Von Welt zu Welt (eBook)

Briefe einer Freundschaft 1914-1918
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2014 | 1. Auflage
480 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0816-3 (ISBN)

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Von Welt zu Welt - Romain Rolland, Stefan Zweig
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Zwei verfeindete Länder, zwei verwandte Seelen Während ihre Landsleute im ersten modernen 'Großen Krieg' gegeneinander kämpfen, werden Stefan Zweig und Romain Rolland zu intimen Brieffreunden: Von Rollands europäischer Haltung tief beeindruckt, schrieb Zweig dem französischen Schriftstellerkollegen 1910 einen Brief, der zum Anfangspunkt eines lebenslangen Zwiegesprächs werden sollte. Diese erstaunlichen Schriftstücke gewähren einen intimen Einblick in erlebte europäische (Geistes-)Geschichte und sind zugleich Belege einer großherzigen Freundschaft. Auch als der Erste Weltkrieg aufzog, hielten diese zwei europäischen Geistesgrößen des 20. Jahrhunderts an ihrem Austausch fest, an ihrer gemeinsamen Identität als Europäer. Erst in der Auseinandersetzung mit dem fünfzehn Jahre älteren Romain Rolland reifte Stefan Zweig zu dem kompromisslosen Pazifisten heran, der er für den Rest seines Lebens bleiben sollte. Diese Briefe - offenherzig das eigene Tun und Schaffen reflektierend und in Weltzusammenhänge stellend, mit ehrlicher Aufmerksamkeit für den anderen - sind gerade heute von unabweisbarer Aktualität und zugleich ein eminent wichtiges, berührendes Zeitzeugnis. Mit umfangreichem Hintergrundmaterial. Mit einem Begleitwort von Peter Handke

Romain Rolland, geb. 1866 in Clamecy, gest. 1944 in Vézelay, Sohn eines Notars; 1880 Übersiedlung nach Paris, 1886-1889 Studium, 1895 Lehrtätigkeit an der École Normale Supérieure. Ab 1912 lebte er als freier Schriftsteller mit längeren Aufenthalten in Italien und der Schweiz. Er schrieb Romane, politische Schriften, musikwissenschaftliche Arbeiten, Dramen, Tagebücher. 1915 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

1912


ZWEIG AN ROLLAND

Wien VIII, Kochgasse 8

17. Februar 1912

Sehr verehrter Herr Rolland,

der Frankfurter Verlag Rütten & Loening unterrichtet mich, dass er mit Ihrem Pariser Verleger die Publikation des »Jean-Christophe« beschlossen hat. Mir ist dies eine große Freude, und ich beglückwünsche Sie, als Herausgeber und Übersetzer Herrn Otto Grautoff gewählt zu haben, der zurzeit vermutlich unter allen Deutschen die umfänglichsten Kenntnisse über die moderne Literatur in Frankreich besitzt. Endlich also soll »Jean-Christophe« erscheinen! Ich war dieserhalb mit deutschen Verlegern im Gespräch (vornehmlich mit S. Fischer, dem besten), aber er zögerte noch, und nun erwirbt sich Rütten & Loening das Verdienst um die Edition dieses Meisterwerkes.

Aber Herrn Fischer habe ich bereits versprochen, für seine Zeitschrift »Die Neue Rundschau«, die beste in Deutschland, einen großen Essay über »Jean-Christophe« zu schreiben, und warte nur mehr auf den zehnten Band. Vor wenigem erst las ich »Le Buisson ardent« und bedaure nun lebhaft, im Französischen nicht genug heimisch zu sein, um Ihnen ausdrücken zu können, wie tief bewegt ich war von dieser stetig sich erhöhenden moralischen Kraft. Mit Ungeduld erwarte ich den zehnten Band, um es deutsch zu sagen. Zum Glück sind Sie einer der wenigen in Frankreich, die ohne Mittler zu lesen vermögen, was wir schreiben.

Erlauben Sie mir, Ihnen meine frühere kleine Bitte zu wiederholen, die Sie freundlichst gewährt hatten: einen Teil des Manuskripts von »Jean-Christophe« oder eine andere Handschrift von Ihnen. Seien Sie versichert, dass ich sie mit höchster Sorgfalt aufbewahren werde: sie wird einer Sammlung von Autographen meiner geliebtesten Autoren zugehören und eine Novelle von Balzac und eine von Flaubert zu Nachbarn haben.

Ganz glücklich war ich heute Morgen, dass mein Wunsch, »Jean-Christophe« möge nach Deutschland heimkehren, endlich Wirklichkeit werden soll, und ich konnte nicht anders, wie Ihnen diese armen Worte der Freude und Erwartung zu senden. In Treue Ihr

Stefan Zweig

ROLLAND AN ZWEIG

Freitag, 23. Februar 1912

Lieber Herr Zweig

Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen Brief. Ich bin glücklich, dass mein »Jean-Christophe« auf Deutsch herauskommt und dass Otto Grautoff bereit ist, die Übersetzung zu übernehmen. Ich bin sicher, dass er es mit aller Sorgfalt und allem wünschenswerten künstlerischen Einfühlungsvermögen tun wird. Der Verlag Rütten & Loening bereitet mir hingegen einige Sorge. Die Verhandlungen sind so schleppend vorangegangen, dass Ollendorff, weil ein Antwortbrief wochenlang ausblieb, drauf und dran war, sie abzubrechen; und noch heute sind nicht alle Formalitäten des Vertrages geregelt. Ich glaube, dass Rütten & Loening es nicht besonders eilig hat, das Werk herauszubringen.

Ich habe mit lebhaftem Interesse die »Vier Geschichten aus dem Kinderland« gelesen, die Sie mir freundlicherweise zugeschickt haben. Ich war bezaubert von der Kunst, mit der Sie diese jungen Seelen durchdrungen haben, jenes Zwitterhafte, das man zwischen zwölf und fünfzehn Jahren in sich trägt. Vor allem bewundere ich diese Stürme der Liebe und der leidenschaftlichen Eifersucht im Herzen des kleinen Schotten und des kleinen Juden vom Semmering.

Ich habe mein Versprechen nicht vergessen. Ich werde versuchen, Ihnen in diesem Jahr ein Manuskript zu schicken, das Ihrer Sammlung nicht allzu unwürdig ist. Erlauben Sie mir, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten. Man hat sich in letzter Zeit viel mit dem Leben Beethovens beschäftigt, und da die politischen Leidenschaften von allem Besitz ergreifen, wollen die einen aus ihm einen Freidenker machen, die anderen einen Klerikalen. Der eine Standpunkt scheint mir so lächerlich wie der andere. Ich glaube, dass Beethoven gleichermaßen von einem heroischen Stoizismus à la Plutarch, vom Deismus des 18. Jahrhunderts und von traditionellen katholischen Empfindungen durchdrungen war. Aber ich habe irgendwo gelesen, dass seine freimütigen Äußerungen die Aufmerksamkeit der Wiener Polizei auf ihn gelenkt hätten, und zwar wegen einiger kühner Worte über Christus. Ich möchte gerne wissen, ob das stimmt. Wissen Sie jemanden, der sich in Beethovens Denken einigermaßen auskennt? Die große Biographie von Thayer–Deiters–Hugo Riemann ist ein bisschen oberflächlich und zaghaft. Sollten Sie zufällig mit jemandem in Verbindung stehen, der hierüber gut informiert ist, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es mich wissen ließen.

Ich bin stolz darauf, dass Sie dem »Jean-Christophe« einen Essay widmen wollen. Ich werde Ihnen den letzten Band schicken, sobald er erschienen ist – das heißt im Oktober, wie ich hoffe.

Seien Sie meiner aufrichtigen Wertschätzung versichert

Romain Rolland

ZWEIG AN ROLLAND

[Postkarte]

[Poststempel:
Firenze, 1.4.1912]

Unser erster Gedanke, da wir uns hier in der schönen Villa von Galilli zusammenfinden, gilt dem Bedauern, Sie nicht unter uns zu haben! Florenz ist so schön wie je, und ich fühle hier auf jedem Wege die Erinnerungen meiner zwanzig Jahre wiedererstehen. Getreulichst Ihr ergebener

Stefan Zweig

Wunderbar, Zweig hier zu haben. Wunderbar, mit ihm an Sie zu denken. Dieses treue (und so hellsichtige) Denken ist so sehr das unsrige … Ich umarme Sie. Ebenso Andrée.

Andrée Jouve

P.J. Jouve

In Verehrung, teurer Herr Rolland,

Ihre ergebene

Friderike M. v. Winternitz

ZWEIG AN ROLLAND

[Postkarte]

Poststempel: 21.8.1912]

Lieber Herr Rolland,

ich bin zurzeit bei Emile Verhaeren, und innigst denken wir an Sie.

Wann erscheint der letzte Band des »Jean-Christophe«? Ich erwarte ihn ungeduldig, da ich meinen Essay für bald versprochen habe. Und ist die deutsche Ausgabe geregelt? Getreulichst Ihr sehr ergebener

Stefan Zweig

Gutes Gedenken in diesen Ferientagen an Romain Rolland

Em. Verhaeren

ROLLAND AN ZWEIG

[Postkarte]

Schönbrunn (Zug)

Mittwoch, 21. August 1912

Lieber Herr Zweig, ich danke Ihnen für Ihre Grüße. Der letzte Band des »Christophe« ist fertig. Das Manuskript ist unterwegs zum Drucker, Anfang Oktober wird das Werk in den »Cahiers de la Quinzaine« und Ende Oktober bei Ollendorff erscheinen. Ich hebe für Sie ein Manuskript auf.

Übermitteln Sie Emile Verhaeren bitte meine besten Grüße. Ihr herzlich ergebener

Romain Rolland

Was die deutsche Übersetzung anbelangt, geht alles seinen Lauf, Otto Grautoff arbeitet schon daran.

ROLLAND AN ZWEIG

Sonntag, 29. September 1912

Lieber Herr Zweig

Sind Sie jetzt in Wien? Ich werde Ihnen demnächst ein Manuskript vom letzten Band des »Jean-Christophe« schicken, der in Kürze erscheint.

Seien Sie sehr herzlich gegrüßt

Romain Rolland

162, boulevard Montparnasse

ZWEIG AN ROLLAND

1. Oktober 1912

Lieber verehrter Herr Rolland,

welche Freude Sie mir bereiten mit Ihrem Versprechen, dass mir das Manuskript des zehnten Bandes von »Jean-Christophe« gehören soll! Mit welcher Ungeduld ich es erwarte!

Augenblicklich stehe ich in Verhandlungen mit einem Volkstheater wegen der Aufführung eines Ihrer Dramen. Ich weiß, Sie lieben das Volk als echter Begeisterung fähiges Publikum, und ich hoffe, eine Inszenierung Ihres »Danton« oder der »Wölfe« zu ermöglichen, mit guten Schauspielern für die Hauptrollen und Studenten für die Menge. Was die Übersetzung betrifft, werde ich mit Ihnen oder Ollendorff verhandeln, sobald eine Entscheidung getroffen ist: ich habe meine Absicht Herrn Grautoff mitgeteilt. Wir sind uns einig. Und ich hoffe, Johann Christof eine gute Aufnahme zu bereiten, wenn er endlich nach Deutschland heimkehrt.

Ich bitte Sie, ein Drama von mir entgegenzunehmen, das demnächst an allen großen Theatern Deutschlands gespielt werden soll (Kaiserliches Theater in Wien, Max Reinhardt in Berlin, Königliches Theater München etc. etc.). Ich bin selbst erstaunt, dass es angenommen wurde, denn – sofern Sie Zeit finden, es zu lesen – es befasst sich keineswegs mit erotischen oder fashionablen Dingen, sondern ist im Gegenteil bemüht, die menschlichen Urkräfte, Güte, Schmerz und Ehre, in einem sehr beschränkten Milieu zu beschwören. Ich zweifle am Erfolg und wünsche ihn übrigens nicht einmal zu sehr. Ich füge Ihnen ein anderes Drama von mir bei, »Thersites«, die Tragödie der Hässlichkeit, vor mehreren Jahren verfasst.

Ich will Sie mit der Sendung nicht ermuntern, die Bücher zu lesen – ich weiß, Ihre Zeit ist kostbar –, aber Sie begreifen, ich suche ein Mittel, Ihnen meine Dankbarkeit, meine Erkenntlichkeit darzutun, und weiß mir im Augenblick kein anderes. Ihr Manuskript wird einen wunderbaren Einband und den Platz neben meiner letzten Erwerbung, der mir kostbarsten von allen, erhalten – einem Kapitel von Dostojewskis »Erniedrigten und Beleidigten«. Ich habe über Dostojewski ein Buch geschrieben: es soll in sechs Monaten erscheinen, und ich hoffe, es wird Ihr Interesse finden. Das von Suarès ist nach meiner Meinung sehr schön, doch ein wenig zu ungenau in der Bewunderung, ein wenig zu...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2014
Übersetzer Christel Gersch, Eva Schewe, Gerhard Schewe
Zusatzinfo Mit 2 Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte 1914-1918 • 1. Weltkrieg • 20. Jahrhundert • Briefe • Briefwechsel • Deutschland • Erster Weltkrieg • Europa • Frankreich • Freundschaft • Korrespondenz • Kulturgeschichte • Rolland • Romain Rolland • Sammlung • Schriftsteller • Stefan Zweig • Zeitzeugnis • Zweig • Zwiegespräch
ISBN-10 3-8412-0816-9 / 3841208169
ISBN-13 978-3-8412-0816-3 / 9783841208163
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