Macht Musik wirklich klüger? -  Heiner Gembris,  Rudolf-Dieter Kraemer,  Georg Maas

Macht Musik wirklich klüger? (eBook)

Musikalisches Lernen und Transfereffekte
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
152 Seiten
Wißner (Verlag)
978-3-95786-379-9 (ISBN)
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Kritisch-distanzierte Betrachtung der Wirkungen intensiven Musikunterrichts Schlagzeilen wie "Musik macht intelligent" und Verheißungen, dass Musik soziales und kreatives Verhalten fördere, Sprach- und Rechtschreibfertigkeiten verbessere, erheischen Aufmerksamkeit. Der vorliegende Band nimmt eine kritisch-distanzierte Betrachtung der Arbeiten vor, die mit aufwändigen Untersuchungen die Wirkungen eines intensiven Musikunterrichts erforschen und befasst sich mit den entsprechenden Forschungsmethoden. Ist doch das Ergebnis der Studien letztlich davon abhängig, auf welchem Wege die Resultate gewonnen wurden. International anerkannte Autoren und Autorinnen melden sich zu dieser Problematik zu Wort. Pressestimmen: "Hier liegt eine außerordentlich vielseitige Auseinandersetzung mit dem Phänomen von Transferleistungen und zudem über Forschungsmethoden und -absichten in diesem Gebiet vor, deren Lektüre auch für die Nichtspezialisten der behandelten und umstrittenen Fragen empfehlenswert ist." (Diskussion Musikpädagogik) "... kann ganz erheblich zur Versachlichung der Diskussion beitragen ... überaus lesenswert ..." (üben & musizieren) "Die Herausgeber haben exzellente Fachleute als Autorinnen bzw. Autoren gewonnen. Ihre allesamt sehr lesenswerten Texte leuchten diverse Aspekte des komplexen, als Forschungsgegenstand überaus schwierigen Themas aus." (Das Orchester)

Musikpädagogische Forschungsberichte
Macht Musik wirklich klüger? – Musikalisches Lernen und Transfereffekte
Hrsg. v. H. Gembris, R.-D. Kraemer, G. Maas
Wißner: Augsburg 2001, S. 39-66 bzw. 2003 S. 35-62

Hermann Rauhe gewidmet

Transfer im musikpädagogischen Diskurs

Definitorische und methodologische Reflexionen
zur Evaluations- und Entwicklungsforschung

HANS GÜNTHER BASTIAN & ADAM KORMANN

Zusammenfassung

Euphorie und Empirie tragen zur gegenwärtigen Konjunktur so genannter Transfer-Effekte insbesondere auch im Fach Musikpädagogik bei. Mit vorliegendem Beitrag möchten die Autoren mit einigen terminologischen und methodologischen Reflexionen zur Versachlichung der interdisziplinären Diskussion beitragen. In alltagssprachlicher Definition versteht man unter Transfer (lat. transferre = übertragen) eine Lernübertragung, sozusagen ein Mitlernen. Gemeint ist die Übertragung von Einsichten und Fertigkeiten, die in einer bestimmten Lernsituation oder einem Lernfeld gewonnen wurden, auf andere, mehr oder minder vergleichbare Situationen oder Lernbereiche. Wenn auch mit unterschiedlichen Modifikationen, so ist doch allen Definitionen die Beeinflussung von Lernverhalten durch früher erworbenes Verhalten gemeinsam. Transfer kann und muss also selbst auch erlernt werden, er ist aus lernpsychologischer Sicht eine Sonderform von Lernen. Im Transferproblem sind epistemologische, lernpsychologische und didaktische Fragen enthalten. Der Komplexität des Transferphänomens entsprechend gibt es unterschiedliche theoretische Ansätze, die im Einzelnen erläutert werden: behavioristische, kognitivistische und sozial-ethische Erklärungsversuche.

In kritischer Bilanz zur vorliegenden Transfer-Forschung fassen die Autoren ergänzend zu Bestandsaufnahmen von musikpädagogischen Evaluations- und Entwicklungsstudien einige forschungsmethodische und -methodologische Defizite früherer Untersuchungen zusammen; im Einzelnen verweisen sich auf die Notwendigkeit der Kasuistik, die Vernetzung von quantitativer und qualitativer Forschung und auf die Favorisierung der Prozessdiagnostik gegenüber der konventionellen Statusdiagnostik. Sie bewerten die Legitimität von Post-hoc-Interpretation in Explorationsstudien und bilanzieren wichtige Prinzipien gegenwärtiger Evaluationsforschung: Offenheit, Forschung als Kommunikation, Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand, Reflexivität von Problem und Analyse, Explikation von Untersuchungsschritten und organisatorische Bedingungen.

Abstract

The current, enthusiastic discussion on general transfer effects in education, and in music pedagogy, in particular, which have been fueled by a number of provocative empirical studies, has become ambiguous, to say the least. The authors of the present study wish to offer a firmer ground for this interdisciplinary discussion by clarifying some terminological and methodological issues.

In colloquial terms transfer (lat. transferre = to carry [an object] from one place to another) is thought of as a shared learning process. It means a transfer of insights and aptitudes, which were derived from particular situations, and learning domains, to other more or less comparable situations and domains. Despite certain differences among the definitions of transfer, all of them propose an influence on learning behavior by previously acquired learning strategies. Transfer in itself can and must be learned. From the perspective of the psychology of learning it is nothing but a special kind of learning. The transfer problem involves epistemological, psychological, and didactical aspects. According to the complexity of the transfer phenomenon, there are distinct approaches, which are outlined: behavioristic, cognitivistic, and socio-ethical theories.

The authors address methodological shortcomings of previous transfer research in addition to surveying research on evaluation and development in music education. In particular, they emphasize the need for more case studies, more integration of quantitative and qualitative research. Importantly, process diagnostics should be favored over conventional status diagnostics. The authors legitimate post-hoc interpretation in evaluation research: openness, research as communication, process orientation of both research method and object, thorough reflection of problem and analytical process, explication of each step in the course of analysis, and finally the consideration of organizational backgrounds on the research designs.

Einleitung

Euphorie und Empirie tragen zur gegenwärtigen Konjunktur so genannter Transfer-Effekte auch und insbesondere im Fach Musikpädagogik bei. Im Blick auf die nun vorliegende Berlin-Studie „Musik(erziehung) und ihre Wirkung“1 möchten wir mit einigen terminologischen und methodologischen Reflexionen zur Versachlichung der Fachdiskussion beitragen. Wissenschaftlichkeit scheint uns gerade angesichts der vor allem in den Medien messianisch verbreiteten und allzu schlagzeilenhaften Transferbotschaften eine Herausforderung, denn Wissenschaft ist als ein auf seine Bedingungen und Begründungen reflektiertes Erkenntnisstreben gerade auf Vorsicht im endgültigen Behaupten, auf das Prüfen der Grenzen und auf die Art der Geltung von Behauptungen bedacht.2

I. Definitorische Versuche

In alltagssprachlicher Definition versteht man unter Transfer (lat. transferre = übertragen) eine Lernübertragung, sozusagen ein Mitlernen. „Deutsche Forscher um die Jahrhundertwende, wie etwa Ernst Meumann3 nannten das Phänomen Mitübung oder Übungsübertragung, das von den Amerikanern transfer of training bezeichnet wurde.“4 Gemeint ist die Übertragung von Einsichten und Fertigkeiten, die in einer bestimmten Lernsituation oder einem Lernfeld gewonnen wurden, auf andere, mehr oder minder vergleichbare Situationen oder Lernbereiche. Transferleistungen oder Lernübertragungen werden bereits innerhalb eines Lernprozesses eines Faches erwartet und gelten pädagogisch als wichtig(st)es Lernprinzip. Wenn auch mit unterschiedlichen Modifikationen, so ist doch allen Definitionen die Beeinflussung von Lernverhalten durch früher erworbenes Verhalten gemeinsam. Transfer kann und muss also selbst auch erlernt werden, er ist aus lernpsychologischer Sicht eine Sonderform von Lernen.

Klauer unterscheidet zwischen nahem und fernem Transfer, bei identischen Lern- und Testaufgaben spricht er von trivialen, bei nichtidentischen Aufgabenarten von nichttrivialen Lerneffekten. Andere terminologische Bestimmungen differenzieren zwischen horizontalem oder lateralem und vertikalem Transfer (Gagné 1969). Um im Beispiel unseres Faches zu bleiben, ist die Rede von einem horizontalen Transfer, wenn etwa werk- und personalstilistisches Wissen am Beispiel einer Haydn-Sinfonie erarbeitet wird und an einer weiteren Haydn-Sinfonie Anwendung finden soll. Transfer erfolgt hier auf analog komplexe oder sachähnliche Gegenstände. Von vertikalem Transfer sprechen wir, wenn diese Erkenntnisse bei einem veränderten und schwierigeren Aufgabentyp, etwa an einer Beethoven-Sinfonie, zur vergleichenden Anwendung kommen. Vertikaler Transfer geschieht also dort, wo „die erlernten Fähigkeiten eines Niveaus auf das Erlernen weiterer Fähigkeiten auf höherem Niveau Einfluss nehmen“.5

Das vorausgehende Lernen kann sich positiv, negativ oder neutral auswirken, entsprechend liegt positiver, negativer oder Null-Transfer vor. Von positivem Transfer spricht man dort, wo ein Lernprozess durch vorausgegangene Lernakte zeitlich, qualitativ, quantitativ oder generell verbessert wird. Grundsätzlich möglich ist auch ein negativer Transfer, der behindert bzw. entsprechend beeinträchtigt bei zeitlichen und sachstrukturellen Interferenzen, bei inadäquater Anwendung erlernter Methoden, Techniken oder Prinzipien.

Weinert6 stellt im Rahmen des Konzeptes „Lernen lernen als psychologisches Problem“ als künftig immer wichtiger werdende Schlüsselqualifikation des Menschen die Frage nach geeigneten Untersuchungsplänen, um Transfereffekte auf der Dispositionsebene sensibel und möglichst unkonfundiert zu erfassen. Wir übernehmen das nachfolgende Transferdesign, wobei es uns nicht um Fragen der Veränderungen der relevanten Wissensbasis und der inhaltsunabhängigen Lernstrategien (Vergleich I der folgenden Abb., S. 39) geht, sondern um die Erfassung von Transfereffekten im engeren Sinne (Vergleich II). Was die Wirkung von Transfers im Persönlichkeitsbereich angeht, so ist davon auszugehen, dass menschliche Merkmale und Dimensionen des Verhaltens von unterschiedlicher Stabilität und damit Veränderbarkeit sind.7 Ein Transfer ist nicht auf intellektuell-kognitives Verhalten beschränkt, sondern auch psychomotorische und emotionale Reaktionen können sich als Transferphänomene erweisen. Drei prinzipielle Faktoren konstituieren den Transfer, die sich in einer Fragesequenz zusammenfassen lassen: WAS (das Gelernte) wird von WO (von welchem Lernbereich) WORAUF (auf welchen Zielbereich) für WIE LANGE (Dauer der Effekte) übertragen?

Lernen als psychologisches Problem

Abb.:...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
ISBN-10 3-95786-379-1 / 3957863791
ISBN-13 978-3-95786-379-9 / 9783957863799
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