Carrie (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Aufl. 2013
320 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-8387-5202-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Carrie - Stephen King
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Als 3-jährige lässt sie einen Steinregen auf ihr Elternhaus niederregnen, weil ihre Mutter ihr in einem Anfall religiösem Wahns nach dem Leben trachtet. Als 16-jährige erlebt sie einen Augenblick tiefster Demütigung. Dann, auf dem Abschlussball der Schule, wird sie das Opfer eines bösen Streichs. Schmerz, Enttäuschung, Wut treiben sie zum Äußersten: Mit der schieren Kraft ihres Willens entfesselt sie ein Inferno, gegen das die Hölle der Garten Eden ist. Das ist Carrie - beseelt, besessen von einer unheimlichen Gabe mit ungeheurer Tragweite und furchtbaren Folgen...

Sie zog das Kleid zum erstenmal am Morgen des 27. Mai auf ihrem Zimmer an. Sie hatte sich einen dazu passenden BH gekauft, der ihre Brüste etwas hob und betonte (nicht dass sie es nötig gehabt hätte), aber die oberen Hälften unbedeckt ließ. Das Kleid zu tragen vermittelte ihr ein unwirkliches, traumgleiches Gefühl, eine Mischung aus Scham und Erregung.

Das Kleid war fast bodenlang. Der Rock war weit, doch die Taille eng; der Stoff weich und schwer und sanft auf ihrer Haut, die nur an Wolle und Baumwolle gewöhnt war.

Es schien genau richtig zu fallen – oder würde es zumindest, wenn sie erst die neuen Schuhe trug. Sie zog sie an, rückte das Kleid an Hals und Brust zurecht und trat ans Fenster. Sie konnte nur eine verwaschene, geisterhafte Wiedergabe ihres Spiegelbilds erkennen, aber es schien alles richtig zu sitzen. Vielleicht konnte sie später –

Hinter sich hörte sie das leise Klicken des Riegels; dann flog die Tür auf, und Carrie wandte sich um und sah ihre Mutter.

Sie trug ihre Wäscherei-Arbeitskleidung, ihren weißen Pullover, und hielt ihre schwarze Büchertasche in der einen Hand. In der anderen hielt sie Daddy Ralphs Bibel.

Sie blickten sich an.

Carrie straffte sich unwillkürlich, stand gerade und aufrecht im Licht der morgendlichen Frühlingssonne, das durchs Fenster fiel.

»Rot«, murmelte Momma. »Ich hätte mir denken können, dass es rot ist.«

Carrie schwieg.

»Ich kann deine Schmutzkissen sehen. Jeder wird sie sehen können. Sie werden deinen Körper anstarren. Im Buch der Bücher steht geschrieben …«

»Das sind meine Brüste, Momma. Die hat jede Frau.«

»Zieh dieses Kleid aus«, sagte Momma.

»Nein.«

»Zieh es aus, Carrie. Wir werden nach unten gehen und es gemeinsam im Herd verbrennen, und dann um Vergebung beten. Wir werden Buße tun.« Ihre Augen begannen in jenem fanatischen Eifer zu glühen, der immer dann über sie kam, wenn ein Ereignis eintrat, das sie als Glaubensprüfung betrachtete. »Ich werde heute nicht zur Arbeit gehen, und du wirst nicht zur Schule gehen. Wir werden beten. Wir werden um ein Zeichen bitten. Wir werden auf die Knie sinken und das Pfingstfeuer erbitten.«

»Nein, Momma.«

Ihre Mutter hob die Hand und fuhr sich mit den Fingernägeln übers Gesicht. Sie hinterließen rote Striemen. Sie blickte Carrie an, wartete auf eine Reaktion, sah keine, krümmte ihre rechte Hand zur Klaue und riss sich damit die Wange auf, bis Blut aus den dünnen Schnittwunden quoll. Sie wimmerte und wippte auf den Fersen vor und zurück. Ihre Augen glühten in irrem Frohlocken.

»Hör auf, dir weh zu tun, Momma. Das kann mich sowieso nicht aufhalten.«

Momma kreischte. Sie ballte die rechte Hand zur Faust und rammte sie sich in den Mund, bis er blutete. Sie tauchte die Finger hinein, blickte sie verträumt an, und schmierte dann einen Fleck Blut auf den Einband der Bibel.

»Reingewaschen im Blute des Lammes«, flüsterte sie. »Viele Male. Viele Male haben er und ich …«

»Geh, Momma.«

Sie hob den Kopf, blickte mit leuchtenden Augen auf Carrie. Auf ihrem Gesicht lag ein schockierender Ausdruck selbstgerechter Wut.

»Die Augen des Herrn sind überall«, flüsterte sie. »Sei gewiss, die Sonne bringt es an den Tag. Verbrenne es, Carrie! Streife des Teufels Rot von dir ab, und verbrenne es! Verbrenne es! Verbrenne es!«

Die Tür flog von selbst auf.

»Geh, Momma.«

Momma lächelte, und ihr blutiger Mund verwandelte das Lächeln in eine grotesk verzerrte Grimasse. »Als Isebel vom Turm fiel, erging es ihr wie dir«, sagte sie. »Und es kamen die Hunde und leckten auf das Blut. Es steht in der Bibel! Es –«

Ihre Füße bewegten sich plötzlich, rutschten über den Boden, und sie blickte auf sie hinunter, entsetzt, ungläubig. Das Holz schien sich in Eis verwandelt zu haben.

»Hör auf damit!« schrie sie.

Sie war jetzt draußen auf dem Flur. Sie bekam den Türgriff zu fassen und hielt sich für einen Moment daran fest; dann wurden ihre Finger von einer unsichtbaren Kraft auseinandergezerrt.

»Ich liebe dich, Momma«, sagte Carrie mit fester Stimme. »Es tut mir Leid.«

Carrie stellte sich bildlich vor, wie die Tür sich langsam schloss, und genau das geschah dann auch: Sie schwang zu wie in einem leichten Windhauch. Behutsam, als wollte sie ihre Mutter nicht verletzen, löste Carrie auf gleiche Weise die Hände, mit denen sie Momma aus dem Zimmer geschoben hatte.

Einen Augenblick später hämmerte Momma gegen die Tür. Carrie hielt sie geschlossen; ihre Lippen zitterten.

»Und es wird kommen der Tag des Gerichts!« tobte Margaret White. »Ich wasche meine Hände in Unschuld! Ich habe es versucht!«

»Das hat Pilatus gesagt«, murmelte Carrie.

Ihre Mutter ging. Kurz darauf sah Carrie sie auf dem Weg zur Arbeit über den Bürgersteig eilen und die Straße überqueren.

»Momma«, sagte sie leise und lehnte die Stirn an die Fensterscheibe.

Aus: Als der Schatten explodierte (S. 129):

Bevor wir uns einer detaillierten Analyse der Ballnacht selbst zuwenden, wollen wir zunächst zusammenfassen, was uns über die Person der Carrie White bekannt ist.

Wir wissen, dass Carrie White ein Opfer des religiösen Wahns ihrer Mutter gewesen ist. Wir wissen, dass sie die latente Fähigkeit der Telekinese besessen hat, die für gewöhnlich als TK bezeichnet wird. Wir wissen, dass diese sogenannte ›Urfähigkeit des Menschen‹ in Wahrheit eine vererbte Eigenschaft ist, hervorgerufen durch ein Gen, das – sofern überhaupt vorhanden – im Normalfall rezessiv ist. Wir vermuten, dass die TK-Fähigkeit möglicherweise von Natur aus mit einer noch unbekannten Drüsenfunktion zusammenhängt. Wir wissen, dass Carrie als kleines Mädchen mindestens eine Demonstration ihrer Fähigkeiten geliefert hat, als sie in eine extreme Situation gedrängt und dabei schwersten seelischen Belastungen und Schuldgefühlen ausgesetzt wurde. Wir wissen, dass sich bei dem Vorfall im Duschraum eine zweite extreme Schuld- und Stresssituation ergeben hatte. Es wurde die Theorie aufgestellt (in diesem Zusammenhang sind besonders William G. Throneberry und Julia Givens von der Berkeley University hervorzuheben), dass das Wiederaufleben der TK-Fähigkeit genau zu diesem Zeitpunkt sowohl auf die Einwirkung psychologischer (d. h. die Reaktion der anderen Mädchen sowie Carries eigene Reaktion auf die erste Menstruation) als auch physiologischer Faktoren (d. h. der Eintritt der Pubertät) zurückzuführen ist.

Und schließlich wissen wir, dass sich in der Ballnacht eine dritte Stresssituation ergeben hat, welche die schrecklichen Ereignisse auslöste, auf die wir im Folgenden eingehen müssen. Wir wollen damit beginnen, wie …

(ich bin nicht nervös nicht ein bisschen nervös)

Tommy hatte ihr die Ansteckblumen schon vorher gebracht, und nun befestigte Carrie sie an einem Schulterstück ihres Kleides. Natürlich gab es keine Momma, die ihr diese Arbeit abnahm und dafür sorgte, dass die Blumen auch an der richtigen Stelle saßen. Momma hatte sich im Altarraum eingeschlossen. Sie war jetzt seit mindestens zwei Stunden dort drinnen und betete wie eine Verrückte. Ihre Stimme wurde in beängstigenden, zeitlich unterschiedlichen Abständen immer wieder lauter und leiser.

(es tut mir Leid Momma aber ich kann mich nicht entschuldigen)

Als sie die Blumen zu ihrer Zufriedenheit festgesteckt hatte, ließ sie die Hände sinken und stand für einen Augenblick ruhig und mit geschlossenen Augen da.

Im Haus gab es keinen Spiegel, in dem sie sich von oben bis unten hätte betrachten können.

(Eitelkeit Eitelkeit alles ist Eitelkeit)

aber sie glaubte, es sei schon alles in Ordnung. Das musste sie. Sie –

Carrie öffnete wieder die Augen. Die Schwarzwälder Kuckucksuhr, gekauft vom Lotteriegewinn, zeigte zehn nach sieben.

(er wird in zwanzig Minuten hier sein)

Wirklich?

Vielleicht war alles nur ein raffinierter, übler Scherz, der letzte große Schlag, die größte Pointe. Sie hier die halbe Nacht in ihrem verknautschten, samtenen Ballkleid mit der Prinzesstaille, den weiten Ärmeln und dem schlichten, geraden Rock sitzen zu lassen – und den Teerosen, die an der linken Schulter festgesteckt waren.

Aus dem Zimmer, jetzt wieder mit anschwellender Stimme: »… in geweihter Erde! Wir wissen, du bringst das allsehende Auge, das schreckliche Auge der Dreifaltigkeit, und das Schmettern schwarzer Posaunen. Wir müssen bereuen von ganzem Herzen …«

Carrie glaubte nicht, dass jemand begreifen konnte, welch ungeheuren Mut es erfordert hatte, sich mit all dem abzufinden, sich den furchterregenden Möglichkeiten zu öffnen, die diese Nacht vielleicht noch bieten mochte. Dass sie sich Momma widersetzt hatte, konnte wohl kaum die Schlimmste dieser Möglichkeiten sein. Und wenn sie ehrlich war, musste sie sich sogar eingestehen, dass sie auf heimliche, sehnsüchtige Art dachte, es wäre vielleicht das Beste, wenn –

(nein hör auf damit)

Natürlich wäre es einfacher, hier bei Momma zu bleiben. Sicherer. Sie wusste, was sie über Momma dachten. Gut, vielleicht war Momma eine Fanatikerin, ein bisschen schrullig, ja, aber wenigstens wusste man bei ihr, woran man war. Hier im Haus wusste man, woran man war. Hier wurde man niemals von lachenden, kreischenden Mädchen empfangen, die einen mit irgendwelchen Dingen bewarfen.

Und wenn er nicht kam, wenn sie sich weigerte und aufgab? Die High-School-Zeit war in einem Monat vorüber. Und dann? Ein kriecherisches, verborgenes, ödes Leben in diesem Haus, ernährt von Momma? Sich bei Mrs. Garrison den ganzen Tag Quizsendungen und Familienserien in Fernsehen...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2013
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • blutig • Clown • Fantastischer Roman • Grusel • Gruselroman • Horror • Horror Bücher • Horror Bücher; 20. - 21. Jahrhundert; Nordamerika; USA; Fantastischer Roman; Grusel; Horror; Unheimlicher Roman • Horror Bücher ab 18 • horror thriller • Jason Dark • Lovecraft • Nordamerika • Paranomal • Sinclair • Slasher • Splatter • Stephen King • Steven King • Unheimlicher Roman • USA • Zombies
ISBN-10 3-8387-5202-3 / 3838752023
ISBN-13 978-3-8387-5202-0 / 9783838752020
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