Gone Girl - Das perfekte Opfer (eBook)
576 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402709-8 (ISBN)
Gillian Flynn ist mit ihrem dritten Buch >Gone GirlCry BabyBritish Dagger AwardsDark Places< waren große Erfolge und wurden ebenfalls verfilmt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Chicago. Literaturpreise: British Dagger Award
Gillian Flynn ist mit ihrem dritten Buch >Gone GirlCry BabyBritish Dagger AwardsDark Places< waren große Erfolge und wurden ebenfalls verfilmt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Chicago. Literaturpreise: British Dagger Award Christine Strüh, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist Übersetzerin von Gillian Flynn, Cecelia Ahern, Judy Blume, Pete Hamill, Laini Taylor und anderen.
Brillant und teuflisch gut inszeniert Gillian Flynn dieses Ehe-Psychospiel, diesen Blick in die Abgründe der Zweisamkeit.
Wer das Buch einmal zur Hand nimmt, kann es nicht mehr weglegen.
Das Psychogramm einer Ehe in Gestalt des besten Psychothrillers 2013.
Achtung, dieser genial gemachte Thriller nimmt so viele unvorhergesehene Wendungen, dass einem schwindlig werden kann!
›Gone Girl‹ ist das spannendste (und fieseste) Beziehungsdrama des Sommers. […] Sie werden Ihren Partner nach der Lektüre mit anderen Augen sehen.
Gillian Flynn spielt gekonnt mit ihrem Leser. […] Dieses Buch ist abgründig, raffiniert und absolut lesenswert.
Die ehemalige TV-Kritikerin Gillian Flynn ist die neue Königin des perversen Psychothrillers aus der amerikanischen Provinz, eine geniale Architektin des Grusels. Derzeit schlicht die Beste.
sehr fein, sehr klug, sehr weiblich
Nick Dunne
Wenn ich an meine Frau denke, fällt mir immer ihr Kopf ein. Seine Form, um genau zu sein. Als ich ihr das erste Mal begegnet bin, hab ich ihren Hinterkopf gesehen, und den fand ich irgendwie hübsch. Die Konturen. Wie ein glänzendes, hartes Maiskorn oder ein Fossil aus einem Flussbett. Sie hatte, wie man es in viktorianischer Zeit genannt hätte, einen wohlgeformten Kopf. Man konnte sich gut den Schädel darunter vorstellen.
Ich hätte ihren Kopf überall erkannt.
Und was darin ist. Daran denke ich auch: an ihren Verstand. Ihr Gehirn, die ganzen Windungen, durch die ihre Gedanken flitzen wie hurtig-hektische Tausendfüßler. Wie ein Kind male ich mir aus, wie es wäre, ihren Schädel zu öffnen, das Gehirn aufzuribbeln und zu erforschen, ihre Gedanken einzufangen und zu studieren. Woran denkst du, Amy? Die Frage, die ich in unserer Ehe am häufigsten gestellt habe, wenn auch nicht laut und nicht der Person, die mir hätte antworten können. Vermutlich hängen solche Fragen wie Gewitterwolken über jeder Ehe: Woran denkst du? Wer bist du? Was haben wir einander angetan? Was werden wir noch tun?
Schlag sechs Uhr früh öffneten sich meine Augen. Kein Vogelflattern der Wimpern, kein leises Blinzeln in Richtung Bewusstsein. Einfach ein mechanisches Aufwachen. Ein gespenstisches Bauchrednerpuppen-Klicken der Augenlider: Erst ist die Welt schwarz, und dann plötzlich: Showtime! 6:00, sagte die Uhr – mitten in mein Gesicht, das Erste, was ich sah. 6:00. Es fühlte sich anders an. Sonst wachte ich nie zu so einer exakten Uhrzeit auf, ich war eher ein Mann unregelmäßiger Zeiten: 8 Uhr 43, 11 Uhr 51, 9 Uhr 26. Mein Leben war weckerlos.
Genau in diesem Moment, um 6:00, kletterte die Sonne über die Skyline der Eichen und offenbarte ihr volles wutgöttliches Sommerselbst. Ihr Widerschein loderte über den Fluss, hin zu unserem Haus, ein langer leuchtender Finger, der durch unsere dünnen Schlafzimmervorhänge direkt auf mich zielte. Anklagend: Man sieht dich! Es gibt kein Entrinnen!
Ich suhlte mich im Bett. Es war unser New Yorker Bett, aber es stand in unserem neuen Haus, das wir immer noch das neue Haus nannten, obwohl wir bereits seit zwei Jahren hier wohnten. Ein gemietetes Haus, direkt am Mississippi River, ein Haus, das die Assoziation »Neureiche Vorstadt« aufdrängte, die Art Haus, nach der ich mich früher, als Jugendlicher auf der Hanglage-Zottelteppich-Seite der Stadt, inbrünstig gesehnt hatte. Die Art Haus, die einem sofort bekannt vorkam: Es war nichts an ihm auszusetzen, es provozierte niemanden, es war einfach nur nigelnagelneu – ein Haus, das meine Frau verabscheuen würde. Und das tat sie auch.
»Soll ich meine Seele ablegen, bevor ich da reingehe?« Das war das Erste, was sie sagte, als sie es zu Gesicht bekam. Es war ein Kompromiss gewesen: Amy hatte darauf bestanden, in meiner kleinen Heimatstadt in Missouri nichts zu kaufen, sondern nur zu mieten, denn sie hoffte darauf, dass wir nicht allzu lange hier festsitzen würden. Doch die einzigen Häuser, die man mieten konnte, drängelten sich in diesem fehlgeschlagenen Bauprojekt, einer Miniatur-Geisterstadt von Villen in Bankbesitz, rezessionsruiniert, preisreduziert, eine Nachbarschaft, mit der Schluss war, ehe überhaupt irgendetwas angefangen hatte. Es war ein Kompromiss, aber Amy sah das nicht so, überhaupt nicht. Für Amy war es eine Laune von mir, mit der ich sie strafen wollte, ein gemeiner, egoistischer Schachzug, mit dem ich Salz in ihre Wunden streute. Wie ein primitiver Höhlenmensch verschleppte ich sie in eine Stadt, die sie aggressiv gemieden hatte, und zwang sie, in einer Art Haus zu leben, für die sie immer nur Hohn und Spott übriggehabt hatte. Wahrscheinlich handelt es sich bei einer Entscheidung, die nur einer der Beteiligten für einen Kompromiss hält, nicht wirklich um einen Kompromiss, aber so sahen Kompromisse bei uns meistens aus. Einer war immer wütend. Meistens Amy.
Aber an diesem Missstand bin nicht ich schuld, Amy. Mach die Konjunktur dafür verantwortlich, nenn es Pech, schieb es meinen Eltern in die Schuhe, deinen Eltern, dem Internet, den Menschen, die das Internet benutzen. Früher war ich Journalist. Ein Autor, der über Fernsehsendungen, Filme und Bücher schrieb. Damals, als die Leute noch Druckerzeugnisse auf Papier lasen, damals, als sich noch jemand für das interessierte, was ich dachte. Ich war Ende der Neunziger nach New York gekommen, die letzten Züge der glorreichen Zeiten, obwohl das natürlich niemand wusste. In New York wimmelte es von Journalisten, echten Autoren, denn es gab Zeitschriften, echte Zeitschriften, und zwar jede Menge. Es war die Zeit, in der das Internet noch ein exotisches Haustier war, das in einem kleinen Eckchen der Verlagswelt hauste – man warf ihm ein bisschen Trockenfutter hin, beobachtete, wie es an seiner kleinen Leine herumtänzelte, oh, wie niedlich, das wird uns bestimmt nicht eines Nachts totbeißen. Stellt euch das mal vor: Es war eine Zeit, in der College-Kids, die gerade ihren Abschluss gemacht hatten, nach New York kommen konnten und fürs Schreiben bezahlt wurden. Wir hatten keinen Schimmer, dass wir uns auf einen Beruf einließen, der innerhalb des nächsten Jahrzehnts vom Erdboden verschwinden würde.
Elf Jahre lang machte ich meinen Job, und dann war ich ihn los, von jetzt auf gleich. Überall im Land machten Zeitschriften dicht, erlagen einer plötzlichen, von unserem kaputten Wirtschaftssystem hervorgerufenen Infektion. Autoren (meine Art von Autoren: aufstrebende, ehrgeizige Schriftsteller, Grübler und Denker, Leute, deren Hirn nicht schnell genug arbeitet, um zu bloggen, zu vernetzen oder zu twittern, im Wesentlichen also alte, sture Aufschneider) gab es nicht mehr. Wir waren wie Hutmacher oder Peitschenhersteller für Pferdekutschen – unsere Zeit war vorbei. Drei Monate nach meiner Entlassung verlor Amy ihren Job. (Jetzt spüre ich, wie Amy mir über die Schulter schaut und grinst, weil ich so viel Zeit damit verbracht habe, über meinen Beruf und mein Pech zu berichten, während ich ihren Teil der Geschichte mit einem einzigen Satz abgetan habe. So ist er eben, würde sie euch erklären. Typisch Nick. Das war ein Lieblingsspruch von ihr: Typisch Nick, dass er … und was immer dann folgte, war schlecht – und typisch für mich.) Zwei arbeitslose Erwachsene, schlappten wir wochenlang in Socken und Pyjamas durch unser Brooklyner Stadthaus, ignorierten die Zukunft, verteilten ungeöffnete Briefumschläge auf Tische und Sofas, aßen Eis um zehn Uhr vormittags und hielten überlange Mittagsschläfchen.
Doch dann klingelte eines Tages das Telefon. Am anderen Ende war meine Zwillingsschwester. Margo war vor einem Jahr, nach ihrer eigenen Entlassung, von New York wieder nach Hause gezogen – das Mädchen war mir bei allem einen Schritt voraus, sogar beim Pechhaben. Margo rief mich also aus dem guten alten North Carthage, Missouri an, aus dem Haus, in dem wir aufgewachsen sind, und während ich ihrer Stimme lauschte, sah ich sie vor mir als Zehnjährige, mit ihrem dunklen Haarschopf, in Overall-Shorts, wie sie auf dem hinteren Dock meiner Großeltern hockte – zusammengesackt wie ein altes Kissen, die dünnen Beine baumelten im Wasser – und beobachtete, wie der Fluss über ihre fischweißen Füße hinwegfloss, schon als Kind ruhte sie absolut in sich.
Gos Stimme war warm und knistrig, trotz der kalten Nachricht, die sie zu überbringen hatte. Unsere Mutter lag im Sterben. Unser Dad war schon seit einer Weile auf dem Sprung – seine (böse) Seele und sein (armseliges) Herz wanderten über verschlungene Wege aufs große graue Jenseits zu. Aber nun sah es ganz danach aus, als würde unsere unbeugsame Mutter ihn überholen. Sechs Monate blieben ihr angeblich noch, vielleicht auch ein Jahr. Mir war klar, dass Go sich mit dem Arzt unterhalten und sich mit ihrer schlampigen Handschrift eifrig Notizen gemacht hatte, die sie jetzt mit verheulten Augen zu entziffern versuchte. Daten und Dosierungen.
»Hmm, Scheiße, ich hab keine Ahnung, was das hier heißen soll – ist das eine Neun? Ergibt das überhaupt einen Sinn?«, grummelte sie, und ich fiel ihr ins Wort. Hier war eine Aufgabe, ein Ziel, und meine Schwester hielt mir das Angebot wie eine Pflaume auf der ausgestreckten Hand hin. Um ein Haar hätte ich vor Erleichterung geweint.
»Ich komm zurück, Go. Wir ziehen wieder nach Hause. Du musst das nicht alleine durchstehen.«
Sie glaubte mir nicht. Ich hörte sie am anderen Ende der Leitung atmen.
»Ich meine es ernst, Go. Warum nicht? Was hält mich hier?«
Ein langes Ausatmen. »Und Amy?«
Darüber dachte ich nicht ausführlich genug nach. Ich ging einfach davon aus, dass ich meine New Yorker Ehefrau mit ihren New Yorker Interessen und ihrem New Yorker Stolz zusammenpacken, von ihren New Yorker Eltern wegreißen und in eine Missouri-Kleinstadt am Mississippi verpflanzen könnte. Sie würde ihr hektisches, spannendes Zukunftsland Manhattan hinter sich lassen, und alles würde gut werden.
Damals begriff ich nicht, wie naiv, wie optimistisch, ja, wie egoistisch dieser Gedanke war. In welches Elend er uns stürzen würde.
»Amy wird schon zurechtkommen. Amy …« An dieser Stelle hätte ich sagen sollen: »Amy liebt unsere Mom.« Aber ich konnte Go unmöglich erzählen, dass Amy unsere Mutter liebte,...
Erscheint lt. Verlag | 22.8.2013 |
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Übersetzer | Christine Strüh |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Amerika • Ben Affleck • David Fincher • Drama • Ehe • Ehedrama • Ehepaare • Emotion • Ermittlung • Familie • Filmbuch • Film Buch • Frau • Gewalt • Häusliche Gewalt • Liebe • Mann • Mord • New York • Psychothriller • Rache • Rosamund Pike • Rosenkrieg • Spannung • Thriller • Tod • USA • Vergangenheit |
ISBN-10 | 3-10-402709-9 / 3104027099 |
ISBN-13 | 978-3-10-402709-8 / 9783104027098 |
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