KRIEGSLUST und GEGENSTÄNDE OHNE FUNKTION

Bilder auf Leinwand und Papier
Buch | Hardcover
136 Seiten
2023 | 1. Aufl.
Bibliothek der Provinz (Verlag)
978-3-99126-066-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

KRIEGSLUST und GEGENSTÄNDE OHNE FUNKTION - Florentina Pakosta
34,00 inkl. MwSt
Gegenstände, für uns Verbraucher scheinbar ohne Funktion, existieren ohne Wenn und Aber, ob es uns passt oder nicht. Sie fragen auch nicht, ob sie unnützlich sind, ob wir sie dringend brauchen oder mit ihnen lediglich angeben wollen. Hochmütig übersehen wir sie meist oder wir nehmen sie absichtlich nicht wahr und stellen die Frage: Wozu gibt es alle diese Dinge, Sachen, Gegenstände oder Objekte, wie immer man sie nennen mag, wenn sie uns nicht dienlich sind? Wir glauben zu wissen, was richtig ist, worauf es ankommt und worauf man verzichten darf.
Was es auf der Welt sonst noch gibt, uns jedoch kaum oder nicht dienlich ist, lehnen wir ab. Wir werfen es weg oder wir zerstören es, und wenn es anders nicht geht, dann verspotten wir es und machen es lächerlich.
Und wenn Sie mich fragen, warum ich funktionsfreie Objekte zeichne, dann muss ich gestehen, ich weiß es nicht. »Alles, was auf der Welt ist, ist zu etwas gut«, sagt der Seiltänzer il Matto zu Gelsomina in La strada (1954), einem frühen Film von Federico Fellini.
(Florentina Pakosta, "Wozu sind sie gut?")

Während eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg sitzt ein Mädchen im Luftschutzkeller und versucht, seine Angst vor dem allgegenwärtigen Tod zu beherrschen. Alle im Bunker - bis auf eine betende Frau - halten sich an die Vorschrift »Härte, Tapferkeit und Gehorsam« verhalten sich still und diszipliniert, »als wären sie schon tot«. Der Körper des Kindes lässt sich aber nicht kontrollieren, weigert sich, zu gehorchen, schaudert, zittert, zuckt. Die Nerven widersetzen sich gesellschaftlichen Normen, fordern auf zu fliehen, das eigene Leben zu retten. Das Mädchen überlebt in einem Spalt zwischen den Trümmern, während das Wimmern anderer Verschütteter langsam verstummt. Die Erfahrungen des Krieges, die Florentina Pakosta immer wieder in ihren Texten schildert, bestimmen bis heute ihr künstlerisches Schaffen: Welchen Zwängen und Bedrohungen ist die Existenz des Einzelnen unterworfen?
Der Körper fordert sein Recht, ist Motor der Befreiung, aber lässt sich gleichzeitig dressieren, marschiert im Gleichschritt oder versteinert zur Maske, er ist animalisch und gewalttätig und hat dennoch Sehnsucht nach Gemeinschaft. Pakosta untersucht in ihren Texten Konventionen und Vorstellungen (von Körper, Gefühl, Ich, Frau, Mann, Ding, Tier, usw.) und stellt sie in ihrer Widersprüchlichkeit dar. Nichts ist bei ihr einfach, alles birgt das Gegenteil in sich, und die Gegensätze spalten sich wiederum auf, um nicht in Schwarzweißmalerei zu verfallen. In ihrer Zwei- und Mehrschneidigkeit liegt auch die Tragik der Liebe. Sie soll in Beziehungen funktionieren, in denen realitätsfern und idealisiert keine Schwankungen des Gefühls, keine Fehler vorgesehen sind, Minderwertigkeitsgefühle lassen keine Abweichung vom monotonen »Ich liebe dich« zu, was in Hass umschlägt. [...]
(Auszug aus: Axel Ruoff, "Florentina Pakosta - Fratzen der Abstraktion")

Auf den ersten Blick sind es Werke der geometrischen Abstraktion. Der Titel der Bilder auf Papier und Leinwand »Gegenstände ohne Funktion« deutet jedoch auf eine illusionistische Darstellung von Gegenständen. Warum der Schein trügt, sollen folgende Zeilen erörtern.
In einer erstaunlichen Variationsbreite und in kontrastierenden Tönen, die mitunter komplementär den Charakter von Signalfarben annehmen, entwickelt Florentina Pakosta diese Serie wie ein imaginäres Alphabet. Jedoch läuft diese Zeichensprache von balkenförmigen, objekthaften Winkeln ins Leere. Es scheint, dass der Wille zur Kommunikation in einem permanenten Frustrationsprozess eklatant scheitert. Dennoch liegt in dieser Unfähigkeit zur Mitteilung, die einer Sprachlosigkeit gleicht, die eigentliche Bedeutung dieser alogischen Gegenstandswelt. [...]
(Auszug aus: Cornelia Cabuk, "Florentina Pakosta - Gegenstände ohne Funktion")

Florentina Pakosta wurde 1933 in Wien, Österreich, geboren, wo sie als Kind die Gewalt und Zerstörung des Zweiten Weltkriegs miterlebte. Von 1952 bis 1956 studierte sie mit einem Stipendium Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste in Prag (Akademie výtvarných uméni v Praze), zunächst bei VIadimír Silovský (1891 – 1974), anschließend bei Miloslav Holý (1897 – 1974). Nach ihrer Rückkehr nach Wien studierte sie von 1956 bis 1960 an der Akademie der bildenden Künste bei Josef Dobrowsky (1889 – 1964) Malerei. 1963 erhielt sie von der französischen Regierung ein Stipendium für ein einsemestriges Studium an der École nationale supérieure des Beaux-Arts bei Raymond Legueult (1898 – 1971). Pakosta entwickelte ihre Bildfindungen zunächst vorwiegend in grafischen Techniken wie Mezzotinto, Radierung, Schablonentechnik und Zeichnung sowie seit etwa 1988/89 in der Malerei. Ihr Œuvre umfasst umfangreiche Werkgruppen zu Themen wie gesellschaftliche Außenseiter, Krieg und Traumata, das Selbstbildnis, Physiognomie und Emotion, die Physiognomie männlicher Macht, die feministische und satirische Untersuchung gesellschaftlicher Machtverhältnisse, die Gleichschaltung des Menschen, Konsumismus und Warenflut und die Entwicklung einer sozialkritisch motivierten Sprache der geometrischen Abstraktion. Seit 1975 veröffentlicht Pakosta zahlreiche Texte, insbesondere Kurz­geschichten und kunsttheoretische Beiträge. 1971 wurde sie Mitglied der Secession, Wien, von 1975 bis 1983 war sie deren erstes weibliches Vorstandsmitglied. 1978 kuratierte sie für die Secession die Ausstellung „Secessionistinnen“. Ihre Werke wurden seit 1962 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, unter anderem in der Albertina, Wien, dem Sprengel Museum Hannover, der Akademie der bildenden Künste Wien, dem Leopold Museum, Wien, dem Museum der Moderne Salzburg, der Galerie Altnöder, Salzburg, der artmark galerie, Wien, und der Galerie Suppan Fine Arts, Wien. Ihre Texte erschienen unter anderem in der Tageszeitung ‚Die Presse‘, in ‚Protokolle. Zeitschrift für Literatur und Kunst‘ sowie in Essaybänden im Ritter Verlag, Klagenfurt, und dem Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra.

Axel Ruoff, geboren 1971 in München, studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin und Aix-en-Provence. Seit 2005 lebt er, nach fast einem Jahrzehnt in Marseille, wieder in Berlin. Er schreibt Romane und Essays, dreht Filme und arbeitet als Lektor. Sein Roman „APATIT“ war 2016 für den Rauriser Literaturpreis nominiert und wurde 2018 mit dem Literaturpreis der A und A Kulturstiftung ausgezeichnet. 2020 war er als DAAD Writer in Residence an der Aston University in Birmingham. 2021 erschien sein Roman ­„IRRBLOCK“.

Cornelia Cabuk, Kunsthistorikerin; 2010 bis 2021 am Belvedere als Expertin und Autorin für die Serie ‚Belvedere Werkverzeichnisse‘, darunter ‚Carl Moll‘ (2020) und ‚Otto Rudolf Schatz‘ (2018) jeweils als Buch und Online catalogue raisonné, sowie ‚Marc Adrian‘ (2016) und ­‚Carry Hauser‘ (2012). Zum Forschungsschwerpunkt Zwischenkriegszeit und Hagenbund verfasste sie Beiträge zu ‚Jean Egger‘ (2023, Lentos), ‚O. R. Schatz & Carry Hauser – Im Zeitalter der Extreme am Wien Museum‘ MUSA (2016) sowie den Belvedere Ausstellungen ‚Wien – Berlin‘ und ‚Hagenbund – Ein Europäisches Netzwerk der Moderne‘. 2013 publizierte sie ‚Florentina Pakosta. Malerei seit 1989‘ und verfasste Beiträge zu ‚Florentina Pakosta‘ (2011) am Leopold Museum. 2007 kuratierte sie als erste Co-Kuratorin die Ausstellung ‚Zwischen den Kriegen. Österreichische Kunst 1918 – 1938‘ am Leopold Museum.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie artedition
Co-Autor Axel Ruoff, Cornelia Cabuk
Zusatzinfo zahlr. vierfärbige Abb.
Verlagsort Weitra
Sprache deutsch
Maße 210 x 300 mm
Gewicht 1000 g
Themenwelt Kunst / Musik / Theater
Schlagworte Bildband • feministische Kunst • Konsumismus • Krieg (Motiv) • Kurz­geschichten • Kurzgeschichten • Machtverhältnisse • Malerei • Pakosta, Florentina, 1933- • Pakosta, Florentina, 1933– • Satire
ISBN-10 3-99126-066-2 / 3991260662
ISBN-13 978-3-99126-066-0 / 9783991260660
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Blumen in Kunst und Kultur

von Andreas Beyer; Michael John Gorman; Gudrun Kadereit …

Buch | Hardcover (2023)
Prestel (Verlag)
45,00
die Geschichte der Kunst : 800 Jahre - 100 Künstlerinnen und Künstler

von Camille Jouneaux

Buch | Hardcover (2024)
Prestel (Verlag)
36,00