<p>Arno Schmidt wurde am 18. Januar 1914 in Hamburg geboren. Nachdem er kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, arbeitete er zunächst als Dolmetscher, von 1947 an als freier Schriftsteller. Nach Stationen in Cordingen, Kastel an der Saar und Darmstadt zog er 1958 mit seiner Frau Alice nach Bargfeld (Kreis Celle), wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen lebte. Von 1949 an, als seine Erzählung <em>Leviathan </em>in Buchform erschien, entstanden Romane, Dialoge zur Literatur für den Rundfunk, Essays und biographische Arbeiten, darunter sein Hauptwerk <em>Zettel's Traum</em>, 1334 DIN-A3-Seiten stark und über zehn Kilo schwer. Aufgrund des komplexen Layouts konnte es 1970 nur als Faksimile des Typoskripts erscheinen; erst seit 2010 liegt es in gesetzter Form vor. Arno Schmidt starb am 3. Juni 1979 in Celle. Zwei Jahre nach seinem Tod gründeten seine Frau Alice und Jan Philipp Reemtsma die Arno Schmidt Stiftung.</p>
Kosmos, Leben und Natur
Nicht daß ich das Leben en bloc zu verleumden gedächte?:?ich weiß sehr wohl noch zu unterscheiden, ob der ganze Kosmos abnimmt, oder man bloß ich=selber; aber das Meiste war schon ziemlich doof. Natürlich gab's auch ab & an ne gelungene Stelle im Universum; aber die Mehrzahl der Produkte jenes sete Boss war Fusch=Werk, schnell & schludrich, wie vo'm alten=frechen Handwerksburschen?:?wenn's n Buch wär', würde der Autor schon das seinige zu hören bekomm'm. Aber so kuschschtn se Alle.
[I,3,533]
Je nun; wir leben in einem Kosmos, wo nichts wirklich zählt.
[IV,4,94]
M. (gutmütig widersprechend)?:?Aber es gibt doch so viel Schönes?:?der gestirnte Himmel über mir …?.?.
B.?:?Da rülpsen Feuerdrachen?! – Was meinen Sie, wenn man Sie einmal der lieben Sonne ‹näherte›???:?Hei, würden Sie Augen machen, bei Flammenförtzen dreißigmal so lang wie ‹Mutter Erde›?!
M.?:?Oder das Grün einer weiten Wiese???:?Nebel entsteigt dem Bach?:?Das Silberhorn eines Mondes …?.?.
F. : Auf der Wiese ? : stehen Millionen winzig=grüner Ringer im Clinch auf Sein=oder=Nichtsein. / Zum Weißen=Nebel=Wunderbar muß sich Wasser wandeln : haben Sie einmal daran gedacht, daß auch ‹Aggregatzustände› schmerzen könnten???/ Und der Mond???:?‹Siehstu das kalte Nachtgesicht dort hoch am Himmel hangen??›, die Züge mit einer halbmeterdicken Staubschicht zerschminkt?:?meinen Sie tatsächlich, daß angesichts einer Nova noch Ihr devot=gestirnter ‹Himmel=über=Mir› am Platze wäre???!
B.?:?Und wenn's vielleicht auch nicht die ganze Wahrheit ist, so ist es doch bestimmt mehr als die halbe?:?Wir, mit unzulänglichen Organen unschuldig Gehandicapte, ob in Bikini oder Zwangsjacke, wir werden, in ehrlichen Augenblicken, schwanken müssen; zwischen periodischem Kopfschütteln ob ‹des Allmächtjen Güte›, und systematisch=finsterem Pan=Diabolismus?:?lebenslängliche Optimisten sind nur Narren oder Feiglinge, und wer's nicht glaubt, ist selbst einer. – (Kühl)?:?Freilich gehört ein gewisser Mut dazu …?.?.
[II,2,198]
MARTINA?:?»Sag A&O?:?Was iss das Lebm???! –«
A&O (achselzuckend)?:?»Die Auflehnung der Eiweiße gegn die Silicate. (Und den Leeren Raum).
Wobei die erstn Gefühle, auf beidn Seitn, Unbehagn und Widerwille gewesn sein dürftn. Nun sucht dies spezielle Schleim=Geist=Gemische, ›Mensch‹ genannt, nach mehr Sternen, über die der Fluch des Lebens gekommen sein könnte. – (??)?:?Naja; ich bezweifle, daß GOtt mit dem Menschn gerechnet habm, und noch mehr, daß er ihn mit Wohlgefall'n betrachtn werde. Eher?:?wie ein Kind ein von ihm kaputtgemachtes Spielzeug in'n Schrank weg=versteckt – so GOtt diese Welt in ein'n abgelegnen, sternstaubijen SeitnWinkel der Milchstraße.«
[IV,3,165]
Manchmal ergibt sich natürlich auch etwas wie ‹Gerechtigkeit›; denn auch sie ist sehr wohl in der Welt, wenn auch nur als kurioses Spurenelement, und meist bei unpassender Gelegenheit.
[II,2,313]
Man hat in dieser feinen Schöpfung nur die Wahl zwischen Explosion und Fäulnis?!
[I,2,69]
Licht aus?:?Wir haben Alles mit Schmerzen versehen?:?das Licht »verbrennt«; der Schall »erstirbt«; der Mond »geht unter«; der Wind »heult«; der Blitz »zuckt«; der Bach »windet sich« ebenso wie die Straße.
[I,2,70]
Sonnenuntergang?:?die untergehende Sonne selbst ist nicht schön?!?:?rot, fett, widerwärtig, blutig, blind. – Aber später der Himmel; aber die unbeweglichen Schlieren der Wolken?!
[I,1,343]
Er, der Mond, ist der bei weitem Vertrautere, im Vergleich zur Sonne. Da gibt es höchstens kultische Gesänge, ergeben gebückten Hauptes am unmagisch=grellen Morgen dargebracht?:?man kann das rasende Licht ja einfach nicht ansehen, ohne sofort den Kopf geblendet beiseite zu nehmen?!
[II,2,231]
Aber eines ist endlich – etwas spät freilich; und überhaupt ‹wie lange noch??› – erreicht?:?ich sehe von meinem Schreibtisch aus den Mond aufgehen?!
Was das für mich bedeutet, davon machen sich wenige Menschen einen Begriff. (Allerletzten Endes hat es wohl lediglich mit der Sehschärfe zu tun; ich habe, von Kindesbeinen an, so starke ‹Minus=Zylinder›, daß noch jeder Optiker vor rarer Freude aufgejauchzt hat, wenn er meine Brille unter's Meßgerät legte. Ich bin wegen meiner Selenomanie weder ‹hyänenhaft feige›, noch eine ‹potentielle Verbrechernatur›, wie viele meiner Gegner arg gerne möchten – als wenn die Erde nicht groß genug wäre, daß wir Alle darauf Unrecht haben können?!?Neinein; ich gehöre wirklich nicht ins Irrenhaus; obwohl ich seit meiner Geburt natürlich darin lebe.)
Zugegeben, ich sehe auch die Sonne aufgehen; aber zu dem blutigen Küchenmädchen habe ich nie ‹ein Verhältnis› gehabt. ‹Sonn'naufgang› ? Was heißt'nn das schon ? ! Einer steht aufrecht, wie ein Wacholder; drei Wolkendamen liegen, in grauen schicken Mänteln, flach, (der Einen läuft's hinten rot raus, brrr?!). Gewiß, sie gibt Licht, und vermindert die Zahlungen an den Stromversorgungsverband Osthannover und die Kohlenhändler; aber damit ist es auch gut. – Wogegen der Mond …?.?.
[III,4,30]
: »Im Innern der Gestirne sollen Temperaturen von Millionen Graden ‹herrschen›.« sagte ich, um die Befangenheit galant zu überbrücken. »Das muß sehr unangenehm sein,« murmelte der Gestreifte träge; (und die beiden Andern kicherten; geschieht mir recht. – Oder auch nicht?: Einer muß schließlich in solchen Fällen das Opfer des Intellekts bringen.)
[I,3,284]
Der Mond, ohfahl & weiß wie ein Eulenei, ließ nur wenig Sterne neben sich aufkommen. (Zwischen denen also keinerlei, auch nur geistige, Verbindung mehr war?:?sehr erfreulich?!?Ich bin gegen ‹Verbindungen›.) 'ch hatte ma gelesen – wenn ich nich irre, soga bei einem von den Katholen finanziertn Astro=Nom' – daß es Einzelgänger=Sonnen im Raume geben solle, die sich lebenslänglich in den herrlichen Öden zwischen den Galaxien aufhalten sollen; (die ‹Menschenverächter› unter Denen, sprechen demnach vom ‹Galaxien=Pöbl›?!)?:?da sähe man also, (vorausgesetzt, Einem würde Dasglück), nur Mond & einpaar Planetn. In einer schmal'n, zellofan=imaginären Bande; meinethalbm 'n Paa davon farbich, an Der=Ihrem Himmel verteilt. Kein Wort von ‹Sternbildern›; wie sie bey=uns, backfischdürr & schpizzbibbernd, abmz an sämtlichen Horizontn hokkn; (‹un=abgetrocknet› fiel mir noch ein, schternbadeanschtaltich?:?da müßte's arg schön sein, auf so einem Sitara?!
[I,3,512]
Tierra del Fuego?:?Jung-Darwin reist nach Feuerland. – Muß schön sein?:?weite dichte kalte Regenwälder. Wildes Licht aus endlosen Wolkenwerken. Meer und harte Berghäupter. Keine Menschen und Schlangen?:?schön?!?(Tropische Urwälder wären mir widerlich. Ich bin für kalte endloslichte Forste. Die des nördlichen Kanada möcht ich mal sehen. Und eben die von Feuerland.)
[I,1,317]
(Bergländer liebe ich nicht?:?nicht den breiigen Dialekt ihrer Bewohner, nicht die zahllos gewölbte Erde, Bodenbarock. Meine Landschaft muß eben sein, flach, meilenweit, verheidet, Wald, Wiese, Nebel, schweigsam).
[I,1,307]
An den Küsten Norwegens kann man Walfische beobachten, die wie toll aus dem Wasser emporschnellen?:?an ihren Brüsten hängen dann Haie, die paarweise schwimmen, und denen Walfischbrüste die höchste Delikatesse bedeuten. Sie beißen sich fest; und lassen nicht ab, bis das ganze weiche Organ aus seinem tiefsten Sitz herausgenagt ist – das kann Tage & Nächte dauern; so lange springt eben das gepeinigte Riesentier aus der Flut?:?bis=der=Tod=es=erlöst?! – (Eisig)?:?Und siehe?:?es war Alles gut …?.?.
Übergehen wir jenes ruchlose Wort – seine weitere Diskussion könnte zu, der Democrazia Cristiana und ihrer sogenannten ‹weltanschaulichen Grundlage› wenig günstigen, Überlegungen Anlaß geben?:?um mit einer ‹Welt=Anschauung› renommieren zu können, muß man, der Name sagt es, sich die Welt angeschaut haben?!
Und selbst das ist wertlos, wenn es geschah, mit Scheuklappen um das Haupt, und durch eine rosa Brille mit Goldrand?:?die edle Schönheit & Ordnung in den Werken Gottes hat nur zu oft ihren Grund in der edlen Kurzsichtigkeit Dessen, der sie bestaunt.
Halten wir – angesichts eines Universums, das zumindest zur Hälfte Affenhaus ist und Folterkammer?! – halten wir, unbekümmert um christoid=hilflose Erklärungsversuche, und ob auch Reader's Digest andächtelt?:?‹We can but bow› – halten wir das Eine fest?:?es stimmt hier etwas nicht?!
[II,2,197]
A&O?:?»Ja; die Frage nach dem Ursprung des Bösen in der Welt, iss mir schon recht früh komisch erschien'n – ich meine immer mehr, der ›Ursprung des Guten‹ sei...
Erscheint lt. Verlag | 21.10.2013 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
ISBN-10 | 3-458-74081-3 / 3458740813 |
ISBN-13 | 978-3-458-74081-0 / 9783458740810 |
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