Die Auslese - Nichts vergessen und nie vergeben (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
416 Seiten
Penhaligon (Verlag)
978-3-641-12332-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Auslese - Nichts vergessen und nie vergeben -  Joelle Charbonneau
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Sie allein kennt die Wahrheit über die Auslese
Cia Vale ist gemeinsam mit ihrem Freund Tomas an der Akademie von Tosu City aufgenommen worden. Und obwohl die Regierung ihnen ein Medikament verabreicht hat, das alle Erinnerungen an das brutale Auswahlverfahren der »Auslese« löschen soll, hat Cia nichts vergessen - weder die schrecklichen Todesfälle noch ihre Liebe zu Tomas.

Ab sofort kennt sie nur noch ein Ziel: die »Auslese« zu beenden, indem sie dafür sorgt, dass die ganze Welt die grausame Wahrheit erfährt. Doch damit bringt Cia nicht nur sich selbst, sondern auch alle, die sie liebt, in größte Gefahr ...

Joelle Charbonneau begann mit dem Schreiben, als sie noch Opernsängerin war. Heute ist die Schriftstellerei ihre größte Leidenschaft. Joelle Charbonneau lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Chicago. Wenn sie nicht schreibt, arbeitet sie als Schauspiel- und Stimmtrainerin.

Kapitel 1

Heute ist der Tag der Prüfung.

Ich schiebe den kühlen Stoff meines Oberteils über die fünf langen, gezackten Narben auf meinem Oberarm und betrachte mich im Spiegel. Eine blaue Tunika mit langen Ärmeln, eine graue Hose, ein silbernes Armband mit einem einzigen Stern. Dieser Stern und die dunklen Ringe der Müdigkeit unter meinen Augen sind es, die mich als Studentin in der Eingangsphase der Universität kennzeichnen. Auch bei meinen neunzehn Kommilitonen sehe ich ähnliche Anzeichen dafür, dass sie bis spät in die Nacht hinein für den heutigen Tag gelernt haben. Sechs Monate lang haben wir die gleichen Vorbereitungskurse besucht, und heute werden wir nun geprüft und den Studienfächern zugeordnet, die für den Rest unseres Lebens im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen werden.

Meine Brust fühlt sich eng an. Früher habe ich mich immer auf Tests gefreut. Ich mochte die Gelegenheit zeigen zu können, was ich mir angeeignet hatte. Zu beweisen, dass ich hart gearbeitet hatte. Andere wissen zu lassen, dass ich klug bin. Nun bin ich mir nicht mehr sicher, was richtig ist oder wie die Konsequenzen für falsche Antworten aussehen werden. Während sich die anderen Kursteilnehmer darüber Gedanken machen, welche Auswirkungen die Prüfungen auf die vor ihnen liegenden Jahre haben werden, mache ich mir Sorgen, dass ich den heutigen Tag nicht überlebe.

Normalerweise schlinge ich meine Haare zu einem dicken, dunklen Knoten zusammen, damit sie mir nicht ins Gesicht fallen. Heute jedoch entscheide ich mich dafür, sie offen zu tragen. Vielleicht lassen sich hinter den dunklen Locken die Spuren der letzten schlaflosen Monate verbergen. Wenn nicht, hilft es vielleicht, mir kalte Kompressen auf die Augen zu legen, wie meine Mutter es mir beigebracht hat.

Beim Gedanken an meine Mutter durchströmt mich eine Woge von Sehnsucht. Der Kontakt zwischen Universitätsstudenten und ihren Familien ist zwar nicht ausdrücklich verboten, wird aber auch nicht gefördert. Die meisten Studenten, die ich kenne, haben bisher kein einziges Wort von ihren Lieben zu Hause gehört. Ich dagegen hatte Glück. Einer der Offiziellen aus Tosu-Stadt war bereit gewesen, kurze Nachrichten zwischen mir, meinen Eltern und meinen vier älteren Brüdern zu überbringen. Es geht ihnen gut. Mein Vater und mein ältester Bruder, Zeen, arbeiten an einem Düngemittel, um das Wachstum von Pflanzen zu beschleunigen. Mein zweitältester Bruder, Hamin, hat sich verlobt. Er und seine zukünftige Frau werden im nächsten Frühling heiraten. Seine Entscheidung hat unsere Mutter dazu bewegt, auch für Zeen und meine Zwillingsbrüder, Hart und Win, nach Ehefrauen Ausschau zu halten. Bislang waren all ihre Bemühungen jedoch vergebens.

Außer meiner Familie ist es noch jemandem gelungen, mir Briefe zukommen zu lassen. Meine beste Freundin Daileen hat mir versichert, dass sie eifrig lerne und im Augenblick Klassenbeste sei. Ihre Lehrerin habe angedeutet, sie könne dieses Jahr vielleicht für die Auslese ausgewählt werden. Daileen wünscht sich sehr, zu mir nach Tosu-Stadt zu kommen. Ich hingegen hoffe, dass sie bei den Prüfungen versagt. Ich wünsche mir, dass sie an einem Ort bleibt, an dem die Antworten auf Fragen einen Sinn ergeben und an dem ich sie in Sicherheit weiß.

Ein Klopfen an der Tür lässt mich zusammenzucken. »Hey, Cia, bist du so weit? Wir wollen doch nicht zu spät kommen.« Stacia hat recht. Wer nicht pünktlich da ist, wird zur Prüfung gar nicht erst zugelassen. Was das für die Zukunft bedeutet, wissen wir zwar nicht, aber wir legen auch beide keinen großen Wert darauf, es herauszufinden.

»Noch eine Minute«, rufe ich, während ich mich neben das Fußende meines Bettes knie und die Hand zwischen den Bettrahmen und die Matratze schiebe. Suchend tasten meine Finger herum, bis sie auf eine ausgebeulte Stelle stoßen. Ich atme erleichtert auf. Der Transit-Kommunikator meines Bruders Zeen ist noch immer dort versteckt und mit ihm die Geheimnisse, die er in sich birgt.

Vor einigen Monaten habe ich das Symbol entdeckt, das ich in das kleine Gerät geritzt hatte, damit ich die Rekorderfunktion und die geheimen Aufnahmen wiederfinde. Ich hörte mir den vertraulichen Bericht an, konnte mich aber nicht daran erinnern, diese Worte gesprochen zu haben. Schließlich schnitt ich meine Matratze auf und versteckte den Kommunikator darin. Woche für Woche, Monat für Monat versuchte ich, mir einzureden, dass das, was ich gehört hatte, nicht wahr wäre. Sah ich denn nicht jeden Tag, dass meine Mitstudenten anständige Menschen sind? Dass die Professoren und die Angestellten in der Verwaltung, die uns auf die Zukunft vorbereiten, wollen, dass wir erfolgreich sind? Einige von ihnen geben sich reserviert, andere treten arrogant auf. Keiner der Studenten oder der Lehrkräfte ist perfekt, aber wer ist das schon? Trotz ihrer Schwächen will ich einfach nicht glauben, dass auch nur einer von ihnen der geflüsterten, manchmal kaum zu verstehenden Dinge fähig ist, die auf dem Kommunikator aufgezeichnet sind.

»Cia.« Stacia reißt mich aus meinen Gedanken. »Wir müssen wirklich los.«

»Stimmt. Entschuldige.« Ich schlüpfe in meinen Mantel, hänge mir meine Unitasche über die Schulter und verdränge die Fragen, die die Vergangenheit aufwirft. Sie werden warten müssen. Jetzt muss ich mich erst mal auf meine Zukunft konzentrieren.

Stacia runzelt die Stirn, als ich auf den Flur trete. Ihr dunkelblondes, glattes Haar ist zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, sodass ihre kantigen Gesichtszüge noch deutlicher als sonst hervortreten. »Was hast du denn so lange herumgetrödelt? Wir werden die Letzten sein.«

»Was alle anderen nervös machen wird«, ergänze ich spöttisch. »Sie werden sich fragen, ob wir es nicht nötig haben, früh genug da zu sein, um unsere Aufzeichnungen mit denen der anderen zu vergleichen.«

Stacias Augen werden schmal, während sie nickt. »Du hast recht. Ich liebe es, die Konkurrenz auf solche Weise einzuschüchtern.«

Ich hasse es. Meine Eltern haben mich gelehrt, immer und überall mit fairen Mitteln zu kämpfen.

Stacia aber bemerkt mein Unbehagen nicht. Unser Weg führt uns an gesunden Bäumen, üppigem Rasen und etlichen Gebäuden der Universität vorbei. Allerdings würde Stacia auch dann nichts sagen, wenn sie etwas von meinen Gefühlen mitbekommen hätte. Sie kann mit typischen Mädchengesprächen oder belanglosem Geplauder nichts anfangen. Zuerst habe ich mich von ihrer Schweigsamkeit angestachelt gefühlt und versucht, sie aus der Reserve zu locken, wie ich es bei meiner besten Freundin daheim in Five Lakes zu tun pflegte. Heute jedoch kreisen so viele Fragen in meinem Kopf, dass ich froh über ihre wortlose Begleitung bin.

Im Vorübergehen winke ich einigen älteren Studenten zu. Wie immer ignorieren sie uns. Nach dem heutigen Tag werden die älteren Kommilitonen, die das Gleiche wie wir studieren, für unsere Einweisung zuständig sein. Bis dahin tun sie so, als würden wir gar nicht existieren. Die meisten meiner Klassenkameraden sind dazu übergegangen, ihnen ebenfalls keinerlei Beachtung mehr zu schenken, aber ich kann das nicht. Meine Erziehung verbietet es mir, so unhöflich anderen gegenüber zu sein.

»Ha. Hätte ich mir denken können, dass er auf uns wartet.« Stacia verdreht die Augen und lacht. »Ich würde das ganze Kompensationsgeld, das meine Familie für mich bekommen hat, darauf verwetten, dass er auch während der Auslese ständig um dich herumgeschwirrt ist. Zu dumm, dass ich nie erfahren werde, ob ich diese Wette gewinnen würde.«

Mein Herz macht einen Satz, als ich Tomas Endress entdecke, der in der Nähe der Vordertür des vierstöckigen Gebäudes aus roten und weißen Backsteinen steht, in dem die Vorbereitungskurse stattgefunden haben. Der leichte Wind des Spätwinters weht seine Haare in alle Richtungen. Tomas hat sich seine Unitasche lässig über die Schulter gehängt. Seine grauen Augen und das Lächeln, das Grübchen in seine Wangen zaubert, ruhen auf mir, und winkend kommt er uns die Treppe hinunter entgegen. Tomas und ich kennen uns schon unser ganzes Leben lang, aber die letzten Monate haben uns enger zusammenwachsen lassen, als wir es uns zu Hause hätten träumen lassen. Mit Tomas an meiner Seite fühle ich mich klüger. Selbstbewusster. Und habe gleichzeitig entsetzliche Angst davor, dass alles, was ich über ihn zu wissen glaube und was ich an ihm bewundere, in Wahrheit eine Lüge ist.

Stacia rollt mit den Augen, als Tomas mir einen Kuss auf die Wange gibt und seine Finger mit meinen verschränkt. »Ich habe schon angefangen, mir deinetwegen Sorgen zu machen. Die Prüfung beginnt in zehn Minuten.«

»Cia und ich hatten nicht das Bedürfnis, früher herzukommen und uns wie alle anderen verrückt zu machen. Wir sind gut vorbereitet. Nicht wahr, Cia?« Stacia schiebt sich ungeduldig ihren blonden Pferdeschwanz über die Schulter zurück und wirft mir ein Lächeln zu, was bei ihr selten genug vorkommt.

»Stimmt«, sage ich und klinge dabei überzeugter, als ich es eigentlich bin. Ja, ich habe hart für diese Prüfung gearbeitet, aber die geflüsterten Worte auf dem Transit-Kommunikator lassen mich daran zweifeln, dass ich jemals wirklich auf das vorbereitet sein kann, was nun vor uns liegt.

Nicht zum ersten Mal wünsche ich mir, mein Vater wäre hier und ich könnte mit ihm sprechen. Vor annähernd dreißig Jahren hat er selbst die Universität besucht. Während ich aufwuchs, hatte ich Hunderte von Fragen über seine Zeit hier. Nur selten habe ich von ihm Antworten bekommen. Damals hatte ich geglaubt, dass er mit seiner...

Erscheint lt. Verlag 12.1.2015
Reihe/Serie Die Auslese-Trilogie
Übersetzer Marianne Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Independent Study (Book II)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Auswahl • Dystopie • dystopie fantasy • eBooks • Fantasy • Prüfung • Science Fiction • Science Fiction, Dystopie, Test, Prüfung, Auswahl, Testing • Test • Testing
ISBN-10 3-641-12332-1 / 3641123321
ISBN-13 978-3-641-12332-1 / 9783641123321
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