Die Herrin der Pferde (eBook)

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2009 | 1. Auflage
544 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-20221-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Herrin der Pferde -  Charlotte Winter
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Krieg im Namen der Liebe Dies ist die Geschichte von Elin, viertausend Jahre sind seitdem vergangen: Zusammen mit ihrem Bruder macht sich die junge Frau auf zum Häuptling ihres Stammes. Doch in der Heiligen Halle wird sie von dessen Männern brutal vergewaltigt. Mit dem Mut der Verzweiflung gelingt es Elin, den Häuptling zu töten und zu fliehen. Ganz auf sich allein gestellt, schließt sie sich einer Herde Wildpferde an, mit denen sie bald ein magisches Band verbindet. Eines Tages findet sie auf ihrer Wanderschaft mit den Pferden den schwerverletzten Bela. Sie verliebt sich in ihn, aber ihr Glück ist nur von kurzer Dauer. Bela gerät in die Gewalt von Elins Bruder. Doch kampflos gibt Elin ihre große Liebe nicht auf ...

Charlotte Winter, Jahrgang 1966, ist promovierte Historikerin. Unter anderen Namen hat sie schon zahlreiche Romane geschrieben, die in anderen Epochen angesiedelt sind. Dies ist ihr erstes in der Vorgeschichte spielendes Buch.

Charlotte Winter, Jahrgang 1966, ist promovierte Historikerin. Unter anderen Namen hat sie schon zahlreiche Romane geschrieben, die in anderen Epochen angesiedelt sind. Dies ist ihr erstes in der Vorgeschichte spielendes Buch.

I. Der Ruf der Dunkelheit


1.


So zärtlich lag der silberne Dunst des Spätsommers über allen Dingen, so weich strich der Wind über die Ähren, dass keiner der Menschen am Grund des Tals in diesem Augenblick an Schmerz zu denken vermocht hätte – oder an den Tod.

Auch die junge Elin, die sich aufrichtete und die Augen beschattete, um über das wogende Korn zu blicken, das sich an ihre Hüften drängte, fühlte nichts als ein Gefühl vollkommenen Glückes in sich, das ihre Brust weitete. Tief sog sie den Duft des warmen Staubes ein, in den sich ihre nackten Zehen drückten, das feine Aroma der Blumen, die hier und da zwischen den Getreidehalmen wuchsen. Was für ein Tag, dachte sie und brach einige der leuchtenden Blütenkelche ab, um sie sich in die Flechten zu stecken, zu denen sie ihr Haar gebändigt und um den Kopf gewunden hatte wie eine Krone, eine, die so golden war wie das Korn und ebenso schwer. Was für ein vollendeter Sommertag!

Die Rücken und Köpfe der anderen Schnitterinnen tauchten im Feld auf und versanken wie nickende, pickende Vögel in einem eifrigen Rhythmus. Alle Frauen des Dorfes waren an diesem Tag auf den Feldern, um die Ernte einzubringen. Sie fiel reichlich aus dieses Jahr, und alle dankten den Geistern dafür aus tiefstem Herzen. Der letzte Winter war hart gewesen, und nicht viele von den Alten und Kindern hatten ihn überlebt; Mordech hatte sie geholt mit seinem schwarzen Hungergesicht.

Diesmal aber konnten sie der Kälte mit Hoffnung entgegenblicken. Selbst wenn der Herr auf dem Hügel seinen Anteil geholt hatte, würde noch genug bleiben für das Dorf und seine Menschen.

Elin blickte zu der Erhebung nahe beim Fluss, die den Ausgang des Tales und die Ebene davor beherrschte und einen langen Schatten auf ihre Felder warf. Über ihrer Kuppe thronte eine abweisende Mauer aus Palisaden auf einem hohen, mit Steinen befestigten Rundwall. Dahinter verbarg sich das Haus des Herrn, seine Ställe und die Unterkünfte seiner Leute. Denn er hatte Männer dort oben, viele Männer mit Schwertern, die er fütterte und versorgte. Die wir füttern, dachte Elin mit einem leisen Hauch von Missbilligung. Und auch diese Mauer haben wir für ihn errichtet, mit unserer Hände Arbeit. Keine der Hütten im Dorf, die aus Holz oder lehmverputztem Flechtwerk errichtet waren, kein Garten, kein Anwesen besaß eine Befestigung, die dieser auch nur ähnlich war. Lediglich dichtes Weidengeflecht, mit Dornen gekrönt, schützte ihre Gärten vor Wildfraß und sie selbst im Winter vor hungrigen Wölfen.

«Kind, schaffen!», knarrte eine Stimme in der Furche neben ihr. Dort arbeitete die alte Anwin, war schief wie ein vom Wind gezauster Wacholderstock und hielt nicht inne und schaute nicht hoch, obwohl der Schweiß ihr von der runzlig gefurchten Stirn troff. Anwin erzählte manchmal Geschichten von wilden Horden, die plötzlich am Horizont eines Dorfes auftauchten, erschlugen, wen sie fanden, anzündeten, was sie erreichen konnten, und Frauen und Vieh mit sich schleppten. Schlimmer wüteten sie als Mordech, der Winterdämon.

Als junges Mädchen hatte Anwin mehr als einen solcher Überfälle erlebt. Doch Elin kannte derartige Gräuel nicht. Dafür eben sorgt der Herr auf dem Hügel, sagte Anwin. Seine Pfeile und Äxte schützten die Bauern, im Gegenzug gaben sie ihre Ernte her. Der Herr herrschte über einige Dörfer, und seine Herrschaft war erträglich. Er nahm nicht mehr Korn und Männer, als er brauchte, bestrafte streng, aber nach den Gesetzen, die sie kannten, und trieb es nicht zu wild, wenn er nicht gerade betrunken war. Darin waren sich alle einig. Er brachte die Opfer an der Quelle, um die Geister milde zu stimmen. Und wenn sie nach Blut verlangten, war er es, der das Opfer wählte und die Tat auf sich nahm, damit sie nicht auf dem Dorf lastete. Wer außer ihm hätte den Mut besessen, mit den Dämonen zu ringen? Die Alten etwa? Nein, sie brauchten ihn alle, den Herrn auf dem Hügel.

Hätte Elin laut ausgesprochen, dass seine Festung in ihr eher Unbehagen als Dankbarkeit weckte, wären die Dörfler ihr vermutlich mit erschrockenem Schweigen begegnet oder schlicht mit Unverständnis. Sie hätte ein mitleidiges Kopfschütteln geerntet und dann wieder diese vielsagenden Blicke, die sie schon kannte und die besagten, dass die Tochter von Crudd nun einmal ein wenig wunderlich war. Ameisen hatte sie im Kopf, diese Elin, fanden die Leute, irgendetwas Eigenartiges, das ihre Gedanken unruhig machte. Was für Ideen sie immer ausbrütete, kaum dass man nachkam! Und sie verdrehten die Augen gen Himmel, um anzudeuten, dass es das Mitdenken auch nicht verlohne.

Solche Blicke war Elin gewöhnt. Schon immer hatte es geheißen, Crudds Elin wäre anders, schon, als sie noch nicht begonnen hatte, ihre Fragen zu stellen. Aber was konnte sie dafür? Weder ihre schlanke Biegsamkeit noch ihr schmales Gesicht mit den so überraschend intensiven, bernsteinbraunen Augen, noch ihre schimmernde Haarfülle, die ihren Hals schmal wie einen Blumenstängel erscheinen ließ, kamen ihr selbst bemerkenswert vor. So war sie eben. Dass in ihrem Schritt ein Tanzen lag, eine Leichtigkeit in ihren Bewegungen, die der Beweglichkeit ihres Geistes entsprach, das bemerkte sie nicht. Und ihre seltsamen Gedanken – Elin zuckte mit den Schultern. Zugegeben, niemand außer ihr wäre auf die Idee gekommen, ein wildes Tier zu zähmen.

Was im Wald lebte, war gefährlich, so hatten sie es gelernt. Es gehörte zu Mordech und den wilden Geistern, denen nur wenige sich ungestraft stellten. Im letzten Winter, als die Wölfe bis auf ihre Schwellen vordrangen und die Wildschweine versuchten, ihre letzten, verzweifelt gehüteten Vorratsgruben aufzuwühlen, hatten sie es wieder schmerzhaft erfahren. Feind oder Futter, so teilte ihr Bruder Idris alles, was lebte, ein. Er war ein leidenschaftlicher Jäger und streifte lieber stundenlang durch die Wälder und übte sich im Schießen, als sich auf dem Feld zu plagen. Im Winter hatte er sogar einmal einen der Wölfe angeschleppt, die sich nächtens bis an ihre Hütten vorgewagt hatten. Tief befriedigt hatte er den blutenden Kadaver an den Hinterfüßen aufgehängt, um ihn zu häuten. Elin, die trotz der beißenden Kälte herausgekommen war, um dem Tier fasziniert die Hand auf die Schnauze zu legen, die Weichheit seines Fells zu spüren und in seine Augen zu blicken, die so geschweift und schillernd waren wie ihre eigenen, hatte er nur angeschnauzt, sie solle verschwinden.

Feind oder Futter, oder gar Diener der bösen Geister! Elin schüttelte den Kopf. Wer hatte je behauptet, dass das Gesetz sein sollte? Und in welche Kategorie hätte sie das junge Fohlen einordnen sollen, das verletzt am Grund der Grube umherstolperte, die sie im nahen Wald beim Brombeerpflücken entdeckt hatte? Seine verzweifelte Mutter wich nur widerwillig, als sie die Gegenwart der Menschenfrau bemerkte, doch helfen konnte sie ihrem Kind nicht. Elin hatte sich dennoch lange nicht näher gewagt, mit klopfendem Herzen und immer in Erwartung, das Tier würde sich vielleicht verwandeln, und aus dem schönen Schädel mit den braunen Augen bräche mit einem Mal Mordechs Fratze hervor, oder die böse, pfeifende Stimme eines Waldgeistes begänne unter dem Schnauben zu erklingen, eines Waldgeistes, wie er die Menschen in die Irre führte, die darauf in der Wildnis verschwanden und nie mehr gefunden wurden. Doch nichts geschah. Das Tier wieherte nur ein letztes Mal und galoppierte davon.

Wie hatte das Kleine den edlen Kopf geworfen und nach seiner Mutter gerufen! Wie nervös war es Elin ausgewichen, als diese sich schließlich ein Herz gefasst und sich vorsichtig an einigen Wurzeln hinabgelassen hatte, und was für ein köstliches Gefühl war es gewesen, als das scheue Tier endlich nach vielem Zureden seine Furcht überwand, stillhielt und vertrauensvoll seine so überraschend weichen Nüstern in ihre Hand drückte. Wie warm sein Atem gewesen war, weicher als der Sommerwind. Elin hatte sich auserwählt gefühlt bei der Berührung, die sie noch immer in ihrer Hand zu spüren glaubte.

«Kind, schaffen!» Das war wieder Anwin. Sie räusperte die Worte rau heraus, ohne einen Augenblick in ihrer eigenen Arbeit innezuhalten.

Elin seufzte und machte sich wieder daran, mit ihrer Sichel das Korn zu mähen. Die kupferne Schneide war bereits stumpf und schartig geworden und machte ihr Mühe. Sie riss die Büschel mehr ab, als dass sie sie schnitt, und ihre Finger schmerzten. Dabei verfluchte sie Idris, der es nicht für nötig gehalten hatte, sie ihr zu schärfen. Immer war er nur mit seinen Waffen beschäftigt, und wenn sie sich bei ihm beschwerte oder um etwas bat, zuckte er nur mit den Schultern und ließ sie stehen. Aber all das zählte heute nicht. Heute Abend wäre sie zu Hause bei ihrem Pferd, diesem seltsamen, wunderbaren Wesen. Sie hatte dem Vater einen Platz im Schafstall für es abgetrotzt und ihm dort eine Ecke eingerichtet, mit frischem Heu und einem Eimer Wasser, und dort würde sie es großziehen, egal, ob Idris ausrief, ein Pferd habe in einem Stall nichts verloren.

Das verwundete Bein des Fohlens sah schon viel besser aus, nachdem sie ihm einen Umschlag mit zerstampfter Arnika gemacht hatte. Der Riss verheilte gut, und man bemerkte kaum noch, dass das Tier hinkte. Und wie es auf sie zukam, wenn es sie schon von weitem erkannte! Wie es leise wieherte, als wollte es sie begrüßen! Da konnte Idris noch so oft behaupten, dass wilde Tiere nicht zum Menschen gehörten, dass die gefährliche Geisterwelt in ihnen lebte, Elin fühlte doch, dass es anders war. Sie spürte mit dem kleinen Hengst eine tiefe, beglückende Verbundenheit. Sie hatte sogar begonnen, ihm leise all jene Gedanken mitzuteilen, für...

Erscheint lt. Verlag 30.10.2009
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Historische Romane
Schlagworte Frauenschicksal • Frühbronzezeit • Höhle • Vorzeit • Wildpferde
ISBN-10 3-644-20221-4 / 3644202214
ISBN-13 978-3-644-20221-4 / 9783644202214
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