Meine wundervolle Buchhandlung (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
208 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8816-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine wundervolle Buchhandlung -  Petra Hartlieb
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Petra Hartlieb lebt gemeinsam mit ihrer Familie in und über einer Buchhandlung. Ihrer eigenen. Aus einer Schnapsidee heraus bemühte sie sich im Urlaub gemeinsam mit ihrem Mann um eine gerade geschlossene Traditionsbuchhandlung in Wien. Von einem auf den anderen Tag kündigte sie ihren Job und begann mit ihrer Familie ein neues Leben in einer neuen Stadt, ohne zu wissen, worauf sie sich einlässt. Im Herzen ist Petra Hartlieb noch immer Hippie geblieben, auf dem Papier ist sie aber nun schon seit zehn Jahren Unternehmerin. In diesem Buch erzählt sie ihre eigene Geschichte und die ihrer Buchhandlung. Einer Buchhandlung, die zum Wohnzimmer für die eigene Familie wird, und zum Treffpunkt für die Nachbarschaft. Mit Stammkunden, die zu Freunden werden, und Freunden, die Stammkunden sind. Petra Hartlieb erzählt in einem schlagfertigen und humorvollen Ton, der jede Zeile zu einem großen Vergnügen macht und jedes Kapitel zu einer Liebeserklärung an die Welt der Bücher.

Petra Hartlieb wurde 1967 in München geboren und ist in Oberösterreich aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und Geschichte und arbeitete danach als Pressereferentin und Literaturkritikerin in Wien und Hamburg. 2004 übernahm sie eine Wiener Traditionsbuchhandlung im Stadtteil Währing, heute »Hartliebs Bücher«. Davon erzählen ihre bei DuMont erschienenen Bestseller >Meine wundervolle Buchhandlung< und >Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung<. In >Wenn es Frühling wird in Wien< und >Sommer

 

Nun haben wir also eine Buchhandlung. Und wann verkauft man die meisten Bücher? Genau. Zu Weihnachten. Und es ist erst Anfang Oktober, das wäre doch gelacht, wenn man nicht bis zum November den Laden aufsperren könnte. Davor müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten erledigt werden. Zum Beispiel das Geld, das wir uns noch leihen müssen, nach Wien bringen, Mietverträge für Ladenlokal und Wohnung aushandeln, eine Bank suchen, die uns einen Kredit für die Konkursmasse gibt, ohne allzu viele Fragen zu stellen, Kindergartenplatz für die Tochter suchen, Schule für den Sohn, Gewerbeschein erstehen, den alten Laden, der voller Bücher und Büromaterial und Deko und Verpackungsmaterial ist, ausräumen, Wände streichen, Schaufensterrahmen streichen, neue Elektrik installieren, Logo entwerfen, Plastikboden rausreißen und und und. Wie gesagt, es ist ja erst die zweite Oktoberwoche, also Eröffnung am 4. November? Ah ja, und den Umzug nach Wien erledigen wir später. Wohnung haben wir eh noch keine.

Wie praktisch, dass es im Oktober die Frankfurter Buchmesse gibt und wir da ohnehin hinfahren müssen. Und weil Oliver für den Standaufbau seines Noch-Arbeitgebers zuständig ist und demnach im Stress, bin ich es, die sich um unsere Zukunft kümmert. Ich muss schließlich nur ein paar Interviews führen, also nutze ich die Zeit und treffe mich dazwischen mit all jenen Leuten, die man so braucht, wenn man eine Buchhandlung gekauft hat. Die Chefs der Auslieferungen in Österreich und Deutschland, Verbandspräsidenten, Kammerchefs, Vertriebschefs der wichtigen Verlage, Kolleginnen usw. Warum nur habe ich das Gefühl, dass die meisten meiner Gesprächspartner mitleidig lächeln? »Das ist wirklich sehr mutig, was Sie da vorhaben, aber es kann funktionieren.« Danke, es muss funktionieren. Wir haben keine Wahl.

Dazwischen haben Oliver und ich immer gute Ideen, die wir uns bei kurzen Begegnungen auf den Buchmessegängen zuwerfen: »Vielleicht brauchen wir einen Anwalt für die Vertragsunterzeichnung? Kennen wir jemanden, der uns eine Bank empfiehlt?« Die Handyrechnung ist vermutlich höher als der zu erwartende Tagesumsatz, aber da müssen wir durch. Ich besitze eine Zauberkarte, die nennt sich Presseausweis. Mit der kommt man ins Pressezentrum der Buchmesse, und da sitzen die ganzen Kollegen und tippen ganz wichtig ihre Beiträge über die Messe. Ich hingegen recherchiere die Nummer eines Anwalts, der mich vor ein paar Jahren mal in einem Arbeitsprozess vertreten hat, sonst kenne ich keinen. Ich rufe die einzige meiner Freundinnen an, die etwas mit Wirtschaft und Banken zu tun hat, schließlich hat sie Ökonomie studiert, die muss doch einen Bankbeamten kennen, der uns einen Kredit gewährt. »Ich kenn jemanden, der kennt jemanden, der kennt jemanden« ist in Österreich nach wie vor der gängige Weg, niemals würde ich auf die Idee kommen, einfach so bei einer Bank anzurufen.

Dazwischen wird – wie jedes Jahr – der Nobelpreis für Literatur bekannt gegeben, und zu meinem Schreck bekommt den ausgerechnet dieses Jahr Elfriede Jelinek. Meine Bank-Anwalts-Wirtschaftskammergespräche werden jäh unterbrochen von einem Anruf der für mich zuständigen Ressortleiterin des Senders: »Du musst den Beitrag gestalten, du bist die einzige Österreicherin.« Als würde mich das befähigen, spontan einen Radiobeitrag über Jelinek zu machen! Schnell ein paar O-Töne einsammeln, Leute suchen, die etwas über die nicht gerade beliebteste Österreicherin zu sagen haben, ein paar ihrer Bücher habe ich irgendwann gelesen.

Und dann ist die Buchmesse zu Ende, Oliver überwacht den Abbau des Standes, ich packe die Koffer, und kurz vor Mitternacht geht’s los auf die Autobahn in Richtung Wien. Im Gepäck sämtliche Bücher der frischgebackenen Nobelpreisträgerin und ein lebensgroßes Farbplakat mit dem Schriftzug Literaturnobelpreis, wie praktisch, dass ihre Bücher in Olivers Verlag erscheinen. Wir werden die erste Buchhandlung sein, die ein Jelinek-Schaufenster hat. Da werden wir uns wohl nicht nur Freunde machen.

Bis zum Vormittag müssen wir in Wien sein. Wir haben einen Gesprächstermin bei einer Bank, der wir von Frankfurt aus einen beeindruckenden Businessplan gefaxt hatten. Das geht sich aus, wie der Österreicher sagt.

Um sechs Uhr früh schlagen wir bei unseren Freunden auf, Oliver legt sich ein Stündchen aufs Ohr, wir duschen, werfen uns in Anzug und Kostüm, und pünktlich um halb neun sitzen wir mit müden Augen und einem Schnellhefter mit mattem Deckblatt einem seriösen Bankerpärchen gegenüber, das ein wenig aussieht, als wäre es direkt der Bausparkassenwerbung entsprungen, um über unsere Zukunft zu entscheiden. Vor ihnen auf dem Tisch liegt der ausgedruckte Businessplan unserer zukünftigen Firma, und wir hoffen inständig, dass die Bankangestellten noch nicht mitbekommen haben, dass der Buchhandel seit vielen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten eine totgeredete Branche ist. Sie blättern begeistert zwischen Excel-Tabellen und Tortendiagrammen hin und her, mein Mann hat nichts vergessen, die demografische Entwicklung des Bezirks, geschätzte Einkommensverhältnisse, Konkurrenzgeschäfte, zu erwartender Umsatz der nächsten zehn Jahre und und und. Ich schenke mir die dritte Tasse lauwarmen Filterkaffee ein, und die Worte schwirren in meinem Kopf: AWS-Kredit, Roherlös, Deckungsbeitrag … ich werde ganz schnell wach, als mein Handy klingelt. Unser Anwalt. Ich deute in die Runde, dass es wichtig sei, und erhebe mich vom Besprechungstisch. Leider habe ich den Raum noch nicht verlassen, als die Stimme aus dem Hörer brüllt: »Diese Mistkerle! Den Mietvertrag für die Wohnung unterschreiben wir sicher nicht. Die glauben wohl, wir sind total deppert!« Ich sehe gerade noch die hochgezogene Augenbraue der Bankdame, bevor ich leise die Tür zuziehe. »Herr Doktor, bitte ein wenig leiser! Ich bin gerade bei der Bank. Kann ich Sie zurückrufen?«

»Nein, bin den ganzen Tag am Gericht, ich meld mich wieder! Aber den Mietvertrag für die Wohnung unterschreiben wir sicher nicht! Wir sind ja nicht bescheuert!«

»Aber Sie wollten uns doch zum Geldübergabetermin begleiten!«

»Ja, stimmt. Gut, ich werde da sein.«

Eine Dreiviertelstunde später stehen wir auf dem kleinen Platz vor der Bank und haben einen Kredit von 70 000 Euro in der Tasche. Mein armer deutscher Mann ist hin- und hergerissen zwischen großer Freude und totaler Verachtung: »Österreich ist ein seltsames Land. Ich meine, wir spazieren da rein, legen denen ein paar bunte Blätter auf den Tisch, erzählen ihnen was von unserer jahrelangen Erfahrung in der Buchbranche, und die geben uns einfach das Geld? Einfach so?«

»Ja, die spüren halt, dass wir gut sind. Wir sind ein dynamisches Erfolgsduo.«

Oliver fährt mit dem Daumen vorsichtig über einen meiner Augenringe. »Ja, du dynamische Hälfte eines Erfolgsduos, jetzt gehen wir erst einmal schlafen.« Das Haus der Freunde ist leer, die Erwachsenen bei der Arbeit, die Kinder im Kindergarten. Wir schälen uns aus den seriösen Kleidern und fallen auf das Klappsofa. Oliver schiebt eine Hand unter mein T-Shirt und streichelt halbherzig meinen Rücken. »Glaubst du, wir machen das Richtige?« Ich denke über eine Antwort nach, und als ich sage: »Ich weiß es nicht«, da ist er schon eingeschlafen.

Drei Stunden später betreten wir den hohen Schalterraum der Postsparkasse. Oliver ist beeindruckt von dem Otto-Wagner-Bau, stellt sich staunend mitten in die Kassenhalle. Meine Ehrfurcht bezieht sich eher auf die Summe, die wir gleich von meinem ehemaligen Studentenkonto abholen werden: 40 000 Euro, überwiesen vom Erben und Exfreund, seit zwei Stunden offiziell in meinem Besitz, auf einem Konto, das seit seiner Gründung eigentlich immer im Soll war. Geben die mir überhaupt so viel Geld? Fragen die nicht, wo das plötzlich herkommt? Wollen die nicht wissen, was ich damit mache?

»Das sind doch keine Beträge. Es gibt Menschen, die holen sich dauernd solche Summen, die merken nicht einmal, wenn jemand eine halbe Million auf ihr Konto überweist.« Mein Mann macht plötzlich einen auf weltmännisch, so kenn ich ihn noch gar nicht.

Die Schalterbeamtin wirft einen kurzen Blick in meinen Reisepass und zählt tatsächlich ungerührt einen Stapel Geld auf den Tresen. Eine kleine Papiertüte, eine Quittung, ich stecke das Paket in meine Handtasche und umklammere den Griff, bis die Fingerknöchel weiß werden. Einfach so tun, als wäre nichts, als würde ich ständig mit solchen Beträgen in der Stadt rumlaufen, immer wieder drehe ich mich um, wechsle die Tasche von einer Hand in die andere.

Nächste Station: Wirtschaftskammer, Jungunternehmerberatung. Ein Stapel Papier, Hochglanzbroschüren mit gut aussehenden Menschen in seriösen Outfits und ein nicht besonders informatives Gespräch über Unternehmensgründung. So richtig folgen kann ich der Dame nicht, schließlich muss ich mich auf die 40 000 Euro in meiner Handtasche konzentrieren. Buchhandel war früher in Österreich ein geschütztes Gewerbe, nur ausgebildete Buch- und Musikalienhändler konnten ein eigenes Geschäft eröffnen. Seit einer Regierungsreform Ende der neunziger Jahre kann das jeder, wahrscheinlich müsste man nicht mal lesen können. Das ist sehr praktisch, denn nachdem mein Mann der Deutsche ist und ich die Österreicherin bin, muss der Gewerbeschein auf mich ausgestellt werden und nicht auf Oliver, der seit zwanzig Jahren ausgebildeter Buchhändler ist. Ich bin gar nichts, also werde ich Jungunternehmerin und beantrage einen Gewerbeschein.

Viel zu früh sind wir in unserer neuen Straße, die im Oktoberregen...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Biografien & Erinnerungen • Biografien & Erinnerungen • Branchen & Berufe • Branchen & Berufe • Buchhandlung • Buchladen • Claus-Ulrich Bielefeld • Lebenstraum • Österreich • Romane & Erzählungen • Romane & Erzählungen • Romanhafte Biografie • Wien
ISBN-10 3-8321-8816-9 / 3832188169
ISBN-13 978-3-8321-8816-0 / 9783832188160
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