Das Bildnis des Dorian Gray (eBook)

Roman | Der Klassiker in grandioser, zeitgemäßer Neuübersetzung | Naturpapier mit Goldprägung

(Autor)

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2015 | 2. Auflage
292 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76490-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde
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Dem vielfach preisgekrönten Übersetzer Eike Schönfeld ist es gelungen, die sprachlichen Finessen und die brillanten Dialoge Oscar Wildes in ein zeitgemäßes Deutsch zu übertragen. Ein wahres Lesevergnügen, das einlädt, dieses Meisterwerk zu entdecken.

Der junge, unverdorbene Dorian Gray gerät in den zerstörerischen Bann des zynischen Dandys Lord Wotton. Fortan führt er ein ausschweifendes Leben, gibt sich ganz dem Vergnügen hin und verliert sämtliche moralischen Hemmungen. Während sein Äußeres unverändert jung und makellos schön bleibt, mutiert sein Porträt zu einer schrecklichen Fratze ...

»Eike Schönfeld ist eine Modernisierung gelungen, die den Roman wieder lesenswert macht. Sie ist so gut, dass man sie allein als Grund nennen kann, das Buch wieder einmal oder auch zum ersten Mal zu lesen....Gelungen auch der Umschlag, der goldenes Jugendstil-Ornament nutzt, ohne kitischig zu wirken.« Dandy Club



<br />Oscar (Fingal O'Flahertie Wills) Wilde wurde am 16. Oktober 1854 in Dublin als Sohn des Arztes William Wilde und der Dichterin Jane Francesca Elgee geboren. Er studierte klassische Literatur am Trinity College in Dublin und am Magdalen College in Oxford. 1879 ging er nach London, wo er sich bald durch seinen extravaganten Lebensstil und seine rhetorische Gewandtheit einen Namen machte. Nach Reisen in die USA, nach Kanada und Frankreich arbeitete Wilde zunächst für verschiedene Zeitungen als Lektor und Herausgeber. Seit 1884 mit Constance Lloyd verheiratet, schrieb und veröffentlichte er 1888 für seine eigenen Kinder die Märchensammlung <i>The</i> <i>Happy Prince and Other Tales</i>. In den folgenden Jahren entstanden weitere Erzählungen (wie <i>The Picture of Dorian Gray,</i> 1891) und zahlreiche Bühnenstücke (wie <i>The Importance of Being Earnest</i>, 1895), die außerordentliches literarisches und gesellschaftliches Aufsehen erregten. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges stürzte ihn dann jedoch der Skandal um das langjährige Verhältnis mit Lord Alfred Douglas in den Ruin. Wilde verlor eine Verleumdungsklage gegen Douglas Vater, der ihn der Sodomie bezichtigt hatte, und wurde selbst in einem Strafprozeß wegen Unzucht zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Reading floh er vor der gesellschaftlichen Ächtung unter falschem Namen nach Paris. Völlig mittellos starb er hier am 30. November 1900.

KAPITEL I


Das Atelier war erfüllt von üppigem Rosenduft, und wenn der leichte Sommerwind im Garten zwischen den Bäumen aufkam, wehte zur offenen Tür das schwere Aroma des Flieders oder das feinere Parfum des pink blühenden Dornbuschs herein.

Von der Ecke des Diwans mit den persischen Satteltaschen, auf dem er wie gewohnt lag und rauchte, konnte Lord Henry Wotton gerade so einen Schimmer der honigsüßen und honigfarbenen Blüten eines Goldregens erhaschen, dessen bebende Zweige kaum fähig schienen, die Last einer solch flammengleichen Schönheit zu tragen, und hie und da huschten die wundersamen Schatten von Vögeln im Flug über die langen Vorhänge aus Tussahseide, die vor dem großen Fenster gespannt waren und ihn mit ihrem flüchtigen japanischen Effekt an jene bleichen, jadegesichtigen Maler Tokios erinnerten, die durch das Medium einer zwangsläufig unbeweglichen Kunst den Eindruck von Hast und Bewegung zu vermitteln suchen. Das mürrische Gemurmel der Bienen, die sich durch das lange, ungemähte Gras drängten oder mit monotonem Beharren um die staubigen goldgelben Hörner des wuchernden Geißblatts kreisten, machte die Stille noch lastender. Das dumpfe Brausen Londons war wie das Schnarrwerk einer fernen Orgel.

Mitten im Raum, an eine aufrechte Staffelei geklemmt, stand das lebensgroße Portrait eines jungen Mannes von außerordentlicher persönlicher Schönheit, und davor, in einem gewissen Abstand, saß der Künstler selbst, Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden einige Jahre zuvor in der Öffentlichkeit für heftige Erregung gesorgt und Anlass zu vielen seltsamen Mutmaßungen gegeben hatte.

Als der Maler die anmutige und wohlgeformte Gestalt betrachtete, die er in seiner Kunst so geschickt gespiegelt hatte, glitt ihm ein freudiges Lächeln übers Gesicht und schien dort auch verweilen zu wollen. Doch plötzlich fuhr er hoch und schloss die Augen, legte die Finger auf die Lider, als wollte er im Gehirn einen eigentümlichen Traum einsperren, aus dem er zu erwachen fürchtete.

»Das ist deine beste Arbeit, Basil, das Beste, was du je gemacht hast«, sagte Lord Henry träge. »Das musst du nächstes Jahr natürlich in die Grosvenor* geben. Die Academy* ist zu groß und zu vulgär. Jedes Mal, wenn ich dort war, gab es entweder so viele Leute, dass ich keine Bilder sehen konnte, was grässlich war, oder, noch schlimmer, so viele Bilder, dass ich keine Leute sehen konnte. Es geht wirklich nur die Grosvenor.«

»Ich glaube, ich gebe es nirgendwo hin«, antwortete Basil und warf in jener merkwürdigen Art, über die schon seine Freunde in Oxford gelacht hatten, den Kopf zurück. »Nein: Es kommt nirgends hin.«

Lord Henry hob die Brauen und sah ihn durch die dünnen blauen Rauchringel, die in solch wundersamen Windungen von seiner stark mit Opium versetzten Zigarette aufstiegen, verblüfft an. »Nirgends? Aber warum denn, mein Lieber? Hast du dafür einen Grund? Was seid ihr Maler nur für komische Kerle! Ihr unternehmt alles auf der Welt, um euch einen Namen zu machen. Kaum habt ihr einen, wollt ihr ihn gleich wieder wegwerfen. Das ist doch albern, denn es gibt nur eines auf der Welt, was schlimmer ist, als im Gespräch zu sein, nämlich es nicht zu sein. Ein solches Portrait würde dich über alle jungen Männer Englands weit hinausheben und die alten ganz neidisch machen, falls alte Männer überhaupt einer Gefühlsregung fähig sind.«

»Ich weiß, du wirst mich auslachen«, erwiderte er, »aber ich kann es wirklich nicht ausstellen. Dafür habe ich zu viel von mir hineingelegt.«

Lord Henry streckte sich auf dem Diwan aus und lachte.

»Ich hab's gewusst, aber es stimmt trotzdem.«

»Zu viel von dir! Ich muss schon sagen, Basil, ich wusste nicht, dass du so eitel bist; ich kann nun wirklich keine Ähnlichkeit zwischen dir mit deinem derben, kräftigen Gesicht und den kohlschwarzen Haaren und diesem jungen Adonis erkennen, der aussieht, als bestünde er aus Elfenbein und Rosenblättern. Also, mein lieber Basil, er ist ein Narziss und du – na, du hast wohl schon einen intellektuellen Ausdruck und so weiter. Schönheit dagegen, wahre Schönheit endet da, wo der intellektuelle Ausdruck beginnt. Der Intellekt an sich ist eine Form der Übertreibung und zerstört in jedem Gesicht die Harmonie. Kaum setzt man sich zum Denken hin, wird man ganz Nase oder ganz Stirn oder so etwas Scheußliches. Schau dir doch nur die Männer in den akademischen Berufen an. Wie hässlich sie sind! Außer natürlich in der Kirche. Aber in der Kirche denken sie ja auch nicht. Ein Bischof sagt mit achtzig Jahren immer noch das, was man ihm als Achtzehnjährigem eingeredet hat, und die natürliche Folge ist, dass er stets wunderbar aussieht. Dein mysteriöser junger Freund, dessen Namen du mir nicht verraten hast, dessen Bild mich aber wirklich fasziniert, denkt nie. Da bin ich mir ganz sicher. Er ist ein hirnloses, schönes Wesen, das immer im Winter da sein sollte, wenn wir keine Blumen anschauen können, und auch immer im Sommer, wenn wir etwas brauchen, was unsere Intelligenz abkühlt. Bilde dir nur nichts ein, Basil, du bist nicht im mindesten wie er.«

»Du verstehst mich nicht, Harry«, erwiderte der Künstler. »Natürlich bin ich nicht wie er. Das weiß ich sehr wohl. Ich möchte auch gar nicht aussehen wie er. Du zuckst die Schultern? Es ist aber die Wahrheit. Jede körperliche und intellektuelle Besonderheit hat etwas Fatales, was ja auch die taumelnden Schritte von Königen die Geschichte hindurch verfolgt. Besser ist es, nicht anders als die anderen zu sein. In dieser Welt haben es die Hässlichen und die Dummen am besten. Sie können in aller Seelenruhe das Spiel begaffen. Wenn sie auch nichts vom Siegen wissen, bleibt ihnen doch immerhin das Wissen um Niederlagen erspart. Sie leben, wie wir es sollten, ungestört, gleichgültig und ohne Angst. Sie stürzen niemanden ins Verderben und erleiden es auch nicht von fremder Hand. Dein Stand und dein Reichtum, Harry, mein Verstand, wie er nun mal ist – meine Kunst, was sie eben wert ist, Dorian Grays gutes Aussehen –, wir alle werden für das, was die Götter uns geschenkt haben, leiden, schrecklich leiden.«

»Dorian Gray? So heißt er?«, fragte Lord Henry und schritt durchs Atelier zu Basil Hallward.

»Ja, so heißt er. Ich hatte nicht vor, es dir zu sagen.«

»Warum denn nicht?«

»Ach, das kann ich nicht erklären. Wenn ich jemanden ungeheuer mag, sage ich niemandem, wie er heißt. Das wäre so, als gäbe ich einen Teil von ihm preis. Ich habe gelernt, die Verschwiegenheit zu lieben. Sie scheint mir noch das Einzige zu sein, was uns das moderne Leben rätselhaft oder herrlich machen kann. Das Gewöhnlichste wird wunderbar, wenn man es nur verbirgt. Verreise ich, sage ich neuerdings keinem, wohin. Täte ich es, verlöre ich alle Freude daran. Es ist wohl schon eine alberne Angewohnheit, aber irgendwie bringt es eine Menge Romantik ins Leben. Vermutlich findest du mich jetzt schrecklich töricht.«

»Überhaupt nicht«, antwortete Lord Henry, »überhaupt nicht, mein lieber Basil. Du scheinst zu vergessen, dass ich verheiratet bin, und der große Reiz der Ehe ist, dass sie beiderseitig ein Leben voller Täuschungen erforderlich macht. Ich weiß nie, wo meine Frau ist, und meine Frau weiß nie, was ich tue. Wenn wir uns begegnen – und das geschieht gelegentlich, wenn wir zusammen außer Haus speisen oder den Herzog besuchen –, erzählen wir einander mit dem ernstesten Gesicht die absurdesten Dinge. Meine Frau kann das sehr gut – sogar viel besser als ich. Nie bringt sie ihre Verabredungen durcheinander, ich dagegen immer. Ertappt sie mich dann einmal, macht sie mir keine Szene. Manchmal wünsche ich es mir, doch sie lacht mich nur aus.«

»Ich mag es nicht, wie du über dein Eheleben sprichst, Harry«, sagte Basil Hallward und schlenderte zu der Tür, die in den Garten führte. »Ich glaube, du bist wirklich ein guter Ehemann, aber deine Tugenden sind dir zutiefst peinlich. Du bist schon ganz außergewöhnlich. Nie sagst du etwas Moralisches, und nie tust du etwas Falsches. Dein Zynismus ist schlicht eine Pose.«

»Natürlich zu sein ist schlicht eine Pose, die ärgerlichste, die ich kenne«, rief Lord Henry lachend aus, worauf die beiden jungen Männer gemeinsam in den Garten traten und sich auf einer langen Bambusbank niederließen, die im Schatten eines hohen Lorbeerbaums stand. Die Sonne glitt über die glänzenden Blätter. Im Gras standen zitternd weiße Gänseblümchen.

Nach einer Weile zog Lord Henry seine Uhr hervor. »Ich muss jetzt leider gehen, Basil«, murmelte er, »aber vorher muss ich noch darauf bestehen, dass du mir die Frage beantwortest, die ich dir schon vor einer Weile gestellt habe.«

»Welche denn?«, sagte der Maler, den Blick fest auf den Boden gerichtet.

»Das weißt du sehr wohl.«

»Nein, Harry.«

»Nun, dann sage ich es dir. Du sollst mir erklären, warum du Dorian Grays Bild nicht ausstellen willst. Ich will den wahren Grund hören.«

»Den wahren Grund habe ich dir genannt.«

»O nein. Du hast gesagt, weil zu viel von dir darin sei. Aber das ist doch kindisch.«

»Harry«, sagte Basil Hallward und schaute ihm ins Gesicht, »jedes Portrait, das mit Gefühl gemalt wird, ist eines des Künstlers, nicht des Sitzenden. Der Sitzende ist lediglich Zufall, Anlass. Nicht er wird vom Maler offenbart, vielmehr offenbart der Maler sich selbst auf der bemalten Leinwand. Dieses Bild werde ich nicht ausstellen, weil ich fürchte, darin das Geheimnis meiner Seele offenbart zu haben.«

Lord Henry lachte. »Und was sollte das sein?«

»Das will ich dir sagen«, sagte Hallward, doch dann trat...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2015
Übersetzer Eike Schönfeld
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel »The Picture of Dorian Gray«
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Dandy • Dekadenz • Doppelgängermotiv • Dorain-Gray-Symptom • Dorian Gray • Ewige Jugend • Hedonismus • insel taschenbuch 4384 • IT 4384 • IT4384 • Moral • Mystery • Narzissmus • Narzißmus • Neuübersetzung • Oscar Wilde • Penny Dreadful • Roman • Schauerroman • Sinnlichkeit • Spiegelbild • Sterblichkeit • Sünde • The Picture of Dorian Gray Deutsch • Vergänglichkeit
ISBN-10 3-458-76490-9 / 3458764909
ISBN-13 978-3-458-76490-8 / 9783458764908
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