Eine Ehe in Briefen (eBook)

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2011 | 1. Auflage
496 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75860-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine Ehe in Briefen -  Lew Tolstoj,  Sofja Tolstaja
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Lew Tolstoj und seine Frau Sofja führten während ihrer fünfzigjährigen Ehe einen ausgedehnten Briefwechsel. Diese Briefe geben Einblicke in das Alltags- und Familienleben der Tolstojs und in die Entstehung von Tolstojs großen Werken wie 'Krieg und Frieden', 'Anna Karenina', 'Die Auferstehung' oder 'Die Kreutzersonate'. Vor allem aber sind sie Dokument einer großen und zugleich schwierigen Liebe. »Die Briefe der Tolstojs können wie ein packender Roman gelesen werden. Zwei höchst intelligente Menschen streiten über die Liebe, die Politik und das Leben. Kein Wort hat hier an Aktualität oder Dringlichkeit eingebüßt. Man leidet mit und lernt.« ORF

<p>Lew Tolstoj wurde am 9. September 1828 in Jasnaja Poljana bei Tula geboren und starb am 20. November 1910 in Astapowo, heute zur Oblast Lipezk an einer Lungenentz&uuml;ndung. Tolstoj entstammte einem russischen Adelsgeschlecht. Als er mit neun Jahren Vollwaise wurde, &uuml;bernahm die Schwester seines Vaters die Vormundschaft. An der Universit&auml;t Kasan begann er 1844 das Studium orientalischer Sprachen. Nach einem Wechsel zur juristischen Fakult&auml;t brach er das Studium 1847 ab, um zu versuchen, die Lage der 350 geerbten Leibeigenen im Stammgut der Familie in Jasnaja Poljana mit Landreformen zu verbessern. Er erlebte von 1851 an in der zaristischen Armee die K&auml;mpfe im Kaukasus und nach Ausbruch des Krimkriegs 1854 den Stellungskrieg in der belagerten Festung Sewastopol. Die Berichte aus diesem Krieg (1855: <em>Sewastopoler Erz&auml;hlungen</em>) machten ihn als Schriftsteller fr&uuml;h bekannt. Er bereiste aus p&auml;dagogischem Interesse 1857 und 1860/61 westeurop&auml;ische L&auml;nder und traf dort auf K&uuml;nstler und P&auml;dagogen. Nach der R&uuml;ckkehr verst&auml;rkte er die reformp&auml;dagogischen Bestrebungen und richtete Dorfschulen nach dem Vorbild Rousseaus ein. Seit 1855 lebte er abwechselnd auf dem Gut Jasnaja Poljana, in Moskau, und in Sankt Petersburg. Im Jahre 1862 heiratete er die 18-j&auml;hrige deutschst&auml;mmige Sofja Andrejewna Behrs, mit der er insgesamt 13 Kinder hatte. In den folgenden Jahren seiner Ehe schrieb er die monumentalen Romane <em>Krieg und Frieden</em> sowie <em>Anna Karenina</em>, die Tolstojs literarischen Weltruhm begr&uuml;ndeten.</p>

Inhalt 8
Vorwort 10
I. Die erste Ehezeit 28
II. Krise und Umschwung 131
III. Dogma und Leben 201
IV. Im Hungergebiet – Ein Versuch, das Haus zu verlassen 270
V. Das letzte Jahrzehnt 384
Anmerkungen 442
Personenregister 488

Vorwort


Im »Strauß von Blumen und Briefen«, mit dem die Familie Behrs Lew Tolstoj am 28. August 1862 zu seinem vierunddreißigsten Geburtstag gratulierte, erfreute eine Blüte den Schriftsteller ganz besonders: das Billett mit der Gratulation der achtzehnjährigen Sonja. Lew Tolstoj war verliebt, und kaum einen Monat später wurde das Fräulein Sofja Andrejewna Behrs seine Ehefrau.

Als viertes von insgesamt fünf Kindern in eine der vornehmsten Familien Rußlands geboren, führte Tolstoj in seiner Jugend das übliche ausschweifende Leben der Jeunesse dorée jener Zeit. Er besuchte Bälle, Diners und Soireen, gab sich dem Kartenspiel und den Frauen hin und suchte nach dem Sinn seines Lebens. Sein Studium an der Universität Kasan brach er ab. Mit Anfang zwanzig »verbannte« er sich in den Kaukasus, wo er hoffte, durch die Disziplinierung der Armee seine »schlechten Angewohnheiten« – Spiel, Trinkgelage und Frauen – ablegen zu können.

Im Kaukasus begann Tolstoj zu schreiben. Die Geschichte seiner Kindheit (1852) rief sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum beachtliche Aufmerksamkeit hervor. Nach den traumatischen Erlebnissen des Krimkrieges nahm Tolstoj seinen Abschied aus der Armee. Seine Sewastopoler Erzählungen (1855) machten ihn zum gefeierten Star der Literatur. Selbstbewußt und nicht immer diplomatisch trat er bei einem Aufenthalt in Sankt Petersburg den Autoritäten der literarischen Welt gegenüber und zog sich schon bald wieder nach Jasnaja Poljana zurück, auf das rund zweihundert Kilometer südlich von Moskau gelegene Landgut seiner Eltern, das ihm als Erbe zugefallen war. Dort versuchte er ein nützliches Leben zu führen. Er unternahm Reisen nach Westeuropa, gründete eine Schule für Bauernkinder, für die er sogar seine literarische Tätigkeit zurückstellte, und war auf Freiersfüßen. Jedoch wollte keine der zahlreichen Kandidatinnen seinem Wunschbild von der idealen Ehefrau entsprechen.

Erst die um vieles jüngere Sofja Behrs vermochte das Herz des Junggesellen zu erobern. Bereits im Jungmädchenalter hatte Sofja von dem Schriftsteller geschwärmt, seine Werke hatten tiefen Eindruck bei ihr hinterlassen.

Sofja entstammte einer bürgerlichen Familie der russischen Intelligenzija, der Vater Andrej Jewstafjewitsch Behrs war Kaiserlicher Hofarzt mit gutgehender Praxis. Wie damals üblich, wurden die Töchter von deutschen und französischen Gouvernanten zu Hause erzogen. Vor der Eheschließung legte Tolstaja 1861 an der Moskauer Universität das Hauslehrerinnenexamen ab, was damals der besten Bildung für junge Frauen entsprach. Das Studium an der Universität selbst war Frauen erst ein Jahrzehnt später möglich.

Das Fräulein Behrs war künstlerisch begabt, widmete sich der Malerei und der Photographie, schrieb eine Erzählung, von der Tolstoj begeistert war. Doch als der Schriftsteller um ihre Hand anhielt, war Sofja, ganz nach traditionellen Werten erzogen, sogleich bereit, ihr eigenes Leben den Vorstellungen des Gatten zu unterwerfen und ihren eigenen Interessen und Begabungen zu entsagen. Noch am Abend der Hochzeit brach das Ehepaar nach Jasnaja Poljana auf, um dort fernab von den Vergnügungen der Stadt ein Leben nach jenem Ideal zu führen, das Tolstoj für sich und seine Ehefrau erdacht hatte: ein einfaches und rechtes Leben in gegenseitiger Liebe und Hingabe an die Familie, das Wahrhaftigkeit und Genügsamkeit dem Ideal des comme il faut der Gesellschaft entgegenstellt.

Die Tolstojs lebten zurückgezogen auf Jasnaja Poljana und in rascher Folge wurden zahlreiche Kinder geboren. Gleichwohl vermochten die weiblichen Pflichten allein Tolstaja nicht zufriedenzustellen. Sie war überglücklich, als ihr Mann, der sich nach der Veröffentlichung des Romans Familienglück im Jahr 1859 von der Literatur abgewandt hatte und zum passionierten Gutsbesitzer und Pädagogen geworden war, seine literarische Arbeit wiederaufnahm, und wurde ihm zur unermüdlichen Helferin. Zunächst machte Tolstoj sich an die Überarbeitung und Fertigstellung der Werke, die er bereits vor der Ehe begonnen hatte. Die Erzählungen Die Kosaken und Polikuschka, beide 1863 erschienen, waren die ersten Werke ihres Mannes, die Tolstaja in ihrer »unschönen, aber deutlichen Handschrift« abschrieb. Unausgefüllt von ihren Hausfrauenpflichten warf sie ihre ganze kreative Energie und Begabung auf die literarische Tätigkeit ihres Mannes. »Wir lebten auf dem Lande, ohne zu reisen, verfolgten die Neuigkeiten nicht, sahen nichts, wußten nichts – und es interessierte uns auch nichts«, heißt es in Sofja Tolstajas Kurzer Autobiographie. »Das Leben war so erfüllt und unsagbar glücklich durch unsere gegenseitige Liebe, die Kinder und vor allem die Arbeit an dem so bedeutenden Werk meines Mannes, das ich und später die ganze Welt liebte, daß wir nach nichts anderem strebten.«

Die Abschrift der Werke ihres Mannes wurde Tolstajas wichtigste und liebste Aufgabe. Als der Schriftsteller 1863 mit der Arbeit an dem Roman Krieg und Frieden begann, übernahm sie voller Tatendrang die Rolle der »Amme des Talents ihres Mannes«, übertrug seine nahezu unleserlichen Manuskripte, die Tolstoj unzählige Male überarbeitete, ins reine, diskutierte mit ihm seine Ideen und gab ihm Ratschläge im Umgang mit Verlegern und den Zensurbehörden.

Nur selten waren die Eheleute in den ersten beiden Jahrzehnten voneinander getrennt. Wenn Tolstoj in geschäftlichen Angelegenheiten nach Moskau reiste oder sich zur Kur begab, schrieben die Ehepartner sich fast täglich. Jeder Abschied voneinander fiel ihnen schwer, und sie versprachen sich, aufrichtig und wahrhaftig über alles zu schreiben, was sie bewegte. Diesem Versprechen blieben sie bis ans Ende ihrer Ehe treu. Die Briefe sind die »Enzyklopädie des Lebens« der Familie Tolstoj, und sie sind Gespräche über die Werke des Schriftstellers, die seine Frau, oftmals auch in seiner Abwesenheit, ins reine übertrug und die sie seit 1885 als Verlegerin betreute.

Bei aller Begeisterung für das Werk ihres Mannes jedoch war Tolstaja bereits in der ersten Zeit ihrer Ehe mitunter erschreckt über die Übermacht ihres Mannes, der sie ihre eigene Persönlichkeit ganz unterordnete: »Bisweilen möchte ich mich ganz schrecklich gern von seinem ein wenig belastenden Einfluß befreien, nicht allein ihm zu Diensten sein, doch ich vermag es nicht«, hielt sie bereits im Jahr ihrer Hochzeit im Tagebuch fest. »Es ist schwer, denn ich denke seine Gedanken, blicke auf alles mit seinen Augen, bemühe mich, werde doch nicht wie er, aber verliere mich selbst.« »Sie ist jung, und es gibt vieles an mir, das sie nicht versteht und nicht liebt«, notierte Lew Tolstoj im Januar 1863, »vieles, das sie um meinetwillen in sich unterdrückt, und all diese Opfer wird sie mir dereinst in Rechnung stellen.« Tatsächlich sollte Tolstaja ihrem Mann gegenüber diese Rechnung eines Tages aufmachen. Zunächst aber lebte sie ohne Aufbegehren jenes Leben, das er für die Familie ersonnen hatte.

Nach sechs Jahren angespannter Arbeit an Krieg und Frieden war Tolstoj erschöpft. Beständig wurde er von finsteren Attakken der Depression und Selbstzweifel übermannt. Die depressive Verstimmung ging mit körperlichem Mißbehagen einher, und der Schriftsteller begab sich auf ärztlichen Rat zur Kumys-Kur in der baschkirischen Steppe. Bereits vor seiner Hochzeit hatte ein Aufenthalt bei den Baschkiren, die dieses Getränk aus vergorener Stutenmilch als Heilmittel bei den unterschiedlichsten Beschwerden anbieten, Tolstojs Lebenskräfte wieder erwachen lassen. »Denke vor allem an Dich, an Deine Gesundheit und Seelenruhe und nicht so viel an uns«, beschwor Tolstaja ihren Ljowotschka. »Ich fühle, daß die Kinder mein Trost sind, Deiner jedoch ist Dein geistiges, inneres Erleben. Gebe Dich um Gottes Willen nicht den Ängsten hin, der Schwermut, der Selbstquälerei.«

Ungeachtet dessen, daß sie mit ihren zahlreichen Aufgaben vollauf ausgefüllt war, fehlte ihr der geistige Austausch mit ihrem Mann. »In all dem Lärm ist es hier ohne Dich wie seelenlos«, schrieb sie ihm. »Ich bin daran gewöhnt, mich gemeinsam mit Dir auf jene geistige Höhe zu erheben, die mich erleuchtet und mit dem Preis für das Birkhuhn (d.h. mit dem Haushalt) versöhnt.« Und auch Tolstoj merkte bei dieser ersten langen Trennung, wie sehr er seine Sonja liebte und brauchte »Einen Brief von Dir zu bekommen«, vertraute er ihr an, »ist wie ein kleines Rendezvous: ich empfinde dasselbe Gefühl der Ungeduld, Freude und Angst, wenn ich ihn zur Hand nehme, als ob ich nach Hause komme.«

Nach Tolstojs Rückkehr kam es zum ersten schwerwiegenden Konflikt zwischen den Eheleuten. Da die Niederkunft mit dem fünften Kind, der Tochter Maria, Tolstaja im Februar 1871 fast das Leben gekostet hätte, fürchtete sie, wieder schwanger zu werden. Der Wunsch, keine Kinder mehr zu bekommen, war jedoch Tolstojs Vorstellung des Familienlebens derart entgegengesetzt, daß er sogar eine Trennung in Erwägung zog. Erst als Sofja Andrejewna ihre Weigerung, weitere Kinder zu bekommen, aufgab, normalisierte sich die Beziehung wieder. Nicht zum letzten Mal sah Tolstaja sich gezwungen, sich dem Willen ihres Mannes unterzuordnen. Sechzehn Schwangerschaften machte Tolstaja in den ersten drei Ehejahrzehnten durch und gebar dreizehn Kinder.

1873 begann Tolstoj die Arbeit an seinem nächsten großen Roman: Anna Karenina. »Die Umstände, unter denen Anna Karenina geschrieben wurde«, erinnert sich die Schriftstellergattin, »waren sehr viel schwerer als jene, unter welchen Krieg und Frieden entstanden war. Damals lebten wir in ungetrübtem Glück, nun aber starben nacheinander drei Kinder und zwei...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2011
Mitarbeit Stellvertretende Herausgeber: Natalja Sharandak
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Eine Ehe in Briefen. Deutsche Erstausgabe
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Briefsammlung 1862-1910 • insel taschenbuch 4086 • IT 4086 • IT4086 • Lev Nikolaevič • Lew Nikolajewitsch • Sofʹja Andreevna • Sofja Andreevna • Tolstaja • Tolstaja, Sofja Andreevna • Tolstoj • Tolstoj, Lew Nikolajewitsch
ISBN-10 3-458-75860-7 / 3458758607
ISBN-13 978-3-458-75860-0 / 9783458758600
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