Das Gesetz der Lagune (eBook)

Commissario Brunettis zehnter Fall

(Autor)

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2012 | 1. Auflage
336 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60069-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Gesetz der Lagune -  Donna Leon
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Nach dem Tod von zwei Fischern sind alle im Dorf so verschlossen wie verdorbene Vongole. Der Commissario gibt dennoch nicht auf. Den Amtsweg ist Brunetti noch nie gegangen, doch diesmal bringen seine Methoden die halbe Questura in Gefahr.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ?Brunetti?-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ›Brunetti‹-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

[19] 3

Die Mitteilung des Jungen sorgte kaum für Überraschung bei den Leuten auf der Mole. Wer nicht von dort war, hätte wohl anders auf die Eröffnung reagiert, daß da im Wasser zwei Tote lagen, aber die Leute von Pellestrina kannten Giulio Bottin seit dreiundfünfzig Jahren; viele von ihnen hatten schon seinen Vater gekannt; einige sogar noch seinen Großvater. Die Männer aus der Familie Bottin waren schon immer als hart und gnadenlos bekannt gewesen, Männer, deren Charakter von der Grausamkeit der See vielleicht geformt, bestimmt jedoch beeinflußt worden war. Sollte Giulio ein Opfer von Gewalt geworden sein, so hätte das nur wenige gewundert.

Manche hatten Marco als anders empfunden, vielleicht eine Folge davon, daß er als erster und einziger aus der Familie Bottin länger als ein paar Jahre zur Schule gegangen war und mehr gelernt hatte, als nur ein paar Worte zu lesen und eine krakelige Unterschrift zu produzieren. Hinzu kam der Einfluß seiner Mutter, die nun schon fünf Jahre tot war. Sie, die ursprünglich von Murano stammte, war eine sanftmütige, liebevolle Frau gewesen, die vor zwanzig Jahren Giulio geheiratet hatte, weil sie, wie einige glaubten, etwas mit ihrem Vetter Maurizio gehabt hatte, der sie verließ, um nach Argentinien zu gehen; andere meinten, ihr Vater, der ein Spieler war, habe bei Giulio hohe Schulden gehabt und ihm zur Begleichung derselben seine Tochter zur Frau gegeben. Die wahre Vorgeschichte dieser Ehe war [20] nie richtig bekannt geworden, aber vielleicht gab es da auch gar nichts zu erzählen. Hingegen hatten alle im Dorf schon immer gewußt, daß zwischen den Eheleuten keinerlei Liebe oder auch nur Sympathie bestand, und die umlaufenden Geschichten waren nichts weiter als Versuche, aus diesem Nichtvorhandensein von Gefühlen schlau zu werden.

Aber wie auch immer Bianca zu ihrem Gatten gestanden hatte, ihr Sohn war ihr ein und alles gewesen. Flinke Zungen hatten darin den Grund für Giulios Verhalten ihm gegenüber gesehen: kalt, hart, unnachsichtig, ganz in der Tradition der männlichen Linie der Bottins. An diesem Punkt der Geschichte rissen die Leute meist die Arme hoch und sagten, jene beiden hätten nie heiraten dürfen – unweigerlich sagte daraufhin jemand anders, dann hätte es auch nie einen Marco gegeben, und man müsse doch sehen, wie glücklich er Bianca gemacht habe; man brauche ihn ja auch nur anzusehen, um zu wissen, was für ein guter Junge er sei.

Das würde nun nie mehr einer in der Gegenwartsform sagen, ab sofort nicht mehr, denn Marco lag tot auf dem Grund des Hafens im ausgebrannten Boot seines Vaters.

Je heller es wurde, desto weniger wurden die Leute auf der Mole: Nach und nach begab man sich in aller Stille wieder nach Hause. Bald waren die meisten verschwunden, doch dann kehrten die Männer zurück, die man den Platz überqueren und zu ihren Booten gehen sah. Bottin und Sohn waren tot, aber das war kein Grund, auf die Muschelernte eines Tages zu verzichten. Die Saison war so schon kurz genug bei den vielen Vorschriften, die besagten, was man wo und wann überhaupt durfte.

Schon eine halbe Stunde später lag nur noch ein Boot an [21] der Mole, nämlich der linke Nachbar der gesunkenen Squallus, deren Treibstofftank mit solcher Gewalt explodiert war, daß eine Eisenstange die Seitenwand der Anna Maria etwa einen Meter über der Wasserlinie durchschlagen hatte. Ihr Kapitän, Ottavio Rusponi, hatte zuerst geglaubt, er könne es riskieren und mit den anderen zu den Muschelbänken hinausfahren, doch dann sah er die Wolken, hob die linke Hand in den Wind und entschied sich doch lieber anders, denn dieser Wind kam von Osten auf und wurde stärker.

Erst um acht Uhr morgens, als Kapitän Rusponi den Versicherungsagenten anrief, um den Schaden an seinem Boot zu melden, kam jemand auf den Gedanken, die Polizei zu benachrichtigen, und dieser Jemand war der Agent, nicht der Kapitän. Alle, die später gefragt wurden, warum sie es unterlassen hatten, die Behörden zu verständigen, beriefen sich darauf, daß sie geglaubt hätten, jemand anders habe das bereits getan. Und das Versäumnis, den Tod der beiden Bottins auch nur zu melden, wurde von vielen als ein Zeichen dafür gewertet, in welchem Ansehen die Familie bei den übrigen Bürgern von Pellestrina stand.

Es dauerte geraume Zeit, bis die Carabinieri, die mit einem Boot von ihrer Station auf dem Lido kamen, endlich da waren. Offenbar hatte es auch Mißverständnisse bei der Meldung der Todesfälle gegeben, denn die Carabinieri kamen in voller Uniform und hatten niemanden mitgebracht, der zu dem Wrack tauchen konnte, weil ihnen niemand gesagt hatte, wo die Leichen sich befanden. Die daraufhin einsetzende Diskussion war sowohl juristischer als auch administrativer Art, denn niemand wußte so genau, welcher Arm des Gesetzes für einen verdächtigen Tod im Wasser [22] zuständig war. Endlich beschloß man, die Stadtpolizei einzuschalten und Taucher von der Feuerwehr anzufordern. Nicht der unbedeutendste Grund für die Entscheidung war der Umstand, daß die beiden Carabinieri, die als Taucher arbeiteten, sich an diesem Tag im illegalen Unterwassereinsatz hinter Murano befanden, denn dort hatte man kürzlich eine Stelle entdeckt, an der im sechzehnten Jahrhundert mißglückte oder beim Brennen zu Bruch gegangene Keramik versenkt worden war. Der Lauf der Zeit hatte aus wertlosem Ausschuß kostbare Fundstücke gemacht, und die Sopraintendenza ai Beni Culturali, der die Entdeckung der Fundstelle vor zwei Monaten gemeldet worden war, hatte diese auf die Liste der archäologisch wertvollen Stätten gesetzt, an denen das Tauchen verboten war. Bei Nacht sollte sie wie auch andere Stellen in der Lagune, an denen Reliquien aus der Vergangenheit im Wasser ruhten – abgeriegelt werden. Tagsüber konnte es aber durchaus vorkommen, daß man in dem Gebiet ein Boot vor Anker liegen sah, das mit dem Emblem irgendeiner Strafverfolgungsbehörde geschmückt war. Und wer hätte die fleißigen Taucher, die allen Anschein erweckten, in amtlichen Geschäften da zu sein, zur Rede stellen wollen?

Die Carabinieri kehrten mit ihrem Boot zum Lido zurück. Nach über einer Stunde näherte sich ein Polizeiboot von hinten der Flotte von Pellestrina, die jetzt wieder vollzählig und wohlbehalten an der Mole lag, alle Kapitäne zu Hause.

Der Bootsführer verlangsamte seine Fahrt, als er auf ein Boot zukam, das die Embleme der Feuerwehr trug und hinter dem einzigen freien Platz in der langen Reihe [23] festgemachter Boote ankerte. Er schaltete kurz in den Rückwärtsgang, um anzuhalten. Sergente Lorenzo Vianello trat an die Reling und sah ins Wasser hinunter, das den freien Platz füllte, aber die Sonne funkelte so hell darauf, daß er nur die Masten sah, die schräg aus dem Wasser ragten. »Ist es das?« rief er zu den beiden Männern hinüber, die in schwarzen Taucheranzügen an Deck des Feuerwehrbootes standen.

Einer der Taucher rief etwas zurück, was Vianello nicht verstand, und wandte sich wieder der Schwimmflosse zu, die er sich gerade an den linken Fuß zog.

Paolo Montisi, der Führer des Polizeiboots, kam aus seiner kleinen Kabine herauf und blickte zu dem gesunkenen Boot hinunter. Er hob die Hand, um seine Augen gegen die gleißende Sonne abzuschirmen, und folgte Vianellos Blick. »Das muß es sein«, sagte er. »Der Anrufer hat gesagt, es ist in Brand geraten und gesunken.« Er warf einen Blick zu den Booten rechts und links von dem leeren Liegeplatz und sah, daß ihre Seitenwände und Decks stellenweise angekohlt waren.

Neben ihnen hantierten die beiden Taucher mit ihren Masken und zurrten die Riemen fest, mit denen sie sich die Preßluftflaschen auf den Rücken geschnallt hatten. Dann steckten sie sich die Atemregler in den Mund, atmeten probeweise ein paarmal durch und traten an den Rand ihres Boots.

Vianello stand groß und breitschultrig neben seinem kleineren Kollegen und blickte noch immer ins Wasser hinunter. Mit einer Kopfbewegung zu den Tauchern fragte er Montisi: »Würdest du in dieses Wasser gehen?«

Der Bootsführer zuckte die Achseln. »Ist nicht so [24] schlimm hier draußen. Außerdem sind sie geschützt«, sagte er mit einem Blick auf die schwarzen Taucheranzüge.

Der erste Taucher trat über den Bootsrand und stieg, behutsam die Fersen seiner Schwimmflossen auf die Sprossen der Außenleiter setzend, mit dem Rücken zum Boot ins Wasser, wohin der andere ihm unverzüglich folgte.

»Lassen die sich nicht immer rückwärts hineinfallen?« fragte Vianello.

»Nur bei Jacques Cousteau«, antwortete Montisi, dann ging er in seine Kabine zurück. Sekunden später war er mit einer brennenden Zigarette in der hohlen Hand wieder da. »Was hat man dir sonst noch gesagt?« fragte er den Sergente.

»Die Carabinieri vom Lido«, begann Vianello, worauf Montisi ihn mit einem stimmlosen »Sauhunde« unterbrach, das Vianello überhörte, »die haben angerufen und gemeldet, hier lägen zwei Tote in einem gesunkenen Boot, wir sollten Taucher schicken, die mal nachgucken.«

»Sonst nichts?« fragte Montisi.

Vianellos Achselzucken sollte heißen: Was kann man von Carabinieri schon erwarten?

Schweigend sahen die beiden den Luftblasen zu, die jetzt vor ihnen aus dem Wasser aufstiegen. Langsam zog der Ebbstrom ihr Boot nach hinten fort. Montisi ließ das ein paar Minuten geschehen, dann ging er in die Kabine, schaltete den Motor an und lenkte das Boot wieder hinter die Lücke. Er stellte den Motor ab, kam wieder an Deck, hob eine Leine vom Deck auf und warf sie mühelos zu dem Feuerwehrboot hinüber, wo sie sich beim ersten Versuch um eine...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2012
Reihe/Serie Commissario Brunetti
Übersetzer Monika Elwenspoek
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Brunetti • Brunetti, Guido • Commissario • Dorf • Fischer • Fischerdorf • Guido • Italien • Krimi • Muschelfischer • Pellestrina • Venedig • Wasserverschmutzung
ISBN-10 3-257-60069-0 / 3257600690
ISBN-13 978-3-257-60069-8 / 9783257600698
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