Deutscher Humor im Wandel der Zeit (eBook)
154 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-28135-7 (ISBN)
Ich wurde sozialisiert (wie man heutzutage sagt) in einem Land vor dieser Zeit. Ich trat mit 19 Jahren in die SED ein und trat 1986 wieder aus. Ich war in der evangelischen Jugend, verweigerte den Reservedienst, verlor meinen Job, machte Gelegenheitsjobs für die evangelische Kirche, wurde unregelmäßig von zwei Herren im Trenchcoat besucht. Die üblichen Spielereien der Macht. Also nichts was nicht Hunderte / Tausende andere genauso oder schlimmer erlebt hätten. Ich war nicht der Typ, der mit gesenktem Kopf und erhobener Faust durch die Gegend lief. Ich nahm die 'Bonzen' einfach nur beim Wort. Das genügte um sie vorzuführen und sich bei ihnen unbeliebt zu machen. Dann 1989 wurde es überraschend 'ernst'. Aus unseren Cafèhaus-Parolen wurden Montagsdemos. Die Vorgänge überschlugen sich. Um ehrlich zu sein, hatte ich - wie die meisten - keinen Plan für diesen Fall zur Hand. Jeder musste für sich zusehen, wie er zurechtkam. Das geschah in sehr unterschiedlichem Tempo, wie die explodierende Scheidungsrate jener Zeit beweist. Konsum, bunte Bilder, Neonreklame, Kredite, Ratenzahlungen, Vertreter und Verkäufer jeder Coleur und Moral versprachen Utopia, Parteienvertreter aller Richtungen erklärten sich zu Heilsbringern und warnten vor den jeweiligen Kontrahenten. Die erste Belegschaftsversammlung nach der Wende: Arbeitsplatzeinsparungen, Etatkürzungen u.a. - die Begriffe so neu, wie die Angelegenheiten selbst. Die Stimmung war ziemlich gereizt. Dann ein Ruf in irgendeinem westlichen Dialekt: 'Ich verbiete mir diese Diskussion, wir leben in einer Demokratie.' Aha, es bleibt alles neu.
Ich wurde sozialisiert (wie man heutzutage sagt) in einem Land vor dieser Zeit. Ich trat mit 19 Jahren in die SED ein und trat 1986 wieder aus. Ich war in der evangelischen Jugend, verweigerte den Reservedienst, verlor meinen Job, machte Gelegenheitsjobs für die evangelische Kirche, wurde unregelmäßig von zwei Herren im Trenchcoat besucht. Die üblichen Spielereien der Macht. Also nichts was nicht Hunderte / Tausende andere genauso oder schlimmer erlebt hätten. Ich war nicht der Typ, der mit gesenktem Kopf und erhobener Faust durch die Gegend lief. Ich nahm die "Bonzen" einfach nur beim Wort. Das genügte um sie vorzuführen und sich bei ihnen unbeliebt zu machen. Dann 1989 wurde es überraschend "ernst". Aus unseren Cafèhaus-Parolen wurden Montagsdemos. Die Vorgänge überschlugen sich. Um ehrlich zu sein, hatte ich – wie die meisten – keinen Plan für diesen Fall zur Hand. Jeder musste für sich zusehen, wie er zurechtkam. Das geschah in sehr unterschiedlichem Tempo, wie die explodierende Scheidungsrate jener Zeit beweist. Konsum, bunte Bilder, Neonreklame, Kredite, Ratenzahlungen, Vertreter und Verkäufer jeder Coleur und Moral versprachen Utopia, Parteienvertreter aller Richtungen erklärten sich zu Heilsbringern und warnten vor den jeweiligen Kontrahenten. Die erste Belegschaftsversammlung nach der Wende: Arbeitsplatzeinsparungen, Etatkürzungen u.a. – die Begriffe so neu, wie die Angelegenheiten selbst. Die Stimmung war ziemlich gereizt. Dann ein Ruf in irgendeinem westlichen Dialekt: "Ich verbiete mir diese Diskussion, wir leben in einer Demokratie." Aha, es bleibt alles neu.
Deutscher Humor – Was soll das sein?
Der Humor eines Volkes ist oft ein Spiegelbild seiner Kultur, seiner Geschichte und seiner Lebensweise. So ist es auch beim deutschen Humor. Doch was genau verstehen wir unter "deutschem Humor"? Und ist an dem weit verbreiteten Klischee, Deutsche seien humorlos, tatsächlich etwas dran? Dieses Kapitel widmet sich der Untersuchung und Klärung dieser Fragen, indem es den deutschen Humor aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass Humor ein universelles Phänomen ist, das in allen Kulturen vorkommt. Die Formen, in denen er sich manifestiert, und die Themen, über die gelacht wird, können jedoch stark variieren. Im Fall des deutschen Humors sind bestimmte Merkmale und Tendenzen erkennbar, die ihn von anderen Humorstilen unterscheiden.
Ein charakteristisches Merkmal des deutschen Humors ist seine oft als "trockene" oder "sachliche" Art bezeichnete Ausdrucksweise. Deutsche Witze und humoristische Erzählungen neigen dazu, präzise und detailliert zu sein, manchmal sogar bis hin zur Pedanterie. Diese Präzision kann dazu führen, dass der Humor weniger spontan und locker wirkt, sondern durchdachter und strukturierter. Dies spiegelt möglicherweise die deutsche Vorliebe für Ordnung und Genauigkeit wider.
Ein weiterer Aspekt des deutschen Humors ist seine oft tiefgründige Natur. Historisch gesehen hat der Humor in Deutschland häufig eine kritische oder satirische Komponente. Bereits im Mittelalter wurden durch Narrenspiele und Fastnachtsspiele gesellschaftliche Missstände auf humorvolle Weise thematisiert. Im 18. und 19. Jahrhundert, insbesondere während der Aufklärung, wurde der Humor zunehmend als Mittel zur intellektuellen Auseinandersetzung und Kritik genutzt. Autoren wie Georg Christoph Lichtenberg und Heinrich Heine nutzten humoristische Elemente, um philosophische und gesellschaftliche Fragen zu behandeln.
Diese Tradition setzte sich im 20. Jahrhundert fort, besonders in der Kabarettszene. Kabarettisten wie Kurt Tucholsky und später Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt verwendeten Humor, um politische und soziale Missstände zu kommentieren und zu hinterfragen. Diese Form des Humors erfordert vom Publikum oft ein gewisses Maß an Hintergrundwissen und Reflexion, was ihn anspruchsvoller und weniger zugänglich machen kann als beispielsweise slapstickhafte Comedy.
Ein bedeutender Teil des deutschen Humors ist auch die Selbstironie. Diese Fähigkeit, sich selbst und die eigenen Schwächen auf die Schippe zu nehmen, ist ein Zeichen von Souveränität und Selbstbewusstsein. Berühmte Beispiele hierfür sind die Sketche und Filme von Loriot (Vicco von Bülow), der mit seinem feinsinnigen, manchmal absurden Humor den Alltag und die Marotten der Deutschen humorvoll spiegelte. Loriots Werke sind ein Paradebeispiel dafür, wie tiefgründiger und zugleich zugänglicher Humor aussehen kann.
Der Humor in der DDR entwickelte sich in einem besonderen Kontext. In einer Gesellschaft, in der Meinungsfreiheit eingeschränkt war, wurde Humor oft zum Ventil für versteckte Kritik. Ostdeutsche Kabarettisten wie die Mitglieder des "Distel"-Ensembles oder der Komiker Eberhard Cohrs nutzten subversive Witze und Anspielungen, um auf Missstände hinzuweisen, ohne dabei offen konfrontativ zu sein.
Doch wie steht es um das Klischee, dass Deutsche humorlos seien? Dieses Vorurteil ist weit verbreitet, doch es ist ebenso unbegründet wie jedes andere Stereotyp. Die Wahrnehmung von Humor ist stark kulturell geprägt, und was in einer Kultur als witzig empfunden wird, kann in einer anderen als unverständlich oder unlustig erscheinen. Die oft als humorlos empfundene deutsche Ernsthaftigkeit ist vielmehr Ausdruck einer anderen Herangehensweise an Humor – eine, die Tiefe und Reflexion schätzt.
Es ist auch wichtig zu bedenken, dass Humor sich ständig weiterentwickelt. Der moderne deutsche Humor ist vielfältig und dynamisch, geprägt von Einflüssen aus aller Welt und den Möglichkeiten der digitalen Medien. Comedians wie Michael Mittermeier, Carolin Kebekus und Jan Böhmermann haben neue Wege gefunden, Humor zu gestalten und zu verbreiten, die sowohl traditionelle als auch moderne Elemente integrieren.
In den letzten Jahrzehnten hat sich zudem eine lebhafte Stand-up-Comedy-Szene entwickelt, die in Stil und Themen breiter gefächert ist als je zuvor. Diese neue Generation von Comedians spricht ein junges Publikum an und reflektiert aktuelle gesellschaftliche Themen und Trends, oft mit einem Mix aus Selbstironie, Satire und manchmal auch provokantem Humor.
Abschließend lässt sich sagen, dass der deutsche Humor, wie jede andere Form von Kultur, eine komplexe und vielschichtige Angelegenheit ist. Er ist geprägt von historischen Entwicklungen, gesellschaftlichen Normen und individuellen Vorlieben. Das Klischee der humorlosen Deutschen hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Vielmehr zeigt sich ein reiches Spektrum an Humorformen, die mal tiefgründig, mal absurd, mal subtil und mal direkt sind. Es lohnt sich, diese Vielfalt zu entdecken und sich auf die unterschiedlichen Facetten des deutschen Humors einzulassen.
Ein Vergleich des deutschen Humors mit dem Humor anderer Länder eröffnet interessante Einblicke in kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Humor ist ein universelles Phänomen, aber seine Ausprägungen sind stark von den jeweiligen kulturellen und historischen Kontexten geprägt.
Beginnen wir mit dem britischen Humor, der weltweit bekannt und geschätzt ist. Britischer Humor zeichnet sich oft durch seinen trockenen Witz, Ironie und Wortspiele aus. Serien wie "Monty Python's Flying Circus" oder "Fawlty Towers" und Komiker wie Rowan Atkinson mit seiner Figur "Mr. Bean" haben den britischen Humor international bekannt gemacht. Im Vergleich dazu neigt der deutsche Humor dazu, weniger verspielt mit der Sprache umzugehen, und konzentriert sich mehr auf situative Komik und pointierte Dialoge.
Amerikanischer Humor, besonders in der Stand-up-Comedy, ist oft direkter und zugänglicher. Amerikanische Komiker wie George Carlin, Richard Pryor und Amy Schumer setzen häufig auf persönliche Anekdoten, gesellschaftliche Beobachtungen und manchmal auch provokative Themen. Der Humor ist häufig schneller und dynamischer, was möglicherweise auf die stark wettbewerbsorientierte Unterhaltungsindustrie der USA zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu ist deutscher Humor oft tiefgründiger und setzt auf subtile Anspielungen und längere Aufbauzeiten für Pointen.
Französischer Humor hat seine eigenen Besonderheiten, die oft mit einer Vorliebe für Slapstick und visuelle Komik verbunden sind. Komiker wie Louis de Funès und Filme wie "La Grande Vadrouille" spielen häufig mit körperlicher Komik und übertriebener Mimik. Darüber hinaus ist der französische Humor oft stark in der Literatur verwurzelt, mit einer langen Tradition von satirischen Werken, die auf Wortwitz und feine Ironie setzen. Der deutsche Humor teilt die Liebe zur Satire, jedoch meist mit einem stärkeren Fokus auf gesellschaftliche und politische Themen.
In Italien und Spanien ist der Humor oft stark regional geprägt und variiert deutlich zwischen den verschiedenen Landesteilen. Italienischer Humor, bekannt durch Komiker wie Roberto Benigni, kombiniert häufig Elemente von Slapstick und Farce mit sozialer und politischer Satire. Spanischer Humor, vertreten durch Persönlichkeiten wie Pedro Almodóvar in seinen Filmen, neigt dazu, farbenfroh und theatralisch zu sein, oft mit einer Vorliebe für Absurdität und Exzentrizität. Im Vergleich dazu wirkt deutscher Humor oft strukturierter und weniger extravagant, obwohl auch in Deutschland eine Vorliebe für Absurdität existiert, wie sie bei Loriot zu finden ist.
Skandinavischer Humor, insbesondere der schwedische und dänische Humor, ist oft geprägt von einem dunklen, melancholischen Ton. Serien wie "Lilyhammer" oder Filme von Aki Kaurismäki zeigen eine Mischung aus trockener Ironie und existenzieller Schwere. Dieser Humor reflektiert möglicherweise das Klima und die gesellschaftlichen Bedingungen der nordischen Länder. Deutscher Humor kann ebenfalls dunkle und melancholische Züge annehmen, wie in der Nachkriegszeit, bleibt jedoch oft stärker in der Tradition des intellektuellen und politischen Witzes verankert.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist der japanische Humor, der oft auf kulturellen Traditionen wie dem Kyogen-Theater basiert. Japanische Comedy-Sendungen (sogenannte "owarai") sind bekannt für ihre physischen und visuellen Gags sowie ihre Vorliebe für Wortspiele. Im Gegensatz dazu ist der deutsche Humor, abgesehen von spezifischen Traditionen wie dem Karneval, oft weniger visuell und setzt mehr auf sprachliche Feinheiten und narrative Strukturen.
Ein besonders bemerkenswertes Beispiel für die Unterschiede im Humor sind die Reaktionen auf Missgeschicke und Peinlichkeiten. Während in vielen Kulturen, insbesondere in den USA, Peinlichkeiten oft als Grundlage für humorvolle Situationen dienen, ist der Umgang mit solchen Situationen im deutschen Humor häufig von einer gewissen Ernsthaftigkeit und dem Versuch, peinliche Momente zu vermeiden, geprägt. Diese Unterschiede spiegeln sich in der Art und Weise wider, wie Humor in den jeweiligen Kulturen praktiziert und konsumiert wird.
Ein weiteres interessantes Phänomen ist der Einfluss der Globalisierung und der digitalen Medien auf den Humor. Plattformen wie YouTube, TikTok und internationale Streaming-Dienste haben dazu beigetragen, dass sich Humorformen weltweit vermischen und gegenseitig beeinflussen. Deutsche Comedians und Satiriker greifen zunehmend auf internationale Themen und Stile zurück, was zu einer größeren Vielfalt und einem breiteren Verständnis von Humor führt....
Erscheint lt. Verlag | 6.7.2024 |
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Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Kunstgeschichte / Kunststile |
Kunst / Musik / Theater ► Malerei / Plastik | |
Schlagworte | Absurder Humor • Blick • Bully Herbig • deutsche Humorgeschichte • deutsche Ironie • Deutscher Humor • deutsche satire • deutsche Selbstironie • Deutsches Kabarett • deutsche Stand-up-Comedy • Deutsche Witze • Deutschland • Dieter Hildebrandt • Geschichte • Gesellschaft • Helga Hahnemann • humorvolle Gesellschaftskritik • Joachim Preil • Jürgen von der Lippe • Komödien • Loriot • Menschen • Michael Mittermaier • Otto Wahlkes • Politische Satire • Rolf Herricht • Schwarzer Humor • Selbstironie der Deutschen • Slapstick • witzige Gesellschaftskritik • Wortspiele |
ISBN-10 | 3-384-28135-7 / 3384281357 |
ISBN-13 | 978-3-384-28135-7 / 9783384281357 |
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