Tod in Blau (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2011 | 2. Auflage
304 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41190-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tod in Blau -  Susanne Goga
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Mord im Berlin der zwanziger Jahre 1922. Arnold Wegner malt seine Zeit in starken Kontrasten - Armut und Luxus, Krieg und Vergnügungssucht, Krankheit und Irrsinn. Seine radikalen Bilder, in denen er sich provokant mit der Gesellschaft und der jüngsten Vergangenheit, dem Ersten Weltkrieg, auseinandersetzt, erregen Bewunderung und Abscheu, lassen aber niemanden kalt. Als der Maler tot in seinem Atelier gefunden wird, führt eine erste Spur Kommissar Leo Wechsler zur rechtsextremen Asgard-Gesellschaft, in der viele ehemalige Offiziere verkehren. Gibt es möglicherweise auch eine Verbindung zu dem Toten im Landwehrkanal, bei dem ein Schriftwechsel mit der Asgard-Gesellschaft gefunden wurde? Die Ermittlungen kommen nicht recht voran, bis Leo Wechsler einen Hinweis von der avantgardistischen Tänzerin Thea Pabst erhält. Und es stellt sich heraus, dass es einen Zeugen gibt - der jedoch entzieht sich allen Befragungen durch die Polizei.  

Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für >Mord in Babelsberg< und dem Silbernen HOMER für >Nachts am Askanischen Platz<.

Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht und wurde mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Goldenen HOMER für ›Mord in Babelsberg‹ und dem Silbernen HOMER für ›Nachts am Askanischen Platz‹.

1


September 1922

»Zwei Anzüge, vier Hemden, mehrere Kragen, drei Krawatten, dazu Wäsche, Socken und ein Sommermantel.« Kriminalkommissar Leo Wechsler durchsuchte die Taschen von Mantel und Jacketts. »Zwei saubere Taschentücher, ein Zelluloidkamm, eine Dose Hustenpastillen. Das ist alles. Wie sieht es bei dir aus?«

Sein Kollege Kriminalsekretär Robert Walther reagierte nicht sofort. Er kniete vor dem Bücherregal und zog ein schmales Heft heraus. Dann drehte er sich um. »Schau dir bloß dieses Zeug an.« Er blätterte in einer Broschüre und hielt sie Wechsler hin. »Hast du so was schon mal gesehen?«

Leo nahm das Heft, das aus billigem Papier mit Fadenheftung bestand. Auf dem Umschlag reichte eine blonde, blauäugige Frau mit langen Zöpfen einem Mann mit Wikingerhelm ein blitzendes Schwert. An der Hand führte sie ein kleines Mädchen, das ebenso blond und blauäugig wie seine Eltern war. Aus dem Himmel über ihnen schleuderte eine mächtige Faust Blitze nieder. Der Weg zur Reinheit von Dr. Franz Kesselmann, Untertitel: Eine Einführung in die ariogermanische Lebensphilosophie.

Als Nächstes zog Walther ein gebundenes Buch hervor. »Oder das hier: Was uns die Götter sagen wollen – germanische Mythen neu gedeutet.« Walther schüttelte den Kopf. »Wer liest nur solch abstrusen Kram?«

Leo ging in die Hocke und zog einen Stapel Zeitungen unter einem Regal hervor. »Derselbe, der die hier gelesen hat.«

Walther warf einen Blick auf die Titelseite. »Völkischer Beobachter? Nie gehört.«

Leo deutete auf die Zeile darunter. »Nennt sich auch Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Deutschlands und wird von irgendeinem rechten Verein aus Bayern herausgegeben. Ich glaube, er heißt NSDAP oder so ähnlich.«

»Wer soll bei diesen ganzen Parteien noch den Überblick behalten? Lauter Abkürzungen, die kann sich doch kein Mensch merken.«

Leo stand achselzuckend auf. »Mir scheint, der junge Mann hegte ziemlich eindeutige politische Vorlieben. Fragt sich nur, ob er deswegen im Landwehrkanal gelandet ist. Wir nehmen die Zeitungen mit, ebenso diese Germanenbücher. Gut möglich, dass er Mitglied in einer Vereinigung oder Partei war, in der so etwas gelesen wird. Viele sind Spinner, aber es gibt auch gefährliche Leute unter ihnen, ehemalige Offiziere und Freikorpskämpfer. Mal sehen, ob wir damit weiterkommen. Ach ja, da wäre noch der Schreibtisch.«

Vermutlich ein Erbstück, dachte Leo, denn der Tote, ein gewisser Carl Bremer, war Verkäufer in einer Konfektionshandlung gewesen und hätte sich von seinem schmalen Gehalt wohl kaum einen so schönen antiken Schreibtisch leisten können. Auf der Platte lag eine lederne Schreibunterlage, die Beine waren aufwendig gedrechselt, die Schubladen mit Zierbeschlägen versehen.

Die Leiche des jungen Mannes war vor vier Tagen im Landwehrkanal gefunden worden. Als Todesursache wurde zwar Ertrinken festgestellt, doch ließ der rechtsmedizinische Befund, der eine Kopfwunde erwähnte, die Ermittler aufhorchen. Entweder hatte sich der Mann beim Sprung in den Kanal am Kopf verletzt oder aber er war überfallen und niedergeschlagen worden. Da man ihn zunächst nicht identifizieren konnte, hatte man den Toten wie üblich im Leichenschauhaus in der Hannoverschen Straße ausgestellt.

Zwei Tage später hatte sich die Dienststelle A 3, die für die Ermittlung in Fällen vermisster Personen und unbekannter Toter zuständig war, bei Leo gemeldet. Ein gewisser Emil Hancke, Besitzer eines alteingesessenen Konfektionsgeschäfts in Westend, habe eine Vermisstenanzeige erstattet, da ein Angestellter seit mehreren Tagen unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und auch nicht zu Hause anzutreffen sei. Man hatte ihn ins Leichenschauhaus bestellt, wo er den Toten tatsächlich als seinen Verkäufer Carl Bremer identifizierte.

Leo setzte sich auf den Schreibtischstuhl und öffnete nacheinander die Schubladen. Er fand Schreibzeug, Werbeprospekte für Haarwuchsmittel und neuartige Hemdkragen, die haltbar und hautfreundlich zugleich sein sollten, dazu Briefmarken und eine Dose mit billigen Manschettenknöpfen, die vorgaben, aus Perlmutt, Onyx und Gold zu sein. Gewiss war es nicht einfach für Bremer gewesen, in einem Konfektionsgeschäft elegante Herrenmode zu verkaufen und sich dabei angemessen zu kleiden. In der untersten Schublade entdeckte Leo eine Korrespondenzmappe.

»Robert, die nehmen wir auch mit, dafür brauchen wir Zeit. Anscheinend hat er wahllos alle Briefe hineingestopft.«

Im Wagen schlug Leo sein Notizbuch auf. »Also, was sagt uns die Wohnung? Bremer war ordnungsliebend, wenn es nicht gerade um die Aufbewahrung seiner Korrespondenz ging. Politisch eher rechts stehend, mit einem Hang zum Germanentum.«

»Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.«

»Wir wissen nicht, ob er tatsächlich Verbindungen in solche Kreise unterhielt oder das Zeug einfach nur aus Neugier gelesen hat.«

Walther sah ihn zweifelnd an. »Normalerweise bist du nicht so zaghaft.«

»Und verbrenne mir jedes Mal den Mund«, meinte Leo. »Warten wir ab, was wir in den Briefen finden.«

Emil Hancke war ein distinguierter älterer Herr, dem man den täglichen Umgang mit seiner eleganten Kundschaft deutlich anmerkte. Er war reichlich blass, obwohl der Besuch im Leichenschauhaus bereits einen Tag zurücklag, und betupfte sich den Schnurrbart mit einem blütenweißen Taschentuch. Leo bot ihm einen Platz und ein Glas Wasser an.

»Ich weiß, Wasserleichen sind kein schöner Anblick. Daher danke ich Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht und den Toten identifiziert haben. Wir haben bereits seine Wohnung durchsucht, möchten von Ihnen aber möglichst viel Persönliches über Herrn Bremer erfahren.«

»Er arbeitete seit drei Jahren in meinem Haus. Untadeliges Verhalten, beliebt bei unseren anspruchsvollen Kunden. Daher war ich auch sehr verwundert, als er mehrere Tage lang nicht zur Arbeit erschien. Es kann sich nur um einen Unfall handeln, das sehen Sie gewiss genauso.«

Leo ließ sich nicht gern von Zeugen vorschreiben, was er zu denken hatte, und sagte ungerührt: »Immer langsam, Herr Hancke. Ein Unfall ist mehr als unwahrscheinlich. Es kommt ausgesprochen selten vor, dass jemand versehentlich in den Kanal fällt, es sei denn, er wäre sturzbetrunken. Wahrscheinlicher ist ein Selbstmord oder Mord.«

Hancke blickte entsetzt hoch und betupfte sich erneut den Mund. »Selbstmord? Völlig ausgeschlossen. Ein aufrechter Mann von anständiger Gesinnung wie Herr Bremer würde doch nie …«

Leo horchte auf, da er sich an die zweifelhafte Literatur erinnerte, und hob die Hand. »Wie genau meinen Sie das mit der Gesinnung, Herr Hancke?«

Der Geschäftsmann hüstelte verlegen und rückte etwas näher an den Tisch heran. »Herr Kommissar, Sie können sich nicht vorstellen, welche Propaganda heutzutage unter den Angestellten kursiert. Roter Schund, kommunistische Pamphlete, Aufrufe zum Umsturz. Das kann ich mir bei meinen Kunden nicht leisten. Erst letzten Monat musste ich einen Schneidergesellen entlassen, der solche Machwerke im Atelier verbreitet hat. So etwas hätte der Bremer nie getan. Genau das meine ich mit anständiger Gesinnung.«

»Danke für die Erläuterung«, sagte Leo trocken. Er öffnete eine Schreibtischschublade und breitete die fragwürdige Lektüre des Toten auf dem Tisch aus. »Deckt sich das vielleicht mit seiner Gesinnung?«

Hancke schaute von einem Titelblatt zum nächsten und schüttelte dann verwundert den Kopf. »So etwas habe ich nie bei ihm gesehen, Herr Kommissar. Ich wusste nicht, dass er solches … solches Geschreibsel las.«

Hier war offensichtlich nichts weiter über die politischen Aktivitäten Bremers zu erfahren. »Fällt Ihnen vielleicht dennoch ein möglicher Grund für einen Selbstmord ein? Geldsorgen? Oder enttäuschte Liebe?«

Hancke überlegte. »Nun ja, da war eine junge Frau, die hat Bremer ab und zu von der Arbeit abgeholt. Sie wartete immer an der Haltestelle gegenüber, damit es nicht so auffiel. Ich habe es natürlich bemerkt, doch da Herrn Bremers Verhalten stets untadelig war, bin ich nicht eingeschritten.«

»Wissen Sie, wie sie heißt?«

»Zufällig ja. Bremer hat sie mir vor einigen Wochen vorgestellt. Er führte sie an der Hand ins Geschäft herein, ein wenig verlegen, aber strahlend, es war geradezu rührend. Fräulein Maria Hagen, so lautete der Name.«

»Können Sie die Dame beschreiben?«

»Sicher, so alt sind meine Augen nun auch wieder nicht«, meinte er lächelnd. »Etwa eins sechzig groß, schlank, braunes Haar, das sie ziemlich kurz trägt, geschminkt, aber nicht ordinär. Er erwähnte noch, sie sei Platzanweiserin in einem Lichtspielhaus.«

»Haben Sie die beiden danach noch einmal zusammen gesehen?«, fragte Leo.

»Nein, das habe ich nicht. Ob es zu einem Zerwürfnis gekommen ist, kann ich nicht sagen, da ich mich nicht in die persönlichen Angelegenheiten meines Personals zu mischen pflege.« Er klang plötzlich distanziert. »Ich möchte Sie bitten, die ganze Sache diskret zu behandeln, Herr Kommissar. Mein guter Ruf ist mein größtes Kapital, und wenn bekannt würde, dass einer meiner Angestellten auf anrüchige Weise ums Leben gekommen ist …«

»Wir gehen so diskret wie möglich vor, Herr Hancke, aber wenn es sich um eine Gewalttat handelt, hat die Aufklärung Vorrang.« Dann fiel Leo noch etwas ein. »Wissen Sie, ob Herr Bremer etwas besaß, das von Wert war? Schmuck, eine teure Uhr oder dergleichen?« Bei der Leiche waren keinerlei persönliche Wertgegenstände gefunden worden.

Hancke nickte beflissen. »Er trug immer eine goldene Taschenuhr an einer Kette. Ich glaube, er erwähnte...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2011
Reihe/Serie Leo Wechsler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2. Fall • Anne Stern • Berlin • Berlin-Krimi • Berlin Roman • Deutschland • Deutschsprachige Krimis • Fräulein Gold • Gereon Rath • historischer Krimi • historischer krimi berlin • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Historische Spannung • Krimi • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinungen • Krimis • krimi-serie berlin • Leo Wechsler • Regiokrimi Berlin • Spannung • unterhaltsamer Krimi • Volker Kutscher • Weimarer Republik • Zwanzigerjahre • zweiter Fall
ISBN-10 3-423-41190-2 / 3423411902
ISBN-13 978-3-423-41190-5 / 9783423411905
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