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Thriller

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eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
448 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-08433-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sie sehen dich -  Harlan Coben
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Harlan Cobens bislang beklemmendster Thriller!
Der Teenager Spencer Hill ist tot: Selbstmord. Oder doch Mord? Als sein engster Freund Adam Baye verschwindet, befürchten dessen Eltern Mike und Tia das Schlimmste. In der Sorge um ihren Sohn haben sie heimlich ein Spionageprogramm auf Adams Computer installiert, das schon bald eine bedrohliche E-Mail zu Tage fördert. Alarmiert und schockiert macht sich nun Mike selbst auf, um seinen Sohn nach Hause zu holen - koste es, was es wolle. Doch er und seine Frau sind nicht die einzigen, die andere ausspionieren ...

Virtuos durchkonstruiert und psychologisch perfekt!

Harlan Coben wurde 1962 in New Jersey geboren. Nachdem er zunächst Politikwissenschaft studiert hatte, arbeitete er später in der Tourismusbranche, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Thriller wurden bisher in 45 Sprachen übersetzt, erobern regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und wurden zu großen Teilen verfilmt. Harlan Coben, der als erster Autor mit den drei bedeutendsten amerikanischen Krimipreisen ausgezeichnet wurde - dem Edgar Award, dem Shamus Award und dem Anthony Award -, gilt als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Thrillerautoren seiner Generation. Er lebt mit seiner Familie in New Jersey.

1


Zärtlich streichelte Marianne das dritte Glas Tequila in ihrer Hand und staunte wieder einmal über ihre grenzenlose Fähigkeit, auch noch das Wenige, was in ihrem jämmerlichen Leben gut und angenehm war, zu zerstören, als der Mann neben ihr rief: »Pass auf, Süße, Kreationismus und Evolution sind hundertprozentig miteinander vereinbar.«

Sein Speichel traf Marianne am Hals. Sie verzog das Gesicht und warf dem Mann einen finsteren Blick zu. Er hatte einen dichten, buschigen Schnurrbart, der direkt aus einem Pornofilm der Siebziger stammen könnte. Er saß rechts neben ihr. Die zu stark blondierte Frau mit den strohigen Haaren, bei der er mit seiner provokanten These Eindruck schinden wollte, saß links neben ihr. Marianne war also das arme Würstchen in einem ziemlich armseligen Hot Dog. Sie versuchte, ihre beiden Nachbarn zu ignorieren. Sie starrte in ihr Glas, als wäre es der Diamant auf ihrem Verlobungsring. Marianne hoffte, dass der Schnurrbartträger und die strohige Blondine dadurch verschwanden. Es funktionierte nicht.

»Das ist doch totaler Schwachsinn«, sagte die Blondine.

»Moment, Sie müssen mich schon ausreden lassen.«

»Okay, ich hör Ihnen zu. Ich halt das aber trotzdem für Schwachsinn.«

Marianne sagte: »Wollen wir nicht die Plätze tauschen, dann sitzen Sie nebeneinander.«

Schnurrbart legte ihr die Hand auf den Arm. »Immer langsam mit den jungen Pferden, Lady. Sie sollten sich das auch mal anhören.«

Erst wollte Marianne protestieren, doch dann schwieg sie lieber, um keinen Streit anzufangen. Sie starrte wieder in ihren Tequila.

»Okay«, sagte Schnurrbart. »Sie kennen doch die Geschichte von Adam und Eva, ja?«

»Klar«, sagte Strohhaar.

»Glauben Sie das?«

»Dass er der erste Mann und sie die erste Frau war?«

»Ja.«

»Nee, eigentlich nicht. Sie etwa?«

»Ja, klar doch.« Er tätschelte seinen Schnurrbart, als müsste er einen hektischen Hamster beruhigen. »Die Bibel sagt schließlich, dass das so gewesen ist. Erst war Adam da, dann wurde Eva aus seiner Rippe erschaffen.«

Marianne trank. Sie trank bei vielen Gelegenheiten. Vor allem auf irgendwelchen Partys. Aber auch in Bars wie dieser, in denen sie viel zu oft war  – meist um einen Mann kennen zu lernen, in der Hoffnung, dass sich etwas Ernstes daraus entwickelte. Heute Abend hatte sie allerdings kein Interesse an einer Männerbekanntschaft. Heute trank sie, um sich zu betäuben, und bisher mit großem Erfolg. Wenn sie sich etwas entspannte, konnte sie dem hirnlosen Geplapper zur Zerstreuung zuhören. Es vertrieb den Schmerz.

Sie hatte Mist gebaut.

Wie immer.

Alles auch nur halbwegs Rechtschaffene und Anständige in ihrem Leben hatte sie auf der Suche nach ihrem nächsten unerreichbaren Ziel so schnell wie möglich hinter sich gelassen. Dadurch verharrte sie in einem Zustand ewiger Langeweile mit ein paar wenigen, jämmerlichen Höhepunkten. Sie hatte etwas Gutes zerstört, und jetzt, wo sie versucht hatte, es wieder zurechtzurücken, tja, da hatte Marianne auch das noch in den Sand gesetzt.

Früher hatte sie vor allem diejenigen verletzt, die ihr am nächsten standen. Es gab einen exklusiven Club von Personen, die sie emotional verstümmelte hatte  – die Menschen, die sie am meisten liebte. Aber jetzt, in einer neuen Kombination aus Idiotie und Selbstsucht, war es ihr gelungen, auch ein paar Fremde auf die Opferliste des fortlaufenden Marianne-Massakers zu setzen.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund erschien es ihr schlimmer, Fremde zu verletzen. Schließlich fügten wir all denjenigen, die wir liebten, Schmerzen zu. Aber wenn man Unschuldige mit hineinzog, gab das ein schlechtes Karma.

Marianne hatte ein Leben zerstört. Vielleicht sogar mehr als eins.

Wozu?

Um ihr Kind zu schützen. Das hatte sie wenigstens geglaubt.

Blöde Kuh.

»Okay«, sagte Schnurrbart. »Adam hat also Eva hervorgebracht, oder wie immer man das damals genannt hat.«

»Das ist doch vollkommen sexistischer Scheiß«, sagte Strohhaar.

»Aber das Wort Gottes.«

»Das die Wissenschaft längst widerlegt hat.«

»Jetzt warten Sie doch mal kurz, schöne Frau, und lassen Sie mich ausreden.« Er hob die rechte Hand. »Hier haben wir Adam … «, dann hob er die linke, »… und hier Eva. Die sind also beide im Garten Eden, stimmt’s?«

»Stimmt.«

»Adam und Eva kriegen dann zwei Söhne. Kain und Abel. Und dann bringt Abel Kain um.«

»Kain bringt Abel um«, korrigierte Strohhaar.

»Sind Sie sicher?« Er runzelte die Stirn, überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ach, ist ja auch egal. Einer von beiden stirbt.«

»Abel stirbt. Kain bringt ihn um.«

»Sind Sie wirklich ganz sicher?«

Die Strohhaarige nickte.

»Okay, also bleibt Kain übrig. Die Frage lautet also, mit wem sich Kain vermehrt hat. Tja, die einzige verfügbare Frau ist also Eva, und die ist auch nicht jünger geworden. Aber wie hat die Menschheit dann überlebt?«

Schnurrbart sah sich erwartungsvoll um, als wartete er auf Applaus. Marianne rollte die Augen.

»Sehen Sie das Problem?«

»Vielleicht hat Eva noch ein Kind gehabt. Eine Tochter.«

»Und dann hatte er mit seiner Schwester geschlafen?«, fragte Schnurrbart.

»Klar. Damals hat’s doch jeder mit jedem getrieben, oder? Das ging doch schon bei Adam und Eva los. Am Anfang muss es Inzest gegeben haben.«

»Nee«, sagte der Schnurrbärtige.

»Nicht?«

»Inzest wird in der Bibel ganz eindeutig verboten. Darum kommen wir jetzt zur Wissenschaft. Darauf wollte ich von Anfang an hinaus. Wissenschaft und Religion können nämlich wirklich nebeneinander bestehen. Hier kommt jetzt Darwins Evolutionstheorie ins Spiel.«

Strohhaar wirkte wirklich interessiert. »Und wie soll das gehen?«

»Überlegen Sie doch mal. Von wem stammen wir denn ab, wenn wir diesen Darwinisten Glauben schenken?«

»Vom Affen.«

»Genau. Vom Affen. Kain wird also verstoßen und wandert ganz allein über diesen prächtigen Planeten. Können Sie mir soweit folgen?«

Schnurrbart tippte Marianne auf den Arm, um sich auch ihre Aufmerksamkeit zu sichern. Im Schneckentempo drehte sie den Kopf zu ihm um. Wenn du diesen Porno-Schnurrbart abnimmst, dachte sie, würdest du eigentlich ganz anständig aussehen.

Marianne zuckte die Achseln. »Ich denk schon.«

»Prima.« Er lächelte und zog eine Augenbraue hoch. »Und Kain ist doch ein Mann, oder?«

Strohhaar wollte auch wieder beachtet werden. »Klar.«

»Also hat er ganz normale männliche Bedürfnisse, stimmt’s?«

»Stimmt.«

»Er läuft da also über die Erde. Und dabei sticht ihn der Hafer. Das ist ein ganz normales Bedürfnis. Und eines Tages, als er so durch den Wald wandert …«, wieder lächelte er und streichelte seinen Schnurrbart, »… da läuft Kain eine attraktive Affendame über den Weg. Vielleicht eine Gorilladame. Oder Miss Orang Utan.«

Marianne starrte ihn an. »Das soll doch wohl ein Witz sein.«

»Nein. Überlegen Sie doch mal. Kain sieht da so eine Dame aus der Affenfamilie. Das sind schließlich unsere nächsten Verwandten, oder? Er schnappt sich ein Weibchen. Sie  – na ja, Sie wissen schon …« Er machte mit seinen Händen ein eindeutiges Zeichen, für den Fall, dass sie es doch nicht wusste. »Und dann wird die Affendame schwanger.«

Strohhaar sagte: »Das ist ja widerlich.«

Marianne wollte sich wieder ihrem Glas zuwenden, als der Mann ihr erneut auf den Arm tippte.

»Finden Sie nicht, dass das vollkommen logisch ist? Die Affendame kriegt ein Kind, halb Mensch, halb Affe. Es ist noch ziemlich affenartig, aber dann kommt im Lauf der Zeit die Dominanz des Menschen wieder durch. Verstehen Sie? Genau wie ich gesagt habe! Damit sind Evolution und Kreationismus vereinigt.«

Er lächelte, als wartete er auf ein Lob.

»Ich muss da doch noch mal nachhaken«, sagte Marianne. »Gott ist also gegen Inzest, aber ein Anhänger der Sodomie?«

Der Schnurrbärtige klopfte ihr väterlich auf die Schulter und hob dann die Hände.

»Ich wollte nur erklären, dass diese ganzen Klugscheißer mit ihren Doktortiteln, die glauben, dass Religion und Wissenschaft nicht zusammenpassen, einfach keine Fantasie haben. Genau das ist das Problem. Die Wissenschaftler gucken nur durch ihr Mikroskop, und die religiösen Eiferer glauben nur das, was in der Bibel steht. Und darum sehen die dann alle den Wald vor lauter Bäumen nicht.«

»Dieser Wald«, sagte Marianne, »das ist nicht zufällig der, in dem auch die hübsche Gorilladame lebt?«

Die Stimmung veränderte sich mit einem Schlag. Aber vielleicht bildete Marianne sich das auch nur ein. Schnurrbart schwieg. Er starrte sie lange an. Das gefiel Marianne nicht. Irgendetwas war zwischen sie getreten. Etwas Eigenartiges. Seine Augen waren schwarz wie dunkles Glas, sie sahen aus, als hätte man sie einfach irgendwo in irgendwelche Augenhöhlen gedrückt, so vollkommen leblos und leer wirkten sie. Er blinzelte kurz und rückte näher an sie heran.

Er musterte sie.

»Hey, Süße. Haben Sie etwa geweint?«

Marianne drehte sich zur strohhaarigen Frau um. Auch die starrte sie an.

»Weil Ihre Augen ganz rot sind«, fuhr er fort. »Ich will Sie ja nicht belästigen, aber ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Mir geht’s gut«, sagte Marianne. Sie nahm an, dass sie leicht lallte. »Ich will bloß in Ruhe meinen Tequila trinken.«

»Okay, hab schon verstanden.« Er hob die Hände. »Will ja nicht stören.«

Marianne sah zu Boden. Sie wartete darauf, dass sich am Rand ihres Blickfelds etwas bewegte. Das geschah nicht. Der...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2012
Übersetzer Gunnar Kwisinski
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Hold tight
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Emailprogramm • Highschool • Internetforum • Jugendliche • Kultur-Spiegel-Bestseller-Autor • Kultur-Spiegel-Bestseller-Autor, New-York-Times-Besteller, Spionageprogramm, Emailprogramm, Vorstadtidylle, Jugendliche, Highschool, Teenager, Internetforum, Privatsphäre • New-York-Times-Besteller • New-York-Times-Bestseller • Privatsphäre • Serienmörder • Spionageprogramm • Teenager • Thriller • Vorstadtidylle
ISBN-10 3-641-08433-4 / 3641084334
ISBN-13 978-3-641-08433-2 / 9783641084332
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