Psychologie der Malerei (eBook)

Theorie der Kreativität und Theorie der Bildrezeption

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
128 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9188-0 (ISBN)

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Psychologie der Malerei -  Egon Kayser
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Zwei psychologische Theorien zur Malerei werden anhand kommentierter Thesen vorgestellt: In Kap. 1 findet sich die Theorie des kreativen Prozesses beim Malen (von der ersten Idee bis zur Fertigstellung der Bildes), in Kap. 2 eine Theorie der Wahrnehmung und der Verstehens bei vormodernen und bei modernen Bildern (Ausgangspunkt sind Wahrnehmungs- und Verstehensprozesse im Alltag). In Kap. 3 werden die Beziehungen zwischen diesen beiden Themen herausgearbeitet. In Kap. 4 wird der Bezug der Theorie der Wahrnehmung moderner Bilder (Kap. 2) zu einem außerästhetischen Bereich, nämlich der zwischenmenschlichen Begegnung mit dem "Befremdlichen" und mit dem "Fremden" , hergestellt.

geb. 1949 in Troisdorf. Nach Abitur Studium der Psychologie, Abschluss Dipl.-Psych. und Dr. phil. Nach Arbeit in Forschung und Privatschule (Ergotherapie- und Logopädielehranstalt) einige Jahre Leitender Psychologe einer Psychosomat. Klinik, dann viele Jahre als analytischer Psychotherapeut in Praxis niedergelassen bis Ende 2017. Maler, Autor, Supervisor (Tiefenpsychologie)

Kapitel 2
Thesen zu Wahrnehmen und Verstehen
in der Alltags- und in der Kunstwelt


Was geschieht im Inneren der Person, wenn sie ein Bild betrachtet? Hier wird ein theoretisches Modell der dabei ablaufenden inneren Prozesse vorgestellt. Obwohl im Zentrum die Bildbetrachtung steht, besteht der Ausgangspunkt aus Thesen zu Wahrnehmen und Verstehen in der Alltagswelt („Weltwahrnehmung“). Dem werden dann Wahrnehmen und Verstehen von Kunstobjekten gegenübergestellt, zunächst das von ,„vormodernen“ Bildern, dann von Bildern seit der Klassischen Moderne46, hier als „moderne Bilder“ bezeichnet. In These 7 wird die Thematik der Bildbetrachtung erweitert zu der der Konfrontation mit dem Befremdlichen und dem Fremden.

Weitwahrnehmung

In diesem Abschnitt geht es um unsere Wahrnehmung im Alltag, noch nicht speziell um Wahrnehmen und Verstehen von Bildern. Unter dem Terminus „Weltwahrnehmung“ wird nichts Geringeres abgehandelt als die Frage, wie wir uns um Alltag einen „Reim“ auf das machen, was in einer Situation sensorisch auf uns einwirkt.

These 1 zur Weltwahrnehmung:
Die Entschlüsselung eines sensorischen Inputs beinhaltet dessen Transzendierung in Form eigener interner Beiträge des Gehirns. Das Entschlüsselte wird nicht als Ergebnis eines inneren Vorgangs erlebt sondern als Wirklichkeits-Evidenz (W-Evidenz), so als habe man „das Ding an sich“ vor sich.

(1) Sensorischer Input:

Physikalische, chemische, thermische Reize affizieren Sinnesrezeptoren, und im Rahmen unseres Themas geht es vor allem um physikalische, und zwar optische Reize, also Lichtwellen. Die Reize lösen in den jeweils auf sie spezialisierten Rezeptoren elektrophysiologische Vorgänge aus, es findet also eine vom Leib weiter-verarbeitbare Umwandlung statt. Das unmittelbare Ergebnis dieser Umwandlung wird im vorliegenden Text als unmittelbarer Wahrnehmungs-Input bzw. sensorischer oder Reiz-Input bezeichnet.

(2) Transzendierungen:

Diesen sensorischen Input lassen wir innerlich nicht so stehen, d.h. er bestimmt nicht, wie wir auf die Situation reagieren, vielmehr „durchstoßen“ wir (unser Gehirn) diese Ebene des unmittelbaren Wahrnehmungs-Inputs ständig, um ihn zu ergänzen, zu korrigieren oder evtl. ganz gezielt zu hinterfragen. Das Durchstoßen dieser Ebene wird hier als Transzendieren bezeichnet.

Es geschieht großteils unbewusst, teils vorbewusst (d.h, wir können es uns bewusst machen), teils bewusst und teils bewusst-absichtlich.

Im Gehirn wird aufgrund der Aufnahme der ersten Sinnesreize seitens des Objekts (= Ausgangsmaterial), also ausgelöst durch den Wahrnehmungs-Input im eben definierten Sinne, weitere Aktivität ausgelöst. Diese fuhrt dazu, dass ein internes Modell entworfen wird, eine Konstruktion bzw. eine Hypothese47. Dabei wird nicht etwa der Input 1:1 nachgebaut (das würde die Person keinem Verstehen näherbringen). Vielmehr unterliegt die Konstruktion Organisationsprinzipien, wie sie z.B. in den Gestaltgesetzen formuliert wurden.

Das kann beispielsweise dazu führen, dass eine äußerlich vorhandene und gegenüber einem Kreis unvollständige Punkteansammlung innerlich als Kreis nachkonstruiert wird. So wird also etwas z.B. als Kreis erkannt oder, bei anderem Ausgangsmaterial, als zwei Einheiten oder als fortgesetzte Linie usw.

Es wird über den ersten Input von außen hinausgegangen, der ursprüngliche Input wird insofern auf verschiedene Weise transzendiert. Es erfolgt also eine Bearbeitung.

(3) W-Evidenz:

Unsere Weltwahrnehmung (Wahrnehmen unserer Umgebung) erfolgt nicht innerhalb eines Erlebens, wir nähmen wahr, sondern im Gefühl der subjektiven Gewissheit, dass das, was wir wahrnehmen, so sei, als sei es auf diese Weise, also genau wie es uns gerade erscheint, da. Es erscheint uns so, als hätten wir Zugang zum „Ding an sich“.48 Dieses Erleben wird hier als W-Evidenz (Wirklichkeits-Evidenz-Erleben) bezeichnet. Zugleich erleben wir diese evidente Außenwelt (Welt der Dinge/Szenen) als das Fundament, in dem wir verankert sind, hierin und hieran orientieren wir uns, hierin bewegen wir uns. Wir erleben dabei die Wevidente Außenwelt als die entscheidende Ergänzung zum Bewusstsein unserer selbst, zum Ich-Bewusstsein49. Wir erleben uns (im nicht-pathologischen Fall) hierin als Einheit und gegen die Dinge abgegrenzt im Sinne einer Selbst-Objekt-DifFerenzierung.

Vor allem durch drei Vorgänge bestätigt sich W-Evidenz immer wieder.

  • Intermodalität: Indem eigene (modalspezifische) Sinneseindrücke durch andere eigene modalspezifische Sinneseindrücke bestätigt werden (z.B. sieht etwas rau aus und fühlt sich auch so an).
  • Stabilität: Wir erleben die Welt (Umgebung) und uns darin als stabil über die Zeit hinweg. Vorhersagen bestätigen sich (nicht hundertprozentig, aber) in hohem Ausmaß.
  • Konsensuale Validierung: Wir finden unser Evidenzerleben - eben dass die Dinge und Szenen und wir selbst so seien wie wir sie wahrnehmen (nicht hundertprozentig, aber in hohem Maße) - durch Aussagen und Verhalten anderer Menschen bestätigt.

Intermodalitätserfahrung, Stabilitätserleben und das Erleben interpersonalen Konsenses bestärken uns laufend in der “Richtigkeit“ des Evidenzeindrucks (W-Evidenz).

• These 2 zur Weltwahrnehmung:
Funktion der Transzendierung ist Sicherung der W-Evidenz

Zwar haben wir uns subjektiv in der Welt mit Ichbewusstsein und W-Evidenz eingerichtet, sind auf diese (und andere50, hier nicht zur Diskussion stehende) Weisen in uns und der Welt verankert. Andererseits erweisen sich Sinneseindrücke allein immer wieder als unzureichend, um Situationen zu verstehen, oft auch als irreführend, sodass Transzendierungen erfolgen, bei denen interne Modelle entworfen werden, die in der Regel nicht identisch sind mit dem sensorischen Input sondern tastende Versuche, aus diesem Input einen Sinn zu machen, der mit dem innerlich Vorhandenen vereinbar ist.

Folgende Klassen von Transzendierungen bzw. von Anlässen für Transzendierungen lassen sich unterscheiden:

Klasse A: Transzendierung in Form unbewussten Ordnens von Sinnesdaten (Beispiele: Wahrnehmungskonstanz; Gestaltgesetze51; s.S.62)
Klasse B: Transzendierung in Form von deutlich kognitiven Beiträgen zum Wahrnehmungs- und Verstehensprozess (Beispiele: Funktionswissen, Objektpermanenz-Verständnis)
Klasse C: Auslösung der Transzendierung durch Zeichen, Sprache, Bilder
Klasse D: Transzendierung in Form von bildlichen Vorstellungen und abstrakten Ideen (Beispiel: Schlüsse auf den Gemütszustand oder die Intentionen einer Person aus der bei ihr wahrgenommenen Mimik)
Klasse E: Transzendierungsvorgänge bei momentan aufgetretenen Unklarheiten, Widersprüchen, Befremdlichkeiten in den Wahrnehmungsprozessen (Beispiel: endet die Straße wirklich da vom links am Waldrand, wo sie von hier aus nicht mehr zu sehen ist?)
Klasse F: Transzendierungen bei gravierenden und bedrohlichen Vorkommnissen (Beispiele: Teufel als vermeintliche „Ursache“; Verschwörungstheorien)
Klasse G: durch absichtsvolle kritische Hinterfragung ausgelöste Transzendierungen (Beispiele: kritische Reflexion der Frage, was es wirklich bedeutet, wenn uns ein Gegenstand „grün“ zu sein scheint; Befassung mit z.B. platonischer Philosophie, z.B. dem Höhlengleichnis, oder mit theoret. Physik)

Eine der Tätigkeiten unseres Ichs ist das Oszillieren oder Pendeln zwischen einer inneren Position, bei der es Wahrgenommenes für externe Wirklichkeit hält (W-Evidenz) und einer, bei der es diese Oberfläche transzendiert und weiterverarbeitet, also sortiert, Aspekte ergänzt, andere ausblendet. Die meisten uns zugänglichen Aspekte der Welt werden also nicht im engen Sinne sinnlich wahrgenommen, vielmehr sind sie gedacht und erschlossen. Diese Beiträge erfolgen in den allermeisten Fällen - Ausnahme ist vor allem Klasse G der Anlässe zur Transzendierung - unbewusst. Nur scheinbar besteht ein Widerspruch zwischen dem offensichtlich extrem starken Bedürfnis des Menschen nach dem Erleben von W-Evidenz einerseits und der Tendenz, die Ebene der unmittelbaren Sinnesempfindungen zu durchstoßen, zu transzendieren. Vielmehr muss Reizinput stets geklärt werden, damit ein inneres Bild entsteht und aufrechterhalten wird, das uns als die Wirklichkeit „evident“ werden kann. Transzendierungen, also sozusagen die Ausflüge hinter die Oberfläche der unmittelbaren Reizinputs, dienen dazu, diese Evidenz abzusichem, von Zweifeln frei zu halten bzw. von ihnen zu befreien.

These 3 zur Weltwahrnehmung:
Verstehenwollen ist ein für die individuelle und die...

Erscheint lt. Verlag 19.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Allgemeines / Lexika
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte Der/die/das Fremde in Alltag und Kunst • innere Prozesse bei Bildbetrachtung und Malen • Psychoanalyse und Kunst • Psychologie der Bildwahrnehmung und der Kreativität • Wahrnehmung ,Verstehen, Bildrezeption, Kreativität
ISBN-10 3-7583-9188-1 / 3758391881
ISBN-13 978-3-7583-9188-0 / 9783758391880
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