Literaturgeschichte
Elfenbein (Verlag)
978-3-941184-18-3 (ISBN)
Klabund, d. i. Alfred Henschke (1890–1928), veröffentlichte von 1912 an nicht weniger als 76 Bücher, darunter Gedichtbände, Romane, Dramen, eine Vielzahl von Erzählungen, Schauspielbearbeitungen, Nachdichtungen östlicher Lyrik und Schauspiele. Er studierte in München und Berlin und war mit der Schauspielerin Carola Neher verheiratet. Im „Dritten Reich“ wurden Klabunds Bücher als Asphaltliteratur verboten. Seitdem blieb eine eigentliche Wiederentdeckung aus. Im Elfenbein Verlag erschien eine achtbändige Werkausgabe sowie der bibliophil gestaltete Band „Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik“.
Dichtung kommt aus Gott und mündet in Gott. Sie schafft magisch die große Vereinigung zwischen Dingen und Geist, zwischen Denken und Sein, zwischen Welt und Schöpfer. Am farbigen Abglanz erschaut sie das Leben, und Natur hat für sie weder Kern noch Schale. Man könnte, ein Wort Spinozas variierend, sagen: Die Dichtung ist nicht die Vorstufe zu einem seligen Jenseits, sie ist dieses Jenseits selbst. Oder: Das Jenseits ist nur das anders angeschaute Diesseits. Denn jenseits dieser Welt gibt es nichts. Noch das Nirwana ist diesseits. Die Sterne leuchten auch den Toten, diese Blumen blühen auch für sie. Nur daß die verklärten Geister sie anders sehen. Mit übermenschlichen oder unmenschlichen Augen. So sehen auch die Dichter diese Welt mit über- oder unterirdischen Blicken. Gott ist der Geist. Und seine Geister sind die Dichter. [ ]
Je weiter die Sprachentwicklung fortschreitet, um so mehr verblasst das ursprüngliche Bild, der ursprüngliche Klang, der ein Wort formte. Die abstraktesten Begriffe sind aus konkretester Anschauung entstanden. Begreifen, d. h. etwas mit den Fingern begreifen, betasten. Eine Vorstellung haben, d. h. etwas vor sich hinstellen wie einen Teller oder ein Glas. Weltanschauung, d. h. Anschauung, optische Anschauung dieser Welt. Der Dichtung eines Volkes liegt das Amt ob, die Sprache frisch und lebendig zu erhalten, sie nicht in blutleeren Abstraktionen verdorren zu lassen. Wie ein Baum muß die Sprache aus der Erde hervorwachsen, Blut muß in ihr rollen wie in den Andern der Menschen. [ ]
Die Dichtung aller Völker beginnt mit der mündlichen, später schriftlichen Fixierung religiöser Vorstellungen. Die Schöpfung der Idee Gott war die erste. Im Anfang war das Wort. Und das Wort schuf Gott. Und Gott wurde das Wort.
In der Urzeit ist der Zusammenhang von Dichtung, Musik und Tanz noch offenbar. Die Versform ist zweifellos aus Worten zu rhythmischen Opfertänzen entstanden. Die ältesten Dichtungen, die wir kennen: die ägyptischen, babylonischen, indischen Dichtungen: sind religiöse Dichtungen fetischistischer, mythologischer, ah nen kultlicher Art. Ihnen gesellten sich bald das Liebeslied und das Märchen. Glaube und Aberglaube sind die Eltern der Dichtung. Der Glaube wird zur Voraussetzung der Gestaltung.
Die Urmenschen kennen keine Sünde. Sie wissen nichts von Gut und Böse. Sie leben vor dem Sündenfall. Erst durch den Sündenfall kam Gottes-Furcht und Eros und in ihrem Gefolge die Dichtung in die Welt. Die Erkenntnis der Polaritäten des Daseins schuf die Dichtung, die sich zu allen Zeiten zwischen den Polen Gott und Teufel, Tod und Leben, Mann und Frau, Tag und Nacht, Sommer und Winter bewegt. Wahrheit läßt sich nur durch Erfassen der Gegensätze begreifen, sagt ein alter chinesischer Spruch. Diese Wahrheit sucht die Dichtung.
Erscheint lt. Verlag | 3.3.2013 |
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Reihe/Serie | Werke ; Supplementband |
Nachwort | Ralf Georg Bogner |
Sprache | deutsch |
Maße | 130 x 210 mm |
Gewicht | 680 g |
Einbandart | Leinen |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Schlagworte | Expressionismus • Henschke, Alfred • Jahrhundertwende • Literaturgeschichte |
ISBN-10 | 3-941184-18-0 / 3941184180 |
ISBN-13 | 978-3-941184-18-3 / 9783941184183 |
Zustand | Neuware |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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