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Ruhm! (eBook)

Ein Künstlerroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
274 Seiten
periplaneta (Verlag)
978-3-943876-05-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
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Franz Kappa ist Mitte zwanzig, ungestühm und unersättlich. Der Bohemien studiert an der Münchner Kunstakademie Fotografie und läßt mit seiner schönen Freundin Iana keine Party aus. Bald wird das Duo durch das russische Model Olga ergänzt, das beiden zusehends den Kopf verdreht. Im Gegensatz zu seinem Nachtleben ist Franz Kappas künstlerische Existenz nicht gerade vom Erfolg gekrönt. Seit Jahren versucht er durch auffällige, provokative und irrwitzige Kunstaktionen Aufmerksamkeit zu erlangen. Franz ist durchdrungen von der Idee, berühmt zu werden. Nachdem eine weitere, aufwändige Kunstaktion scheitert und ein erfolgreicher Abschluss seines Studiums immer unwahrscheinlicher wird, trifft er eine folgenschwere Entscheidung. Diese verhilft ihm zu RUHM und Ansehen. Franz Kappa befindet sich auf dem Zenit seines Erfolges. Die Menage à trois zwischen ihm, seiner Freundin Iana und Olga nimmt groteske Formen an. Es ist abzusehen, dass diese Konstellation, kombiniert mit dem glamourösen, exzessiven Leben nicht von Dauer sein kann.

Gestern riefen Sie in den wichtigsten deutschen Tageszeitungen zur größten sinnlosen Tat der Geschichte auf, wie Sie es nannten.“

„Ja. Und seit heute Morgen habe ich schon Tausende von Bewerbungsschreiben und Mails erhalten.“

„Was planen Sie genau?!“

„Was der Titel der Aktion schon sagt: eine gigantische Sinnlosigkeit.“

„Mit Tausenden von Menschen?“

„Ja. Ich werde keine Bewerbung ablehnen. Der Größe des Projekts sind keine Grenzen gesetzt.“

„Sie haben dieses Projekt als die Krönung Ihrer bisherigen Sinnlosigkeitsserie bezeichnet.“

„Für mich, ja. Für mich ist es der Abschluss. Aber vielleicht wird das Ganze Schule machen, und Menschen werden weltweit groß angelegte Nonsens-Aktionen starten.“

„Manche zahlen sogar hohe Summen, um teilnehmen zu können, und Volkswagen und Vodafone haben Ihnen angeboten...“

Als Franz Kappa zu seiner Kaffeetasse griff, hatte ihn das Nietzsche-Gefühl erfasst: Die Luft ist dünn, die Gefahr nahe und der Geist wach und frisch, oder so ähnlich. Franz sah zu dem Fernseher über der Bar, da der Ton plötzlich lauter wurde. Werbeblock. Ein großer, schwarzer Wagen mit einem alternden Dustin Hoffmann am Steuer fährt über eine verschlungene, südländische Küstenstraße mit weitem Blick über das Meer. Der Wagen hält. Hoffmann springt heraus und rennt zur Fensterfront einer weiß gekalkten Kirche.

Die gleiche Szene wie vor dreißig Jahren. Als Hoffmann als jugendlicher Schauspieler in „Die Reifeprüfung“ seine Geliebte vom Traualtar entführt und mit ihr davonfährt – in irgendeinem alten Schrottwagen. Im Werbespot aber geht es nicht um die wundersame Entführung des Mädchens, das Hoffmann damals abgöttisch liebte, sondern alles dreht sich um das Auto. Um einen funkelnden, Serpentinen erklimmenden, höllenschwarzen, erbärmlichen Wagen, dachte Kappa. Und Dustin Hoffmann lacht am Ende des Spots auch noch so verteufelt, als sei ihm sehr wohl bewusst, dass er gerade seine Filmseele verkauft hatte.

Franz hatte bezahlt und lief die Ludwigstraße stadteinwärts. Er wollte nicht an O. denken. Ein Gedanke, der retten konnte: O. ist schlecht. Sie will vernichten. Am liebsten ihn und sonst auch alles. Was sie nicht alles Widerliches in sein Ohr geflüstert hatte, im Kaserneninnenraum. Dennoch: Jeder dieser abscheulichen Sätze machte ihn heiß, und Franz wiederholte die originale Wortfolge immer wieder, um sie nicht aus dem Gedächtnis zu verlieren. Würde er heute Abend allein im Bett liegen, würden ihre Worte ihn selig machen. Er passierte Café um Café, von denen er sich niemals in eines
begeben hätte, da seines doch perfekt sein musste. Und es gab genau zwei davon, in dieser großen, einfältigen Stadt, die ihn im Moment vornehmlich zornig stimmte. Nichts war weniger inspirierend als München, und kein Ort der Welt hatte diese Masse an Verkrampftheit. München, eine Stadt, die angehalten war, die geistige und architektonische Höhe der achtundfünfzig Meter der Türme der Frauenkirche nicht mehr zu überschreiten. In der seit dem Aufspannen der hellen Zeltdächer des Olympiageländes im Jahre neunzehnhundertzweiundsiebzig kein einziges bauliches Wagnis mehr erprobt worden war und in der das höchste an kultureller Spontaneität die Zusammenkünfte pubertierender und hemdsärmliger Abiturienten waren, die in der Fußgängerzone oder unter den Arkaden des Hofgartens Mozarts Violinkonzerte und Händels Quartette spielten.

Nur zwei Cafés, die retten konnten, das war ein bisschen wenig, und so widmete er sein Umherstreifen in München vornehmlich einer Aufgabe: der Entdeckung eines einzigen weiteren vollkommenen Ortes, an dem geröstete Bohnen gemahlen, mit kochendem Wasser überbrüht und in Keramikgefäßen an kleine, runde Tische gebracht wurden.

Endlich alleine unterwegs, und er dachte daran, dass er den ganzen weiteren Tag noch alleine sein würde und er seine Einsamkeit mit jeder Körperzelle erfassen werde. Iana war wahrscheinlich wegen Modebildern im Ausland. Er wollte momentan nicht mal wissen, wo sie war. Ihren Aufenthaltsort nur zu kennen, hätte ihn schon wieder weniger einsam gemacht. Das Alleinsein war jetzt fruchtbar. Er dachte daran, sich vollständig zu isolieren. Von allen. Franz hatte plötzlich so eine Idee, wo er in München noch nicht nach Cafés gesucht hatte, Wiener Platz, Richtung Haidhausen. Das könnte er tun. Heute. Seit langem hatte er nicht mehr dieses Gefühl innerer Ausrichtung gehabt wie in diesem Moment. Exakt zu wissen wohin. Er war am Ende der Ludwigstraße angekommen, einer Prachtstraße, die in großbürgerlicher Geradheit zum optischen Fluchtpunkt Odeonsplatz verlief und in der sich Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner vor langer Zeit ein architektonisches Wettrennen um die stärkere städtebauliche Präsenz geliefert hatten. So reihten sich ein Klenze an einen Gärtner und wieder ein Gärtner an einen Klenze. Die durften damals alles machen, dachte Franz. Wie heute Zaha Hadid und Norman Foster und Stephan Braunfels jede noch so verwegene oder abwegige Form, die ihnen in den Sinn kam, realisieren konnten. Während siebenundfünfzigtausend weitere Genies, die auch gut zeichnen und entwerfen können, nicht mal ein Wohnhaus in Auftrag gestellt bekamen. Heute wie damals. Aber über Gerechtigkeit und deren Gegenteil zu sinnieren, stand Franz nicht zu, wie er meinte.

Der Baustil jedes dieser bayerischen Landesregierungs-gebäude, die sich nahtlos – und das war das Besondere – bis zum Odeonsplatz fortsetzten, war sehr einheitlich gehalten. Pseudo-italienische Rundbogenfenster, messingbeschlagene Gürtelsimse, Scheinsäulen und gemalte Pilaster. Kurz glaubte Franz, die schnöde, disziplinierte Geradlinigkeit dieser Straße habe sein Hirn wieder justiert und sein künstlerisches Leistungsniveau, das in den letzten Wochen stark unter den nächtlichen Ausritten gelitten hatte, erhöht.

Und er lauschte dem Lärm des vorbeirennenden Verkehrs, weil es nicht der Lärm von Stimmen war, die er kannte und auf die er hören und antworten musste. Er dachte an Iana und daran, dass sie ihm guttat. Obwohl es nicht so aussah. Vielleicht. Für Olga etwa. Die dachte sicher, Iana sei zu hart und spröde. Und Olga verhielt sich, als sei sie das ganze Gegenteil davon. Das Samtartigste. Das Beste, was ihm zustoßen konnte. Aber Iana war besser. Für ihn. Er war sich sicher. Olga... Sie war einfach zu... Es lag ihm auf der Zunge, er konnte das Wort nicht finden.

Franz passierte die purpurnen Sonnenschirme und eckigen Marmortische des Thrombosi, die in den Odeonsplatz hineingestellt waren. Ein Café, das voll war von deutschen Bonvivants, was in sich schon widersprüchlich war. Diese Stadt, die meinte, südländisch zu sein und von Versteiftheit nur so sprühte. Sie konnte keine Geschichten erzählen, diese Stadt, wie etwa Berlin oder Prag oder ähnliches. Schicksale, die sich am Straßenrand abspielten und abschreckten oder anzogen. Sie zeigte keine liebevollen Schwachstellen und Ticks wie andere Metropolen, sondern verbarg sich hinter eben
jenen einheitlich klassizistischen Häuserfassaden. Und da
saßen sie nun, in einer unglaubwürdigen Geste des Genusses, die Münchner Figuren jenes Schachspiels, in dem es um nichts ging und dessen adelbehafteten Benimmregeln Franz niemals auswendig lernen und annehmen würde. Beim Thrombosi handelte es sich zudem um die vordere Figurenreihe des Schachspiels, sprich um reich gewordene Bauern. Die hinteren Figuren saßen eine Straßenecke weiter, im Schuands. Franz schaute in einige Gesichter, die verkrampft dazugehörerisch dreinsahen und empfand sogar kurz ein wenig Mitleid. Die Oberen Münchens waren schon schlimm genug. Und die, die nicht oben waren, aber so taten, mussten noch übler sein. Eine ältere Dame, die allein an einem der Cafétische saß, sah zu ihm hin, und Franz erkannte mit einem Mal ihre Einsamkeit, die sie zwischen sehr viel Schminke und altmodischer Haute-Couture verbarg. Er sah weg und ging weiter. Beschleunigte seinen Gang, ging exakt diagonal über den Platz und fühlte tief in seinem Inneren, dass er München über alles in der Welt hasste. Am liebsten hätte er sich auf die Tribüne der Feldherrenhalle aufgestellt und kundgetan. Genau das. Seinen grenzenlosen Abscheu. Gegen das Geldhaberische, das disziplinierte Verbergen sämtlicher seelischer Tattoos, das Vernunftbesessene und so gar nicht Selbstzerstörerische. Er wusste, dass die Stadt und jeder ihrer passenden Bürger gegen ihn sein mussten. Wer hier lebte, passte auch hierher. Also waren sie alle gegen ihn. Aber nur er wusste, dass alle gegen ihn waren. Sie hatten keine Ahnung. Was die Sache im Grunde noch schwieriger gestaltete.

Ihm fiel der Turm der Salvatorkirche ein. Als Rettung. Den mochte er. Seinen Anblick. Also Richtung Theatinerstraße. Franz nahm sich vor, nicht zu übertreiben. Innerlich. Mit seiner Unversöhnlichkeit. Tat das des Öfteren. Er übertrieb. Doch vielleicht war das ganz hilfreich. Für ihn. Als Künstler. Die Realität übertrieben wahrzunehmen. In ihrer einfachen Gestalt wurde sie nicht wirklich sichtbar. Die Großen, Van Gogh etwa, oder Monet, malten nämlich nicht genial,
sondern sahen genial. Sie sahen und malten dann nur noch das ab, was sie sahen. Ihre visuelle Wahrnehmung war derart steigerbar oder verletzbar oder verspielt, dass sie anders sahen als andere. Ein Weizenfeld zum Beispiel. Van Gogh. Er sah kein Weizenfeld. Sondern etwas anderes. Und es muss ihn so erschrocken oder berückt haben, dass er nichts anderes mehr tun konnte, als zu dokumentieren, was er da sah. Weil es die anderen eben nicht sehen konnten. Oder Alberto Giacometti. Der Bildhauer. Hauchdünne Bohnenstangenmenschen...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2012
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aktionskunst • Berlin • Dreiecks-Beziehung • Erfolg • Kunst • Scheitern • Schickeria
ISBN-10 3-943876-05-5 / 3943876055
ISBN-13 978-3-943876-05-5 / 9783943876055
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