Tanz, Püppchen, tanz (eBook)

Roman

(Autor)

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2009 | 1. Auflage
448 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-02808-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tanz, Püppchen, tanz -  Joy Fielding
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Die Anwältin Amanda Travis ist glücklich, in einem neuen Zuhause in Florida endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können. In ihrer Heimatstadt Toronto hat sie ihre Mutter Gwen zurückgelassen, unter der sie zeitlebens leiden musste. Doch dann erhält Amanda einen unglaublichen Anruf: Gwen hat in der Lobby eines Luxushotels einen Mann erschossen und verweigert jede Aussage. Widerwillig reist Amanda zurück nach Toronto, um herauszufinden, welches Geheimnis ihre Mutter so eisern hütet. Doch dabei kommen Erinnerungen hoch, die sie bislang verdrängt hatte - und vor denen sie nun nicht länger fliehen kann ...

Joy Fielding gehört zu den großen Spitzenautorinnen Amerikas. Seit ihrem Psychothriller »Lauf, Jane, lauf« waren alle ihre Bücher internationale Bestseller. Joy Fielding hat zwei Töchter und lebt mit ihrem Mann in Toronto, Kanada, und in Palm Beach, Florida.

1
Was Amanda Travis mag: die Farbe Schwarz; Spinning-Kurse in der Mittagspause im Fitness-Center in der Clematis Street in Downtown Palm Beach; ihr ganz in Weiß gehaltenes Apartment mit Meerblick in Jupiter; willfährige Geschworene; und Männer, deren Frauen sie nicht verstehen.
Was sie nicht mag: die Farbe Rosa; wenn die Temperatur hinter ihrer durchgehenden Fensterfront unter achtzehn Grad fällt; Mandanten, die ihren Rat nicht befolgen; die Farbe Grau; beim Betreten eines Lokals ihren Ausweis vorzeigen zu müssen; Spitznamen jedweder Art und Bedeutung.
Und was sie auch nicht mag: Bissspuren.
Vor allem Bissspuren, die selbst nach mehreren Tagen noch so tief und deutlich ausgeprägt sind wie eine leuchtend violette Tätowierung vor einem Hintergrund aus senffarbenen Blutergüssen; Bissspuren, die sie von den Fotos auf ihrem Verteidigertisch förmlich anlächeln.
Amanda schüttelt das blonde schulterlange Haar aus ihrem schmalen Gesicht, schiebt das anstößige Foto unter einen Block mit gelbem, liniertem Papier, nimmt einen Stift und gibt vor, etwas Wichtiges zu notieren, während sie in Wahrheit schreibt Zahnpasta nicht vergessen. Diese Geste richtet sich an die Geschworenen für den Fall, dass einer von ihnen hinguckt. Was eher unwahrscheinlich ist. Heute Morgen hat sie bereits einen von ihnen, einen Mann mittleren Alters mit roten Haaren und schütterer Ronald-Reagan-Frisur, dabei ertappt, wie er eingedöst ist. Sie seufzt, lässt den Bleistift fallen, lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und schürzt ihre Lippen zu einem missbilligenden Schmollen. Nur angedeutet, gerade genug, um den Geschworenen zu zeigen, was sie von der Zeugenaussage hält. Und sie würde sie gern glauben machen, dass das nicht viel ist.
»Er hat rumgeschrien wegen irgendwas«, sagt die junge Frau im Zeugenstand und zupft mit einer Hand abwesend an ihrem Haar. Sie blickt zum Tisch der Verteidigung, zieht an ihren platinblonden Locken, bis der dunkle Haaransatz sichtbar wird, und wickelt sie um ihre falschen, eckigen Fingernägel. »Er hat immer wegen irgendwas rumgeschrien.«
Amanda nimmt den Bleistift wieder in ihre rechte Hand und setzt Stouffer’s Tiefkühl-Makkaroni mit Käse auf ihre improvisierte Einkaufsliste. Und Orangensaft, fällt ihr noch ein, was sie mit übertriebenem Schnörkel notiert, als ob sie gerade eine entscheidende juristische Einsicht gehabt hätte. Dadurch verrutscht das Foto unter dem Block, sodass ihr der fotografische Abdruck der Zähne ihres Mandaten auf der Haut der Zeugin erneut entgegenstarrt.
Es sind diese Bissspuren, die ihr alles vermasseln werden.
Vielleicht könnte sie es schaffen, die Fakten zu frisieren, die Indizien zu vernebeln und die Geschworenen mit irrelevanten Details und nicht immer begründeten Zweifeln zu verwirren, aber um diese grausamen Bilder führt einfach kein Weg herum. Sie werden das Schicksal ihres Mandanten besiegeln und ihre eigene perfekte Bilanz beschädigen. Wie ein Fleck auf ansonsten makelloser Haut werden sie von beinahe einem Jahr voller herausragender Auftritte zugunsten der Armen, Unglücklichen und erdrückend Schuldigen ablenken.
Überhaupt dieser verfluchte Derek Clemens. Musste er so verdammt durchschaubar sein?
Amanda beugt sich vor und tätschelt die Hand des neben ihr sitzenden Mannes. Eine weitere Geste für die Geschworenen, obwohl sie sich fragt, ob irgendjemand sich davon täuschen lässt. Diese Leute gucken garantiert auch genug Fernsehen, um die diversen Tricks ihrer Zunft zu kennen: die geheuchelte Empörung, die mitleidigen Blicke, das ungläubige Kopfschütteln. Sie zieht ihre Hand zurück und reibt die Stelle, wo sie die Haut ihres Mandanten berührt hat, unter dem Tisch mehrfach an ihrem schwarzen Leinenrock ab. Idiot, denkt sie, während sie aufmunternd lächelt. Nicht mal ein Quäntchen Selbstkontrolle war drin. Du musstest sie auch noch beißen.
Der Angeklagte lächelt zurück, zum Glück mit geschlossenem Mund. Die Geschworenen werden demnächst noch mehr als genug von Derek Clemens’ Zähnen zu sehen bekommen.
Mit seinen achtundzwanzig Jahren und der drahtigen Statur von einsfünfundsiebzig ist Derek Clemens genauso alt und groß wie die Frau, die ausgewählt worden ist, ihn zu vertreten. Selbst ihr Haar ist von dem gleichen zarten Blond, ihre Augenfarbe eine Variation desselben kühlen Blaus, wobei ihre Augen dunkler und undurchsichtiger sind als seine, die blasser wirken und ins Pastellige tendieren. Unter anderen, angenehmeren Umständen hätte man Amanda Travis und Derek Clemens für Geschwister halten können, vielleicht sogar für Zwillinge.
Amanda schüttelt den unschönen Gedanken ab, wie immer froh darüber, ein Einzelkind zu sein. Sie dreht sich auf ihrem Stuhl um und blickte zu der langen Fensterfront auf der Rückseite des Gerichtssaals. Draußen ist es ein typischer Februartag in Südflorida – der Himmel türkisfarben, die Luft warm, der Strand eine Versuchung. Sie unterdrückt den Impuls, aufzustehen, den Kopf an die getönten Scheiben zu lehnen und über den Intercoastal Waterway hinweg auf den Ozean zu blicken. Nur in Palm Beach konnte es der Meerblick aus einem Gerichtssaal mit der Aussicht aus dem Penthouse eines Top-Hotels aufnehmen.
Perverserweise sitzt Amanda lieber hier im Gerichtssaal 5C des Palm Beach County Court House neben irgendeinem asozialen Abschaum, der der Körperverletzung sowie der massiven Bedrohung und sexuellen Nötigung seiner bei ihm lebenden Freundin beschuldigt wird, als neben einem zu leicht bekleideten, überfütterten Schneevogel auf dem kühlen Sand in der Sonne zu liegen. Ein paar Minuten auf dem Rücken, die nackten Füße von der Brandung umspült, reichen Amanda Travis meistens, bis sie sich wieder nach dem heißen Pflaster des Bürgersteigs sehnt.
»Ich würde die Ereignisse vom Vormittag des 16. August gern noch einmal Schritt für Schritt durchgehen, Miss Fletcher«, sagt der stellvertretenden Distriktstaatsanwalt, und seine tiefe Baritonstimme lenkt Amandas Aufmerksamkeit so unverzüglich auf die Geschehnisse im Gerichtssaal zurück wie das verführerische Seufzen eines Geliebten.
Caroline Fletcher nickt und spielt weiter an ihren zu stark gebleichten Haaren herum, während ihr chirurgisch vergrößerter Busen die Knöpfe ihrer lächerlich konservativen blauen Bluse zu sprengen droht. Es hilft dem Angeklagten, dass die Frau, die verletzt und gedemütigt zu haben man ihn beschuldigt, aussieht wie eine Stripperin, obwohl sie tatsächlich in einem Frisörsalon arbeitet. Amanda lächelt in dem Wissen, dass das weniger wichtig ist als das projizierte Bild. Vor Gericht wie in so vielen anderen Bereichen des Lebens zählt die Erscheinung weit mehr als die Substanz. Es ist schließlich der Anschein von Gerechtigkeit, nicht Gerechtigkeit an sich, den es zu verwirklichen gilt.
»Der 16. August?« Die Frau schiebt mit der Zunge das Kaugummi, auf dem sie seit Beginn ihrer Zeugenaussage kaut, auf die Seite.
»Der Tag des Angriffs«, erinnert der Ankläger sie, geht auf den Zeugenstand zu und baut sich vor seiner Starzeugin auf. Tyrone King ist knapp einsachtzig groß, mit schokoladenbrauner Haut und rasiertem Schädel. Als Amanda vor gut einem Jahr in die Kanzlei von Beatty und Rowe eingetreten ist, drangen Gerüchte an ihr Ohr, der attraktive stellvertretende Distriktstaatsanwalt wäre ein Neffe von Martin Luther King, aber als sie ihn danach fragte, erwiderte er lachend, dass man allen Schwarzen mit dem Nachnamen King nachsagte, mit dem ermordeten Bürgerrechtler verwandt zu sein. »Sie haben ausgesagt, dass der Angeklagte schlecht gelaunt von der Arbeit nach Hause gekommen ist.«
»Er war immer schlecht gelaunt.«
Amanda steht halb von ihrem Stuhl auf und erhebt Einspruch gegen diese Verallgemeinerung. Dem Einspruch wird stattgegeben. Die Zeugin zupft fester an ihren Haaren.
»Wie hat sich diese Laune manifestiert?«
Die Zeugin sieht ihn verwirrt an.
»Ist er laut geworden? Hat er gebrüllt?«
»Sein Boss hat ihn angebrüllt, also hat er zu Hause mich angebrüllt.«
»Einspruch.«
»Stattgegeben.«
»Warum hat er gebrüllt?«
Die Zeugin verdreht die Augen zu der hohen Decke. »Er hat gesagt, es würde aussehen wie in einem Saustall und dass nie was zu essen im Haus wäre und dass er die Schnauze voll hätte, nach der Nachtschicht in eine unaufgeräumte Wohnung zu kommen, in der es kein Frühstück gibt.«
»Und was haben Sie gemacht?«
»Ich habe gesagt, ich hätte keine Zeit, mir seine Beschwerden anzuhören, weil ich zur Arbeit musste. Und dann sagte er, dass es überhaupt nicht in Frage käme, dass ich ausgehen und ihn den ganzen Tag mit dem Baby allein lassen würde, weil er seinen Schlaf brauchte, und ich hab ihm gesagt, dass ich das Baby ja wohl schlecht mit in den Frisörsalon nehmen könnte und immer so weiter.«
»Können Sie uns sagen, was genau passiert ist?«
Die Zeugin zuckt die Achseln und schiebt das...

Erscheint lt. Verlag 2.9.2009
Übersetzer Kristian Lutze
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Puppet
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Fielding • Florida • Kanada • Mutter • spiegel bestseller • Thriller • Toronto
ISBN-10 3-641-02808-6 / 3641028086
ISBN-13 978-3-641-02808-4 / 9783641028084
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