Das Washington-Dekret (eBook)
656 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41557-6 (ISBN)
Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 in Kopenhagen geboren. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen: als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, war Verlagschef im Bonnier-Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. Sein Hobby: das Renovieren alter Häuser. Mit seiner Thriller-Serie um Carl Mørck und seinen Romanen >Das Alphabethaus<, >Das Washington-Dekret< und >Takeover< stürmt er die internationalen Bestsellerlisten. Seine vielfach preisgekrönten Bücher erscheinen in 42 Ländern.
Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 in Kopenhagen geboren. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen: als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, war Verlagschef im Bonnier-Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. Sein Hobby: das Renovieren alter Häuser. Mit seiner Thriller-Serie um Carl Mørck und seinen Romanen ›Das Alphabethaus‹, ›Das Washington-Dekret‹ und ›Takeover‹ stürmt er die internationalen Bestsellerlisten. Seine vielfach preisgekrönten Bücher erscheinen in 42 Ländern.
1
Im Herbst 1992
Doggie war zwar erst vierzehn, aber sie wusste, dass Märchen nicht immer einen schönen Anfang haben und manchmal auch ein böses Ende nehmen. Ihr Märchen hätte kaum schlimmer ausgehen können.
Begonnen hatte es so: Das Büro von Gouverneur Jansen schlug dem größten Lokalsender Virginias eine neue Quizsendung vor. Dafür stellte man auch gleich etwas Startkapital zur Verfügung. Es sollte ein Länderquiz werden, bei dem man zunächst erraten musste, welche chinesische Stadt die meisten Einwohner hatte. Der Lokalsender stieg ein.
Unter den achtundvierzig Teilnehmern der ersten Runde war ein vierzehnjähriges Mädchen. Eine kleine Sensation! Nun galt es, vier Wochen lang die Spannung aufrechtzuerhalten, denn für das Wahlkampfbüro von Gouverneur Jansen sollten sich die finanzielle und die moralische Unterstützung der Show schließlich lohnen.
Die beiden ersten Sendungen wurden nachmittags ausgestrahlt, aber dann bekam die Show einen Sendeplatz zur Primetime. Die Presse schoss sich schnell auf das Schulmädchen mit dem reizenden Lächeln ein, das als mögliche Gewinnerin gehandelt wurde – und drei Viertel der Zuschauer in Virginia wanderten von den übrigen Fernsehsendern ab. Das war ein neuer Rekord. »Rund um die Welt« hatte sich zum reinsten Straßenfeger entwickelt. An Sendetagen stieg der Verkauf von Snacks und Sixpacks in beachtliche Höhen. Die Fernsehleute jubelten über die Einschaltquoten.
Überall in Virginia wurden Wetten abgeschlossen. Alle hatten ihre Favoriten. Viele setzten auf den Sheriff aus einem der kleinsten Countys von Virginia, andere auf eine üppige Blondine mit Silikonbusen und passenden Hüften, aber die weitaus meisten wetteten auf die Jüngste aus der Runde, das Mädchen mit den Grübchen, Dorothy Curtis: Doggie.
Sie war schnell, sie wusste mehr als die meisten erwachsenen Teilnehmer, und sie lachte sich scheckig über die angestrengten Witze des Moderators. Die Herzen der Zuschauer flogen ihr zu, und alle wollten sehen, ob sie es bis in die Endrunde schaffte.
Drei Wochen und drei Sendungen später standen die drei Sieger fest. Und was für welche! Gouverneur Jansen strahlte, das Honorar des Moderators wurde verdoppelt, und die Zeitungen waren schier außer sich.
Den ersten Preis gewann Rosalie Lee aus New York, eine dicke schwarze Frau, die zufällig und zum ersten Mal überhaupt ihre Schwester Josephine in Virginia besucht hatte. Rosalie war ein Prachtexemplar von einer Frau, mit Zähnen wie Perlen und einem ansteckenden Lachen, und sie verstand es, das Publikum zu unterhalten. Nur einen Punkt Rückstand hatte T. Perkins, der farblose, aber ausgesprochen freundliche Sheriff aus dem Nordwesten Virginias. Er war früher einmal der beste Dartspieler des Landes gewesen. Dritte wurde tatsächlich Doggie Curtis, das Mädchen mit den Lachgrübchen. Was für ein Triumph! Beliebter und unterschiedlicher hätten die Sieger nicht sein können – alle Beteiligten waren zufrieden. Bei diesem Ergebnis konnte sich keine Bevölkerungsgruppe übergangen fühlen.
Rosalie Lee, T. Perkins und Doggie Curtis bekamen die üppigen Prämien vor laufender Kamera überreicht. Außer einer erklecklichen Summe Geldes hatten sie eine Reise nach China gewonnen.
Doggie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie, zusammen mit Gouverneur Bruce Jansen und seinem Stab in China! Sie würde in dieses fremde, ferne Land reisen und gemeinsam mit einer chinesischen Delegation eine zwanzigtägige Rundreise unternehmen. Ein Märchen!
Ja, Gouverneur Jansen hatte ein Gespür für die Wünsche der Menschen, das hatte er einmal mehr unter Beweis gestellt – und die Medien überboten sich in der Berichterstattung.
Doggies Vater war zwar stolz auf seine kluge Tochter, aber er schäumte vor Wut, als er von der Prämie hörte. Als äußerst konservativer Republikaner lehnte er den Demokraten Bruce Jansen vehement ab. »Bei diesem PR-Gag eines Demokraten machst du nicht mit!«, schrie er. In einer erbitterten Auseinandersetzung mit ihrem Mann sorgte Doggies Mutter schließlich dafür, dass ihre Tochter die Reise antreten durfte.
Es war die letzte Auseinandersetzung der Eltern – fünf Monate später wurden sie geschieden. Von da an lebte Doggie bei ihrer Mutter, deren Mädchennamen sie annahm.
In gewisser Weise hatte ihr Vater ja recht gehabt. Das Ganze war eine Publicity-Nummer. Aber warum denn auch nicht! Gouverneur Jansen war ein fähiger Mann. Er hatte drei ganz normale Menschen zu Publikumslieblingen gemacht, und alle sieben Millionen Einwohner Virginias fühlten sich über diese drei eingeladen, an der Reise in das rätselhafte Land teilzunehmen. Doggie wurde zu einer Art Lokalprominenz, ihre Fotos und Interviews fanden sich in allen Medien. Und die Strategie von Gouverneur Jansen ging auf: Mit diesem Manöver hatte er die Herzen seiner potentiellen Wähler erobert. Wem entstand dadurch schon ein Schaden? Seinem politischen Gegner, ja. Jansen kannte die Menschen gut, er wollte an die Macht – und er war klug.
Als Doggie im Sonnenschein zur Gangway hinaufschaute und zum Abschied winkte, hatte sie Herzklopfen. Sie war in Mexiko gewesen und in Puerto Rico und in mindestens zwanzig der amerikanischen Staaten. Aber noch nie war sie mit einer so großen Maschine geflogen.
Als sie zu ihrem Platz in der Mitte kam, saß Sheriff T. Perkins bereits am Fenster und machte sich mit einem vergoldeten Dartpfeil die Fingernägel sauber. Wenige Sekunden später kam Gouverneur Jansens Frau Caroll zu Doggie und tätschelte ihr die Wange. »Doggie, du bist ein tolles Mädchen«, sagte sie. »Ich gratuliere dir zum dritten Platz. Wir zwei werden es uns unterwegs schön machen.« Sie nickte nach links und rechts und nahm dann zwei Reihen weiter vorn Platz zwischen ihrem Mann und Thomas Sunderland, der rechten Hand des Gouverneurs.
Rosalie Lee begrüßte Doggie herzlich, pflanzte ihren gewaltigen Körper neben sie und beanspruchte dabei auch noch die Hälfte von ihrem Sitz. Aus einer riesigen Tüte holte sie Cola, Kekse und Süßigkeiten und verteilte alles großzügig. In Rosalie Lees Gesellschaft sollte es niemandem an etwas mangeln.
Sie unterhielt Doggie mit Geschichten von New York, von ihrer kleinen Wohnung in der Bronx und ihren drei hübschen Söhnen. Schließlich gab sie laut lachend zum Besten, wie sie ihren ungehobelten Kerl von einem Ehemann mit einem Tritt aus der Wohnung befördert hatte.
Ihre Lachsalve weckte Sheriff T. Perkins. Verwirrt blickte er um sich. Er wirkte geduldig, sprach wenig und döste immer wieder ein. Beim Quiz hatte er mit einem enormen Wissen geglänzt. Aber auch Rosalie war nicht zu unterschätzen. Ihr Gehirn konnte blitzschnell umschalten, und dann rauschte sie allen davon.
»Wow!« Rosalie starrte auf den Pazifik unter ihnen. »Da müsste man mal Urlaub machen: Molokai! Muss herrlich sein!«
Unwillig öffnete Sheriff T. Perkins wieder die Augen. Er hatte drei Tage und Nächte durchgearbeitet, um seinen Schreibtisch für die Zeit seiner Abwesenheit geordnet zu hinterlassen, und jetzt war er hundemüde.
Ein junger Mann in der Reihe vor ihnen, der seit dem Abflug fest geschlafen hatte, schaute zwei Stunden später über den Stuhlrücken. »Wesley Barefoot!«, stellte er sich mit strahlendem Zahnpastareklamelächeln vor. »Wir werden die nächsten Wochen also zusammen verbringen. Vielleicht kennt ihr meine Mutter? Sie ist Gouverneur Jansens Sekretärin.«
Sie schüttelten den Kopf.
»Glückwunsch auch«, schaltete er dann um. »Ich hab mir sämtliche Sendungen angesehen. Ihr wart einfach irre gut!«
Sie lächelten ihn an, und der junge Mann fühlte sich ermuntert, ihnen mehr über sich zu erzählen. Er studierte Jura, liebte Politik und englische Rockbands.
Doggie fand, dass er fantastisch aussah und gut roch.
Auf dem Flughafen von Peking war es kalt, staubig und grau. Angesichts der Abordnung von Fotografen, Kameramännern und Journalisten legte Gouverneur Bruce Jansen Rosalie und Doggie die Arme um die Schultern. Nach den obligatorischen Fragen der chinesischen Medien ließ er die beiden gehen und wandte sich den Vertretern der internationalen Presse zu, die hinter einer Reihe blau gekleideter chinesischer Soldaten warteten.
Einer der Journalisten fiel Doggie sofort auf: ein ausgesprochen kleiner Mann mit zurückweichendem Haaransatz und sehr dunklen Augen, dessen Fragen stets zuerst beantwortet wurden.
Nachdem das alles überstanden war, fuhr der Gouverneur mit seiner Frau und zwei chinesischen Beamten in einer schwarzen Limousine davon. Seine Mitarbeiter folgten ihnen in der nächsten, und die Schar der Journalisten zerstreute sich. Nur der kleine mit den dunklen Augen interessierte sich offenbar für Jansens Mitreisende. Er winkte seinem Fotografen und steuerte auf die kleine Gruppe zu.
»Hallo! Ich heiße John Bugatti.« Er räusperte sich. »Ich arbeite für die NBC und begleite Sie und Jansens Stab auf der Reise.«
Von Nahem fiel Doggie auf, dass sie noch nie jemanden mit so vielen Sommersprossen gesehen hatte. Sie war hin und weg. Alles war großartig, sie genoss die Reise schon jetzt in vollen Zügen. Ihr Vater hatte sich umsonst Sorgen gemacht. Sie war in guten Händen.
So wie alle Tage zuvor hatte auch der letzte Tag in Peking für Doggie wie im Märchen begonnen. Umgeben von einer Heerschar lächelnder chinesischer Kellner hatten sie im Hotel ein üppiges Frühstück zu sich genommen. Bis auf Caroll Jansen und Rosalie Lee hatten alle gelernt, die Essstäbchen zu benutzen.
Doggie sah sich um. Das Licht, das durch die großen Fenster fiel, intensivierte die...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2013 |
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Übersetzer | Marieke Heimburger, Hannes Thiess |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 1984 • 9/11 • Action & Abenteuer • Amerika • Attentat • Ausnahmezustand • Bestseller • Big Brother • Bürgerkrieg • Bürgerrechte • David Baldacci • Dekret • Demokratie • Despot • Diktatur • Donald Trump • Erlasse • Fahrenheit 451 • Gesellschaft • Gesellschaftsroman • John Grisham • Komplott • Krimi • Krimis und Thriller • Machtmenschen • Machtmissbrauch • Meinungsfreiheit • Mord • Nordamerika • Notstandsgesetze • Orwell • Politik • Politthriller • Polit-Thriller • Pressefreiheit • Psychologischer Roman • Psychothriller • Spannung • Thriller • Thriller Buch • Trumpe • Überwachungsstaat • Unterhaltung • USA • US-Präsident • Vereinigte Staaten von Amerika • Verschwörung • Waffengewalt • Washington • Washington DC |
ISBN-10 | 3-423-41557-6 / 3423415576 |
ISBN-13 | 978-3-423-41557-6 / 9783423415576 |
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