Dr. Siri und seine Toten (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
320 Seiten
Manhattan (Verlag)
978-3-641-02504-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dr. Siri und seine Toten -  Colin Cotterill
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Exotisches Laos, rätselhafte Todesfälle und die originellste Ermittlerfigur des Krimigenres
Dr. Siri Paiboun hatte bislang eigentlich nur mit lebenden Patienten zu tun. Doch nun wird er mit seinen 72 Jahren noch zum einzigen Leichenbeschauer von ganz Laos ernannt - als letzter verbliebener Genosse mit medizinischem Hintergrund. Es bleibt ihm keine Wahl, als sich ohne jedes Fachwissen, aber mit der Unterstützung zweier ebenso unqualifizierter Assistenten, an seinem ersten Fall zu versuchen: Frau Nitnoy, die Gemahlin eines Parteibonzen, ist bei einem Essen des Frauenverbands plötzlich verstorben, und Dr. Siri argwöhnt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuging. Mit Hilfe eines alten französischen Lehrbuchs, vor allem aber mit viel Witz und Intuition macht er sich daran, die Sache unter die Lupe zu nehmen. Prompt gerät Dr. Siri selbst in Gefahr, doch zum Glück kann er auf zahlreiche Helfer zählen wie seinen alten Freund und Parteigenossen Civilai, die Chemielehrerin Oum und die Sandwichverkäuferin Tante Lah, die Dr. Siri jeden Mittag mit ihren Köstlichkeiten versorgt - und ein Auge auf ihn geworfen hat ...

Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.

2
DIE GATTIN DES GENOSSEN KHAM
Selbst in den schlimmsten Zeiten von Vientiane wurde der alte Steinofen unweit der Moschee jeden Morgen um drei Uhr angeheizt, um das beste Brot im ganzen Land zu backen. Drei barbrüstige Männer schürten das Holzfeuer, kneteten den Teig zu langen Rollen und legten sie auf rostige schwarze Eisenbleche. Hygienisch war das nicht. Aber viele ihrer Kunden glaubten, ebendiese Mischung aus Staub, Ruß, Schweiß und Rost mache Tante Lahs Baguettes zu den leckersten in ganz Vientiane. Ihre drei Söhne holten die heißen Laibe mit bloßen, in alte graue Tücher gewickelten Händen aus dem Ofen und luden sie auf ihren Karren.
Jeden Morgen um sechs rollte Tante Lah ihr süß duftendes Brot zur Straßenecke vor der schwarzen Stupa. Gegen halb acht hatte sie gewöhnlich alles verkauft und holte die zweite Fuhre aus der Bäckerei. Die schob sie zur Setthathirat Ecke Nong Bon Road, wo sich die meisten Regierungsstellen befanden. Inzwischen hatte sich der Baguettekarren in einen Sandwichstand verwandelt. Beamte auf dem Weg zur Arbeit hatten die Wahl zwischen Kondensmilch, Sardinen und gesalzenem Büffelfleisch, und Tante Lah bereitete das Gewünschte zu und garnierte es liebevoll, während ihren Kunden das Wasser im Mund zusammenlief.
Ein Sandwich mit allen Extras aber wartete, sorgfältig in Pergamentpapier gewickelt, jeden Tag auf ihren ganz besonderen Kunden. Siri brauchte nichts zu bestellen. Er aß einfach, was Tante Lah ihm hergerichtet hatte. Es schmeckte immer anders und immer köstlich. Er bezahlte sie am Ende jeder Woche, und sie verlangte nie mehr als den üblichen Preis.
Wenn Siri zu beschäftigt war, um sich das Sandwich selbst zu holen, schickte er Dtui, die behauptete, die Enttäuschung der alten Dame spüren zu können, noch bevor sie die Straße überquert hatte.
»Seien Sie nicht albern.«
»Doch, im Ernst. Sie ist in Sie verknallt.« Mindestens vier von Siris fünf Litern Blut schossen ihm ins Gesicht. Kichernd reichte Dtui ihm sein Mittagessen.
»In meinem, äh... in unserem Alter verliebt man sich nicht mehr.«
»Warum?«
»Darum.«
»Blödsinn.«
»Wie bitte?«
»Somchai Asanajinda sagt, solange das Herz für einen schlägt, kann es auch für zwei schlagen.«
»Dann ist Somchai Asanajinda mit Sicherheit kein Arzt.«
»Haben Sie in Ihren komischen Höhlen etwa keine Filme gesehen? Somchai Asanajinda ist wahrscheinlich der berühmteste Filmstar Thailands.«
»Ach ja? Wie kann es berühmte Filmstars geben in einem Land, in dem es keine berühmten Filme gibt?«
»Und ob es dort berühmte Filme gibt. Zumindest in Thailand kennt sie jeder. Die Thais machen wunderbare Filme.«
»Nichts als Schießereien und billige Romanzen.«
»Na also. Ich wusste doch, dass Sie sie sich heimlich anschauen. Somchai ist zwar uralt, spricht aber immer noch von Liebe und Leidenschaft.«
»Wie alt ist er denn, vierzig?«
»Über fünfzig.«
»Meine Güte. Ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.«
»Außerdem sind Romanzen ganz und gar nicht billig. Liebe kann man sich nicht kaufen, nicht für alles Geld der Welt.«
Siri blickte von seinem Bericht auf, der von Rechtschreibfehlern wimmelte. Dtui hatte ihm den Rücken zugekehrt und sah durch die beiden noch verbliebenen Lamellen der Fensterjalousie. Sie schien gekränkt, auch wenn man ihr das von hinten nicht unbedingt ansah. Soviel er wusste, war sie noch nie mit einem Mann zusammen gewesen. Dank ihrer hohen Ansprüche waren ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt gleich null.
Die Liebe, die sie suchte, gab es weder hier noch in der kleinen Hütte, die sie sich mit ihrer kranken Mutter teilte, ja vermutlich nicht einmal in Laos. Männer waren zweidimensionale Wesen mit spezifischen dreidimensionalen Vorlieben.
Es hatte Zeiten gegeben, da waren große Oberweiten und breite Taillen en vogue, ein Symbol für Überfluss und Reichtum. Doch Ideale wandelten sich. Und im zwanzigsten Jahrhundert war Unterernährung à la mode. Dtui mit ihrer Wäschetonnenfigur passte da nicht recht ins Bild. Vor ihrer Tür wartete keine Schlange von Verehrern. Zwar hätten sie nicht allzu tief zu graben brauchen, um auf Humor und Herzlichkeit zu stoßen, aber dazu hätten sie schon einen Spaten mitbringen müssen.
 
 
Nachdem er seinen Bericht ein zweites Mal geschrieben hatte, ging Siri mit seinem Sandwich, ein paar Bananen und einer Thermoskanne Tee zum Fluss hinunter. Genosse Civilai saß bereits auf ihrem Baumstamm und sägte mit einem stumpfen Federmesser an seinem selbst geschmierten Brot herum. Siri setzte sich lachend neben ihn. Civilai schnupperte.
»Hmm. Was rieche ich denn da? Verfaulte Pankreas? Verkrebste Niere?«
»Wenn überhaupt, riechst du dich selbst, du alter Trottel. Einen Toten habe ich heute noch nicht einmal von fern zu Gesicht bekommen.«
»Ah, was für ein Leben.« Civilai säbelte noch immer an dem altbackenen Baguette herum. »Wofür bezahlt dich die Revolutionäre Volkspartei eigentlich? Dafür, dass du Däumchen drehst? Mit deiner Krankenschwester flirtest? Und Igor beibringst, wie man mit beiden Händen klatscht? Meine Herren.« Ein Stück von seinem Sandwich flog ihm vom Schoß und rollte die staubige Uferböschung hinab. Er wickelte den Rest seines Mittagessens wieder in das dafür vorgesehene Zeitungspapier und nahm die Verfolgung auf.
In der Regenzeit stieg das Wasser bis auf wenige Meter unterhalb ihres Baumstamms. Aber jetzt waren es gut dreißig Meter bis zum Ufer, und jeder Quadratzentimeter des trockenen Flussbetts wurde zum Gemüseanbau genutzt. Der Boden war furchtbar fruchtbar.
Civilai hatte die Kruste in Sicherheit gebracht und machte sich an den Wiederaufstieg. Eine Handvoll Salatblätter lugten aus seiner Brusttasche. Er war staubbedeckt und rang schwitzend nach Atem.
»Warum isst du dein Brot eigentlich nicht wie ein normaler Mensch?«, fragte Siri.
Civilai grunzte. »Weil«, keuchte er, »ich mir auf meine Kinderstube etwas zugutehalte.« Er pustete die rote Erde von seinem Sandwich. »Weil ich nicht dabei erwischt werden möchte, wie ich gierig einen Kanten Brot in mich hineinstopfe wie ein Höhlenmensch. Und weil meine Klappe nicht annähernd so groß ist wie deine.« Er nagte zaghaft an seinem Baguette.
Civilai war Siris engster Freund im Politbüro, was wahrscheinlich daran lag, dass auch er ein wenig verrückt war. Aber während Siri passiv-rebellisch verrückt war, war Civilai schlicht genial-verrückt. Er war geistreich und exzentrisch. Viele der abenteuerlichsten Ideen der Partei waren auf seinem Mist gewachsen.
Leider war er ein klein wenig zu schnell für das träge sozialistische System. Er erinnerte Siri an einen lebhaften Hund, den er einmal mit seinem gichtkranken französischen Frauchen hatte Gassi gehen sehen. Der Hund rannte hechelnd und sabbernd hin und her, sprang und zerrte an der Leine, konnte die Frau aber beim besten Willen nicht dazu bewegen, ihre Schritte zu beschleunigen oder die Richtung zu ändern. Civilai trug schwer an der Last seiner Enttäuschung.
Er war ein dürres kleines Männlein, das auch als Chauffeur einer Saam-Loo-Fahrradrikscha nicht weiter aufgefallen wäre. Auf seinem Kopf spross schon seit langem kein Härchen mehr, und mit seiner riesigen Randbrille sah er aus wie eine großäugige Grille. Er war nur zwei Tage vor Siri zur Welt gekommen und hatte die Anrede »Ai«, älterer Bruder, somit eigentlich nicht verdient.
»Deine Klappe könnte genauso groß sein wie meine, Ai, wenn du sie nur ein wenig öfter aufreißen würdest.«
»O Gott. Geht das schon wieder los.«
»Ich bin krank. Ich glaube, ich mache es nicht mehr lange.« Siri biss herzhaft in sein Baguette und sprach mit vollem Mund. »Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand. Wenn der alte Papayabaum keine leckeren Früchte mehr trägt, pflanzt man neue Triebe und wartet nicht, bis er gestorben ist. Die Partei schickt jedes Vierteljahr sechs Studenten zum Medizinstudium nach Osteuropa. Davon braucht sich nur einer, ein einziger, auf forensische Pathologie zu spezialisieren.«
»Für das Gesundheitssystem bin ich nicht zuständig«, gab Civilai zurück.
»Nein, aber du bist ein hohes Tier. Was du sagst, wird auch gemacht.« Er trank einen Schluck Tee und reichte Civilai die Kanne. »Ich möchte keine Leichen aufschneiden, bis ich selber eine bin. Ich muss planen können. Ich muss wissen, wann ich mit einem Nachfolger rechnen, wann ich aufhören kann. Stell dir vor, ich würde hier und jetzt tot umfallen. Was würdest du dann machen?«
»Dein Sandwich aufessen.«
»Wozu bin ich eigentlich mit einem Mitglied des Politbüros befreundet, wenn ich nicht wenigstens ab und zu ein wenig Hilfe erwarten kann?«
»Und wenn...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2009
Reihe/Serie Dr. Siri ermittelt
Übersetzer Thomas Mohr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Coroner's Lunch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Dagger Awards • Dagger Awards, Dr. Siri, Laos • Dr. Siri • eBooks • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Laos
ISBN-10 3-641-02504-4 / 3641025044
ISBN-13 978-3-641-02504-5 / 9783641025045
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