Todesengel (eBook)

Roman
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2013 | 1. Aufl. 2013
541 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-8387-4509-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Todesengel - Andreas Eschbach
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Erich Sassbeck ist zur falschen Zeit am falschen Ort und gerät in eine brutale Schlägerei. Doch am Ende ist er es, der überlebt, während seine Angreifer tot sind - erschossen von unbekannter Hand. Sassbeck glaubt, dass ihn ein Wunder gerettet hat. Die Polizei dagegen fragt sich, ob nicht er geschossen hat. In Notwehr. Oder schlimmer: in Selbstjustiz. Der Journalist Ingo Praise findet bald Beweise, dass Sassbecks Geschichte stimmt. Ein Unbekannter streift durch die Stadt und beschützt Unschuldige. Praise macht den 'Todesengel' zum Star - und löst damit eine Katastrophe aus ... Dieses E-Book von Andreas Eschbach enthält neben dem Roman 'Todesengel' ein Interview mit dem bekannten deutschen Kriminologen Prof. Dr. Christian Pfeiffer.

1Zivilcourage! Das Wort lag ihm quer, seit Evelyn es ihm ins Gesicht geschleudert hatte. Was verstand sie schon von diesen Dingen? Seine Schwiegertochter war ein Kind gewesen, als die Mauer gefallen war, und überdies im Westen aufgewachsen: Sie hatte die Zeit damals nicht erlebt.

Ein kalter Herbstwind fegte die Straße herab, schien nach einem Ausgang aus den Häuserschluchten zu suchen. Erich Sassbeck schlug den Mantelkragen hoch und bedauerte es, keinen Schal mitgenommen zu haben. In seinem Alter musste man Erkältungen fürchten.

Außerdem hatte er sich nichts vorzuwerfen. Er hatte nur seinen Dienst getan. Seine Pflicht erfüllt. Die Grenze hatte anti-imperialistischer Schutzwall geheißen, und so ganz falsch war diese Bezeichnung ja auch wieder nicht gewesen, oder?

Wenn man sich so ansah, wie das Leben heute war. Da hatten sie es früher in mancher Hinsicht schöner gehabt.

Aber das durfte man ja auch nicht sagen.

In Sachen Meinungsfreiheit hatte sich gar nicht so viel geändert. Es waren nur andere Dinge, die man sagen durfte oder eben nicht. Da sollte ihm keiner was anderes erzählen.

Es herrschte wenig Verkehr. Trotzdem blieb Erich Sassbeck an der Fußgängerampel stehen, wartete, dass sie grün wurde. Ein Taxi hielt; der Fahrer blickte ihn an, als erwarte er, in ihm einen Fahrgast zu finden.

Sassbeck schüttelte unwillkürlich den Kopf. Seine Rente reichte gerade so zum Leben. An Extravaganzen wie Taxifahrten durch die halbe Stadt war im Traum nicht zu denken.

Zum Glück war es nicht mehr weit bis zur U-Bahn-Station. Dort unten würde es wärmer sein.

»Aber hättest du es getan?«, hatte Evelyn insistiert. »Hättest du auf jemanden geschossen, der versucht zu fliehen?«

Er hatte geantwortet, dass er das nicht wusste. Dass man nicht wissen konnte, wie man in so einer Situation handeln würde, ehe es so weit war.

»Du redest dich raus«, hatte sie sich aufgeregt. »Du hast bloß Glück gehabt. Mit mehr Zivilcourage hättest du gesagt, ich mach das nicht, ich mach diesen Dienst nicht, weil ich nicht auf Leute schießen werde, die nichts Böses getan haben!«

Ihm wurde jetzt noch ganz heiß, wenn er an diesen Streit zurückdachte. Es stimmte; er war froh, nie in eine solche Lage gekommen zu sein. Er hatte ja mitgekriegt, wie es anderen ergangen war, nachdem sie auf Republikflüchtlinge geschossen hatten. Ein jüngerer Kollege, Rolf aus Karl-Marx-Stadt, hatte eine Frau getötet, die nach Westberlin fliehen wollte. Rolf hatte angefangen zu saufen, geradezu klassisch. Kurz darauf war er versetzt worden, und man hatte nie wieder etwas von ihm gehört.

Endlich, die U-Bahn. Erich Sassbeck seufzte, als er in den warmen Mief eintauchte, der die Treppe heraufkam. Die seltsamen Schmierereien, die auf den ersten Blick aussahen wie eine Inschrift, die man aber nicht lesen konnte, waren immer noch da. Die Stadt hatte es schon lange aufgegeben, der Sprayer Herr werden zu wollen, hatte kapituliert.

Das jedenfalls, dachte Sassbeck und spürte seine Knie wieder, während er die Stufen hinabstieg, hätte es früher nicht gegeben. Und sei es nur, weil niemand Farbe übrig gehabt hätte. Oder wenn, hätten die Leute etwas Besseres damit anzufangen gewusst.

Noch 12 Minuten, behauptete die Anzeigetafel. Komfortable Sache, das musste man zugeben. Sassbeck studierte trotzdem den Fahrplan im Schaukasten. Die vorletzte Bahn Richtung Stadtmitte. Hatte er sich also richtig erinnert. Beruhigend, dass er sich wenigstens auf seinen Kopf noch verlassen konnte.

Ein lautes Geräusch – ein dumpfer Schlag auf Metall – ließ ihn aufhorchen. Es kam vom Ende des Bahnsteigs, unterhalb der Treppe, die aus dem Mittelgeschoss herabführte. Sassbeck trat ein paar Schritte zur Seite, um zu sehen, was da los war.

Es waren zwei Jugendliche, von denen einer es aus irgendeinem Grund auf eine dort angebrachte Sitzbank abgesehen hatte. Jetzt wieder: Er ging rückwärts, um Anlauf zu nehmen, plusterte sich auf und sprang dann mit voller Wucht gegen die Plastikschalensitze. Diesmal knallte es nicht nur dumpf, man hörte auch etwas brechen.

Der andere Junge stand dabei und schien sich großartig zu amüsieren. Sassbeck verstand nicht, was er sagte, aber es klang, als feuere er seinen Kumpanen an.

Sassbeck wollte sich schon abwenden, als ihm Evelyn wieder einfiel und der Streit mit ihr.

Zivil wie in Zivilisation. Wie in Zivilist.

Courage – das französische Wort für Mut.

Zivilcourage. Der Mut des Bürgers.

Der andere Junge nahm jetzt ebenfalls Anlauf. Die beiden schienen entschlossen zu sein, die Sitzbank zu zertrümmern.

Noch 10 Minuten, stand auf der Anzeigetafel.

Erich Sassbeck gab sich einen Ruck, ging auf die Jugendlichen zu. »He«, rief er, als er nahe genug heran war. »Ihr da. Das tut man nicht.«

Die beiden hörten auf, schauten ihn an, grenzenlose Verwunderung im Blick. Offensichtlich war es lange her, dass ihnen jemand gesagt hatte, was sich gehörte.

»Diese Bank«, fuhr Sassbeck fort, »ist Gemeineigentum. Es ist nicht in Ordnung, das Eigentum aller zu beschädigen.«

Die Sachen, die sie trugen, sahen neu und teuer aus, aber sie passten ihnen nicht, und sie passten auch nicht zusammen. Als hätten sie viel Geld ausgegeben, um hässlich gekleidet zu sein.

»Ey«, sagte der eine, »bist du scheiße im Kopf oder was?« Es klang wie ein Akzent, aber zugleich so, als mache er diesen Akzent nur nach.

»Ich sage nur –«

»Willst du Streit, Mann?«

Sassbeck holte Luft. »Nein. Nein, ich suche keinen Streit. Ich möchte nur, dass ihr das lasst.«

Sie ließen es. Es war unübersehbar, dass die Bank sie nicht mehr interessierte.

Sie kamen auf ihn zu. Er war viel interessanter.

»Ey«, sagte der andere, »meins’ du, ich lass mir von alten Knackern was vorschreiben?«

Es klang unangenehm, wie er das sagte.

Es klang richtig gefährlich.

Erich Sassbeck sah sich um. Der Bahnsteig lag verlassen; außer ihm und den zwei Jugendlichen war niemand da. Und er war sechsundsiebzig – zu alt, um davonzurennen.

Sassbeck sah die beiden auf sich zukommen, wollte etwas sagen, etwas, das die Situation wieder entspannte, bis in

8 Minuten

die U-Bahn kam, aber er wusste nicht, was.

Das mit der Zivilcourage kam ihm auf einmal vor wie eine verdammt hinterhältige Falle.

Vielleicht würde er jetzt sterben. Das las man oft in der Zeitung, von Leuten, die in aller Öffentlichkeit zusammengeschlagen wurden und von denen es manche nicht überlebten.

Irmina Shahid sah auf die Uhr, während sie die Treppe zur U-Bahn hinabeilte. Doch, die Bahn würde sie noch kriegen. Gut. Es wäre auch zu peinlich gewesen, wenn sie ihre Freundin noch einmal herausklingeln und um Geld für ein Taxi nach Hause hätte bitten müssen.

Sonst nahm sie immer die Bahn eine halbe Stunde früher, nicht die letzte. Die hier würde nur bis zur Wendeschleife hinausfahren und dann noch einmal stadteinwärts ins Depot. Die Lumpensammler-Fahrt. Da hockten oft seltsame Gestalten in den Wagen, und man erlebte bisweilen unerfreuliche Dinge. Doch sie hatten sich seit Claires Operation nicht gesehen und einander viel zu erzählen gehabt.

Am unteren Ende der Treppe, in dem Gang, der vorne auf den Bahnsteig führte, hörte sie ungewöhnliche Geräusche. Sie blieb stehen, lauschte angespannt. Da schrie jemand. Zwei Leute, die Schreie ausstießen, deren Aggressivität einen erschaudern ließ. Dazu dumpfe Schläge, wieder und wieder.

Auch das noch. Eine Prügelei.

Irmina Shahid überlegte. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre wieder gegangen, letzte Bahn hin, letzte Bahn her. Sie zog es vor, derlei hässlichen Dingen aus dem Weg zu gehen.

Andererseits war das nicht richtig. Wenn alle so handelten, war es kein Wunder, dass solche Dinge immer öfter vorkamen.

Ihr Blick blieb wie von selbst auf einem uralten, schmierig aussehenden Notrufkasten hängen. Sie konnte die Polizei rufen. Ungern, weil sie aus Erfahrung wusste, was das für Unannehmlichkeiten nach sich zog, aber das war etwas, das sie tun konnte.

Jetzt hörte sie auch jemanden stöhnen.

Sie schlich an der Wand entlang, die von oben bis unten vollgeklebt war mit Konzertplakaten, Wohnungsgesuchen und Ankündigungen von Flohmärkten. Vorne angekommen, spähte sie behutsam um die Ecke.

Tatsächlich. Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig traten zwei Jugendliche auf einen alten Mann ein, der am Boden lag, die Hände vor dem Kopf, und nur noch zuckte, wenn ihn die Stiefel trafen. Sie hörten nicht auf, schrien und traten, schrien und traten …

Irmina Shahid fuhr zurück, lehnte sich für einen Moment gegen die Wand. Ihr Herz schlug auf einmal wie wild. Gewiss, die Gleise lagen zwischen ihr und den beiden Schlägern, aber was hieß das schon?

Sie musste etwas tun. Sie griff in ihre Handtasche, kramte darin und zog ihr Handy heraus.

So also würde er sterben. Das war alles, was Erich Sassbeck denken konnte. Dass dies sein letztes Stündlein war, wie man so sagte.

Auch wenn er sich das freilich anders vorgestellt hatte.

Sie traten auf ihn ein, schrien ihn an, bespuckten ihn. Er schmeckte sein eigenes Blut, spürte seine Rippen unter ihren Tritten brechen. Sie waren außer sich, übten keinerlei Zurückhaltung. Dass er alt und gebrechlich war, schienen sie überhaupt nicht wahrzunehmen, geschweige denn, dass es sie gebremst hätte. Erich Sassbeck lag am Boden, sah ihre Fußtritte kommen und ihre wutverzerrten Gesichter und begriff nicht, wie so...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2013
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel NN 7
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Action Abenteuer • action romane • action thriller • Actionthriller • Andreas Eschbach • andreas eschbach aquamarin • Andreas Eschbach Ausgebrannt • andreas eschbach black out hörbuch • Andreas Eschbach Bücher • andreas eschbach das marsprojekt • Andreas Eschbach Der Jesus-Deal • Andreas Eschbach Der Nobelpreis • Andreas Eschbach Eine Billion Dollar • andreas eschbach herr aller dinge • andreas eschbach hörbuch cd • andreas eschbach jesus deal • andreas eschbach jesus video • andreas eschbach quest • Andreas Eschbach Thriller • Andreas Eschbach Todesengel • Ausgebrannt • Besonders • bestseller kindle • blutig • Blutlinie • Bücher • Cody McFadyen • Crime • Dan Brown • Deutschland • Eschbach • ethan cross • Europa • Fitzek • Gänsehaut • Gauteng • Hauptkommissar • herr aller dinge • Hotzenwald • interessant • jesus deal • Jesus Video • mario giordano apocalypsis • Mystery • Mystery Thriller • mystery thriller deutsch • Philippinen • Politthriller • Privatdetektiv • Psycho • Psychothriller • Roman • Romane • Schlitzer • science fiction bücher • science fiction thriller • Serienkiller • Serienmörder • Sonstige Belletristik • Sonstige Belletristik; 20. - 21. Jahrhundert; Deutschland; Politthriller; Wissenschaftsthriller • Spannung • Spannungsroman • spannungsroman buch • spannungsroman ebook • Südafrika • Suspense • Thriller • Thriller Bestseller • Thriller Buch • thriller ebook • Thriller Hörbuch • Thriller kindle • tibor rode das los • tibor rode das mona lisa-virus • todeskünstler • Vatikan • Verschwörung • Wissenschaftsthriller
ISBN-10 3-8387-4509-4 / 3838745094
ISBN-13 978-3-8387-4509-1 / 9783838745091
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