Paul Celan
Beck, C H (Verlag)
978-3-406-45919-1 (ISBN)
- Titel erscheint in neuer Auflage
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Felstiner
"Verlust und die Muttersprache (1920 - 1943) 'Vor allem entschuldige mir, bitte, das Nichtschreiben. Eine Motivierung für dasselbe habe ich auch nicht.' Das früheste erhaltene Schriftstück von der Hand Paul Antschels (den Namen Paul Celan gab er sich erst nach dem Krieg), ein Brief an seine Tante, beginnt mit einer bekannten Bitte. Es ist Januar 1934, zwei Monate nach Pauls Bar Mizwa, und Tante Minna, die in seiner Kindheit mit in der Familie Antschel gelebt hat, ist soeben nach Palästina ausgewandert. 'Also, pardonnez-moi, bitte!' fährt er fort, seine Schwäche für andere Sprachen als das heimatliche Deutsch verratend. Sodann erzählt er von der Zeugnisvergabe und daß er 'von Rechtswegen' der erste in seiner Klasse hätte sein sollen, nicht der zweite. Zur Erklärung dieses Mißgeschicks verweist er (mit komischer, pseudojuristischer Formulierung und Betonung) auf seine 'Angehörigkeit zum jüdischen Zweig der semitischen Rasse': 'Ja, was den Antisemitismus in unserer Schule betrif ft, da könnte ich ein 300 Seiten starkes Buch darüber schreiben.' Er berichtet der Tante, daß er eigentlich auch jetzt nicht geschrieben hätte, aber: 'Leider habe ich heute nicht in die Schule gehen können, da ich gestern am Eis gefallen bin und mir den Popo tüchtig zerschlagen habe.' Zuletzt erkundigt er sich nach den Sprachkenntnissen der Tante: 'Und wie geht's mit den Sprachen? Speake-you English? Und Hebräisch?' Das kindersprachliche 'Popo' fügt sich seltsam zu dem scharfen Ohr des Jungen für den Rassejargon - 'der jüdische Zweig der semitischen Rasse'. Dasselbe Ohr hinderte nach Hitlers zwölfjährigem Reich den Dichter, in seinen Schriften jemals wieder das Wort 'Rasse' zu gebrauchen. In Pauls Brief vom Januar 1934 fällt die angehende Judenverfolgung in der Heimat mit der Übersiedlung der Tante nach Palästina zusammen. Die leichte Spannung wird durch Pauls spaßhafte Manier gelindert - 'ein 300 Seiten starkes Buch' -, aber sie wird den nicht verlassen, der während und nach der Kat astrophe in Europa blieb. Aus der Freude des Dreizehnjährigen am 'pardonnez-moi' sollte später die Entscheidung des Vertriebenen werden, in Paris Fuß zu fassen. Und der Exkurs in eine Sprache, die er noch gar nicht gelernt hatte - 'Speake-you English?' -, führte schließlich zu unerhörten Übersetzungen aus Shakespeare und Emily Dickinson. Die abschließende Frage des Briefes - 'Und Hebräisch?' - rätselt darüber, wie ein Jude des Habsburgerreiches aus dem Deutschen in das Hebräische auswandern kann, aus der Muttersprache in die heilige Sprache. Seine Muttersprache war für Paul Antschel gebunden an seine Mutter. Durch sie drang Deutsch an sein Ohr, in der Alltagssprache, in den Klassikern, in Märchen und Liedern wie jenem 'Maikäferlied, das mütterlich blieb, sommerlich, hell- / blütig am Rand / aller schroffen, / winterhart-kalten / Silben' (1:290). Eine Photographie, die Celan aufbewahrte, zeigt seine Mutter mit etwa 21, eine Frau mit vollen, weichen Zügen und warmherzigem Blick ..."
Reihe/Serie | Beck'sche Reihe ; 1379 |
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Übersetzer | Holger Fliessbach |
Zusatzinfo | mit 1 Karte und 16 Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Gewicht | 455 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | Celan, Paul • Schriftsteller (Biografien/Erinnerungen); Celan, Paul |
ISBN-10 | 3-406-45919-6 / 3406459196 |
ISBN-13 | 978-3-406-45919-1 / 9783406459191 |
Zustand | Neuware |
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