Der Ruf der Kalahari (eBook)

Roman
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2010 | 1. Auflage
512 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-05197-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Ruf der Kalahari -  Patricia Mennen
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Eine bewegende Geschichte über Liebe und Hass, Vertrauen und Betrug
Berlin, 1901. Nach dem Tod ihrer Mutter wagt die junge Jella von Sonthofen den Schritt in ein neues Leben: Sie wird Deutschland verlassen und ihren Vater suchen, der in Deutsch-Südwestafrika verschollen ist. Doch als sie nach langer Suche endlich seine Farm gefunden hat, erwartet sie dort die schreckliche Wahrheit ...

Der Ruf der Kalahari ist der Auftakt zu einer fesselnden Familiensaga vor einer einzigartigen Landschaft. Sie erzählt die Abenteuer einer jungen Deutschen im heutigen Namibia, ihre Seelenverwandtschaft mit dem Buschmädchen Nakeshi und eine wunderbar romantische Liebesgeschichte.

Patricia Mennen wurde in Augsburg geboren und wuchs in der kleinen mittelalterlichen Stadt Riedlingen an der Donau auf. In Würzburg und München studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Ihre ständigen Begleiter sind ein Stift und ein Notizbuch, denn überall findet sie Ideen und Inspirationen. Patricia Mennen reist leidenschaftlich gern und hat bereits zahlreiche Romane, Kindersachbücher und Ratgeber veröffentlicht. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie abwechselnd in der Nähe des Bodensees und in der Provence.

Lohnabzug
Der Sommer hatte Berlin fest im Griff. Die Luft war drückend und schwül, das Sonnenlicht wurde vom gleißend weißen Staub der Straße reflektiert. Eine alte, klapprige Schindmähre quälte sich im Schneckentempo über den Mühlendamm und zog ein voll beladenes Fuhrwerk hinter sich her. Auf seiner Pritsche befand sich ein Berg rostiger Eisenschrott, der sich durch das Geschaukel immer mehr ineinander verkeilte und dabei stumpfe, metallene Geräusche von sich gab. Auf dem Kutschbock saß ein ausgemergeltes, kleines Männlein, die Schiebermütze tief im Gesicht. Er wedelte nervös mit einer langen Reitpeitsche vor der Schnauze des Pferdes herum. Das Tier scherte sich um die Peitsche nicht mehr als um die Fliegen, die seinen Kopf umschwirrten, und trottete unbeirrt seines Wegs. Es ließ sich auch nicht durch eine Horde barfüßiger Kinder stören, die johlend seinen Weg kreuzten und einen rollenden Holzreifen verfolgten, um ihn mit ihren Stöcken anzutreiben. Der Kutscher schimpfte dafür umso mehr und schickte den Kindern derbe Flüche hinterher. Ansonsten war die Straße menschenleer. Wer es sich leisten konnte, flanierte um diese Zeit im Schatten der großen Bäume, die der Prachtallee »Unter den Linden« ihren Namen gegeben hatten, oder trank eine kühle Molle in einer der vielen Gartenwirtschaften. Der größte Teil der Bevölkerung ging um diese Zeit allerdings seiner Arbeit nach und schuftete in einer der vielen Fabriken, die in den letzten Jahrzehnten wie die Pilze aus dem Boden geschossen waren. Oder sie verrichteten in den muffigen Mietskasernen Näharbeiten, wuschen anderer Leute Wäsche in einem der vielen Hinterhöfe und verkauften auf der Straße mit ihren Handkarren Waren aller Art. Die Welt veränderte sich dieser Tage rasend schnell. Überall herrschte Fortschritt. Kaiser Wilhelm II. hatte von einem neuen, einem goldenen Zeitalter gesprochen. Das Baufieber schoss hoch in den Adern der Stadt. Ganze Stadtviertel wurden in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. Täglich zogen mehr Menschen in die Stadt, um ihr armseliges Leben auf dem Land in ein vielversprechenderes Leben in der Stadt einzutauschen. Sie suchten Wohnungen und Arbeit. Monat für Monat entstanden neue Wohnblöcke mit bis zu zehn Hinterhöfen. Sie befanden sich meist in der Nähe der großen Fabriken, deren Wahrzeichen die in den Himmel wachsenden roten Ziegelschornsteine waren. Die Industrie brummte. Die Auftragsbücher der Agfa, Borsig sowie der beiden Elektroriesen Siemens & Halske und AEG waren voll, die hohen Herren zufrieden, während Tausende von Arbeitern in ihren Fabriken fleißig wie die Ameisen Tag für Tag zwölf Stunden und mehr malochten.
 
Jella bog links ab zur Fischerbrücke, die zum Krögel führte. Mit einem Ächzen stellte sie den Wäschekorb ab, um ein wenig zu verschnaufen. Der Weg von der Andreasstraße am Schlesischen Bahnhof bis zum Krögel war nicht nur weit, sondern in der Hitze auch ziemlich beschwerlich. Mit beiden Händen versuchte sie sich ein wenig frische Spreeluft zuzufächeln, aber selbst hier am Fluss war die Luft dampfig und schwer. Schweiß rann über ihr Gesicht. Jella kramte in ihren Rocktaschen nach dem Taschentuch und wischte sich damit über die Stirn. Dann packte sie den geflochtenen Wäschekorb an seinen Griffen und machte sich weiter auf ihren Weg zu Lies Schmodde, die ungeduldig auf ihre Waren wartete. In dem Korb lag das Ergebnis von drei Wochen Schufterei. Sie und ihre Mutter hatten Tag und Nacht an den bestellten Malerkitteln genäht. Jetzt waren alle zwanzig Stück fertig, jedes einzelne frisch gewaschen, gebügelt und gestärkt. Wie Jella das Nähen hasste! Obwohl sie gern mit ihren Händen arbeitete und sich auch durchaus geschickt anstellte, wenn es um technische Dinge ging, verabscheute sie das penible Arbeiten mit Nadel und Nähmaschine doch sehr. Die Zeit, die zum Anfertigen eines Nähstücks erforderlich war, stand für sie in keinerlei Verhältnis zu dem Lohn, den man dafür erwarten konnte. Außerdem stahl das Nähen kostbare Zeit, Zeit, die man für durchaus nützlichere Dinge verwenden konnte. Für das Studium der Naturwissenschaften zum Beispiel, denn das war ihr größter Traum! Aber im Moment war sie von der Erfüllung ihres Traums weiter entfernt als vom Mond. Und das nur, weil ihr Großvater so ein bornierter Sturkopf war! Immer, wenn Jella an den selbstherrlichen Baron Gernot von Sonthofen dachte, spürte sie diese dumpfe Wut über seine Ungerechtigkeit in sich aufsteigen. Bis zu dem großen Eklat vor einigen Monaten hatten sie und ihre Mutter Rachel bei ihm in seiner vornehmen Villa im Tiergarten gelebt. Es hatte ihnen äußerlich an nichts gefehlt, und doch war das Haus nie ihr Zuhause gewesen. Jellas Mutter behauptete zwar, dass der Großvater sie auf seine verhaltene preußische Art wohl mochte, nur war er offensichtlich unfähig, es zu zeigen. Mögliche Liebe verbarg er erfolgreich hinter äußerster Strenge und eisenharter Disziplin. Dazu ließ er all seinen Unmut an ihrer Mutter Rachel aus. Er hatte ihr nie verziehen, dass sie sich von seinem einzigen Sohn hatte schwängern lassen. Denn erstens war sie katholische Irin, und zweitens war sie ohne anständige Familie und somit nicht standesgemäß. Allein der Gedanke daran empörte Jella, und sie blies eine ihrer roten Locken aus ihrem Gesicht.
Baron Gernot von Sonthofen hatte die hochschwangere Rachel vor vielen Jahren nicht etwa aus Pflichtgefühl bei sich aufgenommen, sondern weil er sich in seiner Verbitterung an ihr dafür hatte rächen wollen, dass sein einziger Sohn ihn verlassen hatte. Johannes von Sonthofen, Jellas Vater, hatte mit ihm im Streit gebrochen und war nach Afrika verschwunden. Seit ihrer Ankunft vor beinahe achtzehn Jahren hatte der Baron keinen Tag verstreichen lassen, an dem er Rachel nicht wie eine Almosenempfängerin behandelt hätte. Er hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um ihr zu zeigen, wie unerwünscht sie in seinem Hause war und dass er sie nur duldete, weil sie die Mutter seiner einzigen Enkelin war. Rachel war eine stolze Frau. Trotzdem hatte sie bisher klaglos die kleineren und größeren Schikanen des verbitterten Barons ertragen. Sie wollte für Jella ein gesichertes Zuhause, das sie ihr allein nie hätte bieten können. Es hatte sie damals große Überwindung gekostet, hochschwanger, wie sie war, beim Baron aufzutauchen und ihn um Hilfe zu bitten. Doch sie hatte keine andere Lösung gesehen. Jellas Vater war nach dem schrecklichen Streit mit seinem Vater in die deutsche Kolonie Südwestafrika abgereist, um dort sein Glück als Geologe zu machen. Er hatte Rachel geschworen, sie nachzuholen, sobald er in der Fremde Fuß gefasst haben würde. Bei seiner Abreise hatte er nicht einmal geahnt, dass er sie schwanger zurückgelassen hatte. Nachdem die Schwangerschaft sichtbar geworden war, hatte Rachel ihre Stellung als Gouvernante verloren. Von einem auf den anderen Tag hatte sie schwanger und mittellos auf der Straße gestanden. Um nicht mit ihrem Kind als Obdachlose in den Gassen Berlins zu verkommen, war ihr gar keine andere Wahl geblieben, als sich an Johannes’ Vater zu wenden in der Hoffnung, dass Johannes sie und ihre kleine Tochter eines Tages nach Deutsch-Südwestafrika holen würde. Achtzehn Jahre waren seither vergangen. Aber Johannes von Sonthofen hatte sich nie gemeldet.
Jella hätte ihrem Großvater eigentlich dankbar sein müssen. Schließlich hatte er für ihren Unterhalt gesorgt und ihr eine Schulbildung ermöglicht. Nachdem Jella die Höhere Töchterschule als Beste abgeschlossen hatte, erlaubte er ihr sogar, das Gymnasium zu besuchen. Jetzt gehörte sie zu den wenigen deutschen Mädchen, die das Abitur besaßen. Als Mann hätte ihr damit die Welt offen gestanden. Aber als Frau... Wie gern hätte Jella Medizin oder Naturwissenschaften studiert. Sie war überaus neugierig, technisch interessiert und praktisch veranlagt. Doch als sie, unterstützt von ihrer Mutter, mit ihren Wünschen und Vorstellungen zu ihrem Großvater gekommen war, hatte sie ihr blaues Wunder erlebt.
 
»Was für Flausen!«, knurrte der Baron. »Ein Studium ist Männersache. Frauen haben sich um Haus und Kinder zu kümmern!«
»Aber das kann ich doch immer noch nach dem Studium«, argumentierte Jella. Der Großvater strafte sie mit einem abfälligen Blick.
»Deine Mutter hat es verpasst, dir den nötigen Anstand beizubringen. Die Regeln in diesem Haus stelle immer noch ich auf!«
»Es geht doch nicht um Regeln, sondern um meine Ausbildung. Ich möchte Naturwissenschaftlerin werden und forschen oder, noch besser, Medizin studieren und den Menschen helfen. Dadurch werde ich unabhängig und kann für mich selbst sorgen.«
»Was für eine aufsässige und impertinente Person du bist!«
»Lieber Baron«, versuchte Rachel ihn zu beschwichtigen. »Meine Tochter denkt gar nicht daran, Ihren Anweisungen nicht Folge zu leisten. Sie hat nur sehr klare und, wie ich finde, vernünftige Vorstellungen davon, wie sie ihr Leben gestalten möchte. Ich bitte Sie, ihre Vorschläge wenigstens anzuhören!«
»Papperlapapp«, schnaubte der Baron ungehalten. »Was fällt Ihnen ein, sich in meine Entscheidungen zu mischen. Jella und Sie leben unter meinem Dach und unter meiner Obhut, also werden Sie sich gefalligst nach mir richten! Sie werden einsehen müssen, dass ich am besten weiß, was gut für Jella ist.«
»Das wissen Sie nicht!«, entgegnete Jella heftig. »Sonst würden Sie mich meinen eigenen Weg gehen lassen. Ich kann genauso viel leisten wie jeder Mann. Mein Abitur habe ich schließlich mit Auszeichnung bestanden. Soll ich das alles umsonst getan haben?«
Der alte Baron schüttelte ungehalten den Kopf. »Nichts wird umsonst gewesen sein! Du sollst deine Ausbildung haben. Ich...

Erscheint lt. Verlag 3.12.2010
Reihe/Serie Die große Afrika Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20.Jahrhundert • Abenteuer • Afrika • Berlin • Betrug • Deutschland • eBooks • Familie • Familiensaga • Hass • Historische Romane • Kolonie • Liebe • Namibia • Reise • Roman • Saga • Suche • Vertrauen
ISBN-10 3-641-05197-5 / 3641051975
ISBN-13 978-3-641-05197-6 / 9783641051976
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