Alle Weihnachtserzählungen (eBook)

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2012 | 1. Auflage
608 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0315-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alle Weihnachtserzählungen - Charles Dickens
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Kobolde, Geister und Gespenster treiben in den Weihnachtserzählungen ihr wundersames Spiel mit den Menschen. In Scharen steigen sie kettenrasselnd aus dunklen Kellern, dringen durch die Ritzen im Kamin und quellen aus den Silvesterglocken. Unheimliche Gestalten erscheinen dem zu Tode erschrockenen, habgierigen Ebenezer Scrooge, der in Traumvisionen für seine Hartherzigkeit büßen muss, und liebliche Feen umgaukeln den wackeren Fuhrmann John Perrybingle, den Zweifel an der Treue seiner Frau plagen. Aber immer wieder werden wir aus dieser Zauberwelt in den Alltag der kleinen Leute versetzt. Durch den dichten Londoner Nebel schimmern die weihnachtlichen Auslagen der Geschäfte, und Bratendüfte schweben in den engen Gassen. Staunend sehen wir, wie Scrooge, der Geizhals, den größten Truthahn kauft. Schmunzelnd schauen wir der gutmütigen Clemency Newcome zu, wie sie aus den Tiefen ihrer Tasche einen Fingerhut und eine Muskatreibe zutage fördert, deren eingravierte Sprüche ihre ganze Bibliothek bilden. Wir zittern, wenn Tilly Slowboy das ihr anvertraute Baby durch ihr Ungeschick in Gefahr bringt, und sind gerührt bei der Begegnung mit dem schmächtigen kleinen Tim und der blinden Bertha. Sie bestehen jedoch alle den Kampf des Lebens, den Dickens humorvoll ausmalt, und zum Schluß ist jeder Misston aus dem traulichen Zirpen des Heimchens am Herd verschwunden.



CHARLES DICKENS wurde 1812 in Landport (bei Portmouth) als Sohn eines Angestellten im Marinezahlamt geboren. 1824-26 besuchte er eine höhere Privatschule (Wellington House Academy) und arbeitete anschließend als Advokatenschreiber und Gerichtsreporter. 1831-36 nahm er den Beruf des Parlamentsstenographen/-berichterstatter für liberale bürgerliche Zeitungen an. Er begründete 1846 die radikale bürgerliche Zeitung 'Daily News'. Seine literarische Laufbahn begann er unter dem Schriftstellernamen Boz mit scharf beobachteten und witzigen Skizzen aus dem Londoner Leben ('Sketches by Boz'). Berühmt wurde er durch 'Die Pickwickier' (1837). Seine frühen Romane 'Oliver Twist' (1838), 'Nicholas Nickleby' (1839), 'Der Raritätenladen' (1841) sowie die jährlichen Weihnachtsgeschichten machten Dickens zu einem der gefeiertsten Schriftsteller seiner Zeit. Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt und erfuhren zahlreiche Bearbeitungen für Film und Bühne. Er starb 1870 in Gadshill Place (bei Rochester).Weitere wichtige Werke: 'Leben und Abenteuer Martin Chuzzlewits' (1843/44), 'Dombey und Sohn' (1848), 'Ein Weihnachtslied in Prosa' (1844), 'David Copperfield' (1849/50), 'Bleak House' (1852/53), 'Klein Dorrit' (1855/57), 'Harte Zeiten' (1854) u. a.'Große Erwartungen' erschien 1861.Noch zu Lebzeiten wurde Charles Dickens zur Legende. Als er starb, fragte ein kleines Mädchen bange: 'Charles Dickens ist tot? Wird dann auch der Weihnachtsmann sterben?'

Erste Strophe


Marleys Geist

Marley war tot, das gleich zu Anfang. Darüber besteht nicht der geringste Zweifel. Die Bestattungsurkunde war vom Geistlichen, vom Standesbeamten, vom Leichenbestatter und dem Hauptleidtragenden unterschrieben. Scrooge hatte sie unterzeichnet. Und Scrooges Name war auf der Börse für jede Sache gut, unter die er seine Unterschrift setzte.

Der alte Marley war tot wie ein Türnagel.

Wohlgemerkt, ich will nicht behaupten, daß ich genau wüßte, was man unter tot wie ein Türnagel versteht. Ich wäre eher geneigt, einen Sargnagel als den unbelebtesten Gegenstand aller Eisenwaren anzusehen. Aber die Weisheit unserer Vorfahren steckt in diesem Vergleich; und ich möchte ihn nicht mit meinen ungeweihten Händen zerstören, sonst geht unser Land zugrunde. Gestatten Sie mir deshalb, mit allem Nachdruck zu wiederholen, daß Marley tot wie ein Türnagel war.

Wußte Scrooge, daß er tot war? Selbstverständlich. Wie sollte er nicht? Scrooge und er waren ich weiß nicht wie viele Jahre Partner gewesen. Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Nachlaßverwalter, sein einziger Rechtsnachfolger, sein einziger Nachvermächtnisnehmer, sein einziger Freund und der einzige um ihn Trauernde. Doch nicht einmal Scrooge war über das traurige Ereignis so tief betrübt, daß er nicht sogar am Tag der Beerdigung ein tüchtiger Geschäftsmann gewesen wäre und ihn mit einem wirklich guten Geschäft feierlich begangen hätte.

Die Erwähnung von Marleys Begräbnis führt mich auf meinen Ausgangspunkt zurück. Es besteht kein Zweifel, daß Marley tot war. Das muß als sicher angenommen werden, ansonsten kann aus der Geschichte, die ich jetzt erzählen möchte, nichts Wunderbares hervorgehen. Wenn wir nicht vollkommen überzeugt wären, daß Hamlets Vater gestorben war, bevor das Stück begann, wäre sein nächtlicher Bummel, den er bei Wind von Osten her über seinen Festungswall macht, nicht bemerkenswerter, als wenn irgendein Herr in mittleren Jahren nach Einbruch der Dunkelheit hastig zu einem luftigen Ort hinauszieht – sagen wir zum Beispiel, auf den St.-Pauls-Friedhof –, um das schwache Gemüt seines Sohnes buchstäblich in Furcht zu versetzen.

Scrooge ließ niemals den Namen des alten Marley übermalen. Noch Jahre später stand über der Geschäftstür: Scrooge & Marley. Die Firma war als Scrooge & Marley bekannt. Manchmal nannten Leute, denen das Geschäft vorher unbekannt war, Scrooge Scrooge und manchmal Marley, aber er reagierte auf beide Namen. Für ihn war es dasselbe.

Oh, was war er doch für ein Geizkragen! Scrooge, dieser habsüchtige alte Sünder, der das Geld aus anderen herauspreßte und an sich riß, der es zusammenkratzte und krampfhaft festhielt. Er war hart und scharf wie ein Feuerstein, aus dem kein Stahl jemals auch nur einen Funken Großzügigkeit herausgeschlagen hatte. Er war so verschwiegen, verschlossen und einsiedlerisch wie eine Auster. Die innere Kälte ließ seine alten Gesichtszüge erstarren und die Wangen runzlig werden, zwickte ihm in die spitze Nase und machte ihn steifbeinig. Sie ließ seine Augen rot und die dünnen Lippen blau werden und kam deutlich in seiner krächzenden Stimme zum Ausdruck. Rauhreif überzog Kopf und Augenbrauen sowie sein kantiges Kinn. Er trug seine niedrige Temperatur ständig mit sich herum; er kühlte während der Hundstage sein Büro und erwärmte es auch nicht um ein Grad in der Weihnachtszeit.

Äußere Hitze oder Kälte hatten auf Scrooge wenig Einfluß. Weder Wärme konnte ihm das Herz erwärmen noch winterliches Wetter ihn entmutigen. Kein Wind war rauher als er, kein Schneeschauer mehr auf seine Absicht bedacht, kein Regenguß einer dringenden Bitte gegenüber weniger aufgeschlossen. Schlechtes Wetter konnte ihm nie etwas anhaben. Der heftigste Regen, Schnee, Hagel oder Graupel konnte sich nur in einer Hinsicht rühmen, überlegen zu sein. Sie gingen oft verschwenderisch hernieder, er zeigte sich niemals so.

Niemand hielt ihn auf der Straße an und fragte mit freundlichem Blick: »Lieber Mr. Scrooge, wie geht es Ihnen? Wann kommen Sie mich besuchen?« Kein Bettler flehte ihn an, ihm eine Kleinigkeit zu schenken. Kein Kind fragte ihn, wie spät es sei. Nicht ein einziges Mal wurde Scrooge von einem Mann oder einer Frau gefragt, wie man zu diesem oder jenem Ort gelange. Selbst die Blindenhunde schienen ihn zu kennen. Wenn sie ihn herankommen sahen, zerrten sie ihre Besitzer in Hauseingänge hinein oder die Gasse hinauf. Dann wedelten sie mit dem Schwanz, als wollten sie sagen: »Es ist besser, gar keine Augen zu haben als böse, blindes Herrchen!«

Aber was kümmerte das Scrooge! Das war es gerade, was ihm gefiel. Weil er sich seinen Weg durchs Leben bahnte, indem er menschliches Mitgefühl nicht zu nahe an sich heranließ, wurde er von den Eingeweihten ein verrückter Kerl genannt.

Einst saß der alte Scrooge an einem der schönsten Tage des Jahres, einem Heiligabend, geschäftig in seinem Büro. Das Wetter war rauh, bitter kalt und obendrein neblig. Er konnte hören, wie die Leute draußen auf dem Hof keuchend auf und ab gingen, sich mit den Händen gegen die Brust schlugen und mit den Füßen auf das Pflaster stampften, um sie zu erwärmen. Die Uhren in der Stadt hatten gerade erst drei geschlagen, aber es war schon ziemlich dunkel – es war den ganzen Tag über nicht hell geworden –, und in den Fenstern der umliegenden Büros flackerten Kerzen wie rötliche Fettflecke in der dicken, braunen Luft. Der Nebel drang zu jedem Ritz und Schlüsselloch herein und war draußen so dicht, daß die gegenüberliegenden Häuser nur schemenhaft zu sehen waren, obwohl der Hof zu einem der engsten gehörte. Wenn man sah, wie sich die schmutzige Wolke herabsenkte und alles verdunkelte, konnte man denken, Mutter Natur lebe ganz in der Nähe und braue in großem Umfang.

Die Tür von Scrooges Büro stand offen, damit er ein Auge auf seinen Angestellten werfen konnte, der in einer traurigen kleinen Zelle nebenan, einer Art Kasten, saß und Briefe abschrieb. Bei Scrooge brannte ein sehr kleines Feuer, bei dem Angestellten aber ein noch viel kleineres, daß es wie eine einzige Kohle aussah. Er konnte jedoch nichts nachlegen, weil Scrooge die Kohlenkiste in seinem Raum aufbewahrte. Sobald der Angestellte mit der Schaufel hereinkam, gab ihm sein Herr zu verstehen, daß sich ihre Wege trennen müßten. Daraufhin legte sich der Angestellte sein weißes Wolltuch um den Hals und versuchte, sich an der Kerze aufzuwärmen. Da er aber keine große Phantasie besaß, gelang ihm das nicht.

»Frohe Weihnachten, Onkel! Gott segne dich!« rief eine vergnügte Stimme. Es handelte sich um die Stimme von Scrooges Neffen, der so schnell auf ihn zukam, daß sie das erste Anzeichen seines Kommens war.

»Pah!« sagte Scrooge, »Unsinn!«

Scrooges Neffe hatte sich beim raschen Laufen im Nebel und Frost dermaßen erhitzt, daß er nur so glühte. Sein hübsches Gesicht war gerötet, die Augen funkelten, und beim Atmen stieß er Dampfwolken aus.

»Weihnachten ein Unsinn, Onkel?« sagte Scrooges Neffe. »Das meinst du sicher nicht so.«

»Doch«, sagte Scrooge. »Frohe Weihnachten! Welches Recht hast du, froh zu sein? Welchen Grund hast du, froh zu sein? Du bist arm genug.«

»Aber geh«, erwiderte der Neffe fröhlich. »Welches Recht hast du, traurig zu sein? Welchen Grund hast du, verdrießlich zu sein? Du bist doch reich genug.«

Da Scrooge im Moment keine bessere Antwort zur Hand hatte, sagte er wieder »Pah!« und fügte noch »Unsinn!« hinzu.

»Sei nicht ärgerlich, Onkel!« sagte der Neffe.

»Was kann ich sonst sein«, erwiderte der Onkel, »wo ich in einer Welt voller Narren lebe? Frohe Weihnachten! Pfui über ›Frohe Weihnachten‹. Was bedeutet die Weihnachtszeit schon anderes für dich als eine Zeit, in der man Rechnungen ohne Geld bezahlt; in der man ein Jahr älter, aber keinen Deut reicher geworden ist; in der man die Bücher abschließt und sich jeder Posten darin ein Dutzend Monate hindurch als gewinnlos erweist? Wenn es nach mir ginge«, sagte Scrooge aufgebracht, »müßte jeder Idiot, der mit einem ›Frohe Weihnachten‹ auf den Lippen herumläuft, in seinem eigenen Plumpudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig durchs Herz begraben werden. Das sollte er!«

»Onkel!« flehte der Junge.

»Neffe«, erwiderte der Onkel ernst, »feiere Weihnachten auf deine Weise und laß es mich auf meine feiern.«

»Feiern!« wiederholte Scrooges Neffe. »Aber du feierst es ja gar nicht.«

»Überlaß das nur mir«, sagte Scrooge. »Möge es dir viel Gutes bringen! Dir hat es ja immer viel Gutes gebracht!«

»Es gibt viele Dinge, von denen ich Gutes hätte gewinnen können, aus denen ich allerdings keinen Nutzen gezogen habe«, erwiderte der Neffe. »Weihnachten gehört dazu. Aber ganz bestimmt habe ich die Weihnachtszeit, wenn sie herankam – abgesehen von der Ehrfurcht vor ihrem heiligen Namen und Ursprung, falls man überhaupt von dem, was damit verbunden ist, absehen kann –, als eine gute Zeit angesehen, die Zeit der Güte, der Vergebung, der Barmherzigkeit und Freude, die einzige Zeit im Laufe des Jahres, die ich kenne, in der Männer und Frauen einmütig ihre verschlossenen Herzen weit zu öffnen scheinen und an die Menschen unter sich denken, als ob sie wirklich Wandergefährten zum Grabe wären und nicht eine andere Art von Geschöpfen auf anderen Wegen. Und deshalb, Onkel, glaube ich, obwohl sie mir niemals auch nur ein Gramm Gold oder Silber eingetragen hat, daß sie mir Gutes gebracht hat und auch weiterhin bringen wird, und deshalb sage ich: ›Gott segne sie!‹«

...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2012
Übersetzer Margit Meyer
Sprache deutsch
Original-Titel Christmas Books
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Charles Dickens • Dickens • England • Erzählungen • Geister • Gespenster • Klassiker • Kobolde • Sammlung • Weihnachten • Weihnachtserzählungen
ISBN-10 3-8412-0315-9 / 3841203159
ISBN-13 978-3-8412-0315-1 / 9783841203151
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