Entenblues (eBook)

Band 2 - Kriminalroman
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2014 | 1. Auflage
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-14437-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Entenblues -  Thomas Krüger
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Der zweite Band der fantastischen Krimiserie mit Erwin Düsedieker und seinen Laufenten Lothar und Lisbeth
Was ist los in Bramschebeck? Erwin Düsedieker, der Sohn des ehemaligen Dorfpolizisten, hat das Waffenlager eines mörderischen Geheimbundes ausgehoben. Trotzdem gilt er weiterhin als Trottel, der in Gummistiefeln über Äcker und Wiesen stapft und mit seinen Enten Lothar und Lisbeth spricht. Bald heißt es im Dorf, er habe in dem Waffenlager Geld gefunden und unterschlagen. Und dann liegt auch noch eine grässlich zugerichtete Leiche in seinem Gartenteich. Erwin hat das Gefühl, in einen Strudel aus Erpressung und Verdächtigungen zu geraten. Und Lothar und Lisbeth droht der Entenblues ...

Thomas Krüger, geboren 1962 in Ostwestfalen, arbeitete zunächst als Journalist für Tageszeitungen und Magazine. Heute ist er Hörbuch- und Kinderbuchverleger, Autor von Kinderbüchern (»Jo Raketen-Po«) und zahllosen Sonetten - u.a. an Donald Duck. Thomas Krüger lebt mit seiner Familie in Bergisch Gladbach bei Köln.

Ein Männlein, still und stumm

Die Nacht verlief dramatisch. Die Hitze der vergangenen Tage und die vom Juli hinterlassene Feuchtigkeit vertrugen sich nicht. Gewittersturmgüsse zerzausten die Felder, die Wiesen und Wälder um Bramschebeck. In der Früh um drei, als es besonders heftig blitzte und krachte, holte der besorgte Erwin die Enten ins Haus. Er drückte sie an sich, unter einem weiten Regenmantel, als er durch den Garten zurückeilte. Der Himmel brüllte, dröhnte, sandte mit irrwitzigem, rhythmischem Trommeln Flüche auf ihn herab. Lichter flammten. Der Regen platschte, als ließe er Wasser säckeweise fallen. Dann saßen sie in der dunklen Küche, wo sie – RABABAMM!!! – alle paar Sekunden von greller Helligkeit erfasst und abgetastet wurden. Das Weiß der Enten war eine andere Farbe als das klinische Weiß dieses stroboskopischen Lichts. Es tarnte die Tiere, wenn es im Raum aufblitzte. Doch die Enten glimmten irgendwie nach in den Momenten der Dunkelheit zwischen den Zornesausbrüchen des Himmels.

Erwin fürchtete sich vor Gewittern dieser Art. Er saß an die Wand gedrückt, in der Ecke, auf der Holzbank. Dort, wo das durchs Fenster hereinzuckende Licht ihn nur schlecht erreichen konnte. Wo ein Blitz hoffentlich nicht hinlangen würde. Erwin erinnerte sich an Nächte, in denen er mit seiner Mutter hier gekauert hatte. Gertrude betend im Geschützdonner des Himmels. Worte murmelnd, in denen von Schuld und Reue die Rede gewesen war und auf unverständliche Art auch von ihm, Erwin, mit dem der Herrgott doch nachsichtig sein möge, weil er, Erwin, ja nichts dafür könne.

Wofür konnte er nichts?

Sein Vater Friedhelm war in den furchtbaren Nächten selten daheim gewesen. Oft brannte es irgendwo. Ein Hof, eine Scheune ging in Flammen auf. Die Gebäude der Hölle mögen feuerversichert sein, aber sie brennen. Die Gewitternächte in Erwins Erinnerung waren Nächte, in denen Recht und Ordnung, wie Friedhelm sie vertrat, auf die Mächte des Himmels zurückgriffen. So hatte Erwin auch Gewitter als Strafen kennengelernt – für Vergehen, deren er sich nicht bewusst war.

Das machte die Sache extrem schwierig.

Lothar und Lisbeth blieben bei allem Geschepper von Licht und Luft sehr ruhig. Erwins Verstand mochte die Enten aus einer besonderen Tierliebe heraus ins Haus geholt haben. Sein Unterbewusstsein hatte es aus Angst getan, und weil die Enten ihn beruhigten. Als Blitz und Donner sich nach einer Stunde verzogen, fiel Erwin noch in der Küche auf der Holzbank in einen unruhigen Schlaf, aus dem er gegen kurz vor fünf wieder erwachte. Draußen dämmerte es grau. Es regnete. Die Enten waren verschwunden. Schlaftrunken machte sich Erwin auf die Suche, fand die Kellertür offen, stieg hinunter und stellte fest, dass er auch die schmale Hintertür, die vom Vorratskeller aus über eine Treppe zum Garten hinaus führte, offen gelassen hatte. Wasser stand am Fuß des Treppenaufgangs. Wasser war in den Keller gedrungen. Wasserzungen ragten über die Schwelle ins Haus, bewegten sich amöbisch langsam voran, auf die Vorratsregale zu. Zwischen den Nassflächen auf dem graubraunen Steinboden unmittelbar vor der Tür sah Erwin die Abdrücke von Entenfüßen. Er meinte in seiner Schlaftrunkenheit und im Halbdunkel auch Abdrücke von Stiefeln zu erkennen. Aber darüber dachte er nicht nach. Die Enten waren wohl zurück in ihr Gartenhaus gegangen. Zweisamkeit. Die Liebe. Und sie kannten sich in den Räumen der alten Wache aus. Lisbeth hatte das Haus schneller und gründlicher erkundet als damals Lothar, fiel ihm ein.

Erwin schloss die Tür und machte, dass er noch einmal ins Bett kam. Er fror, obwohl es warm und schwül werden würde an diesem Tag. Wenn die Wasserpfützen im Keller mittags noch nicht getrocknet waren, würde er aufwischen. Jetzt war er müde. Bis um halb acht verbrachte er die Zeit in traumlosem Schlaf. Dann meldete sich Arno Wimmelböcker.

Das Klingeln an der Haustür war drängend. Erwin hob den Kopf, sah auf das gelbliche Zifferblatt des mechanischen Weckers. Arno wusste, dass Erwin mitunter nicht ganz so früh unterwegs war wie er selbst, und nahm morgens meist Rücksicht. Weshalb also läutete er Sturm? Vor knapp zwei Wochen war Arnos Mutter gestorben, und Erwin hatte tagelang nichts von Arno gehört. Erwin hatte Theresia Wimmelböcker nie kennengelernt, und Arno selbst hatte schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Erwin wusste, dass Arno in einem früheren Leben ein ziemlicher Säufer gewesen war, der irgendwann enterbt und von seiner schon seit Jahren verwitweten Mutter aus dem Haus und vom Hof gejagt worden war. Diesen früheren Arno hatte Erwin nie kennengelernt. Seit dem Rauswurf lebte Arno bei Hilde Gerkensmeier in einer Funktion, die ein vergangenes Zeitalter wohl Stallknecht genannt hätte.

Was das aktuelle Zeitalter zu Arno sagen würde, darüber konnte man nur spekulieren. Jedenfalls soff er nur noch einmal in der Woche, in Gerda Kluckhuhns Dorfkrug, und war ansonsten ein bescheidener und herzensguter Mensch.

»Äwinn!? Bisse schonn wach!?«

Jetzt brüllte Arno auch noch vor der Tür herum. Erwin wälzte sich aus dem Bett, warf den alten Morgenmantel über, schob seine Füße in das Paar Pantoffeln vor der Bettkante und stolperte zur Zimmertür. Die Nacht hatte ihn irgendwie ausgelaugt. Oder lag das an der kommenden Hitze? In Erwins Kopf schmerzte was.

»Äwinn?!«

»Jaddoch! Komm ja schonn!«

Erwins Schlafzimmer befand sich in der zweiten Etage des Hauses: ein kleiner, angeschrägter, fast lichtloser Raum neben dem ehemaligen Elternschlafzimmer von Gertrude und Friedhelm Düsedieker. Dort drüben stand das alte Ehebett. Dort lagerten seit Friedhelms Tod und der Auflösung der Polizeidienststelle Versloh auch Teile des Mobiliars der damaligen Wachstube: der große Schreibtisch, einige Aktenschränke, Büroutensilien und dergleichen. An dem Schreibtisch saß Erwin, wenn er ermittelte.

Aber das war ja Vergangenheit, brachte ihm der Kopfschmerz wieder ins Gedächtnis. Und die Polizeimütze, die dort irgendwo lag, würde Erwin nie wieder aufsetzen.

Vorsichtig stieg Erwin die Holztreppe hinab. Schritt für Schritt wurde sein Gang sicherer. »Komme!«, rief er Richtung Haustür. Arno konnte, wenn er klingelte und Erwin im Haus vermutete, schnell ungeduldig werden. Dann war er vor allem laut. Lautstärke war nicht gerade das, was Erwin jetzt brauchte. Nicht nach dieser Nacht.

Erwin öffnete die Tür, und Arno fuchtelte mit der linken Hand, in der er eine zusammengefaltete Zeitung hielt. Waren das nicht sogar zwei Zeitungen?

»Mönsch, Äwinn. Jetz bisse richtich berühmt. Möönsch!«

»Morgn, Arno.«

Arno ließ sich nicht ausbremsen. Das Fuchteln seiner Linken gründete in Wiegebewegungen, die Arno mit ganzem Körper ausführte. Er war aufgeregt.

»Werner sacht, da hasse bestimmt was mitgehn lassn. Hätter auch gemacht, sachta!«

»Werner? Was hätt er mitgehn lassn?«

»Na, so Geld, nä? Wassn mit Steuern? Musste aufpassn, sacht Werner!«

»Steuern? Sach mal, wass’n los, Arno?«

»Steht inne Zeitung. Hier. Hat Werner alles schonn gelesn. Unn Hilde!«

Die Zeitung. Erwins Kopfschmerz wurde stärker.

»Werner sacht, du biss jetz wohl was Bessers. Hass die Mütze auch gaa nich mehr auf. Habbich schonn gemerkt. Biste nich mehr nurn Pollezist, nä? Is sogar was inn Kreisblatt!«

»Was? Äh … Werner?« – jetzt war Erwin vollkommen verwirrt. Hörte er da nicht auch einen leisen Vorwurf in Arnos Stimme? »Die Mütze? Pöhlings Werner?«

»Nee!« – Arno schüttelte den Kopf: »Nich Pöhling. Blitzwerner!«

»Blitzwerner?«

»Weiße doch! Der kam grad mitte Zeitung. Nachn Gewitter n’büschn spät. Sogar in beide bisse drin. Ich habse hier. Werner wollt das Kreisblatt noch zu Siggemann rüber in Pogge. Der liest das ja. Aber Hilde hatts behalten. Kenns ja Hilde …«

»Nee, so nich«, meinte Erwin abwesend und starrte auf die beiden gefalteten Zeitungen, die Arno in der Hand hielt. Zwei Zeitungen, tatsächlich: den Pökenhagener Landboten und das Dettbarner Kreisblatt. Hatte Jens Buschfranz wieder zugeschlagen? Erwin befürchtete Schlimmes. Blitzwerner – oder Werner Ottensmeier – war der Postbote von Versloh. Der Mann mit dem höchsten Dienstfahrradverschleiß im gesamten Kreis. Werner trug morgens, oft schon um fünf Uhr früh, die Zeitungen aus und wiederholte seine Radrunden mittags mit der Normalpost. Werner Ottensmeier also, Blitzwerner, hatte …

»Komm ma rein, dass’s mir zu kompliziert für anne Tür«, sagte Erwin, und Arno griente, weil er ein Pinnchen Wacholderschnaps witterte – oder zwei.

Sie setzten sich in die Küche, wo nichts an die bange Stunde in der Nacht erinnerte. Und auch nichts an die Enten, denn Lisbeth und Lothar waren ausnehmend saubere Tiere. Allerdings wären Arno Spuren von Einstreu oder Ähnlichem wohl nicht aufgefallen. In seinem Bett auf dem Hof von Hilde Gerkensmeier hatten auch schon mal Ferkel übernachtet, als in einer fürchterlichen Winternacht vor vier oder fünf Jahren eine geschwächte Sau gestorben war, nach Ausfall der Heizungsanlage. Da hatte Arno seine ganze menschliche Größe gezeigt und den Wurf mit seiner Körperwärme gerettet.

Solch ein Mensch war Arno.

Nachdem Erwin Kaffee gekocht und ein erstes Schnäpschen als Aperitif zum Filtertütengebräu gereicht hatte, berichtete Arno mit lockerer Zunge von den Gerüchten in Bramschebeck und Umland. Was Arno ausließ, nicht wusste oder missdeutete, erklärten die...

Erscheint lt. Verlag 10.11.2014
Reihe/Serie Erwin Düsedieker
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Dietmar Bär • eBooks • Ente • Erwin • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Lisbeth • Lothar • Mord • Ostwestfalen • Ostwestfalen, Krimi, Ente, Erwin, Lothar, Lisbeth, Mord, Dietmar Bär
ISBN-10 3-641-14437-X / 364114437X
ISBN-13 978-3-641-14437-1 / 9783641144371
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