Dantons Tod (eBook)

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2013 | 1. Auflage
96 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-7306-9000-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dantons Tod -  Georg Büchner
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'Dantons Tod' spielt zur Zeit der Schreckensherrschaft in Frankreich und beschreibt den Konflikt der verschiedenen Revolutionsparteien in der Nationalversammlung und dem späteren Wohlfahrtsausschuss. Im Kampf der unterschiedlichen Strömungen entwickeln die Revolutionsführer Danton und Robespierre verschiedene Vorstellungen, wie ein zukünftiger Staat aussehen soll. In nur wenigen Jahren hat Büchner ein Werk von Weltrang geschaffen 'Dantons Tod' sprengt alle Regeln der klassischen Bühnenkunst und gehört gerade deshalb zu den bedeutendsten Dramen des 19. Jahrhunderts (Vormärz). Ein Revolutionsstück von mitreißender Kraft, Klarheit und Modernität, das auch heute noch niemanden unberührt lässt.

Georg Büchner (1813-1837) nahm bereits als 21-jähriger eine weichenstellende Position in der politischen Oppositionsbewegung des damaligen Deutschlands ein. Sein Revolutionsdrama 'Dantons Tod', das er 1835 in nur drei Tagen überarbeitete, gehört zu den bedeutendsten Dramen des 19. Jahrhunderts.

Erster Akt

Erste Szene

HÉRAULT-SÉCHELLES, einige Damen (am Spieltisch), DANTON, JULIE (etwas weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie).

DANTON. Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! ja wahrhaftig sie versteht’s, man sagt sie halte ihrem Manne immer das Cœur und andren Leuten das Carreau hin. Ihr könntet einem noch in die Lüge verliebt machen.

JULIE. Glaubst du an mich?

DANTON. Was weiß ich. Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nacheinander aus aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab – wir sind sehr einsam.

JULIE. Du kennst mich Danton.

DANTON. Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieb Georg. Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen) da da, was liegt hinter dem? Geh, wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müssten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren.

EINE DAME. Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor?

HÉRAULT. Nichts!

DAME. Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehn.

HÉRAULT. Sehn Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie.

DANTON. Nein Julie, ich liebe dich wie das Grab.

JULIE (sich abwendend). Oh!

DANTON. Nein, höre! Die Leute sagen im Grab sei Ruhe und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg.

DAME. Verloren!

HÉRAULT. Das war ein verliebtes Abenteuer, es kostet Geld wie alle andern.

DAME. Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den Fingern gemacht.

HÉRAULT. Ei warum nicht? Man will sogar behaupten gerade die würden am leichtesten verstanden. Ich zettelte eine Liebschaft mit einer Kartenkönigin an, meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prinzen, Sie Madame waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer in den Wochen, jeden Augenblick bekam sie einen Buben. Ich würde meine Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen fallen so unanständig übereinander und die Buben kommen gleich hinten nach.

CAMILLE DESMOULINS und PHILIPPEAU treten ein.

HÉRAULT. Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze gerissen, hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht, hat es während des Guillotinierens geregnet oder hast du einen schlechten Platz bekommen und nichts sehen können?

CAMILLE. Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen fand? Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren, bist du im Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser gesungen oder besser die Zither geschlagen? Welche klassischen Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!

PHILIPPEAU. Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrtum, man hat die Hébertisten nur aufs Schafott geschickt, weil sie nicht systematisch genug verfuhren, vielleicht auch weil die Decemvirn sich verloren glaubten wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die man mehr fürchtete, als sie.

HÉRAULT. Sie möchten uns zu Antediluvianern machen. St. Just säh es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen vieren kröchen, damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers Fallhütchen, Schulbänke und einen Herrgott erfände.

PHILIPPEAU. Sie würden sich nicht scheuen zu dem Behuf an Marats Rechnung noch einige Nulln zu hängen.

Wie lange sollen wir noch schmutzig und blutig sein wie neugeborne Kinder, Särge zur Wiege haben und mit Köpfen spielen? Wir müssen vorwärts. Der Gnadenausschuss muss durchgesetzt, die ausgestoßnen Deputierten müssen wieder aufgenommen werden.

HÉRAULT. Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt.

Die Revolution muss aufhören und die Republik muss anfangen.

In unsern Staatsgrundsätzen muss das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muss sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle sind Narren es hat keiner das Recht einem andern seine eigentümliche Narrheit aufzudringen.

Jeder muss in seiner Art genießen können, jedoch so, dass keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in seinem eigentümlichen Genuss stören darf.

CAMILLE. Die Staatsform muss ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muss sich darin abdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder hässlich sein, sie hat einmal das Recht zu sein wie sie ist, wir sind nicht berechtigt ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden.

Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den Nonnenschleier werfen wollen, auf die Finger schlagen.

Wir wollen nackte Götter, Bacchantinnen, olympische Spiele und melodische Lippen: ach, die gliederlösende, böse Liebe!

Wir wollen den Römern nicht verwehren sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen.

Der göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden.

Danton du wirst den Angriff im Konvent machen.

DANTON. Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben, sagen die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen sein. Nicht wahr mein Junge?

CAMILLE. Was soll das hier? das versteht sich von selbst.

DANTON. Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen Dinge ins Werk setzen?

PHILIPPEAU. Wir und die ehrlichen Leute.

DANTON. Das und dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit auseinander, die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Atem eh wir zusammenkommen. Und wenn auch! – Den ehrlichen Leuten kann man Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an sie verheiraten, aber das ist alles!

CMAILLE. Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen?

DANTON. Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte dergleichen gespreizte Catonen nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal so. (Er erhebt sich.)

JULIE. Du gehst?

DANTON (zu Julie). Ich muss fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. (Im Hinausgehn.) Zwischen Tür und Angel will ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)

CMAILLE. Lasst ihn, glaubt ihr er könne die Finger davon lassen, wenn es zum Handeln kömmt?

HÉRAULT. Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt.

Zweite Szene

Eine Gasse

SIMON. SEIN WEIB.

SIMON (schlägt das Weib). Du Kuppelpelz, du runzliche Sublimatpille, du wurmstichischer Sündenapfel!

WEIB. He Hülfe! Hülfe!

(Es kommen Leute gelaufen.)

LEUTE. Reißt sie auseinander! Reißt sie auseinander!

SIMON. Nein, lasst mich Römer, zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin!

WEIB. Ich eine Vestalin? das will ich sehen, ich.

SIMON. So reiß ich von den Schultern dein Gewand
Nackt in die Sonne schleudr’ ich dann dein Aas.

Du Hurenbett, in jeder Runzel deines Leibes nistet Unzucht.

(Sie werden getrennt.)

ERSTER BÜRGER. Was gibt’s?

SIMON. Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das Mädchen! Nein auch das nicht; die Frau, das Weib! Auch das, auch das nicht! Nur noch ein Name! Oh der erstickt mich! Ich habe keinen Atem dafür.

ZWEITER BÜRGER. Das ist gut sonst würde der Name nach Schnaps riechen.

SIMON. Alter Virginius verhülle dein kahl Haupt. Der Rabe Schande sitzt darauf und hackt nach deinen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er sinkt um.)

WEIB. Ach, er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen, der Schnaps stellt ihm gleich ein Bein.

ZWEITER BÜRGER. Dann geht er mit dreien.

WEIB. Nein, er fällt.

ZWEITER BÜRGER. Richtig, erst geht er mit dreien und dann fällt er auf das dritte, bis das dritte selbst wieder fällt.

SIMON. Du bist die Vampirzunge die mein wärmstes Herzblut trinkt.

WEIB. Lasst ihn nur, das ist so die Zeit,...

Erscheint lt. Verlag 7.7.2013
Reihe/Serie Große Klassiker zum kleinen Preis
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anaconda Verlag • Bühne • Bürger • Cordeliers • Dantons Tod • Demokratie • deutscher Schriftsteller • Drama • eBooks • Emanzipation des Individuums • Frankreich • Französische Revolution • Freiheit • Georg Büchner • Girondist • hessischer Schriftsteller • Hinrichtung • Jakobiner • Klassiker • Nationalversammlung • Realität • Reclam • Revolutionstribunal • Robespierre • Schreckensherrschaft • Vormärz
ISBN-10 3-7306-9000-0 / 3730690000
ISBN-13 978-3-7306-9000-0 / 9783730690000
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