Die Brüder Karamasow (eBook)

Roman
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2011 | 1. Auflage
1265 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401877-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Brüder Karamasow -  Fjodor Dostojewskij
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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. ?Die Brüder Karamasow?,das letzte große Werk von Fjodor Dostojewskij, ist nicht nur eine dramatische Familiengeschichte aus dem Russland des 19. Jahrhunderts und eine unerbittliche moralische Erkundung im Gewand eines Kriminalromans, sondern auch ein gewaltiger Spiegel der gesamten dichterischen Welt Dostojewskijs.

Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821-1881) war ursprünglich Leutnant in St. Petersburg. Er quittierte seinen Dienst 1844, um freier Schriftsteller zu werden. Seine Romane ?Verbrechen und Strafe?, ?Der Spieler?, ?Der Idiot?, ?Böse Geister?, ?Ein grüner Junge?, ?Die Brüder Karamasow? sowie ?Aufzeichnungen aus dem Kellerloch? liegen im S. FISCHER Verlag in der herausragenden Übersetzung von Swetlana Geier vor.

Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821-1881) war ursprünglich Leutnant in St. Petersburg. Er quittierte seinen Dienst 1844, um freier Schriftsteller zu werden. Seine Romane ›Verbrechen und Strafe‹, ›Der Spieler‹, ›Der Idiot‹, ›Böse Geister‹, ›Ein grüner Junge‹, ›Die Brüder Karamasow‹ sowie ›Aufzeichnungen aus dem Kellerloch‹ liegen im S. FISCHER Verlag in der herausragenden Übersetzung von Swetlana Geier vor. Swetlana Geier (1923–2010) hat u. a. Sinjawskij, Tolstoi, Solschenizyn, Belyi und Bulgakow ins Deutsche übertragen. Für ihr Werk, das sie mit der Dostojewskij-Neuübersetzung krönte, wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. – In der Reihe Fischer Klassik liegen sämtliche ihrer im Ammann Verlag erschienenen Dostojewskij-Übersetzungen vor: ›Verbrechen und Strafe‹ (Bd. 90010), ›Der Spieler‹ (Bd. 90446), ›Der Idiot‹ (Bd. 90186), ›Böse Geister‹ (Bd. 90245), ›Ein grüner Junge‹ (Bd. 90333), ›Die Brüder Karamasow‹ (Bd. 90114) sowie ›Aufzeichnungen aus dem Kellerloch‹ (Bd. 90102). Über ihr Leben und ihre Arbeit gibt Swetlana Geier Auskunft in dem von Taja Gut aufgezeichneten Buch ›Swetlana Geier. Ein Leben zwischen den Sprachen‹ (Bd. 19221).

Erster Teil


Erstes Buch Geschichte einer Familie


I Fjodor Pawlowitsch Karamasow


Alexej Fjodorowitsch Karamasow war der dritte Sohn eines Gutsbesitzers unseres Gouvernements, Fjodor Pawlowitsch Karamasow, der seinerzeit so viel von sich reden machte (und noch heute gelegentlich erwähnt wird) durch seinen tragischen und dunklen Tod, der ihn vor genau dreizehn Jahren ereilte und auf den ich an seiner Stelle zu sprechen kommen werde. Im Augenblick möchte ich über diesen »Gutsbesitzer« (wie er bei uns genannt wurde, wiewohl er zu seinen Lebzeiten fast nie auf seinem Gut wohnte) nur so viel vorausschicken, daß er zu einem eigentümlichen Typus gehörte, der jedoch gar nicht so selten vorkommt, und zwar zu jenem Typus von Menschen, die nicht nur miserabel und lasterhaft, sondern gleichzeitig töricht sind, zu jenen Törichten, die sich bestens darauf verstehen, ihre kleinen Geschäfte zu betreiben, das einzige allerdings, was ihnen glückt. Fjodor Pawlowitsch zum Beispiel hatte mit fast leeren Taschen angefangen, gehörte zu den ärmsten Gutsbesitzern, saß möglichst an fremden Tischen, parasitierte, indessen fanden sich bei ihm nach seinem Tod an die hunderttausend Rubel in bar. Und doch zählte er sein ganzes Leben lang zu den albernsten Narren unseres Gouvernements. Ich wiederhole: Es ist nicht Dummheit; die Mehrzahl solcher Narren sind recht gescheit und listig – es ist eben Albernheit, dazu noch eine von ganz besonderer nationaler Art.

Er war zweimal verheiratet gewesen und hatte drei Söhne: den ältesten, Dmitrij Fjodorowitsch, von seiner ersten Gattin, die beiden anderen, Iwan und Alexej, von der zweiten. Die erste Gattin Fjodor Pawlowitschs entstammte einer ziemlich reichen und angesehenen Familie, den Miussows, deren Güter gleichfalls in unserem Gouvernement lagen. Wie es dazu kam, daß ein junges Mädchen mit bedeutender Aussteuer, die auch noch schön und darüber hinaus ein lebhaftes, kluges Köpfchen war, wie sie in unserer Generation gar nicht einmal so selten, aber auch in der vergangenen einzeln aufgetaucht sind, ausgerechnet diese jämmerliche »Vogelscheuche«, wie er bei uns genannt wurde, heiraten konnte, möchte ich nicht weiter erläutern, kannte ich doch eine junge Dame, sogar aus der längst vergangenen »romantischen Generation«, die nach Jahren einer höchst rätselhaften Liebe zu einem Herrn, den sie jederzeit hätte seelenruhig heiraten können, sich schließlich unüberwindliche Hindernisse ausdachte, in einer stürmischen Nacht sich von einem hohen Ufer, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Felsen hatte, in einen ziemlich tiefen Fluß mit recht starker Strömung stürzte und ertrank, was nur auf ihre eigenen Phantasien zurückzuführen war, einzig und allein, um Shakespeares Ophelia zu gleichen, mehr noch, wäre dieser Felsen, den sie schon längst auserkoren und mit dem sie geliebäugelt hatte, nicht so malerisch, wäre an seiner Stelle nur ein prosaisches, flaches Ufer gewesen, hätte dieser Selbstmord vielleicht gar nicht stattgefunden. Dieser Selbstmord ist Tatsache, und es sieht so aus, daß in unserem russischen Leben, in den zwei, drei letzten Generationen, solche Tatsachen nicht einmal selten waren. Auch Adelaida Iwanowna Miussowas Handlungsweise war zweifellos ein Echo fremder Anschauungen und eines betörten Geistes Aufruhr. Vielleicht hatte sie der Wunsch überkommen, sich auf weibliche Art zu behaupten, die gesellschaftlichen Konventionen, den Despotismus der Familie und Verwandtschaft zu sprengen, und die dienstwillige Phantasie überzeugte sie davon, freilich nur vorübergehend, daß Fjodor Pawlowitsch, ungeachtet seiner Rolle als Parasit, zu den kühnsten und sarkastischsten Menschen dieser allem Besseren offenen Übergangsepoche gehörte, während er alles in allem ein bösartiger Possenreißer war und sonst nichts. Die besondere Würze lag auch noch darin, daß Adelaida Iwanowna von ihm entführt werden mußte, und letzteres hatte Adelaida Iwanowna außerordentlich zugesagt. Fjodor Pawlowitsch war solchen Abenteuern allein schon wegen seiner sozialen Lage durchaus geneigt, da er leidenschaftlich wünschte, seine Karriere um jeden Preis voranzutreiben: Die Aussicht, in engen Kontakt zu einer reichen und angesehenen Familie zu treten und eine gute Mitgift einzustreichen, war für ihn ebenfalls äußerst verführerisch. Was jedoch die gegenseitige Liebe betraf, so war von ihr, scheint es, nicht eine Spur vorhanden – weder auf ihrer noch auf seiner Seite, trotz Adelaida Iwanownas Schönheit. Dies war vielleicht der einzige Fall seiner Art in der Biographie Fjodor Pawlowitschs, des größten Lüstlings, der ein Leben lang bereit war, jedem Weiberrock nachzulaufen, sobald sich eine Gelegenheit bot. Und einzig diese Frau hat auf ihn, was seine Leidenschaft betraf, nicht den leisesten Eindruck ausgeübt.

Adelaida Iwanowna brauchte nicht lange, um nach der Entführung zu erkennen, daß sie für ihren Gatten nichts als Verachtung empfand. Daher stellten sich die Folgen dieser Eheschließung unverzüglich ein. Ungeachtet dessen, daß ihre Familie sich ziemlich bald mit der neuen Situation aussöhnte und der Flüchtigen ihre Mitgift auszahlte, kam es bald zwischen den Gatten unaufhörlich zu Szenen, und das Leben nahm einen äußerst turbulenten Verlauf. Es wurde erzählt, daß die Jungvermählte dabei ungleich mehr Anstand und Charakter gezeigt habe als Fjodor Pawlowitsch, dem es, wie sich nun herausstellte, gelungen war, auf einen Schlag das ganze Geld, rund fünfundzwanzigtausend Rubel, kaum daß sie es erhalten hatte, in die eigene Tasche zu stecken, und zwar derart, daß diese Tausende für sie seitdem nicht wieder auftauchten. Lange Zeit versuchte er, auch ihr Gütchen und das recht ansehnliche Stadthaus, die gleichfalls zu ihrer Mitgift gehörten, auf seinen eigenen Namen überschreiben zu lassen, scheute weder Zeit noch Mühe, um irgendwie eine entsprechende Überschreibungsakte zu erlangen, und hätte sein Ziel zweifellos erreicht dank der Verachtung und des Widerwillens seiner Gattin, die den unaufhörlichen schamlosen Erpressungsversuchen und zermürbenden Betteleien ein Ende machen wollte, nur um ihn loszuwerden. Glücklicherweise trat Adelaida Iwanownas Familie für sie ein und wies den Raffgierigen in seine Grenzen. Es ist definitiv bekannt, daß es zwischen den Gatten nicht selten zu Gewalttätigkeiten kam, aber wie die Fama sagt, war es nicht Fjodor Pawlowitsch, der zuschlug, sondern Adelaida Iwanowna, eine heißblütige, kühne, brünette junge Dame von bemerkenswerten physischen Kräften. Endlich aber hielt sie es nicht länger aus, lief mit einem bettelarmen Seminaristen und Lehrer davon und überließ Fjodor Pawlowitsch den dreijährigen Mitja. Fjodor Pawlowitsch verwandelte das Haus im Handumdrehen in einen regelrechten Harem und feierte darin die wüstesten Gelage, aber zwischendurch bereiste er fast das ganze Gouvernement, um sich mit Tränen in den Augen bei allen und jedem über die Flüchtige zu beklagen und sich en passant ausführlich über gewisse Details seines Ehelebens zu verbreiten, was für einen Gatten völlig unschicklich ist. Vor allem aber schien er es offenbar als angenehm und sogar als schmeichelhaft zu empfinden, vor der Öffentlichkeit die eigene komische Rolle des gekränkten Ehemanns zu spielen und die Einzelheiten der ihm angetanen Schmach sogar mit allen Farben auszuschmücken. »Man könnte ja glauben, Fjodor Pawlowitsch, Sie seien in den Genuß einer Beförderung gekommen, so glücklich sehen Sie aus, ungeachtet Ihres Kummers«, spotteten manche. Andere fügten sogar hinzu, daß er sich über die aufgefrischte Narrenrolle freue, mit voller Absicht, um den Lacheffekt zu steigern, und sich nur den Anschein gebe, als fiele ihm seine eigene Lächerlichkeit nicht auf. Wer weiß, so hätte es bei ihm auch wirklich sein können. Endlich gelang es ihm, die Spur seiner Flüchtigen aufzunehmen. Die Arme war, wie sich herausstellte, in Petersburg, wohin sie mit ihrem Seminaristen gezogen war und wo sie sich rückhaltlos emanzipiert aufführte. Fjodor Pawlowitsch machte umgehend Anstalten, nach Petersburg zu reisen. Was er damit bezweckte? Das wußte er natürlich selbst nicht. Vielleicht wäre er damals wirklich gefahren: aber sobald sein Entschluß gefaßt war, fühlte er sich berechtigt, sich vor Antritt der Reise, zur Stärkung, von neuem uferlos zu betrinken. Und ausgerechnet da erhielt die Familie seiner Gattin die Nachricht, daß sie in Petersburg gestorben sei. Sie starb irgendwie unvermittelt, irgendwo in einer Dachkammer, die einen sagten, am Typhus, die anderen angeblich – vor Hunger. Fjodor Pawlowitsch war betrunken, als er die Nachricht von dem Tode seiner Gattin erhielt; man erzählt, er sei über die Straße gelaufen und habe mit gen Himmel erhobenen Armen freudig ausgerufen: »Nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren!« während andere sagen, er habe laut geweint wie ein kleines Kind, so bitter, daß er einem leid tat, ungeachtet aller verdienten Verachtung. Vielleicht stimmt sowohl das eine wie das andere, das heißt, er hätte sich über seine Befreiung gefreut und seine Befreierin beweint – beides gleichzeitig. Meistens sind die Menschen, sogar Bösewichte, wesentlich naiver und einfältiger, als wir annehmen. Wir sind ja auch nicht anders.

II Der erste Sohn wird abgeschoben


Man kann sich natürlich vorstellen, was für einen Erzieher und Vater dieser Mensch abgeben konnte. Als Vater verhielt er sich genau so, wie er sich verhalten mußte, das heißt, er gab sein Kind, das ihm Adelaida Iwanowna geboren hatte, vollständig auf, und zwar nicht, weil...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2011
Reihe/Serie Fjodor M. Dostojewskij, Werkausgabe
Übersetzer Swetlana Geier
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19.Jahrhundert • 19. Jahrhundert • Adelaida Iwanowna • Alexej Fjodorowitsch • Anspruchsvolle Literatur • Arme Teufel • Aufklärung • Christentum • Denken • Dmitrij Fjodorowitsch • Fjodor Pawlowitsch • Fünf Elefanten • Glaube • Hierbei handelt es sich um eine Vorabmeldung. In Kürze werden wir an dieser Stelle Schlagwörter z... • Inquisition • Klassiker • Kloster • Leidenschaft • Roman • Russland • Vatermord • Verbannung
ISBN-10 3-10-401877-4 / 3104018774
ISBN-13 978-3-10-401877-5 / 9783104018775
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