SEELENBAUMELLAND

Rötlich goldenes Licht kitzelt mich sanft wach, es ist noch sehr früh am Tag.

Ich strecke mich, reibe mir den Schlaf und die Überbleibsel der Gabe des Sandmännchens aus den Augen. Ich bin acht Jahre alt und definitiv kein Morgenmuffel. Mit einem Satz springe ich aus dem Bett und laufe im Schlafanzug die zwei Treppen meines Elternhauses herunter, durchquere die untere Wohnung, öffne die Tür und gelange zur Waschküche.
Dort bremse ich ab, denn die Steintreppe runter zur Waschküche ist alt und glatt.

In der Waschküche angekommen, empfängt mich der frische Duft von Waschmittel und Weichspüler. Die Tür zum Hof ist offen. Ich schaue raus und sehe dich auf der Bank in der Morgensonne sitzen. Du trägst einen Kittel, eine Strumpfhose und Puschen, sonst nichts. Es ist Sommer und bereits angenehm warm. Neben Dir stehen zwei Eimer und du schälst Kartoffeln für das Mittagessen.

Du hast mich nicht bemerkt, bist ganz vertieft, in Deine Tätigkeit versunken. Und ich, ich stehe still, nehme dieses friedliche Bild in mir auf. Der rötlich-goldene Schein der Morgensonne auf deiner sitzenden Gestalt. Dein ergrautes Haar, warm beleuchtet. Deine Hände, gezeichnet von einem harten Leben, sind dennoch sehr geschickt beim Schälen.

Der Duft von Waschmittel und Weichspüler in der Nase, die Welt, welche, begleitet vom Gesang der Vögel, langsam erwacht.

Erst viele Jahre später ist mir bewusst geworden, wie sehr sich dieser Moment, dieser Augenblick, dieser Anblick meiner Oma in mein Herz, meine Gedanken gebrannt hat.

Immer wenn ich an diesen Augenblick zurückdenke, zaubert er mir ein Lächeln ins Gesicht, dann empfinde ich tiefe Liebe und inneren Frieden.

Gefühle in all ihren Facetten prägen unser Leben mit. Es ist diese Welt, die mich seit meiner Kindheit bewegt, im Guten wie im Schlechten. Gefühle durchziehen meine Gedichte, Texte und Fotos. Ein Leben ohne Gefühle ist für mich farblos. Und nicht nur mein Leben, vielleicht auch Deines?

Ich wünsche Dir viel Freude beim Lesen, Schauen und Fühlen.

Mel M.