Robert Schumann (eBook)
320 Seiten
Siedler (Verlag)
978-3-641-04721-4 (ISBN)
Er war ein leidenschaftlicher Tonpoet und kühner musikalischer Vordenker, der in seinem Schaffen Sinnlichkeit und Intellektualität, Realismus und Traumverlorenheit genial zu vereinen wusste: Robert Schumann (1810-1856), vor zweihundert Jahren geboren und bis heute in allen Konzertprogrammen der Welt präsent.
Schumann war jedoch nicht nur ein bedeutender Komponist und Musikschriftsteller, sondern auch ein politisch wacher Zeitgenosse, der mit der Revolution von 1848/49 sympathisierte. Einerseits stand er - als Vater von acht Kindern - ganz im Leben, andererseits betäubte er sich mit Rauschmitteln, schwor auf das in seinen Kreisen beliebte Tischerücken und ließ durch seine Stücke geheimnisvolle Stimmen geistern. Martin Geck erzählt den faszinierenden Lebensweg dieses Universalgeists der Romantik und berichtet dabei von den gesellschaftlichen und künstlerischen Umbrüchen seiner Zeit. Er wirft ein neues Licht auf das vielseitige Werk des Komponisten - und blickt zugleich in die Abgründe des Menschen Robert Schumann, der zeitlebens unter der größeren Berühmtheit seiner geliebten Frau Clara litt und nach versuchtem Selbstmord schließlich in einer Nervenheilanstalt in den Tod hinüberdämmerte.
Martin Geck war Professor für Musikwissenschaft an der Universität Dortmund. Seine Bücher zur Musikgeschichte und seine Biographien großer Komponisten (u.a. über Mozart, Bach und Wagner) wurden von der Kritik hoch gelobt und in ein Dutzend Sprachen übersetzt. Für sein Buch über Johann Sebastian Bach wurde er mit dem Gleim-Literaturpreis ausgezeichnet. Er starb 2019.
KAPITEL 8 (S. 168-169)
Der »öffentliche« Schumann in den Jahren des Vormärz ...
was man den geheimen Gedanken Schumann’s nennen möchte, nämlich die classischen Formen mit Romantik zu durchdringen oder wenn man will, den romantischen Geist in classische Kreise zu bannen...
Franz Liszt 1855 in seinem Artikel »Robert Schumann« für die Neue Zeitschrift für Musik315
Liszts Ausspruch, im Kontext seiner Musikästhetik gelesen, ist skeptischer gemeint, als es hier klingt. Denn im Grunde genommen zweifelt er bei allem Wohlwollen Schumann gegenüber an einer Quadratur des Kreises durch diesen Zeitgenossen; stattdessen setzt Liszt seine eigenen Sinfonischen Dichtungen und das musikalische Drama Richard Wagners auf die Tagesordnung. Letztlich geht es um eine einzige Frage: Wer ist der würdige Nachfolger des »Klassikers« Beethoven - jenes Riesen, der einem beständig über die Schulter schaut? Sind es die Verfechter der »absoluten« Musik oder die »Neudeutschen«, die auf die Deutlichkeit von außermusikalischen Programmen oder gleich auf das Gesamtkunstwerk à la Wagner setzen?
Beide »Parteien« - von solchen kann man seit den 1850er-Jahren sprechen - können Argumente ins Feld führen. Es gibt einen Beethoven, der die überkommene Viersätzigkeit der Sinfonie zum Maß aller Dinge macht - unbeeindruckt von der Frage, ob sich innerhalb des Zwangsverbandes dieser vier Sätze eine glaubhafte »Geschichte« erzählen ließe. Und dieser Beethoven setzt nicht nur auf die gestaltende Kraft, die in den vier Satztypen einer Sinfonie als solchen liegt; vielmehr vertraut er generell darauf, dass der »Sinn« eines Werks vor allem in den immanenten motivisch-thematischen Prozessen aufscheint, die der Komponist in Gang setzt und steuert. Vor allem Johannes Brahms hat dieses Erbe Beethovens angetreten - allerdings unter gewaltigen Skrupeln.
Die »neudeutsche« Partei hingegen feiert und beerbt einen Ideenkünstler Beethoven, der durch seine Sinfonien und Klaviersonaten an allen Ecken und Enden zu verstehen gibt, dass Musik nicht nur aus »tönend bewegten Formen« à la Hanslick besteht, sondern Gefühle, Stimmungen, ethische Haltungen transportiert, die gelegentlich recht konkret werden können - etwa wenn es um Prometheus alias Bonaparte in der Eroica, um das »Schicksal« in der Fünften oder um das »Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande« in der Pastorale geht.
Mit der neunten und letzten Sinfonie, so triumphieren die »Neudeutschen«, habe Beethoven höchstpersönlich dafür plädiert, Ideen, die sich bis dahin aus der Musik nur mittelbar heraushören ließen, mit größerer Deutlichkeit vorzutragen: Es genügt nicht länger, in reinen Orchesterklängen von der »Freude« zu schwelgen, in deren Zeichen alle Menschen zu Brüdern werden - nein, erst das Wort schafft volle Klarheit. Getrennt schlagen, vereint siegen - nach diesem Motto wollen Liszt und Wagner - wenngleich zeitlich versetzt - Beethoven beerben.
Liszt verwendet Worte, um mit ihrer Hilfe »Programme« zu skizzieren, die man seinen Sinfonischen Dichtungen wie Mazeppa oder Prometheus zu unterlegen hat - und kann damit nach Anfangserfolgen nicht wirklich reüssieren: Seine komponierten Heldengedichte schlagen nicht ein wie antike Heldengesänge, die er sich zum Vorbild erwählt hat. Wagner macht es besser: Auf die uralte Tradition von Theater und Bühne setzend, schafft er das Gesamtkunstwerk. Dort bleibt die unmittelbar ans Gefühl sich wendende Musik das Leitmedium; zugleich gewährleistet die handlungstragende Dichtung eine plastische Darstellung des Mythos.
Erscheint lt. Verlag | 14.9.2010 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Kunst / Musik / Theater ► Musik | |
Schlagworte | Biografie • Biographien • eBooks • Kunst • Leipzig • Musik • Musikgeschichte |
ISBN-10 | 3-641-04721-8 / 3641047218 |
ISBN-13 | 978-3-641-04721-4 / 9783641047214 |
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