Im Stein (eBook)
560 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402815-6 (ISBN)
Clemens Meyer, geboren 1977 in Halle / Saale, lebt in Leipzig. 2006 erschien sein Debütroman »Als wir träumten«, es folgten »Die Nacht, die Lichter. Stories« (2008), »Gewalten. Ein Tagebuch« (2010), der Roman »Im Stein« (2013), die Frankfurter Poetikvorlesungen »Der Untergang der Äkschn GmbH« (2016) und die Erzählungen »Die stillen Trabanten« (2017). Für sein Werk erhielt Clemens Meyer zahlreiche Preise, darunter den Preis der Leipziger Buchmesse. »Im Stein« stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, wurde mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein Roman »Die Projektoren« wurde mit dem Bayerischen Buchpreis 2024 ausgezeichnet und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2024. Für sein Gesamtwerk erhält Clemens Meyer den Lessing-Preis 2025 des Freistaates Sachsen. Literaturpreise: Lessing-Preis des Freistaates Sachsen 2025 Bayerischer Buchpreis 2024 Klopstock-Preis für neue Literatur 2020 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 2018/2019 Premio Salerno Libro d'Europa 2017 Finalist Premio Gregor von Rezzori 2017 Longlist Man Booker International Prize 2017 Mainzer Stadtschreiber 2016 Bremer Literaturpreis 2013 Shortlist Deutscher Buchpreis 2013 Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2009 Preis der Leipziger Buchmesse 2008 Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007 Märkisches Stipendium für Literatur, 2007 Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen, 2007 Mara-Cassens-Preis, 2006 Rheingau-Literatur-Preis, 2006 Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb, 2006 Nominierung zum Preis der Leipziger Buchmesse, 2006 2. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2003 Literatur-Stipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 2002 1. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2001
Clemens Meyer, geboren 1977 in Halle / Saale, lebt in Leipzig. 2006 erschien sein Debütroman »Als wir träumten«, es folgten »Die Nacht, die Lichter. Stories« (2008), »Gewalten. Ein Tagebuch« (2010), der Roman »Im Stein« (2013), die Frankfurter Poetikvorlesungen »Der Untergang der Äkschn GmbH« (2016) und die Erzählungen »Die stillen Trabanten« (2017). Für sein Werk erhielt Clemens Meyer zahlreiche Preise, darunter den Preis der Leipziger Buchmesse. »Im Stein« stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, wurde mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein Roman »Die Projektoren« wurde mit dem Bayerischen Buchpreis 2024 ausgezeichnet und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2024. Für sein Gesamtwerk erhält Clemens Meyer den Lessing-Preis 2025 des Freistaates Sachsen. Literaturpreise: Lessing-Preis des Freistaates Sachsen 2025 Bayerischer Buchpreis 2024 Klopstock-Preis für neue Literatur 2020 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim 2018/2019 Premio Salerno Libro d'Europa 2017 Finalist Premio Gregor von Rezzori 2017 Longlist Man Booker International Prize 2017 Mainzer Stadtschreiber 2016 Bremer Literaturpreis 2013 Shortlist Deutscher Buchpreis 2013 Stahl-Literaturpreis, 2010 TAGEWERK-Stipendium der Guntram und Irene Rinke-Stiftung, 2009 Preis der Leipziger Buchmesse 2008 Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg, 2007 Märkisches Stipendium für Literatur, 2007 Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen, 2007 Mara-Cassens-Preis, 2006 Rheingau-Literatur-Preis, 2006 Einladung zum Ingeborg Bachmann-Wettbewerb, 2006 Nominierung zum Preis der Leipziger Buchmesse, 2006 2. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2003 Literatur-Stipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, 2002 1. Platz MDR-Literaturwettbewerb, 2001
Der aufregendste, außergewöhnlichste Roman in diesem Herbst.
Eine Reise in die Nacht, brutal, dunkel, traumwandlerisch, surreal und oft grauenhaft präzise. Ein Buch über unser Land, unsere Gegenwart.
Clemens Meyers Roman ist – das lässt sich nicht anders sagen – ein Wurf, wie man ihn nicht alle Jahre in die Hände bekommt.
Meyer beschenkt den Leser mit einem überwältigenden Chor an Stimmen in einem neo-modernistischen Meisterwerk. […] Es ist bewundernswert ambitioniert und an vielen Stellen brillant.
Eins, zwei, drei
I (Girl Girl Girl. Lass mal sehn, wie die Sterne heut stehn.)
Wenn es Abend wird, stehe ich am Fenster. Ich schiebe die Lamellen der Jalousie mit den Fingern auseinander und sehe den Abendhimmel hinter den Häusern auf der anderen Seite der Straße. Es wird immer noch früh dunkel. Das Jahr ist nichtmal einen Monat alt, aber es fühlt sich schon lang und schwer an. Obwohl es nicht so viel Arbeit gibt zurzeit. Im Januar jammern wir alle. Ich will immer noch einmal die Sonne sehen und den letzten Streifen Licht. Ich gehe früh um acht zur Arbeit, da ist es immer noch nicht richtig hell. Im Sommer ist alles besser, so geht es sicher den meisten, aber andererseits denke ich im Sommer an Urlaub und habe oft keine Lust auf die Arbeit. Und ich glaube, dass es im Winter am besten läuft, wenn man jetzt mal den Januar außen vor lässt. Obwohl das viele bestimmt anders sehen. Ich finde es schade, dass die Wohnung keinen Balkon hat. Im Sommer könnte ich dort sitzen und mich sonnen, besser als das blöde Solarium, und im Winter könnte ich vor der Dämmerung dort stehen und eine rauchen und den Himmel beobachten, wie er rot wird. In den klaren Nächten sehe ich gerne den Mond. Da muss ich immer an das Kinderlied denken. Meine Mutter hat mir das oft vorgesungen vorm Einschlafen. Der Mond ist aufgegangen. Wenn ich das heute höre, und das ist nicht oft, weiß nicht, wann ich das überhaupt mal höre, also dann … Ich kann das schlecht beschreiben. In Gedanken singe ich es manchmal. Magda hat immer gesagt »dann krieg ich Gefühl«, wenn sie meinte, dass sie traurig wird. Aber es ist Quatsch, wegen den Jahreszeiten. Ob Sommer oder Winter, Herbst oder Frühling, das Telefon klingelt immer. Nur im Januar nicht so oft. Als Kind habe ich gedacht, aber da war ich noch sehr klein, dass es noch eine fünfte Jahreszeit gibt. Und ich habe meine Mutter einmal gefragt, ob das Jahr jedes Jahr am ersten Januar beginnt und ob Silvester immer einen Tag davor ist. Und ob es im Juni schneien kann. Sie hat gelacht und mich in den Arm genommen, deswegen habe ich das nicht vergessen. Genau wie das Lied. Über den weißen Nebel habe ich oft nachgedacht, vorm Einschlafen. Wenn ich mal ein Kind habe, werde ich meinem Kind ein anderes Lied vorsingen. Eins, was nicht so traurig ist. Ich bin ja auch eher ein lustiger Mensch. »Aufgeweckt und lebendig« stand früher mal in meinem Zeugnis. Da gab es ja immer so Einschätzungen von den Lehrern. Und Magda hat immer gesagt: »Mädchen, sei nicht so aufgedreht, du bist flattrig wie ein Vogel.« Sie hatte viele so komische Sprüche, manchmal passten die und manchmal gar nicht, und das fehlt mir. Sie ist jetzt in Hannover. Manchmal schreibt sie mir eine Karte, an meinen Geburtstag denkt sie immer. Sie hat immer gesagt, dass Briefe und Karten persönlicher sind als SMS. Sie schickt mir die kitschigsten Postkarten, Hundewelpen, riesige Herzen, Rosen mit Glitzer dran, und manchmal auch welche mit Musik. Ich schreibe ihr trotzdem E-Mails oder SMS. Postkarten schicke ich nur meiner Mutter. Die letzte zu Silvester. Die war auch noch für Weihnachten. Wir sehen uns nicht mehr so oft, aber ich habe mir vorgenommen, wie man das eben so macht zum neuen Jahr, dass ich sie öfters besuchen werde, denn zu mir, in die Stadt, kommt sie nicht so gerne.
Der Winter ist kalt wie selten dieses Jahr. Und im Dezember bin ich kaum auf Arbeit gekommen, musste das Auto stehenlassen. Die ganze Stadt versank im Schnee, und die sind kaum hinterhergekommen mit dem Räumen. Mir graut’s schon vor meinen Nebenkosten, denn ich lasse die Heizung zu Hause meistens den ganzen Tag an, damit es schön warm ist, wenn ich von Arbeit komme. Im Dezember habe ich oft hier geschlafen, und auch jetzt bleibe ich manchmal über Nacht. Weil ich nicht raus in den Schnee will. Als Kind bin ich jeden Tag rodeln gegangen, wenn es geschneit hat. Und manchmal hat meine Mutter mich auf den Schlitten gesetzt, wenn wir einkaufen gegangen sind. Das war noch in Jena. Wir haben dort Berge zum Rodeln und Skifahren. Ski war nie so meins. Da habe ich mich echt blöd angestellt. Da haben meine Mädels mich immer ausgelacht, und die Jungs sowieso. Aber auf dem Schlitten war ich gut. Da bin ich jede Todesbahn runter, da haben selbst die Jungs Respekt gehabt. Eigentlich ist es ganz gut, dass die Winter jetzt wieder so kalt werden. Von wegen Klima. Das kann aber nächstes Jahr schon wieder ganz anders sein. Wenn ich ein Kind habe, möchte ich das auch auf einen Schlitten setzen, wenn wir einkaufen gehen. Junge oder Mädchen ist mir eigentlich egal. Obwohl ich vielleicht lieber ein Mädchen hätte. Ich denke, in der Zukunft kann man sich das aussuchen. Also selbst bestimmen, was man möchte. Mit einer Pille vielleicht. Aber das wird sicher noch dauern. Obwohl ja manches plötzlich ganz schnell geht, mit der Technik und dem Fortschritt. Und eigentlich ist es auch Unsinn. Das würde sicher gleich bleiben im Verhältnis. Ich weiß noch, dass ich, bevor ich aus Jena weggegangen bin, einen Jungen haben wollte. Das war noch mit Bert. Kann ich heute gar nicht mehr verstehen, warum ich ihn verlassen habe. Ich dachte, ich muss da weg, von wegen Jena Paradies, aber er wollte eben dableiben, hatte sich alles schön geplant. Weil ja sein Vater diese Apotheke hatte und er extra Pharmazie studiert hat deswegen. Apotheken bringen richtig Geld. Weil doch die Leute immerzu krank sind. Zu jeder Jahreszeit. Und besonders jetzt. Und wenn’s dann mal die Pillen fürs Geschlecht gibt, werden die noch mehr Umsatz machen. Man kann ja sogar schon Aids heilen, oder so gut wie. Trotzdem möchte ich mir das nicht vorstellen. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der Aids hat. Was die Leute manchmal für Unsinn erzählen deswegen. Wir gehen ja regelmäßig zum Gesundheitsamt. Auch wenn wir’s nicht mehr müssen, vom Gesetz her, das war ja früher anders. Aber die Leute denken und erzählen ja überhaupt jede Menge Unsinn, was das betrifft und was uns betrifft. Und ich stehe am Fenster und schiebe die Lamellen der Jalousie mit den Fingern auseinander und gucke auf die Häuser auf der anderen Seite der Straße, hinter denen der Himmel jetzt rot wird und die Nacht auftaucht. Sechzehn Uhr dreißig, und das Telefon hat erst viermal geklingelt, und an der Tür erst zweimal. Also für mich.
Weil Jenny seit zwölf da ist und bis zwölf bleibt. Zwölf Stunden, das wäre mir zu viel. Zehn Stunden ist bei mir das höchste der Gefühle. Dann ist Schluss mit Kaffee Latte. Da muss ich lachen, denn das hätte auch von Magda sein können. Obwohl’s ein ziemlich blöder Spruch ist, eigentlich nicht lustig, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Wann ging das eigentlich genau los mit diesem Latte-Kaffee, da hat man schonmal geschmunzelt zu Anfang. Goodbye, mein Filterkaffee. Aber da kriege ich Gefühl, wenn ich an sie denke. Ja, ja, das höchste der Gefühle. Nur nicht sentimental werden. Denn wir waren doch ziemlich eng, und alles fühlte sich leichter an, mit der Arbeit und überhaupt. Mit Jenny ist’s schon o.k. Sie kommt nur vier Tage die Woche, aber auch Samstag und Sonntag, und da habe ich frei. Das Wochenende ist mir echt heilig. So wie mein Arsch. (Das nun wieder!) Jetzt kann ich mir endlich eine anzünden. Ich achte nämlich drauf, dass ich nicht zu viel rauche. Jede Stunde eine Zigarette. Ich versuch’s zumindest. Komme auf höchstens fünfzehn Zigaretten am Tag, das geht noch, denke ich. Jenny ist nur am Qualmen und sprüht ständig mit diesem Raumdeo rum. Lavendel-Frühlingsduft. Ich hasse das. Viel quatschen wir jetzt nicht. Sitzen manchmal zusammen im Wohnzimmer, wenn wir warten. Ich würde sagen kollegial. Sie ist ja ein ganz anderer Typ als ich. Wiegt bestimmt zwanzig Kilo mehr, geht schon Richtung Mutti, aber da stehen genug Kerle drauf, ob man’s glaubt oder nicht. Und ich würde jetzt nicht sagen, dass sie nicht hübsch ist. Nein, die Jenny ist schon hübsch. Vom Gesicht her, und das mein ich jetzt gar nicht böse. Aber eben fraulich, und das mein ich jetzt als Kompliment. Und wir kommen gut miteinander aus, jeder hat sein Publikum, sag ich mal. Nur wer sich als Gast fühlt, fühlt sich wohl. Magda habe ich lange nicht gesehen und frage mich oft, wie’s ihr so geht in Hannover. Dort ist ja alles ruhig, und der Pate und die Engel haben alles im Griff. Und die Mädels haben wohl gut zu tun. Was man eben so hört. Seit die Engel auch hier sind. Habe ich aber nichts zu tun mit denen. Höre eben nur viel. Seit acht Jahren bin ich jetzt in der Firma vom Chef. Ich sag immer »Chef« und »Firma«. Manchmal sage ich auch »der Alte«, weil einige ihn so nennen. Aus Respekt. Ich glaube, dass er gut steht mit denen, also den Engeln, weil doch der Typ, der da der Oberengel ist, wohl mal mit ihm befreundet war, oder jedenfalls standen sie ganz gut miteinander, haben sich die Stadt aufgeteilt, aber genau weiß ich’s nicht. Es gibt Mädels, die wissen hundertprozent, was läuft, Klatsch und Tratsch eben, obwohl das dann meist weniger als fünfzig ist, also Prozent, was die Wahrheit betrifft, aber wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme und mich an die Heizung setze, will ich von dem ganzen Mist gar nichts mehr wissen.
Letztens habe ich irgendwo gelesen, dass der Anwalt von dem Paten aus Hannover-City, der ja wohl der große Boss der Engel ist, dass der auch der Anwalt von Schröder ist, also dem Ex-Kanzler. So einen Anwalt hätte ich auch gerne. Und was soll da schon dran sein, dass er mit den Engeln zu tun hat. Geschäfte machen sie eh alle. Oder wollen’s zumindest. Russendeals, Gazprom, Mädels und Aktien. Das große Geld. Aber ich denke schon viel zu sehr drüber nach, aber so ist das auf Arbeit, wenn ich warte. Und sehe, wie der Tag verschwindet. Und die...
Erscheint lt. Verlag | 22.8.2013 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Anspruchsvolle Literatur • Epochen-Roman • Erotik • Geld • Großstadt • Macht • Nachtleben • Prostitution • Stadtschreiber Bergen |
ISBN-10 | 3-10-402815-X / 310402815X |
ISBN-13 | 978-3-10-402815-6 / 9783104028156 |
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