Das Siegel der Finsternis (eBook)

Roman
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2009 | 1. Auflage
528 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-40223-0 (ISBN)

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Das Siegel der Finsternis -  Marcus Reichard
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Tenan kann seiner Ausbildung zum Wasserzauberer wenig abgewinnen. Er sehnt sich nach großen Abenteuern und nach Gefahren, die seinen ganzen Wagemut erfordern. Als er eines Tages in einem Schiffswrack am Strand einen geheimnisvollen Stein findet, ahnt er noch nicht, wie nah er seinem Traum ist: An diesem magischen Kristall entscheidet sich das Schicksal des Inselreichs Algarad. Der Todesfürst schickt ein Heer von grausamen Kriegern aus, um ihn in seinen Besitz zu bringen. Auch ein mächtiges Schattenwesen will den Stein um jeden Preis. Bald schon zieht sich eine Spur des Todes und der Verwüstung über Tenans Heimatinsel. Der Adept der Kleinen Magie muss den Kristall in die Hauptstadt des Inselreichs bringen. Nur unter dem Schutz des Hochkönigs wäre die Bedrohung für das Menschengeschlecht gebannt. Tenans Reise zur Hauptinsel von Algarad wird zu einer gefahrvollen und schreckensreichen Odyssee. Der Auftakt zu einer spektakulären Trilogie

Marcus Reichard wurde 1968 in München geboren. Er studierte Psychologie in Konstanz, war Komponist und Musiker in verschiedenen Bands. Heute lebt er in der Schweiz, wo er als Psychotherapeut arbeitet. Sein Fantasy-Debüt Das Siegel der Finsternis erschien 2009. Der Ruf der Finsternis ist der zweite Teil seines großen Fantasy-Zyklus.

16


Der Bash-Arak schwebte, einem Schemen gleich, über den Wäldern Gonduns. Wie ein Dieb in der Nacht tauchte der Herr der Schatten plötzlich auf, und ebenso unbemerkt verschwand er wieder im Nichts. Seine Schwingen trugen ihn lautlos und rasch von Ort zu Ort.

Im Osten der Insel brauchte er nicht mehr zu suchen. Dort erledigten die Krieger Achests in aller Stille und Grausamkeit ihr blutiges Handwerk. Dörfer und Siedlungen gingen unbemerkt in Flammen auf, und wenn jemand es dennoch sah, währte sein Leben meist nur noch kurz. Aus seinen luftigen Höhen konnte er die Bewegungen der Truppen wahrnehmen, die sich schlangengleich durch Wälder und Felder wälzten und, bevor sie zum tödlichen Schlag ausholten, ihre Angriffsziele mit jenem Ring des Todes umgaben, der so gefürchtet war.

Der Bash-Arak hatte seine Suche auf die mittleren und westlich gelegenen Bereiche Gonduns gelenkt, in welche die Gredows noch nicht vorgedrungen waren. Tagsüber versteckte er sich in dunklen Waldgebieten, in Höhlen oder morschen, ausgehöhlten Bäumen. Nachts streifte er umher, unsichtbar, unbemerkt von den schwachen Augen der Menschen, ein wahrer Schatten in der Dunkelheit, Meister seines Elements, getrieben von einem einzigen Ziel, von einer Suche, deren Erfolg seine Existenz bedeuten konnte: Irgendwo in den Wäldern Gonduns, den Tälern, den Feldern, in den kleinen Dörfern, den Häfen, irgendwo dort unten im dumpfen Nebel menschlichen Bewusstseins musste sich der Stein der Enim, das Siegel der Finsternis, befinden.

Der Herr der Schatten war mit dem Meledos auf besondere Weise verbunden. Seine Seele war förmlich damit verschmolzen; er kannte alle Geheimnisse und alle Energien, jeden Spruch der Magie, der durch den Stein gewirkt hatte. Über tausend Jahre lang war er schon an den Kristall gebunden und wollte diese Verbindung nicht aufgeben – er konnte es nicht.

Manchmal spürte er eine schwache Regung der Kristallkraft, ab und zu gab es ein kurzes Aufblitzen, eine Erschütterung im zarten Gewebe der Magie, die ihm den rechten Weg zu dem Stein zeigte. Erst vor kurzem war die Präsenz des Kristalls hell und klar in seinem Geist aufgetaucht, doch sie war allzu schnell wieder verschwunden, sodass er die Spur verloren hatte.

Auch die Gredows schienen bisher keinen Erfolg bei ihrer Suche gehabt zu haben. Ihre Vernichtungsmaschinerie war in vollem Gange. In einiger Entfernung erweckte eine Rauchsäule seine Aufmerksamkeit. Sie war dick und schwarz und bestand wohl erst seit kurzer Zeit – ein weiteres zerstörtes Dorf. Unsichtbar näherte sich der Bash-Arak, um zu erkunden, was dort vor sich ging ...

 

Der Vorplatz des zerstörten Dorfes war voll von Gefangenen, die von den Truppen Achests zusammengetrieben wurden. Manche lagen verwundet am Boden und stöhnten, andere starben mit einem Fluch auf den Lippen gegen Achest und die Seinen. Die wenigen Dorfbewohner, die noch aufrecht stehen konnten, waren zu einem kleinen Haufen zusammengepfercht worden und blickten stumm auf die blutgetränkte Erde. Keiner wagte es, Drohungen gegen die Gredows auszustoßen oder sie herausfordernd anzuschauen. Alle wussten, dass sie ohnehin der Tod erwartete, bestenfalls die Sklaverei.

»Da kommt er«, knurrte Mewroth, der Hauptmann der Gredow-Einheit, seinen Kumpanen zu. Obwohl er selbst von massiger Gestalt war und ein in vielen Schlachten kampferprobter Soldat, so zuckte er doch jedes Mal zusammen, wenn Drynn Dur, der Befehlshaber der Truppen zu Wasser und zu Lande, in seine Nähe trat. Wie auf Kommando verstummten alle – sowohl die Soldaten des Todesfürsten als auch die wimmernden Gefangenen –, als die hohe Gestalt Drynn Durs aus den Rauchfahnen der Trümmer auftauchte.

Der Admiral schaute sich mit der kalten Arroganz des Siegers um und schritt, eine Hand in die Seite gestemmt, in der anderen seine Feuerpeitsche schwingend, die Reihe der Gefangenen ab. Die meisten von ihnen senkten angsterfüllt den Kopf und starrten zu Boden, in der Hoffnung, so seinem Zorn zu entgehen. Mewroth, der seinem Herrn in gebührendem Abstand folgte, bemerkte es mit Genugtuung. Er genoss es, als ob die Angst ihm selber galt. Gleichwohl wusste er, dass er noch viel von seinem Admiral lernen konnte.

»Mein Lord, wir haben keine Spur von dem Kristall entdecken können«, begann er seinen Bericht.

Drynn Dur nahm die Nachricht schweigend zur Kenntnis, während er weiterstapfte. Sein Gesicht zeigte keine Regung, weder Enttäuschung noch Wut. Vor einem gebückten alten Mann blieb er stehen und schaute auf ihn hinunter. »Du bist der Älteste des Dorfes?«

Der andere nickte nur.

»Ich habe ihn bereits befragt, mein Gebieter ...«, sagte Mewroth beflissen, doch Drynn Dur schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab.

Er beugte sich etwas vor, um sich an der Furcht in den Augen des Mannes zu weiden. »Ich stelle dir die Frage nur ein Mal: Wo ist der rote Kristall?«

Der Alte schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Herr. Warum fragt Ihr stets das Gleiche? Ich habe es den anderen Soldaten schon viele Male gesagt: Keiner im Dorf besitzt Reichtümer, geschweige denn einen Kristall. Ihr sucht am falschen Ort und bei den falschen Leuten!«

»Deine Rede ist trotzig und frech«, sagte Drynn Dur mit Eiseskälte. »Du wirst lernen, deine Zunge zu beherrschen. Lass dir dabei helfen.« Er tat so, als wolle er sich abwenden, dann fuhr er plötzlich herum, und sein breites Schwert blitzte auf. Der Schwung seines Hiebs trennte den Kopf des Gefangenen mit einem schauerlichen Knacken vom Hals, er flog in hohem Bogen durch die Luft und verschwand unweit im Schacht des Dorfbrunnens. Blut spritzte in alle Richtungen, doch die Soldaten, die in der Nähe standen, wichen nicht zur Seite.

Drynn Dur versetzte dem noch aufrecht stehenden Körper des Enthaupteten einen Tritt, und er brach zusammen. Das Zucken des Toten dauerte noch eine Weile an. Einige der Umstehenden, vor allem Frauen und Kinder, begannen zu weinen.

»Herr, habt Erbarmen«, flehte eine Mutter und sank vor Drynn Dur in den aufgewühlten Schlamm, die Hände bittend ausgestreckt. »Ihr habt uns schon alles genommen, lasst uns wenigstens das Leben und das unserer Kinder!«

Drynn Dur schlug sie mit dem Handrücken, und sie fiel vor ihm in den Schmutz. »Das Leben eurer Kinder werden wir sicher schonen, Weib!« Er gab Mewroth einen Wink. »Legt alle, die sich zur Sklavenarbeit eignen, in Ketten und bringt sie aufs Schiff. Mit dem Rest der winselnden Ratten sollen deine Krieger machen, was sie wollen. Wenn ihr hier fertig seid, werdet ihr sofort einen neuen Ring des Todes um das nächste Dorf legen.«

Mewroth gab seinen Soldaten wortlos ein Zeichen, und die Gredows setzten sich in Bewegung.

»Macht schnell, oder ich sorge dafür, dass auch ihr auf das Sklavenschiff kommt!«, trieb Drynn Dur die Krieger an und riss sein blutiges Schwert in die Höhe.

Auf diese Geste hin stürzten die Gredows noch schneller voran, um seine Befehle auszuführen.

 

Der Bash-Arak hatte genug gesehen und ließ sich vom Wind wieder in größere Höhen treiben. Wieder nichts. Doch er empfand kein Bedauern, keine Unzufriedenheit. Im Gegenteil. Drynn Durs Mordknechte sollten ruhig tun, was ihnen aufgetragen war, solange sie den Kristall nicht fanden. Kein anderer als der Herr der Schatten hatte das Recht, das Kleinod an sich zu nehmen. Selbst Achest, der ihn einst aus den Grauen Sphären befreit hatte, besaß nur ein oberflächliches Wissen über den Meledos, was ihn noch lange nicht zum Meister über ihn machte. Denn es gab nur einen, der mit den Kräften des Steins richtig umzugehen wusste. Der Bash-Arak war der Meister der Steine von On. Und er würde dafür sorgen, dass es dabei blieb.

17


Tenan und Urisk folgten der schmalen Küstenstraße, die durch sanfte grüne Hügel am Rand der Steilküste führte, Richtung Westen. Weiße Felsen und Steine, die spärlich von Moos und kurzem gelben Gras überwuchert waren, ragten zu beiden Seiten hervor. Die vielen kahlen Stellen schimmerten wie die Knochen eines gigantischen Tieres im Licht der Sonne. Zu ihrer Rechten brandete das Narnen-Meer an die Klippen.

Das Rauschen der Wellen und das Pfeifen des Windes wurden ihre ständigen Begleiter.

Urisk war ein geschwätziger Gefährte, der in seinem Redefluss kaum zu bremsen war. Tenan versuchte noch einmal herauszubekommen, wie sich Urisk und Osyn genau kennengelernt hatten. Die kurze Erklärung seines Meisters vom Vortag befriedigte ihn nicht. Doch in diesem Punkt war der Fairin erstaunlich schweigsam und zurückhaltend.

»Scheint einem nicht weise, so viel zu erzählen hier«, sagte er mit einem besorgten Blick auf die umliegende Landschaft. »Die Steine haben manchmal Ohren, und Kobolde hören mehr, als gut ist. Nicht sprechen über solche Dinge ist besser für einen.«

Tenan musste das akzeptieren.

Je länger sie unterwegs waren, desto ängstlicher und besorgter wirkte der Fairin. Mehrmals fragte er, wann sie Dorlin erreichen würden und ob es nicht besser wäre, die Straße zu verlassen. Doch Tenan sah keinen Grund dazu. Zwischen den flachen Hügeln der fast baumlosen Landschaft würden sie jeden Verfolger bald entdecken können. »Wenn wir uns ganz normal und unauffällig fortbewegen, wird keiner Verdacht schöpfen.«

»Aber es könnte sein, dass man so ein leichtes Ziel ist«, widersprach Urisk.

»Glaube mir, wenn die Bogenschützen Achests uns entdecken, ist es gleichgültig, ob wir uns abseits der Straße oder auf ihr bewegen.«

Am frühen Abend erreichten sie die Anhöhe von Armara. Hier hatte der Sage nach vor vielen tausend Jahren eine alte Stadtfestung gleichen Namens gestanden, die plötzlich...

Erscheint lt. Verlag 12.5.2009
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Fantasy • Mysterien • Zauberlehrling
ISBN-10 3-455-40223-2 / 3455402232
ISBN-13 978-3-455-40223-0 / 9783455402230
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