Das Abenteuerliche Herz - Ernst Jünger

Das Abenteuerliche Herz

Figuren und Capriccios

(Autor)

Buch | Hardcover
201 Seiten
1979 | 14., Aufl.
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-12-904371-4 (ISBN)
18,00 inkl. MwSt
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Auf der Suche nach der »Harmonie der Dinge« – die zweite, stark überarbeitete Fassung des »Abenteuerlichen Herzens«.
1929 war die Urfassung des »Abenteuerlichen Herzens« erschienen, die einen Wendepunkt im literarischen Schaffen Jüngers markierten. Doch gab er sich mit dem Erreichten nicht zufrieden und überarbeitete im folgenden Jahrzehnt sein Werk so stark, dass schließlich rund zwei Drittel des ursprünglichen Textes gestrichen und erneuert wurden. Insbesondere zu konkrete und autobiographische Passagen fielen dem Rotstift zum Opfer, und in immer stärkerem Maße zog sich Jünger auf die Position eines objektiven Beobachters zurück, wovon etwa »Der stereoskopische Genuß« zeugt.

Das abenteuerliche Herz (zweite Fassung) Die Tigerlilie Steglitz Lilium tigrinum. Sehr stark zurückgebogene Blütenblätter von einem geschminkten, wächsernen Rot, das zart, aber von hoher Leuchtkraft und mit zahlreichen ovalen, schwarzblauen Makeln gesprenkelt ist. Diese Makeln sind in einer Weise verteilt, die darauf schließen läßt, daß die lebendige Kraft, die sie erzeugt, allmählich schwächer wird. So fehlen sie an der Spitze ganz, während sie in der Nähe des Kelchgrundes so kräftig hervorgetrieben sind, daß sie wie auf Stelzen auf hohen, fleischigen Auswüchsen stehen. Staubgefäße von der narkotischen Farbe eines dunkelrotbraunen Sammets, der zu Puder zermahlen ist. Im Anblick erwächst die Vorstellung eines indischen Gauklerzeltes, in dessen Inneren eine leise, vorbereitende Musik erklingt. Fliegende Fische Steglitz Vergeblich, doch nicht ohne Vergnügen, suchte ich kleine, sehr bewegliche perlmutterblaue Fische zu erhaschen, indem ich mit den Händen in ein Becken griff. Wenn sie mir gar nicht mehr entschlüpfen konnten, hoben sie sich über den Wasserspiegel empor und schwirrten, indem sie ihre winzigen Flossen wie Flügel bewegten, zierlich im Zimmer umher. Nachdem sie in der Luft mannigfaltige Bogen beschrieben hatten, tauchten sie wieder in das Wasser ein. Dieser Wechsel der Mittel hatte etwas ungemein Erheiterndes. Flugträume Stralau Die Flugträume gleichen Erinnerungen an den Besitz einer besonderen, geistigen Kraft. Es sind eigentlich mehr Schwebeträume, bei denen ein Gefühl der Schwere immer erhalten bleibt. Man gleitet im Zwielicht dicht über dem Boden dahin, und der Traum reißt ab, wenn man ihn berührt. Man schwebt über die Treppenstufen aus dem Haus und hebt sich zuweilen über niedrige Hindernisse, wie über Zäune und Hecken, hinweg. Hierbei drückt man sich durch eine Anstrengung hoch, die in den angewinkelten Ellenbogen und in der geballten Faust empfunden wird. Der Körper ist halb ausgestreckt, als ob man bequem im Sessel läge; man schwebt mit den Beinen voran. Diese Träume sind angenehm; es gibt aber auch andere, bösartige, bei denen der Träumer in steifer Haltung, vornübergeneigt, mit dem Gesicht zur Erde über den Boden fliegt. Er erhebt sich in einer Art von Starrkrampf vom Lager, indem der Körper über die Fußspitzen einen Zirkel schlägt. So gleitet er über nächtliche Straßen und Plätze dahin und taucht zuweilen wie ein Fisch vor einsamen Passanten auf, denen er in die entsetzten Gesichter starrt. Wie mühelos erscheint demgegenüber der hohe Flug, den man auf alten Schwebebildern sieht. Pompeji ist auch dafür einer der Fundorte. Hier ist es ein heiterer und wunderbarer Wirbel, der die Gestalten trägt, obwohl er ihre Haare und Gewänder kaum zu kräuseln scheint. Die Kiesgrube Goslar Die eigenen Bücher nimmt man deshalb so ungern zur Hand, weil man sich ihnen gegenüber als Falschmünzer erscheint. Man ist in der Höhle des Ali Baba gewesen und hat nur eine lumpige Handvoll Silber zutage gebracht. Auch hat man das Gefühl, zu Zuständen zurückzukehren, die man abstreifte wie eine vergilbte Schlangenhaut. So ergeht es mir auch mit diesen Aufzeichnungen, die ich nach fast zehn Jahren zum ersten Male wieder aufschlage. Wie ich höre, finden sie seit langem mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ihre fünfzehn Leser im Vierteljahr. Ein solcher Zuspruch erinnert an gewisse Blumen, wie an Silene noctiflora, deren während einer einzigen Nachtstunde geöffnete Kelche eine winzige Gesellschaft beflügelter Gäste umkreist. [...]

Sprache deutsch
Maße 132 x 217 mm
Gewicht 318 g
Einbandart Leinen
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Schlagworte 1938 • Belletristik • Deutsche Literatur • Erzählende Literatur • Essays • Fantastische Literatur • Hauptwerk vor 1945 • Literatur • Prosastücke • Prosavignetten • Surrealismus • Symbolismus • Textsammlung • Überarbeitung • Zweite Fassung
ISBN-10 3-12-904371-3 / 3129043713
ISBN-13 978-3-12-904371-4 / 9783129043714
Zustand Neuware
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