Die Stimme des Zwielichts (eBook)

Roman | Die Fortsetzung des Tibetromans »Wie in einem Traum«

(Autor)

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2011 | 1. Auflage
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-41136-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Stimme des Zwielichts -  Ulli Olvedi
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Die Fortsetzung des Tibetromans Wie in einem Traum Maili ist fasziniert von der westlichen Welt, doch es gibt so vieles, das sie nicht versteht: Warum lachen die Menschen so wenig? Warum sind sie immer in Eile und voller Ungeduld? Warum denken sie so viel und glauben so sehr an das, was sie denken? Fern von ihrem Kloster bei Kathmandu muss sie in einem buddhistischen Zentrum in England westliche Suchende unterrichten, die im tibetischen Buddhismus Erkenntnis und inneren Frieden finden wollen. Sarah, die Leiterin des Zentrums, hilft Maili dabei über so manchen 'Kulturschock' hinweg. Die laszive Nadine, die Gefährtin des faszinierenden Shonbo Rinpoche, weiß Rat, wenn es Probleme mit Sönam gibt. Er muss wie seine junge Frau erst lernen, was es heißt, eine tantrische Ehe zu führen. Eines Tages versucht einer ihrer Schüler, sich das Leben zu nehmen. Von Schuldgefühlen gequält, flieht Maili zurück in ihr Kloster und wählt nun den radikalen Weg der Klausur in völliger Dunkelheit, um die 'Stimme des Zwielichts', die Stimme der innersten Weisheit, zu hören. In diesem spirituellen Roman bringt uns die Tibet-Kennerin und Bestsellerautorin Ulli Olvedi nicht nur den Buddhismus näher, sondern schafft mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer Sachkenntnis eine unvergleichliche Atmosphäre, die den Leser sich in jeder der Welten zu Hause fühlen lässt, in die er Maili begleitet. »Die Mutter der Buddhas sagt: Sorge dich nicht, ihr seid für immer vereint. Doch mein dummes Herz weint und singt sein Lied von Liebe und Hoffnung und Furcht.«

Ulli Olvedi gilt als profunde Kennerin des tibetischen Buddhismus und der tibetischen Kultur. Sie verbrachte immer wieder längere Zeit im Himalaya, lebte zurückgezogen in Klöstern und hat daraus die Inspiration für ihre sehr erfolgreichen Romane geschöpft. Mit ihren Romanen, wie u.a. Wie in einem Traum oder Zanskar und ein Leben mehr, stand sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Olvedi gründete die Hochschule für traditionelle tibetische Medizin, das Shelkar Tibetan Medical Institute in Kathmandu, und ist Fachbereichsleiterin für Spiritualität an der Akademie Aidenried am Ammersee bei München.

Ulli Olvedi gilt als profunde Kennerin des tibetischen Buddhismus und der tibetischen Kultur. Sie verbrachte immer wieder längere Zeit im Himalaya, lebte zurückgezogen in Klöstern und hat daraus die Inspiration für ihre sehr erfolgreichen Romane geschöpft. Mit ihren Romanen, wie u.a. Wie in einem Traum oder Zanskar und ein Leben mehr, stand sie regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Olvedi gründete die Hochschule für traditionelle tibetische Medizin, das Shelkar Tibetan Medical Institute in Kathmandu, und ist Fachbereichsleiterin für Spiritualität an der Akademie Aidenried am Ammersee bei München.

2 Panchas Tanz


Trockene Zweige knackten laut unter Mailis Füßen. Seit langem hatte sie ihr Versteck nicht mehr aufgesucht. Der geheime Platz, den sie sich an einer abgelegenen Stelle zwischen Bäumen und Büschen des Bergdschungels eingerichtet hatte, war jahrelang ihr einziger Zufluchtsort gewesen, an dem sie allein sein konnte, um zu weinen oder zu träumen. Und um Sönam zu treffen. Ein flacher Fels bildete eine natürliche Bank inmitten der kleinen Lichtung, überschattet von einem niedrigen Bäumchen. Ein wenig Buschwerk hatte sie beseitigen müssen, um freien Blick über das Tal und die gegenüberliegenden Berge zu haben.

Der kaum sichtbare Pfad war fast zugewachsen. Behutsam bog Maili die Zweige zurück, die ihr den Weg versperrten. Bald war Sönam wieder da. Niemand sollte ihr Versteck entdecken. Sie würde es brauchen.

Plötzlich erstarrte sie. Zwischen den Büschen bewegte sich etwas, und sie hörte Bruchstücke einer leise gesungenen Melodie. Eine Flamme des Ärgers schoss in ihr hoch. Jemand hatte sich ihres kostbaren Verstecks bemächtigt. Dies war ihr Platz, der Schrein ihrer Erinnerungen. Niemand außer ihr hatte das Recht, sich hier aufzuhalten.

Ihr wütendes Herzklopfen weckte sie aus ihren bösen Gedanken. O nein, dachte sie beschämt, Maili ist unter die Hunde gegangen. Gleich wird sie knurren, die Zähne fletschen und ein Bein heben. Im Geist verneigte sie sich vor der Yogini und flüsterte: »Verzeihung, Rinpoche-la, ich bin wieder wach, ich bin wieder wach!«

Vorsichtig schlich sie näher, bis sie den Eindringling sehen konnte. Es war das Newar-Mädchen Pancha, eine neue Anwärterin auf die Novizenschaft. Der lange, blauschwarze Zopf reichte ihr bis auf die Hüften. Man hatte noch nicht entschieden, ob sie bleiben durfte.

Pancha tanzte, entzückend anzusehen in ihrem türkisfarbenen newarischen Gewand, einem langen, schmalen Hemd und an den Knöcheln geschlossener Hose. In der rechten Hand hielt sie einen kleinen Plastikteller, der die Schädelschale ersetzte, in der linken ein Stück Holz anstatt des Ritualmessers, und mit anmutigen Gesten tanzte sie Variationen des Tanzschritts der roten Dakini, deren Bild im Lhakang hing.

Atemlos sah Maili zu. Innerhalb weniger Augenblicke war ihr Ärger vergessen. Solch einen Tanz hatte sie noch nie gesehen. Es waren wundervoll fließende und zugleich außerordentlich disziplinierte Bewegungen, anmutig und weich, aber zugleich auch voller Kraft und Stolz. Jede Phase des Tanzes ergab ein vollkommenes Bild. Mit leidenschaftlicher Genauigkeit achtete die Tänzerin auf jede Augenbewegung, jede Fingerhaltung, bis sie schließlich in der Position des tantrischen Tanzschritts innehielt, wie eingefroren in vollendetem Gleichgewicht.

Maili presste die Hände gegen die Brust. So wollte sie auch tanzen. Sie ahnte den Fluss der köstlichen Bewegungen in ihrem Körper, der um die Ekstase dieses Tanzes zu wissen schien. Als habe sie einst selbst so getanzt, in einer anderen Zeit.

Maili trat zwischen den Büschen hervor. »Ah lala!«, rief sie und klatschte in die Hände. Das Mädchen erschrak und griff hastig nach dem Tuch, das auf der Felsplatte lag.

»Huhu, ich bin ein Leopard!«, rief Maili. »Siehst du das nicht? So sehen Leoparden aus.«

Das Mädchen lächelte unsicher. »Bitte, verrate mich nicht«, sagte sie scheu, »sonst schicken sie mich wieder weg.«

»Du tanzt sehr schön«, sagte Maili.

»Ich habe zu wenig Übung«, erwiderte Pancha. »Ich weiß, man darf nicht tanzen. Aber es ist ein heiliger Newar-Tanz. Ich habe nichts Schlechtes getan.«

Sie wollte hastig weglaufen, doch Maili trat ihr in den Weg. »Keine Angst, Pancha, ich verrate dich nicht. Komm, setz dich zu mir.«

Maili legte beruhigend den Arm um das Mädchen und zog sie sanft mit sich zur Felsplatte. Zögernd setzte sich Pancha neben sie.

»Wo hast du tanzen gelernt?«, fragte Maili.

Pancha zog ihr Tuch fest um sich und hielt den Kopf gesenkt, so dass Maili nur das glatte, dichte Haar sehen konnte.

»Beim Putzen«, antwortete Pancha.

»Aha, beim Putzen«, wiederholte Maili und kicherte.

Panchas schüchternes Lächeln erhellte sich ein wenig. »Ich habe in der Tanzschule geputzt.«

»Und du hast durch Zuschauen tanzen gelernt?«

Das Mädchen nickte.

»Warum bist du hier im Kloster?«

Pancha senkte den Kopf noch ein wenig tiefer. »Ein Tänzer. Er sagte, er würde mich heiraten. Er war einer der Lehrer. Einmal sah er mich heimlich mittanzen. Er sagte, ich sei begabt. Ich durfte bei jedem Unterricht dabei sein. Er sagte, wenn ich fleißig sei, dann könnten wir bald zusammen in Hotels auftreten und viel Geld verdienen. Und ich hab für ihn geputzt und gekocht. Ich kann gut kochen. Wir sind modern, hat er gesagt, da muss man nicht sofort heiraten. Dann lernte er eine Inchi-Frau kennen, und sie erlaubte nicht, dass er mich behielt.«

Unvermittelt hob sie den Kopf und stieß hervor: »Wo sollte ich denn hingehen? Mein Eltern nehmen mich nicht mehr auf. Ich stand auf der Straße. Aber ich bin nicht dumm. Ich bin in die Schule gegangen. In dieselbe Schule wie Ani Palmo.«

Sie sank wieder in sich zusammen und begann zu weinen, leise, verstohlen, ein kleines Mädchen, das gern unsichtbar gewesen wäre.

Maili drückte sie an sich und sang mit sanftem Wiegen das Mantra der Arya Tara. OM TARA TUTTARE TURE SVAHA. Schöne Mutter Tara, Mutter aller Buddhas, unbegrenzter Raum des Mitgefühls, löse den Schmerz auf, löse die Verwirrung auf, verwandle Unwissenheit in Weisheit.

Als Pancha nicht mehr weinte, stand Maili auf. Sie legte ihr Tuch ab und sagte nachdrücklich: »So, und jetzt zeig mir, wie das geht. Ich möchte deinen Tanz lernen.«

Pancha sah sie mit offenen Mund an.

»Zeig es mir«, sagte Maili ungeduldig.

»Es ist doch verboten.« Panchas Stimme war dünn vor Unbehagen.

Maili warf den Kopf zurück. »Es ist ein heiliger Tanz. Daran ist nichts Schlechtes. Ich will ihn lernen.«

Pancha stand auf und nahm umständlich ihr Tuch ab. »Ich weiß nicht …«

»Fang an«, sagte Maili, »ganz langsam.«

Sie übten lange und vergaßen die Zeit. Erst der entfernte Klang der Glocke, die zum Mittagessen rief, holte sie in die Welt des Klosters zurück. Der vormittägliche Studienkurs war zu Ende. Maili bedauerte nicht, dass sie ihn versäumt hatte.

»Essenszeit«, seufzte sie. »Denk dir irgendeine Entschuldigung aus.«

Sie verabredeten sich für die Mittagspause am folgenden Tag.

»Du wirst diesen Platz hier vergessen«, sagte Maili mit Nachdruck, »er gehört mir. Nur mir. Ich kenne eine Lichtung, die ist größer und besser geeignet. Dort werden wir üben.«

 

Das Tanzen half Maili ein wenig über ihre wachsende Unruhe hinweg. Sönams Drei-Jahres-Retreat war zu Ende, doch er kam nicht auf den Berg. Der Bruder einer der Nonnen, der ebenfalls in diesem Retreat gewesen war, besuchte seine Schwester im Kloster. Maili wagte nicht, nach Sönam zu fragen.

Der innere Druck wurde so übermächtig, dass sie sich eines Abends Sarah anvertraute.

»Vor drei Jahren trennten wir uns mit so viel Leichtigkeit«, sagte sie. »Wir waren ganz ruhig. Fast weise. Wir wussten, dass es keine Trennung gibt – nur außen. Alles war richtig. Alles stimmte.«

»Warum, meinst du, kommt er nicht?«, fragte Sarah.

Maili knetete ihre Hände. »Wahrscheinlich, weil er Angst hat. Er hatte so oft Angst.«

»Wovor?«

Maili verzog das Gesicht zu einem resignierten Lächeln. »Vor sich selbst. Vor Schmerz. Was weiß ich. Er erlebt es anders als ich.«

Sarah nickte sinnend.

Jetzt ist der richtige Augenblick, dachte Maili, jetzt muss ich sie fragen. Sie ist meine Freundin. Sie wird es mir erlauben. Ohne weiter zu überlegen, stürzte sie sich in die Frage und ihre Stimme klang flach und ein wenig atemlos.

»Sarah, du hattest einen Mann. Wie war es mit ihm?«

Sarah lachte. »Nicht ideal. Sonst wären wir jetzt nicht geschieden.«

»Ich meine, wie war es … mit eurer … Liebe …«

»Wir waren ziemlich jung, Studenten, und wir waren sehr verliebt. Mindestens ein Jahr lang.«

Maili drehte den Zipfel ihres Tuchs um einen Finger. Es lag nicht an der fremden Sprache, dass sie nicht die richtigen Worte fand. Keine der Sprachen, die sie kannte, schien die richtigen Worte zu bieten.

»Was möchtest du wissen?«, fragte Sarah sanft.

Maili befreite ihren Finger aus dem Tuch und legte mit einer unbewussten Geste die Hände aneinander.

»Wart ihr Freunde – gute Freunde, so wie du und ich?«

Sarah dachte nach. »Weißt du«, sagte sie schließlich, »es gibt bei uns ein Sprichwort: Das Einzige, was es in einer Liebesbeziehung nicht gibt, ist Liebe. Meine Erfahrungen haben das bestätigt. Irgendwann dachte ich: Bestenfalls ein Rinpoche wird mir das bieten können, was ich von einem Mann erwarte. Eine gesunde männliche Energie. Ich hatte genug von gewöhnlichen Männern.«

Maili kicherte. »Einmal wollte mich ein Rinpoche nach Indien mitnehmen. Ich kannte ihn nicht und er kannte mich nicht. Rinpoches sind manchmal … wie heißt das Wort? … seltsam.«

Sarah griff nach der Thermoskanne und goss gesalzenen tibetischen Tee in ihre Tassen.

»Aber du bist noch da.«

Maili ließ sich heiter in...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2011
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-426-41136-9 / 3426411369
ISBN-13 978-3-426-41136-0 / 9783426411360
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