Die Insel-Triologie / Nächte des Sturms - Nora Roberts

Die Insel-Triologie / Nächte des Sturms

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
416 Seiten
2001
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-442-35322-4 (ISBN)
8,95 inkl. MwSt
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Shawn Gallagher, der begabte Koch im familieneigenen Restaurant, ist darüber hinaus auch ein hoch talentierter Songschreiber. Allerdings verbringt die meiste Zeit seines Lebens mit Träumereien, statt Taten folgen zu lassen. Es scheint, als wäre er mit sich und der Welt zufrieden - aber seine Musik spricht eine andere Sprache: die der Einsamkeit und Verzweiflung. Niemand versteht, warum Shawn sein musikalisches Talent nicht nutzt, um Karriere damit zu machen. Auch nicht Brenna O'Toole, eine temperamentvolle, unabhängige junge Frau mit feuerroten Locken, die ihn seit Jahren liebt. Doch Shawns Erlösung liegt verborgen in einer anderen Welt, einer geheimnisvollen Welt voller Mythen und Magie, die ihm nur das liebende Herz einer Frau eröffnen kann - ein Herz, das schon so lange für ihn schlägt und das nur noch geweckt werden muss...


Durch einen Blizzard entdeckte Nora Roberts ihre Leidenschaft fürs Schreiben: Tagelang fesselte sie 1979 ein eisiger Schneesturm in ihrer Heimat Maryland ans Haus. Um sich zu beschäftigen, schrieb sie ihren ersten Roman. Zum Glück - denn inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland. Unter dem Namen J.D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

Irland ist ein Land der Dichter und Legenden, der Träumer und Rebellen. Sie alle sind von herrlicher Musik erfüllt. Es gibt Melodien für den Tanz und für die Trauer, für den Kampf und für die Liebe. In den alten Zeiten reisten die Barden von einem Ort zum anderen und sangen ihre Weisen für ein Mahl, ein Bett und ein paar kleine Münzen. Die Barden und die seanachais - die Geschichtenerzähler - waren überall willkommen, in jeder Hütte, jedem Gasthof und an jedem Lagerfeuer. Ihre wunderbare Gabe wurde selbst unter den grünen Hügeln in den Palästen der Feen sehr geschätzt. Und wird es auch heute noch. Einmal, vor nicht allzu langer Zeit, war eine Geschichtenerzählerin in dieses ruhige Dorf am Meer gekommen und war sehr herzlich aufgenommen worden. Sie hatte in dem Dorf ihr Herz und auch ihr Heim entdeckt. Auch ein Barde lebte unter ihnen und hatte sein Heim dort, wo es ihm gefiel. Doch sein Herz, das hatte er noch nicht gefunden. In seinem Kopf spielte Musik. Manchmal weich und wunderbar verträumt, wie das Wispern einer zärtlichen Geliebten, und manchmal brüllend und voller Gelächter wie ein guter Freund, der dich auf ein Guinness in den Pub einlädt. Sie war süß, leidenschaftlich und voller Tränen der Verzweiflung. Doch stets war es Musik. Und es bereitete ihm die größte Freude, sie Tag und Nacht zu hören. Shawn Gallagher war ein Mann, der mit seinem Leben vollkommen zufrieden war. Es gab einige, die sagten, er wäre deshalb so zufrieden, weil er kaum je lange genug aus seinen Träumen auftauchte, um die wahre Welt zu sehen. Und er stimmte ihnen zu. Seine Welt war die Musik und die Familie, und was für ihn zählte, waren sein Heim und seine Freunde. Weshalb sollte er sich noch um andere Dinge kümmern? Seine Familie lebte bereits seit Generationen in Ardmore, einem Dorf im Bezirk Waterford in Irland. Und dort betrieben die Gallaghers schon seit Jahrhunderten den Pub, boten ihren Gästen frische Getränke, anständige Mahlzeiten und einen heimeligen Ort für angenehme Gespräche. Seit sich die Eltern vor einiger Zeit in Boston niedergelassen hatten, führte Shawns älterer Bruder Aidan das gemeinsame Geschäft. Was Shawn Gallagher nicht ungelegen kam, da er weder über einen ausgeprägten Geschäftssinn verfügte, noch auch nur das leiseste Interesse dafür aufbrachte. Er war glücklich in der Rolle des hoch gelobten Kochs, da Kochen ihn entspannte. Wenn er Bestellungen erfüllte oder die Tageskarte aufsetzte, hörte er ständig, entweder aus dem Pub oder schlicht in seinem Kopf, seine geliebten Melodien. Natürlich gab es Momente, in denen seine Schwester Darcy - die wesentlich mehr Energie und Ehrgeiz als er selbst besaß - dort, wo er einen Eintopf rührte oder ein paar Brote machte, hereinplatzte und einen Streit mit ihm vom Zaun brach. Aber das machte alles nur etwas lebendiger. Auch hatte er keine Probleme damit, beim Bedienen auszuhelfen, vor allem nicht, wenn die Musik spielte und die Gäste fröhlich tanzten. Und nach dem abendlichen Schließen räumte er ohne Klage auf, denn das Gallagher's war für seine Ordnung und Sauberkeit berühmt. Das Leben in Ardmore, das gemächliche Tempo, in dem alles vor sich ging, die leuchtend blaue See, die dunkelbraunen Klippen, die schimmernd grünen Hügel, die sich in Richtung der blauen Bergkette erstreckten, kam ihm mehr als nur zupass. Die berühmte Reiselust der Gallaghers hatte er anscheinend nicht geerbt, er war in dem sandigen Boden von Ardmore fest verwurzelt. Er verspürte nicht das geringste Bedürfnis zu reisen, wie sein Bruder Aidan es getan hatte und wie Darcy es noch wollte. Alles, was er brauchte, hatte er in seiner Nähe. Weshalb also sollte er irgendetwas verändern? Obgleich er vor kurzem genau das getan hatte. Sein Leben lang hatte er durch das Fenster seines Schlafzimmers aufs Meer hinab gesehen. Es war dort gewesen, einfach dort, war schäumend gegen die Klippen gebrandet, stürmisch oder ruhig oder in irgendeiner dazwischen liegenden Stimmung. Der Duft des Meeres war das erste gewesen, was er aufgesogen hatte, wenn er morgens vor die Tür getreten war. Aber als sein Bruder die hübsche Amerikanerin Jude Frances Murray im letzten Herbst zur Frau genommen hatte, war es ihm richtig erschienen, ein paar Dinge zu verändern. Gemäß der Gallagher'schen Tradition bekam das Kind, das als Erstes heiratete, das Heim der Familie. Also waren Jude und Aidan in das große Haus am Rand des Dorfs gezogen, als sie von ihrer Hochzeitsreise nach Venedig zurückgekommen waren. Vor die Wahl zwischen den Räumen oberhalb des Pubs und dem kleinen, der Fitzgerald'schen Seite von Judes Familie gehörenden, gemütlichen, doch abgelegenen Cottage gestellt, hatte Darcy die Wohnung im Zentrum des Dorfes genommen und Shawn und einige andere Männer um ihre hübschen Finger gewickelt, damit diese durch aufwendige Streicharbeiten und das Schleppen unzähliger Möbel die zu Aidans Zeiten eher spartanischen Räume in ihren eigenen kleinen Palast verwandelten. Was Shawn durchaus gepasst hatte. Ihm gefiel das kleine, von hübschen Gärten umgebene Cottage auf dem Feenhügel besser, von dem aus man so wunderbar über die Klippen und die Hügel blicken konnte, und dessen geradezu himmlische Ruhe er genoss. Auch hatte er nichts gegen den Geist, der in dem Cottage lebte. Obgleich er ihn bisher noch nicht gesehen hatte, war er überzeugt von seiner Existenz. Es war der Geist von Lady Gwen, die um den Feengeliebten weinte, der von ihr einst abgewiesen worden war, und die immer noch darauf wartete, dass der Bann gebrochen würde und sie beide endlich frei wären. Shawn kannte die Geschichte des braven jungen Mädchens, das vor dreihundert Jahren in dem Cottage auf dem kleinen Hügel gelebt hatte, genau. Carrick, der Prinz der Feen, hatte sich in sie verliebt, doch statt seiner Liebe und seines Herzens hatte er ihr einzig die Pracht dessen gezeigt, was er ihr geben würde. Dreimal hatte er ihr Säcke mit Juwelen gebracht, erst Diamanten aus dem Feuer der Sonne, dann Perlen aus den Tränen des Mondes und schließlich Saphire aus dem Herzen der See. Doch sie hatte seinem Herzen und ihrem eigenen Schicksal nicht getraut und ihn zurückgewiesen. Und die Juwelen, die er vor ihren Füßen ausgeschüttet hatte, hatten sich der Legende zufolge in genau die Blumen verwandelt, die noch heute im Garten vor dem kleinen Häuschen blühten. Die meisten Blumen hielten gerade ihren wohlverdienten Winterschlaf. Die Klippen, auf denen die Lady angeblich häufig wandelte, ragten nackt und düster in den kalten, grauen Himmel. Sicher gab es in Kürze einen Sturm. Es war ein rauer Morgen, der Wind schlug hart gegen die Fenster, kroch durch alle Ritzen und kühlte das Cottage aus. Shawn hatte ein Feuer im Kamin in der Küche entfacht und trank heißen Tee, sodass ihm der Wind nichts ausmachte. Ganz im Gegenteil erfreuten ihn die geradezu arroganten Töne, in denen er pfiff. Er saß behaglich am Tisch, knabberte an einem Keks und spielte in Gedanken mit dem Text zu einer von ihm selbst verfassten Melodie. In einer Stunde musste er hinunter in den Pub. Aber um sicher zu gehen, dass er es nicht vergaß, hatte er einen Wecker auf den Herd und zusätzlich den Wecker in seinem Schlafzimmer gestellt. Ohne jemanden, der ihn aus seinen Träumen schüttelte und ihm sagte, er solle sich endlich bewegen, vergaß er allzu oft die Zeit. Da es Aidan wütend machte und Darcy einen Vorwand gab, um sich mit ihm zu streiten, tat er sein Möglichstes, damit dies nicht geschah. Das Problem war, dass er hin und wieder derart vertieft war in seine Musik, dass er selbst das Piepsen und Schrillen der Wecker einfach überhörte. Auch jetzt war er vollkommen in sein neues Lied vertieft, eine Weise, in der es um junge, selbstsichere Liebe ging. Die Art Liebe, wie Shawn dachte, die so unbeständig wie der Wind, doch zugleich aufregend und herrlich war. Ein fröhliches, unbeschwertes Lied, für das man schnelle Füße und eine gewisse Flirtbereitschaft brauchte. Er würde es noch etwas aufpolieren und sehen, ob er Darcy dazu brächte, dass sie es einmal sang. Ihre Stimme passte hervorragend zu der Stimmung des Liedes. Zu bequem, um hinüber ins Wohnzimmer zu gehen, wo das alte Klavier stand, das er vor seinem Einzug gekauft hatte, klopfte er den Takt des Liedes, während er den Text veränderte, ganz einfach mit dem Fuß. Er hörte weder das laute Klopfen an der Haustür noch das Dröhnen schwerer Schritte in dem kleinen Flur noch das gemurmelte, erboste Fluchen. Typisch, dachte Brenna. Schon wieder ist er in irgendeiner Traumwelt versunken, während das Leben um ihn herum weitergeht. Sie wusste nicht, weshalb sie überhaupt geklopft hatte - im Grunde hörte er es nie, und schließlich waren sie bereits seit ihrer Kindheit beim jeweils anderen zu Hause. Nun, sie waren keine Kinder mehr, und sie klopfte lieber an, ehe sie irgendwann einmal vielleicht in einem unpassenden Augenblick hereinkam. Schließlich hatte er vielleicht einmal eine Frau bei sich zu Gast. Der Mann zog Frauen an wie Zuckerwasser die Bienen. Nicht, dass er unbedingt ein Süßholzraspler war. Obgleich er dazu ein gewisses Talent besaß. Aber Himmel, er war wirklich attraktiv. Sofort hasste sie sich für diesen flüchtigen Gedanken. Aber schließlich war es schwer, seine Attraktivität zu übersehen. All die wunderbaren schwarzen Haare, die, da er regelmäßig den Friseurbesuch vergaß, immer etwas struppig wirkten. Die ruhigen, verträumten blauen Augen - die nur, wenn er sich aufregte, gleichermaßen heiße wie kalte Blitze aussandten. Er hatte lange, dunkle Wimpern, für die jede ihrer vier Schwestern ihre Seele verkauft hätte, und einen vollen, festen Mund, der, wie sie annahm, geschaffen war für lange, inbrünstige Küsse und sanfte, zarte Worte. Nicht, dass sie das aus eigener Erfahrung hätte sagen können, nein. Aber sie hatte so einiges gehört. Seine Nase war lang und etwas schief von einem Treffer, den sie selbst vor über zehn Jahren beim Baseballspiel gelandet hatte', doch dessen ungeachtet hatte er das Gesicht von einem Märchenprinzen oder einem edlen Ritter oder einem leicht zerzausten Engel. Dazu kamen der große, schmale Körper, die wunderbar kraftvollen Hände mit den Fingern eines Künstlers und eine Stimme, die klang wie vom Torffeuer gewärmter Whiskey. Nicht, dass sie sich besonders für ihn interessierte. Es war nur so, dass sie alles, was gelungen war, zu schätzen verstand. Was für eine elende Lügnerin sie doch war. Sie hatte bereits für ihn geschwärmt, als sie ihn mit dem Baseball erwischt hatte, und damals war sie erst vierzehn gewesen und er bereits ein neunzehnjähriger, attraktiver junger Mann. Diese Schwärmerei hatte sich beständig gesteigert, bis sie in der nunmehr vierundzwanzigjährigen Frau zu etwas Heißem, Drängendem herangewachsen war. Nicht, dass sie bisher je als weibliches Wesen von ihm wahrgenommen worden wäre. Umso besser, sagte sie sich und ging weiter Richtung Küche. Sie hatte nicht die Zeit herumzustehen, und von Typen wie Shawn Gallagher zu träumen. Schließlich musste sie wie die meisten anderen Menschen arbeiten. Sie setzte ein möglichst arrogantes Grinsen auf, senkte ein wenig ihren Arm und ließ dann absichtlich den Werkzeugkasten mit lautem Krachen fallen. Dass er zusammenzuckte wie ein Kaninchen beim Knall eines Gewehrschusses, erfüllte sie mit böser Freude. »Himmel!« Er fuhr auf seinem Stuhl herum und massierte sich das Herz, als müsse er es wieder zum Schlagen bringen. »Was ist passiert?« »Nichts.« Sie grinste noch immer herablassend. »Ich bin einfach ein Tollpatsch«, erklärte sie mit süßer Stimme und hob den Werkzeugkasten wieder auf. »Aber ich habe dir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, nicht wahr?« »Um ein Haar hättest du mich umgebracht.« »Tja, ich habe höflich angeklopft, aber du hast dich ja nicht bequemt, mir aufzumachen.« »Ich habe dich nicht gehört.« Er atmete langsam aus, strich sich die Haare aus der Stirn und zog kritisch die Brauen hoch. »Tja, aber was machst du hier? Ist irgendwas kaputt?« »Du hast wirklich ein Gedächtnis wie ein Sieb.« Sie zog ihre Jacke aus und warf sie über einen Stuhl. »Dein Ofen funktioniert seit über einer Woche nicht mehr«, erinnerte sie ihn und nickte in Richtung des Geräts. »Das Ersatzteil, das ich bestellt habe, ist gerade gekommen. Soll ich das Ding nun reparieren oder nicht?« Er machte ein zustimmendes Geräusch und winkte gnädig in Richtung des defekten Ofens. »Kekse?«, fragte sie, als sie am Tisch vorüberging. »Was für ein Frühstück ist denn das für einen ausgewachsenen Mann?« »Sie waren gerade greifbar.« Angesichts des Lächelns, mit dem er sie bedachte, hätte sie ihn am liebsten in den Arm genommen. »Es ist mir einfach zu mühsam, morgens für mich allein zu kochen; aber falls du Hunger hast, mache ich gerne etwas für uns beide.« »Nein, ich habe schon gefrühstückt.« Sie stellte den Werkzeugkasten ab, klappte ihn entschlossen auf und wühlte kurz darin herum. »Du weißt doch, Ma macht immer riesige Mengen. Sie würde sich ganz sicher freuen, wenn du morgens mal vorbeikommen und anständig bei ihr frühstücken würdest.« »Ihr könntet ja vielleicht eine rote Flagge hissen, wenn sie mal wieder ihre berühmten Pfannkuchen macht. Möchtest du wenigstens eine Tasse Tee? Er ist noch heiß.« »Ich hätte nichts dagegen.« Während sie die passenden Werkzeuge heraussuchte und das Ersatzteil in die Hand nahm, beobachtete sie seine Füße, die sich durch die Küche in Richtung Anrichte bewegten. »Was hast du gerade gemacht, als ich kam? Hast du wieder komponiert?« »Ich habe mit den Worten zu einer neuen Melodie herumgespielt«, erklärte er geistesabwesend. Sein Blick war auf einen einzelnen Vogel gefallen, dessen schwarzes, schimmerndes Gefieder sich im Flug deutlich von dem trüben, grauen Winterhimmel abhob. »Es scheint heute ziemlich kalt zu sein.« »Allerdings, und obendrein noch feucht. Der Winter hat gerade erst angefangen und schon wünsche ich mir, er wäre bald wieder vorbei.« »Dann wärm dich doch zuerst einmal ein bisschen auf.« Er ging vor ihr in die Hocke und reichte ihr den Tee, genau wie sie ihn mochte, stark und mit mehreren Stücken Zucker. »Danke.« Der Becher wärmte angenehm ihre Hände. Er blieb einfach hocken und nippte an seinem eigenen Tee. Ihre Knie stießen leicht aneinander. »So, was wirst du jetzt mit diesem Schrotthaufen anstellen?« »Was interessiert dich das? Hauptsache, er funktioniert.« Er zog eine Braue hoch. »Wenn ich wüsste, was du machst, könnte ich das Ding beim nächsten Mal vielleicht alleine reparieren.« Diese Vorstellung ließ sie in derart schallendes Gelächter ausbrechen, dass sie mit dem Hintern auf den Boden plumpste. »Du? Shawn, du wirst doch noch nicht mal mit einem abgebrochenen Fingernagel fertig.« »Und ob ich das tue.« Grinsend tat er, als beiße er einen seiner Nägel einfach ab, worauf sich ihr Lachen noch verstärkte. »Mach dir keine Gedanken darüber, was ich mit diesem Ding mache, und ich mache mir keine Gedanken über den nächsten Kuchen, den du darin bäckst. Schließlich hat jeder von uns seine Stärken.« »Es ist nicht so, dass ich noch nie einen Schraubenzieher benutzt hätte«, erklärte er in würdevollem Ton und zog einen aus ihrem Koffer. »Und ich habe durchaus schon mal einen Kochlöffel benutzt. Aber ich weiß, was mir besser in der Hand liegt.« Sie nahm ihm das Werkzeug ab, drehte sich um und schob den Kopf in den Ofen, um mit der Arbeit anzufangen. Sie hat kleine Hände, dachte Shawn. Ein Mann mochte sie als zart betrachten, wenn er nicht wusste, was sie alles schafften. Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie einen Hammer schwang, einen Bohrer hielt, Holz schleppte, Rohre verlegte. Meistens waren diese kleinen Feenhände voller Schrammen und Kratzer oder kleiner Abschürfungen an den Knöcheln. Sie war eine so kleine Frau, und hatte sich ausgerechnet eine solche Arbeit ausgesucht. Oder aber, die Arbeit hatte sie ausgesucht, verbesserte er sich, als er schließlich wieder aufstand. Er kannte das nur zu gut. Brennas Vater war ein vielseitig begabter Handwerker, und seine älteste Tochter schlug ihm einfach nach. Genau wie es hieß, Shawn käme nach der Mutter seiner Mutter, die, ganz in die Musik versunken, regelmäßig die Wäsche oder das Mittagessen vergessen hatte. Er wollte sich gerade abwenden, als sie mit wackelndem Hintern eine Schraube des Ofens losdrehte. Wieder zog er seine Brauen in die Höhe, da plötzlich sein, wie er dachte, automatisches männliches Interesse an einer attraktiven Stelle des weiblichen Körpers geweckt wurde. Schließlich hatte sie einen hübschen, festen, schmalen Körper. Die Art Körper, die ein Mann mit einer Hand umfassen konnte, wenn er wollte. Doch falls ein Mann das je versuchen würde, so war Shawn sich sicher, dass Brenna O'Toole ihn mit einem gezielten Faustschlag niederstrecken würde. Bei dieser Vorstellung musste er grinsen.

Reihe/Serie Blanvalet Taschenbuch ; 35322
Die Insel-Triologie ; BD 2 | 1.20
Übersetzer Uta Hege
Sprache deutsch
Maße 115 x 183 mm
Gewicht 315 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur
Schlagworte Irland; Romane/Erzähl.
ISBN-10 3-442-35322-X / 344235322X
ISBN-13 978-3-442-35322-4 / 9783442353224
Zustand Neuware
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