Exzess (eBook)

Meine zwei Leben
eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
272 Seiten
Pattloch Verlag
978-3-629-32020-9 (ISBN)
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Sein Leben kennt nur die Extreme: Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Dario Pizzano, DJ, Clubchef und Event-manager, führt ein Leben auf der Überholspur. Aber er merkt, dass er auf dem »Highway to Hell« dahinrast, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick - bis zum völligen Burnout. Da passiert ihm in einer Phase tiefster Depression etwas Ungeheuerliches: eine Gotteserfahrung. Das stellt sein Leben auf den Kopf.

Dario Pizzano, geb. 1974 in Göttingen, arbeitete nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann 12 Jahre als Eventmanager, Clubbetreiber und DJ im Eichsfeld. Nach einer intensiven Gotteserfahrung im Jahr 2005, stieg er innerhalb von Wochen aus allem aus, was vorher sein Leben bestimmt hatte. Er trennte sich von seinem Beruf, seinem Milieu und begann ein Theologiestudium. Heute arbeitet Dario Pizzano in der Erwachsenenbildung der Diözese Erfurt. In Heiligenstadt im Eichsfeld hält und organisiert er Vorträge, Workshops, Benefizveranstaltungen und diverse Projekte für benachteiligte Jugendliche.Dario Pizzano bloggt: www.dariopizzano.blogspot.com

Dario Pizzano, geb. 1974 in Göttingen, arbeitete nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann 12 Jahre als Eventmanager, Clubbetreiber und DJ im Eichsfeld. Nach einer intensiven Gotteserfahrung im Jahr 2005, stieg er innerhalb von Wochen aus allem aus, was vorher sein Leben bestimmt hatte. Er trennte sich von seinem Beruf, seinem Milieu und begann ein Theologiestudium. Heute arbeitet Dario Pizzano in der Erwachsenenbildung der Diözese Erfurt. In Heiligenstadt im Eichsfeld hält und organisiert er Vorträge, Workshops, Benefizveranstaltungen und diverse Projekte für benachteiligte Jugendliche. Dario Pizzano bloggt: www.dariopizzano.blogspot.com

Brief an ein paar gute Freunde


Liebe Freunde,

 

Ihr habt ja keine Ahnung, was Euch hier blüht. Ich widme Euch dieses Buch. Und ich habe nicht danach gefragt, ob Euch das gefällt. Ob ich das darf. Wir haben so viele Abenteuer miteinander geteilt, so viele rauschende Feste miteinander gefeiert, so viele Abstürze überlebt. Da habe ich mir gesagt: Einen habe ich noch gut – oder?

Verena und Antje, wisst Ihr noch, wie das war im Ambiente, wenn in der Nacht wieder einmal ein Event steigen sollte – eine Band war gebucht, Promi-Nacht, Rosenmontag, eine Halloween-Party sollte steigen … Wisst Ihr noch, wie das immer war? Natürlich wisst Ihr es. »Du läufst mal wieder Furchen!«, habt Ihr gerufen. Und es war so: Ich tigerte wie ein Irrwisch durch den Club. Die Augen flatterten. Blutdruck auf 180. »Hoffentlich kommen die Leute! Hoffentlich kommen die Leute!« Dann habt Ihr Mädels mich eingefangen, habt mich rechts und links untergehakt und mich abgeführt: »Hey, Pizza, komm mal her hier, jetzt trinken wir erst mal einen Vino – zur Beruhigung!« Ihr wart immer ungeheuer lieb zu mir. Es war schön, Euch immer in meiner Nähe zu wissen.

Und Du, Anja – weißt Du noch? Erinnerst Du Dich an die Nacht, in der alle schon gegangen waren? Nur wir beide waren übrig geblieben. Wir saßen auf der kleinen Bank an der Theke. Ein paar Scheinwerfer waren noch an. Im Lichtkegel tanzten die Partikel. Die Luft stand vor Zigarettenrauch und Alkoholdunst. Auf dem Boden die Kippen und die heruntergebrannten Wunderkerzen. Wir saßen da auf der Bank und packten unsere Beziehungskisten aus. Ohne Filter. Ohne Scham. Ohne Angst. Weißt Du noch, wie lange das dauerte? Eine Stunde. Zwei Stunden. Drei Stunden … Um 6 Uhr am Morgen kam endlich einer von uns auf die Idee, ein Taxi zu bestellen.

Und Du, Daniel, denkst Du noch daran, wie wir gemeinsam in Frankfurt auf dem Rockkonzert waren? Ein Bier? Klar, will ich ein Bier! … Noch ’n Bier? Klar will ich noch ’n Bier! … Ich war nur am Laufen. Noch ’n Bier? Klar, will ich noch ’n Bier! Wir hauten uns das Zeug nur so rein. Bis Du sagtest: »Mann, bin ich breit!« Da zeigte ich Dir das Schild. Lesen konntest Du noch. »Alkoholfrei« stand da drauf. Danach mussten wir stocknüchtern sein. Die ganze Rückfahrt über lachten wir uns kaputt.

Nun habe ich ein Buch geschrieben. Ihr kommt auch darin vor. Denn Ihr seid ein Teil meiner Geschichte, meines Lebens. Keine Angst, Ihr müsst nicht die Nummer von Eurem Anwalt heraussuchen. Es gibt noch ein paar Dinge, die auf immer zwischen Euch und mir vergraben bleiben. Ich habe mich zwar mal für ein paar Monate ausgeklinkt aus der Gesellschaft. Aber ich war Euer Freund, und ich werde immer Euer Freund sein. Ein Freund weiß alles vom anderen. Wir hatten nahezu keine Geheimnisse voreinander. Ihr kanntet jeden meiner Abstürze. Euch blieb keine meiner erotischen Eskapaden verborgen. Ihr wusstet, auf welchen Drogen ich gerade war und welche Verwundungen ich mit Alkohol betäubte.

Meine ganzen Nachtseiten habt Ihr mitbekommen, meine innere Anarchie, meine wilde Suche nach ein bisschen Glück, Liebe und Seelenfrieden. Halt – falsch! Ich wollte nicht ein bisschen Leben. Ich war gierig. Gierig wie ein hungriges Tier auf Witterung. Ich wollte immer den vollen Schluck. Wollte das ganze Leben. Wollte alles. Wollte Grenzen überschreiten, überschritt Grenzen, exzessiv, wie im Rausch – nein, im Rausch. Lief gegen die Wand. Holte mir eine blutige Nase. Stand wieder auf. Nahm den nächsten Schluck aus der großen Pulle. Stürzte mich wieder in den Tanz. Brauchte die lauten, schmerzlich harten Beats, brauchte meine Musik, die mich in die nächste Nacht, das nächste Abenteuer trieb. Ihr wolltet mir helfen. Habt mir wie oft die Hand gereicht. Ich konnte sie jedoch nicht greifen. Mir fehlte einfach das Vertrauen. Das Vertrauen in Eure Hilfe. Damit konnte ich nicht umgehen. Drogen, Frauen, Exzesse, Depressionen – diese Dinge waren mir all die Jahre vertraut. Damit wusste ich etwas anzufangen, denn mit diesen Dingen kannte ich mich nur zu gut aus. Ich hielt meine Nase viele Jahre in den gefährlich heißen Wind. Das alles kennt Ihr. Denn es war meine Biographie – aber das alles ist nur die Hälfte meines Lebens. Die andere Hälfte – die Hälfte, die mich ein Stück weit von Euch wegtrieb in neue, innere Abenteuer – die kennt Ihr nicht. Ihr könnt sie nicht kennen, weil man das, was ich Euch mitzuteilen hätte, nicht eben mal in einer Stunde bei einem Bierchen am Tresen erzählen kann. Ich müsste Euch mein ganzes Leben »beichten«, angefangen von der Kindheit bis heute. Wir müssten Nächte beieinandersitzen. Ihr müsstet mir einmal zuhören. Ich würde auch Euch zuhören. Und wir würden unsere Leben miteinander vergleichen. Die Rätsel und die Wunder. Das Elend und die Träume. Die Schweinereien und Heldentaten. Die Highlights und die Abgründe. Ich weiß, es würden Sternstunden werden. Wir würden rote Ohren dabei bekommen. Aber ich fürchte, das Leben gibt uns dazu keine Gelegenheit. Deshalb schreibe ich dieses Buch. Ich möchte in eine stillere Art von Gespräch mit Euch kommen. Und ich weiß, dass Ihr mir die Zeit dazu schenkt, indem Ihr lest, was ich für Euch aufgeschrieben habe. Für Euch und für unsere ganze Generation, die wir gemeinsame Erfahrungen machten – mit unserer Sehnsucht nach Nähe und neuen Formen des Umgangs miteinander, mit Drogenexperimenten, mit Musik, die zu einem vollkommenen Ausdruck unseres Selbst wurde, mit wildem, wahllosem Sex und tastenden Suchereien nach Liebe und Angesehenwerden.

Wisst Ihr noch, wie wir mit über vierhundert Leuten Abschied voneinander feierten, Abschied vom Ambiente, Abschied von einem gemeinsamen Stück Jugend, Abschied von einer unwiederbringlichen Erfahrung? Waren wir in dieser Nacht nicht wie ein einziger Leib, wie eine große Gemeinschaft, verbunden durch die Wärme unserer Körper, verbunden durch Musik, die wir liebten, verbunden durch unsere Geheimnisse, verbunden durch einen Duft, der über allem lag, einen Duft, der am nächsten Morgen verflogen sein würde, nur noch eingegraben in unsere Erinnerung? In dieser Nacht sind viele, viele Tränen geflossen, vielleicht die meisten bei mir selbst. Denn hinter unserem Lachen und unseren Umarmungen lag ein tiefer Schmerz.

Es würde nie wieder so sein, wie es gewesen war. Jedes der Gespräche in dieser Nacht des Abschieds enthielt ein Wort, auf das ich nur eine stammelnde Antwort geben konnte – das Wort »Warum?«. Hast du keinen Spaß mehr am Ambiente? – wurde ich gefragt. Und es schwang darin mit: Hast du keinen Spaß mehr mit uns? Willst du keiner mehr von uns sein?

Ihr, Anja, Daniel, Verena und Antje – Ihr ahntet wohl, dass es nicht so war. Ihr werdet Euch Euren Teil dazu gedacht haben, wenn bald die tollsten Gerüchte in der Stadt kursierten: »Der Dario ist jetzt total abgedreht. Hat eine Nase vom falschen Zeug genommen. Ist in eine Sekte eingetreten. Hat Erscheinungen. Steht kurz vor der Klapsmühle.« Eine richtige Antwort auf diese Gerüchte konntet Ihr nicht geben. Ihr wisst ja nur die Hälfte.

Ehrlich gesagt, brauchte ich selbst Zeit, um zu verstehen, was mit mir geschah. Es war so ganz anders als alles zuvor. Es war viel krasser als LSD. Vor allem: Ich hatte keine Sprache dafür. An einem bestimmten Punkt – dem Punkt, an dem dieses Buch einsetzt – gab ihm jemand den Arbeitstitel Burnout. Einfach, um eine Vokabel zu haben, über die man reden konnte. Burnout – das kennt heute jeder: Zu viel gearbeitet, zu viel Stress, zu viele Probleme. Die Seele spielt nicht mehr mit. Keine Kraft. Keine Ideen. Kein Feuer. Ein Loch, wo sonst die Seele ist. Ein Krater, wo das kalte Herz pocht. Manchmal, wenn ich ganz unten war, dachte ich sogar selbst: Ja, das ist es – ein wohlverdienter Burnout. Mehr nicht. Junge, du bist total ausgebrannt. Zu viel gesoffen. Zu viel lustige Pillen. Zu viel schlaflose Nächte. Ein Wrack. Schluss mit lustig. Insolvenz total.

Aber es waren nur diese Momente äußerster Verlassenheit, in denen ich dachte, es sei einfach ein stinknormaler Burnout. In Wahrheit wusste ich in jeder Phase meiner Transformation, dass mein realer, grausamer Burnout nur die notwendige Basis einer fundamentalen persönlichen Verwandlung war, für die ich sehr spät erst das richtige Wort gefunden habe. Es lautet: Burn in. Bei mir musste nur einiges im Feuer geläutert werden, Elemente von Sucht verbrannt und Wahnsinnsängste in Flammen aufgehen – das war mein Burnout –, bevor dieses ruhige Licht kommen konnte, das heute in mir brennt. Das ist Burn in.

Ich gebe dieses Gefühl nicht mehr her. Ich habe so einen unglaublichen Preis dafür bezahlt, dass etwas Göttliches in mir brennt und ich heute nicht mehr der ausgebrannte, exzessive Strahlemann bin, der ich einmal war. Ich bin heute ein Mensch, der sich wie neugeboren fühlt, weil er ein wärmendes Licht im Herzen spürt, das still und kraftvoll brennt und mir Kraft ohne Ende gibt. Wenn Ihr dieses Licht auf die eine Seite der Waagschale legt und auf die andere Seite alle Orgasmen, alle Trips und alle euphorischen Zustände legt, die ich je in meinem Leben erfahren habe – und Ihr wisst alle: das waren eine Menge –, dann würde ich keine Sekunde zögern und nach dem Licht greifen. Für alle Freunde von Giovanni Trappatoni: Ich habe also nicht fertig. Ich bin nicht am Ende. Ich bin kein Wrack. Ich bin auch nicht verrückt geworden. Ich stehe nicht unter dem Einfluss einer heftigen, neuen Droge. Ich bin stocknüchtern, nicht...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2010
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte Erleuchtung im Christentum • Erweckungserlebnis • Glaubenserfahrung • Gotteserfahrung • Gotteserscheinung • Lebenskrise • Spirituelle Erfahrung • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-629-32020-1 / 3629320201
ISBN-13 978-3-629-32020-9 / 9783629320209
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