MUSIK-KONZEPTE 204/205: Guillaume Dufay -

MUSIK-KONZEPTE 204/205: Guillaume Dufay (eBook)

Zwischen Normativität und Individualität. Guillaume Dufay und der Beginn der musikalischen Neuzeit

Ulrich Tadday (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
151 Seiten
edition text + kritik (Verlag)
978-3-96707-903-6 (ISBN)
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Guillaume Dufay, kurz vor 1400 geboren, 1474 in Cambrai gestorben, ist der erste Komponist, in dem sich die neue Musik der Renaissance kristallisiert. Dufay ist 'der erste Komponist, von dem es ein reiches, in sich hochdifferenziertes Oeuvre gibt. Er ist die erste Persönlichkeit, die sich wirklich über sein musikalisches Werk und seine musikalische Tätigkeit definiert hat und definieren wollte. Und er ist der erste Komponist, von dem wir eine wirklich klare Biographie erkennen können' (Laurenz Lütteken). Anlässlich des 550. Todesjahres versammelt der Band die Beiträge renommierter Renaissance-Forscher, deren innovative Perspektiven der Dufay-Forschung neue Impulse sowohl im Hinblick auf die Kontexte der Musik als auch auf die Kompositionen selbst geben und zu einer anregenden Lektüre einladen. Mit Beiträgen von Esma Cerkovnik, Thomas Leinkauf, Michael Meyer, Klaus Pietschmann, Volker Reinhardt, Nicole Schwindt, Boris Voigt und Melanie Wald-Fuhrmann.

Ulrich Tadday, geb. 1963, Studium der Musikpädagogik und Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Dortmund und Bochum; Staatsexamina, Promotion und Habilitation; seit 2002 Professor für Historische Musikwissenschaft an der Universität Bremen; seit 2004 Herausgeber der Neuen Folge der 'Musik-Konzepte'.

VOLKER REINHARDT

Zur Innovation verdammt
Eugen IV., die Kurie und die Kultur


I Vorgeschichte: Schisma und Konzil


Der 16 Jahre umspannende Pontifikat Eugens IV. (1431–1447) ist eine Krisen-, Wende- und Schlüsselzeit der Papst-, Kirchen- und Weltgeschichte.1 In diesen gut anderthalb Jahrzehnten werden Weichen gestellt, die die historische Entwicklung in Bahnen lenken, die über zahlreiche weitere Relais- und Entscheidungsstationen in die Reformationen des 16. Jahrhunderts, das anschließende Konfessionelle Zeitalter und, sehr viel indirekter, aber nicht weniger nachweisbar, bis in die Gegenwart führen. Sehr summarisch auf den Punkt gebracht, musste sich in diesem Zeitraum entscheiden, welche Gestalt die damals im Wesentlichen – sieht man von den Dissensen der Waldenser und Hussiten ab – ungespaltene Kirche und damit ein mit der politischen Hoheit untrennbar verwobener Machtfaktor künftig annehmen sollte. Speziell unter diesem Gesichtspunkt gewinnt der erste für den Condulmer-Pontifikat2 in Anspruch genommene Begriff sehr konkrete Dimensionen: Krise bedeutete für die Kirchenspitze nach dem Konzil von Konstanz (1414–1418) eine revolutionäre Enteignung, die die in mehr als einem Jahrtausend gewonnenen und befestigten Machtpositionen so radikal abgerissen hatte, wie dies seit der Ablösung des Papsttums aus dem Hoheitsbereich des byzantinischen Kaisers im 7. und 8. Jahrhundert nicht mehr der Fall gewesen war.3 Durch ihr Dekret »Haec sancta synodus« hatte sich die Kirchenversammlung am Bodensee, durch die intellektuelle Vorarbeit konziliaristischer Theologen bestens präpariert und durch die Unterstützung der führenden weltlichen Herrscher wie des römischen Königs Sigismund politisch und militärisch abgesichert, zur unumschränkten Herrin über die Ecclesia universalis emporgeschwungen und das Papstamt auf diese Weise zum von seiner Souveränität abhängigen Exekutivorgan herabgedrückt. Diese Hoheit des Konzils, die sich die Päpste – folgt man dessen Wortführern und Ideengebern von Konstanz – der Ur-Konstitution der von Christus eingesetzten Kirche zuwider im Laufe der Jahrhunderte nach und nach erschlichen hatten, musste zum Schutze der Christenheit vor neuerlicher Usurpation von jetzt an durch regelmäßige Einberufungen gesichert werden. Am sinnfälligsten kamen die neuen Machtverhältnisse in Konstanz dadurch zum Ausdruck, dass das Konzil alle drei damals die alleinige Herrschaft über die Kirche beanspruchenden Pontifices absetzte und nur dem ältesten dieses Trios, dem – später vom Vatikan allein als legitim anerkannten – greisen Gregor XII. das Vorrecht verlieh selbst zurückzutreten; an der faktischen Entmachtung durch eine vorgesetzte Instanz änderte das nicht das Geringste.

Der innere Umsturz in der Kirche war unumgänglich geworden, nachdem sich die Kirche 1378 in zwei, 1409 dann sogar in drei Obödienzen, Gefolgschaften, aufgeteilt hatte.4 Das hatte kirchenrechtliches Chaos ohnegleichen – erst zwei, dann drei Bewerber um eine Pfründe etc. – und eine tiefe Verunsicherung der andächtigen Christenheit zur Folge, in der niemand mehr sicher sein konnte, auf den richtigen Vermittler zwischen Gott und den Menschen zu setzen, und alle deshalb Gefahr liefen, in der Hölle zu enden. Das Schisma von 1378 war in hohem Maße von einem frühnationalen Konflikt zwischen französischen und italienischen Kardinälen und den damit verknüpften Bestrebungen der europäischen Herrscher bestimmt, bestimmenden Einfluss auf die Besetzung der kirchlichen Führungspositionen und damit auf ein immenses ökonomisches und soziales Patrimonium zu gewinnen. Dieser Interessenlage entsprechend, waren es denn auch die politischen Mächte, die mit dem Konzil von Konstanz die Lösung zur Beilegung des Schismas fanden, die die Kirche allein in dreieinhalb Jahrzehnten nicht hatte herbeiführen können.

Vor diesem Hintergrund fiel den Päpsten nach der Generalbereinigung an den Ufern des Schwäbischen Meeres offiziell die gedrückte, ja demütigende Aufgabe zu, mit dem Konzil einem vielhundertköpfigen und entsprechend unberechenbaren Herrn zu dienen.5 Doch damit konnte es aus römischer Sicht nicht sein Bewenden haben – die neuen Pontifices mussten gute Miene zum in ihren Augen bösen, da die gottgewollten Herrschaftsverhältnisse umkehrenden Spiel machen und zugleich mit aller Kraft daran arbeiten, diese unerträgliche Unterordnung abzuschütteln und wieder ins Gegenteil zu verkehren – unter den zahlreichen Augen einer misstrauischen Gesamtkirche eine schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ging es jetzt um kaum weniger als eine Neugründung – das Papsttum musste sich politisch, institutionell und kulturell neu präsentieren, etwas (neu)modisch, aber im Kern zutreffend ausgedrückt: neu erfinden. Politisch hieß das, nach der Rückkehr des auf dem Konzil gewählten und relativ schnell weitgehend anerkannten Papstes Martin V. nach Rom Ende September 1420 die dortigen Machtverhältnisse erst auszuloten und dann so weit wie der inneren Stabilität zuträglich zugunsten des Papsttums zu verschieben. Nach der langen Totalabwesenheit in Avignon 1309 bis 1377 und der anschließenden Spaltung war das ein Manöver, das höchste Vorsicht und Fingerspitzengefühl erforderte, hatte sich doch in dieser Zeit die aus der gehobenen Mittelschicht rekrutierte römische Stadtgemeinde beträchtliche Einflusszonen gesichert, von der Macht der großen Barone mit ihren »Kleinkönigtümern« in der ländlichen Peripherie Roms ganz zu schweigen.

In Anbetracht dieser Gemengelage war es eine kluge Entscheidung der Konzilsväter und Kardinäle gewesen, mit Kardinal Oddone Colonna einen Abkömmling der zusammen mit den Orsini mächtigsten Baronalfamilie Roms zum Nachfolger Petri zu wählen.6 Auf diese Weise hatte der neue Pontifex eine starke Hausmacht, und die brauchte er auch, um sich in diesem der Institution Papsttum fremd gewordenen römischen Ambiente zu behaupten. Problematisch war die Wahl eines Mitglieds der führenden Clans deshalb, weil sich durch den mit Sicherheit zu erwartenden Nepotismus – eine Achse, nicht selten die Hauptachse der Papstgeschichte seit der Antike – die Machtverhältnisse in und Rom einseitig gestalten mussten und Revanchegelüste der Zukurzgekommenen befürchten ließen. So lässt sich beim Tod Martins V. im Februar 1431 summarisch bilanzieren, dass der erste nachkonziliare Pontifikat zwar die Re-Etablierung der Institution Papsttum am Tiber bewerkstelligt und schwerste weitere Konflikte mit dem übergeordneten Konzil dadurch vermieden hatte, dass er dessen Fortsetzung nach Basel einberief, doch blieben diese Errungenschaften, wie sich schnell zeigen sollte, prekär und die großen Probleme weiterhin ungelöst.7

II Der Papst im Exil


Diese Probleme stellten sich mit voller Wucht unter seinem venezianischen Nachfolger Eugen IV., im Vorleben Gabriele Condulmer. Zum einen spitzte sich der Streit um die Hoheit über die Kirche mit innerer Notwendigkeit jetzt rasch zu. Schon ein Dreivierteljahr nach seiner Wahl erklärte Eugen IV. das Konzil von Basel für aufgelöst, musste dieses Dekret aber schon zwei Jahre später unter demütigenden Umständen wieder zurücknehmen, da die Kirchenversammlung zu diesem Zeitpunkt breite Unterstützung der europäischen Mächte erfuhr. In Rom gestaltete sich die Lage noch dramatischer. Die römische Stadtgemeinde hielt an ihren Herrschaftsansprüchen fest und vertrieb im nachfolgenden Machtkampf den Papst aus den Mauern der Ewigen Stadt. Eugen IV. begab sich nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, in seine Heimatstadt Venedig, sondern nach Florenz, und das war im Rückblick ein entscheidender Glücksfall. Auch in der toskanischen Metropole waren bei Eugens Eintreffen Anfang Juni 1434 die Machtverhältnisse seit Kurzem umgestoßen und längerfristig ungeklärt. Im Hebst 1433 hatte die alle zwei Monate neu gewählte Stadtregierung (signoria), die sich mehrheitlich aus Anhängern der alten Elite unter der Führung der Familie Albizzi zusammensetzte, Cosimo de’ Medici, den Chef des finanzstärksten Bankhauses Europas, der diesem engsten Kreis der Oligarchie nicht angehörte, verbannt, ohne jedoch Vorkehrungen gegen das bei der Wahl der signoria auschlaggebende Losglück zu treffen.8 Als dieses im Herbst 1434 zugunsten der weitgespannten Medici-Klientel ausschlug und Cosimo nach Florenz zurückkehrte, stand die Stadt am Arno am Rande eines Bürgerkriegs.

Verhindert wurde er nicht zuletzt durch das Eingreifen des Papstes, der die Albizzi-Fraktion zum Aufgeben überredete und damit eine Allianz mit den Medici begründete, die für den weiteren Verlauf des Pontifikats folgenreich werden sollte. Durch dieses Bündnis gewann Eugen IV. die Unterstützung des geschicktesten Fädenziehers und reichsten Financiers Italiens, wenn nicht Europas, und dieser verschaffte sich seinerseits eine Legitimation, die zur ideologischen Absicherung seiner Macht als Klientelchef hinter der Fassade eines scheinbar unveränderten republikanischen Systems höchste Bedeutung hatte – das perfekte »Do ut des« schlechthin.9 Mit der Rückendeckung der Medici, ihren diplomatischen Beziehungen und ihrem immer neue nützliche Netzwerke knüpfenden Geld konnte Eugen IV. Schritt für Schritt an die Rückeroberung der verlorenen Machtpositionen gehen. Nach der Mitte der 1430er Jahre eskalierte der Konflikt des Papstes mit dem Basler Konzil jedoch zuerst einmal unaufhaltsam, und zwar bis zur...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
ISBN-10 3-96707-903-1 / 3967079031
ISBN-13 978-3-96707-903-6 / 9783967079036
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