Der Beigeschmack des Todes (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
560 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-40465-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Beigeschmack des Todes -  P. D. James
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In der Sakristei einer Londoner Kirche werden zwei Leichen mit durchgeschnittener Kehle gefunden: ein konservativer Abgeordneter und ein Stadtstreicher. Mord mit anschließendem Selbstmord? Zweifacher Mord? Oder Doppelselbstmord? Commander Adam Dagliesh steht vor einem Rätsel. 'Wer süffiges Erzählen zu schätzen weiß, wird zweifellos seine Freude an dieser bitterbösen Erzählerin haben.' Cosmopolitan Der Beigeschmack des Todes von P. D. James: Spannung pur im eBook!

Phyllis Dorothy James, seit 1991 Baroness James of Holland Park, wurde 1920 in Oxford geboren und verstarb im November 2014 ebendort. Da ihr Mann unheilbar krank aus dem Weltkrieg zurückkehrte, musste sie für sich und die beiden Töchter selbst sorgen. Erst nach langen Jahren in der Krankenhausverwaltung und in der Kriminalabteilung des Innenministeriums konnte sie sich ab 1962 ganz der Schriftstellerei widmen. P. D. James, weltweit als Queen of Crime gerühmt, wurde mit Auszeichnungen und Preisen überhäuft; ihr Commander Adam Dalgliesh, der die meisten Fälle löst, ist in die Literaturgeschichte eingegangen.

Phyllis Dorothy James, seit 1991 Baroness James of Holland Park, wurde 1920 in Oxford geboren und verstarb im November 2014 ebendort. Da ihr Mann unheilbar krank aus dem Weltkrieg zurückkehrte, musste sie für sich und die beiden Töchter selbst sorgen. Erst nach langen Jahren in der Krankenhausverwaltung und in der Kriminalabteilung des Innenministeriums konnte sie sich ab 1962 ganz der Schriftstellerei widmen. P. D. James, weltweit als Queen of Crime gerühmt, wurde mit Auszeichnungen und Preisen überhäuft; ihr Commander Adam Dalgliesh, der die meisten Fälle löst, ist in die Literaturgeschichte eingegangen.

1


Entdeckt wurden die Toten um Viertel vor neun – am Mittwoch, dem 18. September – von Miss Emily Wharton, einer 65-jährigen alten Jungfer aus der Londoner Pfarrei St. Matthew in Paddington, und dem erst zehnjährigen Darren Wilkes, der seines Wissens keinem bestimmten Sprengel angehörte, falls ihn das überhaupt interessierte. Das ungleiche Paar hatte Miss Whartons Wohnung in Crowhurst Gardens knapp vor halb acht verlassen, um die wenigen hundert Meter längs des Grand-Union-Kanals zur St.-Matthew-Kirche zu Fuß zu gehen. Wie jeden Mittwoch und Freitag wollte Miss Wharton die verwelkten Blumen aus der Vase vor der Muttergottesstatue entfernen, die Messingleuchter von heruntergelaufenem Wachs und Kerzenstümpfen befreien, in der Marienkapelle von den beiden Stuhlreihen, die für die wenigen zur Morgenmesse erwarteten Gläubigen völlig ausreichten, den Staub wischen und alles Übrige für die Ankunft von Hochwürden Barnes um zwanzig nach neun vorbereiten.

Vor sieben Monaten hatte sie auf dem Weg zu solchen Verrichtungen Darren erstmals getroffen. Er spielte gerade allein auf dem einstigen Treidelpfad, sofern man so etwas Unsinniges wie das Schleudern leerer Bierdosen in den Kanal überhaupt als Spiel bezeichnen kann. Sie blieb stehen, um ihm einen guten Morgen zu wünschen. Es mochte ihn erstaunt haben, dass ihn eine erwachsene Frau ansprach, ohne ihm Vorhaltungen zu machen oder ins Gewissen zu reden. Nach seiner anfänglichen Verblüffung schloss er sich ihr aus irgendeinem unerfindlichen Grund an. Zuerst folgte er ihr zögernd, dann umkreiste er sie wie ein streunender Hund. Nach einer Weile trottete er neben ihr her, und bedenkenlos ging er ihr ins Innere der St.-Matthew-Kirche nach, als wären sie an jenem Morgen gemeinsam aufgebrochen.

Miss Wharton war schon am ersten Tag aufgefallen, dass er noch nie in einer Kirche gewesen sein konnte. Aber weder damals noch bei einem der nachfolgenden Kirchenbesuche bekundete er die geringste Wissbegier, fragte nach Sinn und Zweck. Während sie ihre Arbeit verrichtete, strolchte er in der Sakristei und im Glockenraum umher, sah mit kritischem Gesichtsausdruck zu, wie sie die sechs Narzissen samt Zierlaub in der Vase zu Füßen der Marienstatue arrangierte, und registrierte mit der gelassenen Gleichgültigkeit eines Kindes ihr häufiges Niederknien. Für ihn waren diese unerwarteten Verrenkungen offenbar nur eine weitere Manifestation des befremdlichen Verhaltens der Erwachsenen.

In den beiden folgenden Wochen hatte sie ihn abermals auf dem Treidelpfad getroffen. Nach dem dritten Kirchenbesuch ging er unaufgefordert mit in ihre Wohnung, wo sie gemeinsam eine Tomatensuppe und Fischstäbchen verzehrten. Und dieses Mahl begründete wie eine sakrale Handlung das sonderbare, mit keinem Wort erwähnte Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie seither aneinanderband. Aber schon vorher war ihr in einer Aufwallung von Dankbarkeit und Scheu bewusst geworden, dass sie ihn nicht mehr missen wollte. Bei ihren gemeinsamen Besuchen verschwand er jedes Mal urplötzlich aus der Kirche, sobald die ersten Gemeindemitglieder eintrafen. Doch nach der Messe begegnete sie ihm abermals auf dem Treidelpfad, wo er sich irgendwie die Zeit vertrieben hatte. Er schloss sich ihr wieder an, als hätten sie sich nie getrennt. Miss Wharton hatte über ihn weder mit Pfarrer Barnes noch mit einem anderen Mitglied des Sprengels von St. Matthew gesprochen. Und soviel sie wusste, hatte auch er in seiner kindlichen Verschlossenheit mit niemandem über sie geredet. Sie wusste über ihn, seine Eltern, sein Leben ebenso wenig wie bei ihrer ersten Begegnung. Das war vor sieben Monaten gewesen. An einem kalten Vormittag Mitte Februar, als die Büsche, die die sich anschließende Sozialsiedlung vom Kanalweg abschirmten, einem leblosen, dornenstarrenden Dickicht glichen. Die schwarzen Knospen an den Eschenzweigen waren noch so starr, dass man sich nur schwer vorstellen konnte, sie würden sich einmal zu grünem Laub entfalten. Die dünnen, nackten Weidenruten hatten das zu neuem Leben erwachende Kanalwasser gestreift und gekräuselt.

Doch jetzt begann der Spätsommer die Natur braun einzufärben, allmählich wurde es Herbst. Miss Wharton schloss kurz die Augen, während sie über das herabgefallene Laub schritt, und meinte, sie könne trotz des von dem träge dahinströmenden Kanalwasser und der feuchten Erde aufsteigenden Geruchs den berauschenden Duft der Holunderblüten im Juni wahrnehmen. Dieser Duft eines Sommermorgens erinnerte sie eindringlich an ihre in Shropshire verbrachte Kindheit. Es graute ihr vor dem bevorstehenden Winter. Als sie heute Morgen erwacht war, hatte sie sich eingebildet, sie verspüre bereits seinen eisigen Atem. Obwohl es seit einer Woche nicht geregnet hatte, war der Pfad mit einer glitschigen Laubschicht bedeckt, die ihre Schritte dämpfte. In beklemmender Stille gingen sie unter den Baumkronen weiter. Selbst das helle Tschilpen der Spatzen war verstummt. Der Graben zu ihrer Rechten, der den Kanal säumte, war noch üppig grün. Dichte Grasbüschel wuchsen zwischen geborstenen Autoreifen, weggeworfenen Matratzen und Kleidungsstücken, die in der Mulde allmählich verrotteten. Die Weiden ließen die zerzausten Zweige mit den zierlichen Blättern ins ölige, stehende Wasser hängen.

Es war Viertel vor neun, als sie sich der Kirche näherten. Sie mussten nur noch einen der niedrigen Tunnels durchqueren, die unter dem Kanal hindurchführten. Darren, dem dieser Teil des Weges am besten gefiel, rannte hinein und stieß einen wilden Schrei aus, um ein Echo hervorzurufen. Mit den Händen, die an fahle Seesterne erinnerten, strich er über die Backsteine. Miss Wharton folgte dem vorauseilenden Jungen und ängstigte sich zugleich vor dem Augenblick, da sie durch den Ziegelsteinbogen in die beengende, feuchte, nach fauligem Flusswasser riechende Finsternis treten musste und überlaut hören würde, wie das Wasser gegen die Steinplatten schwappte und von der niedrigen Decke Tropfen schwer herabfielen. Sie schritt rascher aus. Nach einiger Zeit wurde der helle Halbmond am Tunnelende immer größer, und sie traten endlich ins Tageslicht. Darren, den es zu frösteln schien, trottete wieder an ihrer Seite.

»Es ist kalt heute, Darren«, sagte sie. »Wäre es da nicht besser gewesen, du hättest deinen Parka angezogen?«

Er hob die mageren Schultern und schüttelte den Kopf. Es verwunderte sie immer wieder, dass ihm die Kälte offensichtlich nichts ausmachte, obwohl er unzureichend bekleidet war. Anscheinend machte es ihm Spaß, wenn ihn ständig fröstelte. Sich an einem herbstlich kühlen Morgen wärmer anzuziehen konnte doch nicht unmännlich sein. Zudem stand ihm der Parka. Es hatte sie irgendwie erleichtert, als er erstmals darin erschienen war. Er war hellblau mit roten Streifen, ein teures, offensichtlich neues Kleidungsstück, ein beruhigendes Anzeichen dafür, dass seine Mutter, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatte und von der er nie sprach, für ihn sorgte.

Mittwochs wechselte Miss Wharton zuerst die Blumen aus. Heute hatte sie, in dünnes Papier eingeschlagen, einen Strauß hellroter Rosen und einen kleineren aus weißen Chrysanthemen dabei. Die Stiele waren noch feucht, und sie spürte, wie die Nässe durch ihre Wollhandschuhe drang. Die Blüten waren noch geschlossen. Nur eine war halb geöffnet, beschwor für einen flüchtigen Augenblick die Pracht des Sommers herauf und machte Miss Wharton dennoch ein wenig beklommen.

Darren schenkte ihr häufig Blumen, wenn sie zur Kirche gingen. Sie stammten, wie er ihr versicherte, von seinem Onkel Frank, der in Brixton einen Blumenstand hatte. Aber stimmte das auch? Letzten Freitag hatte er ihr vor dem Abendessen geräucherten Lachs in die Wohnung gebracht. Er sei von Onkel Joe, der in der Nähe von Kilburn eine Gaststätte betreibe. Aber die saftigen, delikaten Scheiben waren mit Pergamentpapier voneinander getrennt, und die weiße Porzellanplatte, auf der sie lagen, erinnerte sie an das Geschirr im Schaufenster von Marks and Spencer’s, das sie einmal mit unerfüllbarem Verlangen gemustert hatte. Nur das Firmenetikett fehlte. Angewidert verzog er das Gesicht, als sie ihm auch etwas anbot, und beobachtete sie weiterhin mit einer geradezu trotzigen Befriedigung. Wie eine Mutter, dachte sie, die zusieht, wie ihr Kind nach überstandener Krankheit erstmals wieder etwas zu sich nimmt. Aber da sie alles aufaß und noch eine Weile später den köstlichen Nachgeschmack verspürte, wäre sie sich undankbar vorgekommen, hätte sie ihn eingehender befragt. Doch die Geschenke häuften sich. Sollte er ihr wieder einmal etwas schenken, würde sie ernsthaft mit ihm reden müssen.

»Darren, hat deine Mutter wirklich nichts dagegen, wenn du mir in der Kirche hilfst?«, fragte sie ihn.

»Nee. Das geht in Ordnung. Hab ich Ihnen ja schon gesagt.«

»Du besuchst mich auch so oft in meiner Wohnung. Ich finde das zwar schön, aber bist du sicher, dass es sie nicht stört?«

»Ach was! Das ist okay.«

»Wäre es nicht besser, wenn ich sie mal besuchte, sie kennenlernte, damit sie weiß, mit wem du zusammen bist?«

»Das weiß sie. Außerdem ist sie nicht zu Haus. Sie ist nach Romford zu meinem Onkel Ron gefahren.«

Ein weiterer Onkel. Wie sollte sie sich nur alle merken können? Ein peinigender Gedanke überfiel sie. »Wer kümmert sich denn jetzt um dich, Darren? Ist sonst noch jemand in eurer Wohnung?«

»Nein, niemand. Bis zu ihrer Rückkehr schlafe ich bei einer Nachbarin. Mir fehlt es an nichts.«

»Hast du denn heute keinen Unterricht?«

»Hab ich Ihnen doch schon gesagt. Heute ist keine Schule. Wir haben frei. Ich hab’s Ihnen doch gesagt.« Seine Stimme klang dünn, überschlug sich fast. Als sie darauf nichts erwiderte, passte er sich ihrem...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2010
Reihe/Serie Die Dalgliesh-Romane
Die Dalgliesh-Romane
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Abgeordneter • Adam Dalgliesh • Adam Dalgliesh Fall 7 • britische Krimis • Commander Adam Dalgliesh • Doppelmord • England-Krimi • englische Krimis • Kirche • Klassische Kriminalromane • Krimi • Krimi Großbritannien • Kriminalromane • Kriminalromane Serien • Krimi-Reihe • krimi reihen • Krimis aus England • Krimis England • Krimi-Serie • Krimis Großbritannien • London • Obdachloser • P.D. James • PD James • P.D. James Dalgliesh • P. D. James deutsch • P.D. James deutsch • Polizei Krimis/Thriller • Selbstmord • siebter Fall • Sir Paul Berowne • Stadtstreicher • Thriller • UK Krimi
ISBN-10 3-426-40465-6 / 3426404656
ISBN-13 978-3-426-40465-2 / 9783426404652
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,0 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99