Ein ganzes halbes Jahr (eBook)
528 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-90231-2 (ISBN)
Jojo Moyes, geboren 1969, hat Journalistik studiert und für die Sunday Morning Post in Hongkong und den Independent in London gearbeitet. Ihr Roman «Ein ganzes halbes Jahr» war ein internationaler Bestseller und eroberte weltweit die Herzen von über 16 Millionen Leser:innen. Zahlreiche weitere Nr.-1-Romane folgten. Jojo Moyes hat drei erwachsene Kinder und lebt in London.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 08/2017) — Platz 20
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 07/2017) — Platz 16
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- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Taschenbuch 2016 — Platz 1
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 02/2017) — Platz 9
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 18/2016) — Platz 10
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 16/2016) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 15/2016) — Platz 8
- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Paperback 2015 — Platz 15
Jojo Moyes, geboren 1969, hat Journalistik studiert und für die Sunday Morning Post in Hongkong und den Independent in London gearbeitet. Ihr Roman «Ein ganzes halbes Jahr» war ein internationaler Bestseller und eroberte weltweit die Herzen von über 16 Millionen Leser:innen. Zahlreiche weitere Nr.-1-Romane folgten. Jojo Moyes hat drei erwachsene Kinder und lebt in London. Karolina Fell hat schon viele große Autorinnen und Autoren ins Deutsche übertragen, u.a. Jojo Moyes, Bernard Cornwell und Kristin Hannah.
Kapitel 2
Ich bin nicht dumm. Das will ich an dieser Stelle einfach mal betonen. Allerdings ist es ziemlich schwer, sich in der Gehirnzellenabteilung nicht unterversorgt zu fühlen, wenn man mit einer kleineren Schwester aufwächst, die nicht nur eine Klasse übersprungen hat, sodass sie in meiner war, sondern noch eine, und damit war sie in der Klasse über mir.
Alles, was man von einem Kind an vernünftigem oder klugem Handeln erwarten kann, hat Katrina als Erste getan, obwohl sie anderthalb Jahre jünger ist. Jedes Buch, das ich je gelesen habe, hatte sie vorher schon gelesen, und über alles, was ich am Essenstisch ansprach, wusste sie schon längst Bescheid. Sie ist der einzige Mensch, den ich kenne, der richtig gern Prüfungen ablegt. Manchmal glaube ich, dass ich mich so anziehe, wie ich es tue, weil das Einzige, was Treena nicht hat, Modegeschmack ist. Sie ist der Pullover-Jeans-Typ. Und wenn sie mal schick sein will, bügelt sie ihre Jeans, bevor sie sie anzieht.
Mein Vater nennt mich einen «Charakter», weil ich dazu neige, alles sofort auszusprechen, was mir in den Kopf kommt. Er sagt, ich wäre wie meine Tante Lily, die ich nie kennengelernt habe. Es ist ein bisschen komisch, ständig mit jemandem verglichen zu werden, dem man nie begegnet ist. Als ich zum Beispiel mal mit violetten Stiefeln runterkam, nickte Dad meiner Mum zu und sagte: «Weißt du noch, Tante Lily und ihre violetten Stiefel?» Und dann gluckste Mum los, und sie lachten, als hätte Dad einen Witz gemacht, den ich nicht verstand. Meine Mutter nennt mich dagegen «eigenwillig», und damit drückt sie höflich aus, dass sie meine Art, mich anzuziehen, nicht versteht.
Aber abgesehen von einer kurzen Phase als Teenager wollte ich nie so aussehen wie Treena oder wie sonst eins von den Mädchen aus meiner Schule. Bis ich vierzehn war, zog ich am liebsten Jungsklamotten an, und inzwischen gefalle ich mir am besten in Sachen, die zu meiner jeweiligen Stimmung passen. Es hat keinen Zweck, wenn ich versuche, durchschnittlich auszusehen. Ich bin klein, dunkelhaarig, und meinem Dad zufolge habe ich ein Elfengesicht. Damit meint er nicht, ich wäre schön wie eine Elfe. Ich bin nicht hässlich, aber ich glaube nicht, dass mich irgendwer jemals für eine Schönheit halten wird. Mit der Anmut habe ich’s auch nicht so. Wenn er Sex will, sagt Patrick immer, ich wäre umwerfend, aber er ist ziemlich leicht zu durchschauen. Nach fast sieben Jahren Beziehung kennt man sich außerdem ganz gut.
Jetzt war ich also sechsundzwanzig Jahre alt und wusste immer noch nicht so richtig, wer ich war. Bis ich meinen Job im Café verlor, hatte ich darüber ohnehin nie ernsthaft nachgedacht. Ich ging davon aus, dass ich vermutlich Patrick heiraten, ein paar Kinder kriegen und ein paar Straßen von dort entfernt wohnen würde, wo ich bisher gewohnt hatte. Abgesehen von meinem leicht exotischen Kleidergeschmack und der Tatsache, dass ich ziemlich klein bin, unterscheidet mich nicht viel von irgendwem, dem Sie auf der Straße begegnen. Vermutlich würden Sie keinen zweiten Blick auf mich werfen. Eine ganz normale junge Frau, die ein ganz normales Leben führt. Und das passte mir sehr gut, ehrlich gesagt.
«Zu einem Bewerbungsgespräch zieht man ein Kostüm an», hatte Mum gesagt. «Heutzutage wissen die Leute einfach nicht mehr, was sich gehört.»
«Weil Nadelstreifen so entscheidend sind, wenn man einen alten Knacker füttert.»
«Spiel nicht die Schlaumeierin.»
«Ich kann mir kein Kostüm leisten. Und was ist, wenn ich den Job trotzdem nicht kriege?»
«Du kannst meins anziehen, und ich bügle dir eine schöne Bluse, und dreh dein Haar mal ausnahmsweise nicht zu diesen …», sie deutete auf meine Frisur, die gewöhnlich aus zwei dunklen Haarknoten bestand, die ich mir seitlich am Kopf feststeckte, «… Prinzessin-Leia-Dingern. Versuch einfach mal, wie ein ganz normaler Mensch auszusehen.»
Ich war nicht so dumm, einen Streit mit meiner Mutter anzufangen. Und ich wusste genau, dass sie Dad angewiesen hatte, sich jeden Kommentar über mein Aussehen zu verkneifen, als ich leicht verkrampft aus dem Haus ging, weil der Rock zu eng war.
«Tschüs, Liebes», sagte er mit zuckenden Mundwinkeln. «Viel Glück. Du siehst sehr … geschäftsmäßig aus.»
Das Peinliche war nicht, dass ich das Kostüm meiner Mutter trug oder dass sein Schnitt das letzte Mal in den späten Achtzigern Mode gewesen war, sondern dass es mir ehrlich gesagt ein winziges bisschen zu eng war. Der Bund schnitt mir in die Taille, und das doppelreihig geknöpfte Jackett spannte. Dad sagt von Mum immer, an ihr sei weniger Fett als an einer Haarklammer.
Auf der kurzen Busfahrt war mir leicht übel. Ich hatte noch nie ein richtiges Bewerbungsgespräch geführt. Im Buttered Bun war ich gelandet, nachdem Treena gewettet hatte, dass ich niemals innerhalb eines Tages einen Job finden würde. Also war ich einfach in das Café gegangen und hatte Frank gefragt, ob er eine Aushilfe brauchte. Er hatte gerade erst eröffnet und war beinahe in die Knie gegangen vor Dankbarkeit.
Im Rückblick kommt es mir so vor, als hätten wir nie über Geld geredet. Er schlug mir einen Wochenlohn vor, und ich nahm den Vorschlag an, und einmal im Jahr erhöhte er den Betrag, und zwar um ein bisschen mehr, als ich gefordert hätte.
Was wurde man bei einem Bewerbungsgespräch gefragt? Und was war, wenn sie mich in der Praxis testen wollten, wenn ich diesen alten Mann füttern oder baden sollte? Syed hatte gesagt, es gebe einen Pfleger, der sich um die ‹intimen Bedürfnisse› kümmere (ich erschauerte bei diesem Ausdruck). Die Aufgabenbeschreibung der Pflegehilfe, sagte er, sei ‹in dieser Hinsicht ein bisschen unklar›. Ich stellte mir vor, wie ich dem Alten Speichel von den Mundwinkeln wischte und dabei mit erhobener Stimme fragte: «MÖCHTE ER EINE TASSE TEE?»
Mein Großvater hatte in der ersten Zeit nach seinem Schlaganfall überhaupt nicht für sich sorgen können, und Mum hatte seine gesamte Pflege übernommen. «Deine Mutter ist eine Heilige», hatte Dad gesagt, und ich schloss daraus, dass sie Großvater den Hintern abwischte, ohne schreiend aus dem Haus zu rennen. Ich war ziemlich sicher, dass mich nie jemand eine Heilige genannt hatte. Ich schnitt für Großvater das Essen vor und kochte ihm Tee, aber ich glaubte, für alles andere fehlte mir irgendein Gen.
Granta House lag mitten im Touristengebiet auf der anderen Seite von Stortfold Castle ganz in der Nähe der mittelalterlichen Burgmauern. Dort standen nur vier Häuser und der Museumsshop. Ich war schon eine Million Mal an diesem Haus vorbeigegangen, ohne es je richtig wahrzunehmen. Als ich jetzt am Parkplatz und an der Miniatur-Eisenbahn vorbeikam, die so trostlos und verlassen wirkte, wie es nur eine Sommerattraktion im Februar kann, wurde mir klar, dass das Haus viel größer war, als ich gedacht hatte. Es war ein roter Backsteinbau mit einer riesigen Eingangstür, genau die Art Haus, die man im Wartezimmer eines Arztes in alten Nummern von Country Life sah.
Ich ging die lange Auffahrt hinauf und versuchte, nicht darüber nachzudenken, ob mich hinter einem der Fenster jemand beobachtete. Eine lange Auffahrt hinaufzugehen, versetzt einen in die schlechtere Position; man fühlt sich automatisch unterlegen. Ich überlegte gerade, ob ich mir den Pony zurechtzupfen sollte, als die Tür aufging und ich vor Schreck beinahe einen Satz machte.
Eine Frau, nicht viel älter als ich, trat auf die Veranda. Sie trug weiße Hosen und eine Art Pflegerkittel und hatte eine Bewerbungsmappe und einen Mantel unter dem Arm. Als sie an mir vorbeiging, lächelte sie mir höflich zu.
«Und vielen Dank, dass Sie gekommen sind», sagte eine Stimme aus dem Haus. «Wir melden uns.» Dann tauchte das Gesicht einer Frau auf. Sie war mittleren Alters, aber sehr schön, und hatte einen teuren, akkuraten Haarschnitt. Ihr Hosenanzug hatte vermutlich mehr gekostet, als mein Vater im Monat verdiente.
«Sie müssen Miss Clark sein.»
«Louisa.» Ich streckte ihr die Hand entgegen, wie es mir meine Mutter eingeschärft hatte. Die jungen Leute heutzutage wollten niemandem mehr die Hand geben, da waren sich meine Eltern einig. Früher hätte man nicht im Traum daran gedacht, sich mit einem «Hey» oder, schlimmer, mit Küsschen zu begrüßen. Diese Frau sah definitiv nicht so aus, als wollte sie von mir geküsst werden.
«Gut. Ja. Bitte, kommen Sie herein.» Sie zog ihre Hand so schnell zurück, wie es die Höflichkeit erlaubte, aber ich spürte ihren abschätzenden Blick auf mir.
«Bitte, es geht hier entlang. Wir unterhalten uns im Salon. Ich bin Camilla Traynor.» Sie wirkte erschöpft, so als hätte sie diese Worte heute schon oft gesagt.
Ich folgte ihr durch einen riesigen Raum mit hohen französischen Fenstern. Schwere Vorhänge hingen elegant drapiert an dicken Mahagonistangen, und auf dem Boden lagen Perserteppiche mit verschlungenen Mustern. Es roch nach Bienenwachs und antiken Möbeln. Überall standen kleine, edle, blankpolierte Beistelltische mit Zierdöschen herum. Ich fragte mich kurz, wo um alles in der Welt die Traynors ihre Teetassen abstellten.
«Sie sind also über unsere Stellenannonce beim Jobcenter hergekommen, nicht wahr? Bitte, nehmen Sie Platz.»
Während sie in ihren Unterlagen blätterte, sah ich mich verstohlen um. Ich hatte erwartet, in dem Haus würde es ungefähr wie in einem Pflegeheim aussehen, rollstuhlgerecht und mit hygienisch abwischbaren Oberflächen. Aber es wirkte eher wie eins von diesen erschreckend teuren Hotels, alles atmete altes Geld und stand voller liebgewordener Dinge, die vermutlich sehr wertvoll waren....
Erscheint lt. Verlag | 21.3.2013 |
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Reihe/Serie | Lou | Lou |
Übersetzer | Karolina Fell |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Behinderung • Bestseller • Beziehung • bücher für frauen • Chancen • Eine Handvoll Worte • Emilia Clarke • Familie • Film • Filmausgabe • Geschenke für Frauen • Hoffnung • Jojo Moyes Lou • Kino • Liebe • Liebesfilm • Liebesgeschichte • Liebesromane Bestseller • Liebesromane deutsch • liebesromane für erwachsene • me before you deutsch • Muttertagsgeschenk • Pflegerin • querschnittgelähmt • Querschnittsgelähmt • Rollstuhl • romane bestseller frauen • Romantik • romantischer Liebesroman • Roman Urlaub • Sam Claflin • Spiegel Bestseller-Autorin • Sterbehilfe |
ISBN-10 | 3-644-90231-3 / 3644902313 |
ISBN-13 | 978-3-644-90231-2 / 9783644902312 |
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