Voll Speed (eBook)
304 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402517-9 (ISBN)
Moritz Matthies ist ein Pseudonym. Bei FISCHER sind von ihm die Romane ?Ausgefressen?, ?Voll Speed?, ?Dumm gelaufen?, ?Dickes Fell? und ?Letzte Runde? lieferbar. Die Hörbücher sind bei Argon erschienen und werden von Christoph Maria Herbst gelesen.
Moritz Matthies ist ein Pseudonym. Bei FISCHER sind von ihm die Romane ›Ausgefressen‹, ›Voll Speed‹, ›Dumm gelaufen‹, ›Dickes Fell‹ und ›Letzte Runde‹ lieferbar. Die Hörbücher sind bei Argon erschienen und werden von Christoph Maria Herbst gelesen.
Ein tierisch abgedrehtes Lesevergnügen mit Fessel-Funktion! Ironisch geschrieben, voll cool, witzig und erdmännchenmäßig charmant.
Eine witzige, spannende und temporeiche Geschichte, die Einblicke in das Clanleben der Erdmännchen bietet und zeigt, wie Erdmännchen mit menschlichen Partnern zusammen einen Mord aufklären.
Dauerangriff auf die Lachmuskeln
Zugegeben: Für ›Voll Speed‹ muss man Unsinn und schrägen Humor mögen, aber unter diesen Voraussetzungen sind die Erdmännchen eine Herausforderung für das menschliche Zwerchfell.
Selten waren doofe Biester und ihr Alltag im Zoo so unglaublich menschlich, witzig, liebenswert – und sexy.
›Voll Speed‹ ist eine grandios komische Mischung aus ›Roger Rabbit‹, dem Schafskrimi ›Glennkill‹ von Leonie Swann und der beliebten Kinoreihe ›Alvin und die Chipmunks‹
Extrem lustig!
Kapitel 1
Es gibt ein altes Erdmännchensprichwort, das geht so: »Wer allzeit gräbt, hat nie gelebt.«
Gut, ich gebe zu, das ist meine persönliche Variante des Sprichworts. Bei Ma würde ich damit nicht durchkommen. In Wirklichkeit geht es nämlich so: »Wer allzeit gräbt, hat brav gelebt.« Aber das »brav« darin hat mich schon immer genervt. Rufus, mein Klugscheißer-Bruder, meint, an dem Sprichwort könne man unsere protestantischen Wurzeln erkennen. Natürlich hab ich keine Ahnung, was protestantisch bedeutet, und natürlich weiß Rufus das. Nachgefragt hab ich trotzdem nicht. Die Genugtuung konnte ich ihm einfach nicht geben. Bei vielen Zoobesuchern ist ja »Prostata« ein großes Thema, aber ob das jetzt irgendwie zusammenhängt … Außerdem, ich meine, hey, wir kommen ursprünglich aus der Savanne. Keine Ahnung, ob es da Prostata-Wurzeln gibt. Und wenn ja: Wen interessiert’s?
Weshalb ich das erzähle? Nun, ich schätze, ich bin etwas aus der Art geschlagen. Mit dem Graben hab ich es nämlich nicht so. Dafür bin ich Frühaufsteher. Die schönste Zeit des Tages in unserem Zoo ist kurz vor Sonnenaufgang: Wenn die meisten Säuger noch dabei sind, den Schlaf abzuschütteln, sich hinten über dem Okapigehege der Himmel rosa färbt und das neue Kupferdach von Elsas Gehege zu glänzen beginnt. Und bevor die Pfleger kommen und die Besucher hereinströmen. Ich war nie in der Savanne, und, realistisch betrachtet, werde ich da wohl auch niemals hinkommen, aber schöner als im Zoo kurz vor Sonnenaufgang kann es da auch nicht sein.
»Morgen, Ray«, begrüßt mich ein Flamingo.
Ist ein kleiner Wermutstropfen, dass ich auf meinem morgendlichen Rundgang durch den Zoo immer als Erstes den Flamingos begegne, aber hinter deren Haus führt nun mal unser Geheimgang nach draußen. Kaum etwas ist ermüdender als das Gespräch mit einem Flamingo – was ich noch wegstecken könnte, wenn sie sich wenigstens vernünftig verarschen ließen. Ist aber nicht, weil sie bis zur nächsten Begegnung unter Garantie vergessen haben, dass sie verarscht worden sind.
Ich demonstriere das mal eben: »Morgen, Heinz«, antworte ich.
»Du kennst meinen Namen?«, fragt der Flamingo.
»Klar«, lüge ich, »du bist Heinz.«
Er wechselt in Zeitlupe von einem Bein auf das andere. Klares Zeichen von erhöhter Gehirnaktivität. »Ist das ein cooler Name?«, fragt er.
»Kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Ob du ein Männchen oder ein Weibchen bist. Als Weibchen Heinz zu heißen wär’ eher uncool.«
»Und … Bin ich ein Weibchen?«
»Seh ich aus wie ein Gynäkologe?«, entgegne ich. Was das bedeutet, weiß ich zufällig.
Damit hab ich den Flamingo intellektuell in eine Sackgasse manövriert, aus der er so bald nicht wieder herausfinden wird. Ich will ihn den einsamen Weiten seiner Gehirnwindungen überlassen, als mich ein zweiter Flamingo fragt: »Weißt du auch, wie ich heiße?«
»Logisch. Du bist Wiesel.«
»Wiesel?«
»Brauchst mich gar nicht so schräg anzugucken. Ich hab dir den Namen schließlich nicht verpasst.«
»Aber das ist doch ein Tier?«
»Beschwer dich bei deinen Eltern.«
Auch er wechselt von einem Bein auf das andere: Bssssssssssss – Bein raus – bsssssssssss – Bein rein. Ein Fahrstuhl schafft in der Zeit locker acht Stockwerke. »Aber ich könnte Männchen oder Weibchen sein – würde beides passen, oder?«
»Stimmt. Wär’ beides uncool.«
Der Flamingo, den ich Heinz getauft habe, hat zwischenzeitlich mit dem Schnabel im Gefieder zwischen seinen Beinen herumgestöbert. »Ich glaube, ich bin ein Weibchen«, sagt er jetzt.
Der andere sieht eine Chance, von seinem eigenen Dilemma abzulenken: »Dann bist du uncool.«
»Du bist doch selber uncool«, wehrt sich Heinz, »schließlich heißt du … Ray, wie heißt der noch mal?«
»Wiesel.«
»Genau. Wiesel. Voll der Doofname, echt.«
Wiesel lässt nervös den Kopf um die eigene Achse rotieren. »Wenigstens bin ich kein Weibchen, so wie du.«
An diesem Punkt ziehe ich mich vornehm zurück, überlasse die beiden einander, schlüpfe durch die Hecke und schlendere lässig Richtung Elefantengehege. Wie gesagt: Könnte ganz lustig sein, so eine Flamingoverarsche. Aber zu wissen, dass die beiden beim nächsten Mal unter Garantie alles vergessen haben werden, verdirbt einem echt den Spaß.
Eigentlich könnte dies ein besonders schöner Morgen sein. Die Blätter an den Bäumen haben sich bereits herbstlich verfärbt und baumeln träge in der schweren Luft, leuchten aber noch einmal in einem angeberischen Gelb- und Rot-Finale, sobald sie von den Strahlen der Altweibersonne gestreichelt werden. Und doch traue ich dem Frieden nicht. Ich kann es nicht genau sagen, aber da ist etwas – eine nervöse Anspannung. Wie eine Neuigkeit, die sich im Zoo verbreitet und die du spürst, bevor du weißt, was es eigentlich genau ist.
Am Gehege der Breitmaulnashörner Ursula und Justus wird meine Ahnung zur Gewissheit. Normalerweise läuft das so: Bei den Flamingos schlage ich den Weg nach Norden ein, grüße freundlich die Elefanten, ignoriere die Steinböcke auf ihrem lächerlichen Felsen, auf den sie sich so viel einbilden, und nehme mir bei den Nashörnern etwas Zeit, um Ursula so lange zu … sagen wir: necken, bis Justus wutschnaubend mit seinem vorderen Horn gegen das Stahlgeländer rennt.
Um das zu erreichen, mache ich Ursula meist Komplimente über ihren Hintern – dass sie mich total heiß macht mit diesem schlanken, geradezu grazilen Dickhäuterpo und dass ich gar nicht verstehen könne, wie Justus das aushalte, den ganzen Tag mit ihr das Gehege zu teilen, ohne sie nicht wenigstens stündlich zu bespringen, obwohl in Justus’ Fall springen wohl nicht das richtige Wort sei und so weiter und so fort. Justus versucht dann immer, Ruhe zu bewahren. Das ist der eigentlich lustige Teil – wie er versucht, die Kontrolle zu behalten. Denn er weiß natürlich, dass ihn wirklich hässliche Schmerzen erwarten, sobald er mit dem Horn das Geländer knutscht. Schließlich ist das vordere Horn von Breitmaulnashörnern mit der Nasenwurzel verwachsen. Aua.
Selbstredend gelingt es Justus nicht, die Kontrolle zu behalten. Unmöglich. Dreieinhalb Tonnen Kampfgewicht, aber eine Steuereinheit von der Größe einer kandierten Mandel. Rufus meint, es liege daran, dass Nashörner keine natürlichen Feinde haben. Es gibt sozusagen keine evolutionäre Notwendigkeit, dass sich da im Kopf etwas entwickelt. Wenn ihnen jemand blöd kommt, gibt’s was auf die Glocke, und das war es dann. So weit das Gehirn eines Breitmaulnashorns. Funktioniert leider nur in freier Wildbahn. Hier im Zoo trennt Justus und mich ein Vierkant-Stahlrohr so dick wie ein Laternenpfahl. Und das ist der Grund dafür, weshalb eine Nashornverarsche deutlich mehr Spaß bringt als eine Flamingoverarsche. Denn Justus erinnert sich zwar morgen noch an die Schmerzen von heute, am Ende aber dengelt er doch wieder gegen das Geländer. Er kann nicht nicht dagegen rennen.
Und so zwänge ich mich wie jeden Morgen möglichst unauffällig durch die Hecke, die sie entlang des Stahlgeländers gepflanzt haben, lehne mich lässig gegen einen der Betonpfeiler, betrachtete den felsblockartigen Hintern von Ursula und rufe: »Morgen, Ursula!«
Sie antwortet, ohne sich umzudrehen: »Geh weg, Ray.«
»Ich würde ja gerne«, antworte ich, während ich mit einer Kralle die Ritzen zwischen meinen Zähnen sauberkratze, »aber dein Hintern macht mich einfach derartig heiß … Wo ist eigentlich Jus…«
In diesem Moment beginnt die Erde zu beben, und Justus kommt um das Haus gestürmt, und – kein Witz – so schnell hab ich ihn noch nie laufen sehen. Wusste gar nicht, dass ein Nashorn überhaupt so rennen kann. Er muss sich richtig auf die Seite legen, um nicht aus der Kurve zu fliegen. Ich tätschele kurz den Betonpfeiler und kreuze das Spielbein über das Standbein. Das wird weh tun, denke ich, doch da galoppiert Justus auch schon heran, hält direkt auf mich zu, grunzt wie ein Posaunenchor, und die Erde vibriert so stark, dass ich immer wieder für Sekundenbruchteile den Bodenkontakt verliere. Jetzt wird mir doch etwas mulmig. Ich sehe den Staub tanzen und habe gerade noch Gelegenheit, zwei Schritte rückwärts zu stolpern, während ich mit aufgerissenen Augen verfolge, wie Justus auf den letzten Metern noch einmal zulegt – Mann, der würde glatt einen Geparden abhängen. Dann kneife ich die Augen zusammen, höre, wie sein Horn in das Geländer kracht und er ein Brüllen ausstößt, das selbst die Kängurus im entlegensten Winkel des Zoos schockiert zusammenfahren lässt.
Das Nächste, was ich wahrnehme, ist ein Luftstoß, der nach vergorenem Gras riecht und mich anbläst wie ein Föhn auf Stufe drei. Ich öffne meine Augen und blicke in die von Justus, blutunterlaufen, hitzig, zu allem entschlossen. Er hat es tatsächlich fertiggebracht, das Geländer zu verbiegen, den Stahl zu knicken wie ein Streichholz, und jetzt schnauft er mir seinen Grasatem ins Gesicht, und die Spitze seines Horns ist ziemlich genau eine Klauenbreite davon entfernt, meine kleinen Erdmänncheneier aufzuspießen. Ich blicke an mir herab und stelle fest, dass ich Justus gerade vor Schreck auf sein Horn pinkele. Für einen Moment steht die Zeit still. Er schnauft, ich pinkele. Dann hab ich keinen Urin mehr und mich wieder unter Kontrolle. Bin schließlich kein Nashorn. Mit einer einzelnen, abgespreizten Kralle tippe ich sehr behutsam die Spitze von Justus’ Horn an.
»Wie es scheint«,...
Erscheint lt. Verlag | 21.2.2013 |
---|---|
Reihe/Serie | Erdmännchen-Krimi | Erdmännchen-Krimi |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Berlin • Erdmännchen • Tierkrimi • zoo |
ISBN-10 | 3-10-402517-7 / 3104025177 |
ISBN-13 | 978-3-10-402517-9 / 9783104025179 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,4 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich