Rubinrotes Herz, eisblaue See

Roman
Buch | Hardcover
428 Seiten
2010 | 7. Auflage
mareverlag
978-3-86648-131-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rubinrotes Herz, eisblaue See - Morgan Callan Rogers
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Ein Fischerdorf an der Küste Maines, am nordöstlichsten Zipfel der USA. Dicht
an dicht schmiegen die Häuser sich an die Granitfelsen. Florine lebt geborgen
bei ihren Eltern und ihrer Großmutter inmitten der Gemeinschaft der Familien,
die hier seit Generationen auf Hummerfang gehen. Die kleinen Reibereien
zwischen ihrer lebenshungrigen Mutter Carlie und dem bodenständigen Vater
können das Leben der Elfjährigen nicht ernsthaft erschüttern. Bis Carlie eines
Tages spurlos verschwindet. Alle Nachforschungen scheinen ins Leere zu
laufen. Die Frage, ob ihre Mutter Opfer eines Verbrechens wurde oder freiwillig
ging, wird Florine in den folgenden Jahren ständig begleiten. Und sie muss mit
der Zumutung fertig werden, dass das Leben um sie herum trotzdem weitergeht:

Ihr Vater bandelt wieder mit seiner Jugendliebe an, ihre Großmutter altert
zusehends, und ihr bester Freund hat nur noch Augen für seine neue Freundin.
Doch Florine lässt sich nicht beirren und gibt das Warten auf die Rückkehr
der Mutter nicht auf. Schlagfertig und mit einem ganz eigenen Humor erzählt
sie davon, was es heißt, sich treu zu bleiben und sein Glück zu finden.

Morgan Callan Rogers, Jahrgang 1952, geboren und aufgewachsen im US-Bundesstaat Maine, umgeben von Stränden, Schiffswerften und Fischerdörfern, hat ihr Herz an diese Gegend verloren und lebt noch heute in der Hafenstadt Portland. Sie studierte Anglistik und veröffentlichte mehrere Essays und Erzählungen. Rubinrotes Herz, eisblaue See ist ihr erster Roman. Claudia Feldmann, geboren 1966, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf und übersetzt seit mehr als zehn Jahren aus dem Englischen und Französischen. Unter anderem hat sie Eoin Colfer und Ewan Morrison ins Deutsche übertragen.

Wütend stapfte ich in Grands Haus und knallte die Tür hinter mir zu. Grand trug gerade die rote Glaskaraffe von der Vitrine in die Küche. 'Meine Güte, Florine, musst du denn so einen Krach machen?' 'Stella hat die Nacht bei Daddy verbracht', rief ich. 'Immer mit der Ruhe. Setz dich, und ich stelle erst mal die Karaffe weg, bevor sie noch kaputt geht.' Stocksteif setzte ich mich aufs Sofa. Meine Knie zitterten vor Erregung. Wie konnte sie nur? Wie konnte er nur? Daddy hatte Carlie und mich wegen einer mageren, narbengesichtigen Schlampe verlassen. Am liebsten hätte ich sie alle beide umgebracht. 'Gib mir deinen Mantel', sagte Grand. Ich schälte mich heraus, und sie hängte ihn an einen Haken im Flur. Dann setzte sie sich zu mir. 'Also, was ist passiert?', fragte sie. 'Ich war gerade auf dem Weg hierher, und da hab ich gesehen, wie Stella aus unserem Haus kam. Sie hat gesagt, sie war die Nacht über bei Daddy. Sie haben es getan, Grand, ich weiß es ganz genau.' 'Was haben sie getan? Oh. Ach, du lieber Himmel.' 'Das können sie nicht machen, Grand. Daddy ist mit Carlie verheiratet.' 'Ist ja gut, ist ja gut', sagte Grand. 'Jetzt beruhige dich erst mal ein bisschen.' Ich versuchte es, aber dann schlugen meine Fäuste auf meine Oberschenkel, als wollten sie sie platt klopfen, und ich brüllte: 'Ich will sie nicht bei Daddy haben. Wie konnte er Carlie und mir das antun?' Grand hielt meine Hände fest und sagte: 'Ich weiß es nicht, Kleines. Ich nehme an, er ist ziemlich durcheinander.' 'Rede mit Daddy. Sag ihm, dass er das nicht machen kann. Sag ihm, dass Jesus was dagegen hat.' 'Florine, so etwas tue ich nicht. Ich würde niemals Jesus benutzen, um jemandem zu drohen.' Ich entzog ihr meine Hände und stand auf. Ich lief auf und ab, ich brauchte irgendeine Beschäftigung. Dann fiel mir wieder ein, weshalb ich gekommen war. Ich ging zur Vitrine, nahm das Herz vom mittleren Regal und steuerte damit auf die Küche zu. 'Nicht heute, Florine', sagte Grand. 'Du bist zu aufgebracht. Du könntest etwas kaputt machen, und dann würden wir uns beide schlecht fühlen.' 'Dein blödes Glas ist also wichtiger als ich?', schrie ich. Ich rannte aus dem Haus, über die Straße und den Weg hinauf, der aus unserem Garten zu den Cheeks führte. Ich kletterte über die Felsen und watete durch kniehohen Schnee in den Wald. Allein in der kalten Verlassenheit des Naturschutzgebiets, stapfte ich auf die Klippen zu. Ein schneidender Wind wehte mir vom Meer entgegen. Die alten Kiefern bogen sich ächzend, nach Luft ringend wie ein verletzter Elch, als ich mich an ihnen vorbeikämpfte. Mir war kalt, aber ich wollte ums Verrecken nicht umkehren, um meinen Mantel zu holen. Ich rutschte auf einer vereisten Stelle aus, fiel auf den Bauch, und das kleine Herz glitt mir aus der Hand. Fluchend suchte ich im Schnee danach, fand es und drückte es an mich. Schließlich kam ich zu der Stelle, wo das Meer unablässig mit einem rasselnden Fauchen gegen die steilen Granitfelsen donnerte. Die Gischt bedeckte mein Gesicht mit eisigen Küssen. Ich schrie all meinen Zorn, meine Trauer und meinen Schmerz hinaus in die Winterhölle aus tobendem Wasser und peitschendem Wind. 'MUTTER', brüllte ich, 'komm zurück! SOFORT!' Doch das Meer und die Felsen führten ungerührt ihren eisigen Kampf fort. In meiner Verzweiflung rief ich: 'Hier! Jetzt gibt sie mir zurück!', und warf das rubinrote Herz in die eisblaue See. Ich schwöre, kurz bevor es auf die Wasseroberfläche traf und verschwand, sah ich einen Funken aufsprühen. Und dann war Carlie bei mir. Von Kopf bis Fuß umfing mich wohlige Wärme, als meine Mutter mich in die Arme schloss. Ich roch ihr Parfüm und drückte meine Nase in ihr Haar. Da waren wir, ganz für uns allein in einem kleinen leuchtenden Kreis aus Wärme. Love me sweet, never let me go. sangen wir, und von mir aus hätte es damit enden können. Doch plötzlich war Glen da und warf seinen dicken, gefütterten Jagdanorak über mich. 'Los, komm, Florine', sagte er. Ich sah auf und lächelte ihn und Bud und Dottie an. 'Seht ihr? Ich hab sie gefunden', sagte ich, während Carlie mich fester an sich drückte. 'Florine, verdammt noch mal, deine Lippen sind ganz blau', sagte Dottie. 'Wo ist dein Mantel?' 'Kannst du aufstehen?', fragte Bud. Ich blickte an mir hinunter und sah überrascht, dass ich auf den kalten Felsen saß. 'Ich will gar nicht aufstehen', sagte ich. 'Seht ihr denn nicht, dass sie hier ist?' 'Herrgott noch mal, Glen, heb sie hoch', sagte Dottie. 'Sie ist völlig unterkühlt.' Glen schwang mich über seine Schulter und schleppte mich durch den Wald zurück nach Hause, obwohl das der letzte Ort war, wo ich hin wollte. Ich versuchte, Carlie festzuhalten, doch sie entglitt mir zusehends, während Dottie immer wieder brüllte: 'Nicht einschlafen! Bleib wach! Nicht einschlafen.' Irgendwann wachte ich in meinem Bett wieder auf. Es musste wohl gegen Nachmittag oder Abend sein, aber nachsehen konnte ich nicht, weil meine Augen sich anfühlten, als hätte jemand Ziegelsteine daraufgelegt. Grand war in der Küche und sprach mit Daddy. 'Florine verkraftet es noch nicht, dass du was mit jemand anderem anfängst. Sie ist eine einzige klaffende Wunde. Sie ist verdammt zäh, aber sie ist auch ein Mädchen, das seine Mutter verloren hat.' 'Das Letzte, was ich will, ist, meiner Kleinen wehzutun. Wenn ich gewusst hätte, wie schlimm das für sie ist, hätte ich’s natürlich nicht gemacht', sagte Daddy. 'Aber, Ma, es kommt mir vor, als würde ich in der Hölle leben. Es hat gutgetan, für eine Nacht ein bisschen Trost zu bekommen. Ist das denn so schlimm?' 'Was denkst du?', fragte Grand. Danach herrschte Schweigen, wahrscheinlich weil Daddy überlegte. Grand sagte: 'Vielleicht kommt Carlie zurück. Und selbst wenn nicht, muss Florine das erst mal mit dem Verstand und dem Herzen begreifen.' Darauf sagte Daddy mit einer Stimme, die so tief war, dass sie über den Boden zu schleifen schien: 'Ma, Carlie kommt nicht zurück. Ich kann nichts mehr tun. Ich hasse es, Parker und die anderen anzurufen. Und sie hassen es, dass sie mir nichts berichten können. Verdammt, wir drehen uns im Kreis. Ich habe diese Frau mehr geliebt, als ich sagen kann, und wenn sie wieder durch diese Tür käme, würde ich sie mit einem Feuerwerk empfangen. Aber, Ma, sie kommt nicht zurück. Und ich kann einfach nicht mehr.' Er weinte eine Weile, und ich hörte Grands 'Schhh, ist ja gut' und konnte mir vorstellen, wie sie ihm über den Rücken strich. Eine Weile später spürte ich seine klamme, schwere Hand auf meiner Stirn. Ich zwang meine Lider auseinander und sah in seine besorgten blauen Augen. Dann drehte ich mich zur Wand. 'Lass mich allein', sagte ich.

Erscheint lt. Verlag 27.7.2010
Reihe/Serie Florine
Übersetzer Claudia Feldmann
Sprache deutsch
Maße 138 x 210 mm
Gewicht 608 g
Einbandart geklebt
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Erwachsenwerden • Fischerdorf • Florine • Liebe; Romane/Erzählungen • Maine; Romane/Erzählungen • Rubinrotes Herz
ISBN-10 3-86648-131-4 / 3866481314
ISBN-13 978-3-86648-131-2 / 9783866481312
Zustand Neuware
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