Die Hunde bellen (eBook)

Reportagen und Porträts

(Autor)

Anuschka Roshani (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
912 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9259-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hunde bellen -  TRUMAN CAPOTE
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Neben seinen Kurzgeschichten und Romanen, die ihn berühmt machten, verfasste Truman Capote für Magazine wie 'Esquire' oder den 'New Yorker' unzählige Reportagen und Porträts. Sie besitzen die erzählerische Kraft seiner Prosa - alles, was den Schriftsteller Capote ausmacht: Melancholie, Beobachtungsgabe, perfekte Dialoge und ein glühendes Interesse am Menschen. Angefangen bei den frühen Reiseskizzen des Zweiundzwanzigjährigen bis hin zu einem Porträt der Schriftstellerin Willa Cather, das er am Vorabend seines Todes fertigstellte, versammelt dieser Band erstmals das komplette nicht-fiktionale Schaffen Truman Capotes, darunter auch Texte, die noch nie in Buchform publiziert wurden. Mit seinem Tatsachenroman 'Kaltblütig' revolutionierte Capote die Literaturgeschichte, indem er Journalismus und Literatur zusammenführte. 'Die Hunde bellen' ist sein journalistisches Vermächtnis and die Nachwelt: ein ebenso intimes wie berührendes Porträt des zwanzigsten Jahrhunderts und seiner Menschen.

Truman Capote wurde 1924 in New Orleans geboren; er wuchs in den Südstaaten auf, bis ihn seine Mutter als Achtjährigen zu sich nach New York holte. Mit neunzehn Jahren erhielt er für seine Kurzgeschichte Miriam den »O.-Henry-Preis«. 1948 erschien sein Roman »Andere Stimmen, andere Räume«, der als das sensationelle Debüt eines literarischen Wunderkindes gefeiert wurde. 1949 folgte die Kurzgeschichtensammlung »Baum der Nacht«, 1950 die Reisebeschreibung »Lokalkolorit«, 1951 der Roman »Die Grasharfe«. Das 1958 veröffentlichte »Frühstück bei Tiffany« erlangte auch dank der Verfilmung mit Audrey Hepburn große Berühmtheit. 1965 erschien der mehrmals verfilmte Tatsachenroman »Kaltblütig«, 1973 »Die Hunde bellen« (Storys und Porträts), 1980 »Musik für Chamäleons« (Erzählungen und Reportagen). Postum wurden 1987 - unvollendet - der Roman »Erhörte Gebete« und 2005 das neu entdeckte Debüt »Sommerdiebe« veröffentlicht. Truman Capote starb 1984 in Los Angeles. Die Herausgeberin Anuschka Roshani studierte Verhaltensbiologie und Germanistik in Berlin und besuchte anschliessend die Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Danach war sie sieben Jahre lang Redakteurin und Reporterin im Kultur- und Gesellschaftsressort des »Spiegel«. Seit 2002 lebt sie in Zürich, wo sie als Redakteurin für »Das Magazin« des »Tages-Anzeigers« arbeitet.

CECIL BEATON

Ein Buchtitel wie The Best of Beaton ist sicher ganz eingängig, aber ansonsten ziemlich ungenau, denn ein einziges Buch wird schwerlich alle Facetten von Beatons Werk wiedergeben können: seine Bühnendekorationen, die Kostümentwürfe, Zeichnungen, Bilder, Tagebücher und mindestens einige – wörtliche – Proben seines Konversationstalents, schließlich gehört Cecil zu den letzten Exponenten einer aussterbenden Gattung.

Ich weiß nicht, ich habe ihn nie gefragt, aber ich vermute, Cecil würde lieber nicht als Fotograf in die Kunstgeschichte eingehen, sondern aufgrund seiner diversen anderen Fähigkeiten. Das Phänomen lässt sich bei Multitalenten des Öfteren beobachten: Sie geben ihren Nebentätigkeiten den Vorzug. Nun könnte man sagen, dass Beaton überhaupt kein alles beherrschendes Talent besaß, bis er – als zwar sehr ehrgeiziger, aber unfertiger junger Mann von großer Sensibilität – zum ersten Mal eine Kamera in die Hand nahm. Es war nämlich die Kamera, die gewissermaßen auch seine Sekundärfähigkeiten freilegte.

Denn trotz seiner gut dokumentierten Leistungen auf anderen Gebieten, erlangte er vor allem als Lichtbildner allgemeine Bedeutung, nicht nur aufgrund seiner eigenen Leistungen, sondern auch wegen seines Einflusses auf die besten Fotografen der jüngeren Zeit. Ob die Betreffenden es wahrhaben wollen oder nicht, es gibt keinen Fotografen der ersten Liga, der Beaton nicht in irgendeiner Weise verpflichtet wäre. Warum? Schauen Sie sich die Bilder an. Schon die ganz frühen Werke ließen erahnen, dass sie einmal Vorbildcharakter haben würden. Zum Beispiel die Porträts von Lady Oxford und Edith Sitwell aus den Zwanzigerjahren. Noch niemand hatte Gesichter so fotografiert, sie auf diese Weise in hochstilisierte Kulissen gestellt, mit neoromantischen Requisiten umgeben (gesponnenem Glas, maskierten Statuen, Kuchenformen und extravaganten Kostümen) oder sie so ausgeleuchtet, dass sie wie lackiert wirkten. Das Seltsame ist, dass kein einziges dieser Bilder bis heute kunsthistorische Patina angesetzt hat, sie sind so frisch wie am ersten Tag, selbst die reinen Modefotografien. (Die Haltung von Fotografen zur Modefotografie ist ambivalent. Mit Ausnahme von Cartier-Bresson, der finanziell unabhängig war, könnte ich aus dem Stegreif keinen einzigen nennen, der ohne Aufträge aus Mode- oder Werbewirtschaft auskäme. Und warum auch? Es diszipliniert den Künstler und zwingt ihn, neue Wege zu beschreiten. Wie viele andere verdankt auch Beaton seine interessantesten Bilder den Grenzen, die ihm von kommerziellen Faktoren gesetzt wurden. Im Allgemeinen aber ziehen Fotografen wenig Befriedigung aus der Arbeit in diesem Weinberg. Mit Ausnahme von Beaton, er ist viel zu sehr Handwerker, viel zu uneingebildet, um nicht auch darin etwas zu sehen, das sich lohnt.)

Aber nochmals die Frage nach der Alterungsbeständigkeit seiner Bilder, ihrer nahezu zeitlosen Qualität. Natürlich hat er sie in einigen Fällen »vor-gealtert«, indem er sie – auch bildtechnisch – in die Vergangenheit versetzt hat, sodass sie wie Daguerreotypien erscheinen. Die Kombination von Vergangenheit und Gegenwart erzeugt immer eine gewisse Spannung, aber das allein erklärt ihre Zeitlosigkeit noch nicht. Worin also liegt sie? Es lässt sich vielleicht am besten anhand jener Bildserien erklären, die Beaton selbst »Time Sequences« nennt, Einzelporträts derselben Menschen über mehrere Jahrzehnte hinweg. Da sieht man einen Picasso, der allmählich immer fülliger wird und diese manisch glänzenden Augen bekommt. Auden mit seinem jungen Bluthundgesicht, der am Ende aussieht wie sein eigenes Herrchen, ein zerknitterter, nikotinfleckiger Landjunker. Oder Cocteau mit seiner anfangs jugendfrischen und exklusiven Ausstrahlung. Viele Jahre später wirkt er mit seinen brillantberingten Händen wie aus einem Proust-Andenkenladen entsprungen. Keines dieser Porträts bezieht seine Wirkung aus den anderen Aufnahmen der Reihe, jedes für sich bietet uns ein zeitloses und letztgültiges Bild des Abgelichteten. Wie gespenstisch, wie traurig und komisch zugleich, diesen Gesichtern bei ihrer Reise durch die Zeit zuzusehen – eingefroren in das sorgsam aufeinander abgestimmte Spiel aus Licht und Schatten.

Beatons Einfluss auf die Arbeiten anderer Fotografen ist leicht zu erkennen, viel schwerer fällt es hingegen, die Fotografen zu identifizieren, die auf ihn gewirkt haben. Einer davon ist aber ohne Zweifel Baron Adolf de Meyer, der eigentliche Begründer der Modefotografie, der Vanity Fair mit Bildmaterial von höchster Stilisierung ausstattete. Beaton war der erste Abkömmling des tragischen Barons. Daneben bewunderte er Edward Steichen, aber welcher Fotograf tut das nicht? Meiner Meinung nach schlagen sich in seinem Werk weniger die künstlerischen Vorbilder nieder als rein private Neigungen und Stimmungen. Zum Beispiel hat er zwischen 1938 und 1939 eine ganze Reihe von Persönlichkeiten nicht zwischen Blumen oder im reibungslos funktionierenden Studio fotografiert, sondern durch die kaputten Fenster von Abbruchhäusern und verlassenen Fabriken. Diese Fotos nehmen gewissermaßen die Bomben vorweg, die kurz darauf auf England fielen.

Womit wir bei seinen Kriegsfotografien wären, den Rauchschwaden über Trümmerlandschaften, den brennenden Himmeln und verletzten Kindern. In diesen Bildern zeigt sich Beatons Kunst in einer Härte, die man so bei ihm nicht erwartet hätte, ähnlich wie in seinen Aufnahmen aus Indien und China, wo er im Krieg gedient hat. Zwar handelt es sich nicht direkt um Kriegsfotos wie bei Chim oder Capa, dennoch sind es Bilddokumente von schmerzlicher Intensität, die eine kaum beachtete Seite von Beaton wiedergeben. Heutzutage sind Berufsfotografen notgedrungen professionelle Reisende, die im Auftrag großer Publikumszeitschriften um die ganze Welt jetten und irgendwelchen Geschichten nachlaufen. Sogar das dürftigste Talent lässt sich auf diese Weise subventionieren. (Und wenn mir die Bemerkung gestattet ist, dürftig sind fünfundneunzig Prozent dieser Bagage. Die ganze Branche ist völlig verludert, was die wenigen echten Begabungen auch ganz offen zugeben.) Aber Cecil war ein Globetrotter aus Überzeugung, ist schon in jungen Jahren mit dem Frachtschiff von Haiti nach Marokko gereist. Ich selbst – auch nicht gerade ein Stubenhocker – bin ihm schon an den unmöglichsten Orten über den Weg gelaufen. Auf Waikiki Beach, mit Hula-Musik im Hintergrund. In einem sizilianischen Olivenhain. In einem griechischen Kloster. In der Lobby des Ritz in Barcelona. Am Pool eines Hotels in Bel Air. In einem Café in der Kasbah von Tanger. Auf einer Dschunke in der Bucht von Hongkong. Im Backstage-Bereich eines Musical-Theaters auf dem Broadway. In einer Seilbahn in den Schweizer Alpen. In einem Geisha-Haus in Kioto. In der Ruinenstadt von Angkor Wat. Auf der Yacht Sister Ann von Society-Größe Daisy Fellowes. In einem Nachtclub in Harlem. In einem venezianischen Palazzo. Bei einem Pariser antiquaire. In einem Londoner Schuhgeschäft. Und so weiter und so weiter. Ich habe Beaton in praktisch allen Klimazonen beobachten könnten (mental und anderweitig) und durfte ihm überdies oft bei seiner Arbeit zusehen. Einmal waren wir sogar Kollegen, indem ich die Texte zu seinen Bildern lieferte. Dasselbe Privileg genoss ich auch bei anderen Fotografen, etwa bei Henri Cartier-Bresson und Richard Avedon, die ich beide besonders schätze. Diese beiden und Beaton führen in meinen Augen die Liste der weltbesten Fotografen an. Aber wie unterschiedlich sie doch sind! Avedon arbeitet am liebsten im Studio, er braucht die gut geölte Maschinerie und einen aufmerksamen Mitarbeiterstab für die besten Ideen. Vor kurzem war ich mit Avedon unter erheblich primitiveren Bedingungen unterwegs. Und zwar recherchierten wir gemeinsam an einer Story über den Mittleren Westen. Er hatte keinen Assistenten dabei und fotografierte mit einer neumodischen japanischen Kamera, die über hundert Aufnahmen machen konnte, ehe der Film gewechselt werden musste. Einen ganzen Morgen fuhren wir kreuz und quer durch Hitze und Staub, doch später im Hotel erklärte Avedon mit nervösem Lachen die ganze Mühe für umsonst. Er hatte schon so lange nicht mehr ohne Assistenten gearbeitet, der ihm die Kameras vorbereitete, dass er glatt vergessen hatte, einen Film einzulegen.

Völlig anders verhält es sich mit Cartier-Bresson, er verlässt sich ausschließlich auf sich selbst. In New Orleans konnte ich ihn einmal bei der Arbeit beobachten. Wie eine aufgedrehte Libelle tanzte er den Gehsteig entlang, drei Leicas um den Hals, die vierte – klick, klick, klick – so fest ans Auge gedrückt, dass man meinen konnte, sie sei ein Teil von ihm. Bresson ist beim Fotografieren unersättlich und hingegeben, extrem angespannt und zugleich heiter. Bresson bleibt auch künstlerisch für sich und hat etwas von einem Fanatiker.

Aber nicht Beaton. Der Mann mit den kühlen (zuweilen kalten) Augen und blass erhobenen Brauen arbeitet so sachlich und distanziert, wie er sich auch sonst gibt. Sobald er eine Kamera in der Hand hat, weiß er genau, was er tut, das ist alles. Wutausbrüche und großes Gehabe hat er nicht nötig. Und anders als so viele seiner Kollegen habe ich ihn nie über seine Methode schwafeln hören oder über Kunst oder Wahrhaftigkeit. Er macht einfach gute Bilder und hofft, dafür gut bezahlt zu werden. Gleichwohl ist seine Arbeitsweise einzigartig. Was an ihm sofort auffällt: Er verhält sich immer so, als hätte er unendlich viel Zeit. Obwohl er wegen eines unbarmherzigen Terminplans ständig unter Druck steht, verlässt er nie die gelassene Linie des Gentleman. Selbst wenn in zehn Minuten sein Flugzeug ginge, wäre das für ihn kein Grund, seine...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2013
Übersetzer Marcus Ingendaay
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Amerika • Begegnungen • Hollywood • Humphrey Bogart • Interviews • lifestyle • Literatur • Marlon Brando • Marylin Monroe • New York • Persönlichkeiten • Porträt • Prominente • Reportage • Schauspieler • Stars • Truman Capote • Unterhaltung • USA
ISBN-10 3-0369-9259-6 / 3036992596
ISBN-13 978-3-0369-9259-4 / 9783036992594
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