Sturm über roten Wassern (eBook)

Band 2 - Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
944 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-14711-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturm über roten Wassern -  Scott Lynch
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Das Fantasy-Event der letzten Jahre
Dies sind die Abenteuer von Locke Lamora - Meisterdieb, Lügner und wahrer Gentleman -, der mit seiner Bande aus dem Herzogtum Camorr geflohen ist und nun über sturmumtoste Ozeane reist. Dies sind die Abenteuer eines Fantasy-Helden, den Sie nie wieder vergessen werden ...

Nach seinem hochgelobten Erstlingsroman 'Die Lügen des Locke Lamora' setzt der junge Amerikaner Scott Lynch seine atemberaubende Serie fort, mit der er die Abenteuer-Fantasy neu definiert.

Scott Lynch wurde 1978 in St. Paul, Minnesota, geboren. Er übte sämtliche Tätigkeiten aus, die Schriftsteller im Allgemeinen in ihrem Lebenslauf angeben: Tellerwäscher, Kellner, Web-Designer, Werbetexter, Büromanager und Aushilfskoch. Zurzeit lebt er in New Richmond, Wisconsin. 'Die Lügen des Locke Lamora', sein erster Roman, wurde auf Anhieb ein riesiger Erfolg.

Rückblick


Der Capa von Vel Virazzo


1


Vor fast zwei Jahren war Locke Lamora in Vel Virazzo eingetroffen; damals wollte er am liebsten sterben, und Jean Tannen war geneigt, ihn gewähren zu lassen.

Vel Virazzo ist ein Tiefwasserhafen ungefähr einhundert Meilen südöstlich von Tal Verrar; er liegt geschützt inmitten der hohen Felsenklippen, welche die Festlandküste des Messing-Meers dominieren. Die Stadt beherbergt acht- bis neuntausend Seelen und zahlt seit Langem widerwillig und mürrisch Steuern an die Verrari; regiert wird sie von einem Gouverneur, den der Archont persönlich einsetzt.

Direkt vor der Küste ragt eine Reihe von schmalen Elderglastürmen zweihundert Fuß hoch aus dem Wasser, ein weiteres rätselhaftes Vermächtnis der Eldren in einer Gegend, die angefüllt ist mit diesen verlassenen Wunderwerken, deren Funktion niemand zu ergründen vermag. Auf den Spitzen dieser Glaspylone sitzen große Plattformen, die nun als Leuchttürme benutzt und von verurteilten Kleinkriminellen bemannt werden. Mit Booten transportiert man sie zu den Pylonen und lässt sie an Strickleitern hinaufklettern. Oben angekommen, hieven sie ihre Vorräte hoch und richten sich für ein paar Wochen in diesem luftigen Exil ein; ihre Aufgabe ist es, die roten alchemischen Lampen von der Größe einer kleinen Hütte zu warten und in Gang zu halten. Wenn man diese Männer dann wieder abholt, ist manch einer von ihnen verrückt geworden, und lange nicht jeder überlebt diese körperliche und seelische Tortur.

Zwei Jahre vor jenem verhängnisvollen Schwips-Vabanque im Sündenturm von Tal Verrar rauschte eine wuchtige Galeone im roten Schein dieser Küstenlaternen auf Vel Virazzo zu. Die Toppgasten, die auf den Rahnocken der Galeone herumturnten, winkten den einsamen Gestalten auf den Pylonen halb mitleidig, halb im Scherz zu. Am westlichen Horizont hatten dicke Wolkenbänke die Sonne verschluckt, und ein sanftes, erlöschendes Licht ergoss sich über das Wasser, während im tiefdunklen Osten bereits die ersten Sterne blinzelten.

Es wehte eine feuchtwarme, ablandige Brise, und aus den grauen Felsen, die beidseitig die alte Hafenstadt einrahmten, schienen dünne Nebelschleier zu entweichen. Die gelb gefärbten Marssegel der Galeone waren dicht gerefft, als das Schiff sich darauf vorbereitete, eine halbe Meile vor der Küste beizudrehen. Ein kleines Skiff der Hafenmeisterei flitzte hinaus, der Galeone entgegen; die grünen und weißen Laternen am Bug wippten im Rhythmus der acht kräftig pullenden Rudergasten.

»Welches Schiff?« Die Hafenmeisterin stellte sich in den Bug neben die Laternen und rief das fremde Schiff aus einer Entfernung von dreißig Yards an.

»Die Golden Gain – aus Tal Verrar«, wurde mittschiffs von der Galeone zurückgerufen.

»Wollt ihr in den Hafen einlaufen?«

»Nein! Wir möchten lediglich in einem Beiboot Passagiere absetzen.«

In der tief im Achterschiff liegenden Kabine stank es nach Krankheit und Schweiß. Jean Tannen kam gerade vom Oberdeck zurück und konnte die säuerlichen Ausdünstungen nicht länger ertragen, was seine ohnehin schon miese Stimmung noch verschlechterte. Er warf Locke eine geflickte blaue Tunika zu und verschränkte die Arme.

»Verdammt noch mal!«, grollte er. »Wir sind endlich an unserem Ziel eingetroffen. Den Göttern sei Dank, dass wir von diesem beschissenen Schiff runterkommen und wieder einen Fuß auf schöne, harte Steine setzen können. Zieh sofort die Tunika an, sie lassen ein Boot zu Wasser.«

Mit der rechten Hand schüttelte Locke die Tunika aus und runzelte die Stirn. Nur in Unterzeug hockte er auf der äußersten Kante einer Koje und war dünner und schmutziger, als Jean ihn je gesehen hatte. Unter der bleichen Haut stachen die Rippen hervor wie die Spanten eines im Bau befindlichen Schiffs. Sein ungewaschenes Haar wirkte dunkel vor Fett, und es hing an den Seiten in langen, zotteligen Strähnen herunter. Ein dünner, stoppeliger Bart rahmte das spitze, blasse Gesicht ein.

Der Oberarm war übersät mit den glänzenden roten Narben kaum verheilter Wunden; ein verschorfter Einstich war am linken Unterarm zu sehen, und das Handgelenk steckte in einem schmuddeligen Verband. Die linke Hand war ein einziger, sich mittlerweile ins Gelbliche verfärbender Bluterguss. Eine fleckige Bandage bedeckte teilweise eine hässlich aussehende Verletzung an seiner linken Schulter, nur wenige Zoll über dem Herzen. Während der drei Wochen auf See waren die Schwellungen an Lockes Wangen, den Lippen und der gebrochenen Nase weitgehend zurückgegangen, trotzdem sah er immer noch aus, als hätte ein Maultier ihn ins Gesicht getreten, und zwar mehrere Male.

»Kannst du mir helfen?«

»Nein, du musst dich schon selbst anziehen. In der letzten Woche hättest du mit den Übungen anfangen müssen, um dich fit zu machen. Ich kann nicht dauernd bei dir hocken und dich betutteln, als wäre ich dein verdammtes Kindermädchen.«

»Tja, am liebsten würde ich dir ein beschissenes Rapier durch die Schulter stoßen und dann ein bisschen in der Wunde herumstochern. Mal sehen, wie schnell du dann bereit bist, irgendwelche Gymnastikübungen zu machen.«

»Ich habe Verletzungen abgekriegt, du Jammerlappen, doch im Gegensatz zu dir war ich immer bestrebt, meine Kräfte schnellstmöglich wiederzuerlangen.« Jean hob seine Tunika; oberhalb der wesentlich kleiner gewordenen Wölbung seines einst beachtlichen Schmerbauchs zog sich die feuerrote Narbe einer Schnittwunde entlang, die quer über die Rippen verlief. »Und wenn es noch so wehtut, ich trainiere eisern und lasse mich nicht hängen. Du musst dich ständig in Bewegung halten, andernfalls verwächst die Narbe, und das Gewebe wird so fest wie kalfatertes Werg. Dann hast du wirklich ein Problem.«

»Damit liegst du mir dauernd in den Ohren.« Locke warf die Tunika neben seine bloßen Füße auf den Boden. »Doch wenn dieser Fetzen kein Eigenleben entwickelt und sich mir überstülpt und du dich hartnäckig weigerst, mir zu helfen, muss ich so wie ich bin von Bord gehen.«

»Die Sonne geht schon unter. Es ist zwar Sommer, aber draußen wird es kühl sein. Doch wenn du darauf bestehst, dich zum Gespött der Leute zu machen, werde ich dich nicht daran hindern.«

»Weißt du was, Jean? Du bist ein verfluchter Hurensohn!«

»Wenn du gesund wärst, würde ich dir dafür glatt noch mal die Nase brechen, du wehleidiger kleiner Wicht … «

»Meine Herren?« Durch die Tür drang die gedämpfte Stimme einer Matrosin, gefolgt von einem lauten Klopfen. »Der Kapitän lässt Sie schön grüßen, das Boot liegt bereit.«

»Danke!«, brüllte Jean. Er fuhr sich mit einer Hand durch den Haarschopf und seufzte. »Wieso hab ich mir eigentlich den Arsch aufgerissen, um dir wieder einmal das Leben zu retten? Statt deiner Elendsgestalt hätte ich lieber die Leiche des Grauen Königs mit aufs Schiff nehmen sollen! Der wäre eine angenehmere Gesellschaft gewesen!«

»Bitte«, drängte Locke und gestikulierte mit seinem unversehrten Arm. »Lass uns einen Kompromiss schließen. Ich benutze beim Anziehen meinen gesunden Arm, so gut ich kann, und wenn die schlimme Seite an der Reihe ist, hilfst du mir. Bring mich nur von diesem Schiff runter, und ich beginne sofort mit den Übungen.«

»Damit kannst du gar nicht schnell genug anfangen«, meinte Jean, und nach kurzem Zögern bückte er sich nach der Tunika.

2


Während der nächsten paar Tage, nachdem sie die feuchte, stinkende, schwankende Welt der Galeone verlassen hatten, übte Jean Nachsicht mit Locke. Er war einfach zu erleichtert, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, um gereizt auf die Lethargie seines Freundes zu reagieren. Selbst für zahlende Passagiere glich eine Seereise eher einem Gefängnisaufenthalt als einem Urlaub.

Mit ihrer Handvoll Silbervolani (die sie beim Ersten Maat der Golden Gain zu einem unverschämt hohen Kurs gegen ihre mitgeführten Camorri-Solons eingetauscht hatten – doch der Mann behauptete, bei ihm seien sie immer noch besser dran, als wenn sie sich von den numismatischen Wegelagerern, sprich den offiziellen Geldwechslern der Stadt, ausrauben ließen) mieteten sie sich ein Zimmer in der dritten Etage der Silbernen Laterne, einem baufälligen alten Gasthof im Hafengebiet.

Jean machte sich sofort auf die Suche nach einer Einkommensquelle. Wenn Camorrs Unterwelt ein tiefer See gewesen war, so glich die von Vel Virazzo einem Tümpel mit stehendem Wasser. Im Handumdrehen kannte er die führenden Gangs, die den Hafenbezirk kontrollierten, und wusste, in welcher Beziehung sie zueinander standen. In Vel Virazzo gab es so gut wie gar keine durchorganisierte Kriminalität, und keinen Oberboss, der die Fäden in der Hand hielt. Er brauchte nur ein paar Nächte lang in den richtigen Kaschemmen zu saufen, um ganz genau zu wissen, an wen er sich wenden musste.

Sie nannten sich die Messing-Kerle, und sie lungerten in einer verlassenen Gerberei herum, die im Ostteil des Hafens lag, wo die Wellen klatschend gegen eine Reihe verrottender Piers anliefen, die seit zwanzig Jahren nicht mehr für legale Zwecke benutzt worden waren. Des Nachts entwickelten die Messing-Kerle rege Aktivitäten als Einbrecher, Räuber und Taschendiebe. Den Tag verbrachten sie mit Schlafen, Würfelspielen und dem Versaufen des größten Teils ihrer Beute. An einem klaren, sonnigen Nachmittag – es war gerade zwei Uhr – trat Jean die Tür zu ihrem Schlupfwinkel ein, obwohl sie nur lose in den Angeln hing und nicht einmal abgeschlossen war.

Ein rundes Dutzend Mitglieder der Gang hatte sich in der alten Gerberei verschanzt, junge Männer,...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2014
Reihe/Serie Locke Lamora
Übersetzer Ingrid Herrmann-Nytko
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Red Seas under Red Skies
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Abenteuer • Bande • eBooks • Fantasy • Gentleman Bastard • Gentleman Bastard, Locke Lamora • Held • High Fantasy • Locke Lamora • Meisterdieb • Ozean • Reihe • Reise • Roman • Schiff • Serie
ISBN-10 3-641-14711-5 / 3641147115
ISBN-13 978-3-641-14711-2 / 9783641147112
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