihm 1946 nach Palästina.[4] Nach dem Tode von Gertrud 1969 und der Wiederverheiratung von Hans Keilson (mit mir) hat sie ihm im November 1971 ein liebes, kleines Briefchen geschrieben, das er jedenfalls aufbewahrt hat. Ob er es beantwortet hat, wissen wir nicht, denn nach ihrem Tode 2007 haben ihre Kinder wohl etwas ratlos vor den niederländischen Teilen ihres Nachlasses gestanden. Von ihrer Übersetzung der Komödie in Moll wussten sie nichts. Ich schickte ihnen die englische Übersetzung von Damion Searls, aus der sie, wie sie mich wissen ließen, jedenfalls etwas über ihre Untertauchsituation erfuhren. Sie selbst hatte nie darüber gesprochen.[5] Als ich ihnen vorsichtig von der Liebesbeziehung ihrer Mutter zu Hans Keilson während der Delfter Untertauchzeit berichtete und ihnen die Frage vorlegte, ob ich die Identität ihrer Mutter in dieser Publikation enthüllen dürfe, war die Antwort ein uneingeschränktes Ja: »We are actually happy to find that Hanna had a love affair in the middle of this hellish period.«

 

Zum besseren Verständnis des Tagebuch-Textes und zur genaueren biographischen Einbettung sollte man wissen, wo genau sich Hans Keilson befindet, als er das Tagebuch schreibt, und wieso er dort ist, wo er ist. Das Tagebuch entsteht in den Niederlanden, in Delft, Wallerstraat 3, im Hause von Leo und Suus Rientsma[6], denen er 1947 seine Komödie in Moll gewidmet hat und von denen er immer wieder mit Dankbarkeit sprach. Leo Rientsma war Leiter einer Researchabteilung einer großen chemischen Fabrik in Delft, der Nederlandse Gist- en Spiritusfabriek (nach dem Kriege Gist Brocades, heute DSM).[7] Das war einer der wichtigen Industriebetriebe der Stadt, die ferner außer durch »Delfter Blau« durch den Maler Johannes Vermeer (16321675) berühmt ist, dessen Delfter »Straatje« im Amsterdamer Rijksmuseum und dessen Stadtansicht »Gezicht op Delft« ebenso wie das Mädchen mit der Perle im Mauritshuis in Den Haag zu sehen sind. Aber weder von Delfter Blau noch von Vermeer ist im Tagebuch die Rede. Ebensowenig von der Technischen Hochschule, die in Besetzung und Widerstand ihre eigene Geschichte hat.[8]

Was die allgemeine Situation zumal des jüdischen Teiles der niederländischen Bevölkerung betrifft, so waren schon bald nach der Überrumpelung der Niederlande durch die deutschen Besetzer im Mai 1940 die ersten anti-jüdischen Maßnahmen erfolgt. Im Februar 1941 hatten die ersten Razzias auf Juden den allgemeinen Februar-Streik zur Folge, der mit harter Hand niedergeschlagen wurde. Im selben Monat war der »Joodse Raad« auf Befehl der Besetzer eingerichtet worden, der letztendlich die Deportation der Juden aus den Niederlanden selbst zu organisieren hatte. Im Mai 1942 wurde der Judenstern eingeführt. Es gibt ein Foto, auf dem die Eltern Keilson mit diesem Judenstern zu sehen sind (Abb. 6); sie wurden im April 1943 in das Lager Westerbork gebracht und im November desselben Jahres in Auschwitz ermordet.

Hans Keilson und Gertrud Manz[9] wohnten in den Niederlanden zunächst in Amsterdam, aber schon seit September 1936 an wechselnden Adressen in...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2014
Nachwort Heinrich Detering
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte Amsterdam • Drittes Reich • Entfremdung • Exil • Gedicht • Gedichte • Gestapo • Liebe • Lyrik • Nationalsozialismus • Niederlande • Sonett • Tagebuch • untertauchen • Verfolgung • Versteck
ISBN-10 3-10-403172-X / 310403172X
ISBN-13 978-3-10-403172-9 / 9783104031729
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