dokument_31

ein glossay
Buch
160 Seiten
2023
gutleut verlag
978-3-948107-36-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

dokument_31 - Frank Milautzcki, Armin Steigenberger
29,00 inkl. MwSt
»Boletus Grimm war eigentlich ein stürmischer Poet, der voller Enthusiasmus glaubte, an sich selbst zu erleben, was Worte und Sprache ausmachen. Und entsprechend schrieb er, wenn er ungebremst und ohne Regel, ohne Bedenken und ohne die notwendige Selbstzensur Gedichte entstehen ließ, schnell und ohne Reue. Dabei passierte es ihm, daß Stimmen in ihm miteinander konkurrierten, eine große Buntheit, die aber nie beliebig daherkam. Das war, als schwömme er in verschiedenen Wassern, ach Wassern, Brühen und Aufgußgeschichten, einmal als Boot, einmal als Kloß, einmal als Comorahm auf dem Spiegel eines norditalienischen Sees. Und so gelangten seine Texte in Zustände, die schwierig zu nageln waren, mal gab es einen überdachten Ton, eine Passage des Flanierens, daneben ein verspieltes Ragout aus Lorchel und Samtfuß [im Schnee aufgespürt], dann wieder Brot und Gesang. Jedenfalls fand er sich so zahlreich wieder, daß er auf die Idee kam, zwei Autoren zu erfinden, die seine Gedichte im Ensemble verfasst haben sollten: Die fratres.«


Mit dem Buch dokument_31 | ein glossay zünden die beiden Autoren und Collagisten Frank Milautzcki & Armin Steigenberger – nach sprich: malhorndekor und barbotine (Black Ink, 2021) – die zweite Phase ihrer dialogischen Zusammenarbeit und wagen sich hierbei verteilt auf 160 Seiten in weitere neue sprachliche Experimente und Felder:

»Ein Dichter schickt Gedichte, die nicht fertig sind, an einen anderen Dichter. Im Jazz wäre das der, der das Thema vorgibt, und andere spielen und stimmen sich darauf ein. Der andere spielt drauf und drüber.
Die Schwierigkeit beim tatsächlichen Geschehen dieses Buches war, dass auch die Löschung erlaubt war, das Streichen, Ersetzen, Übertönen, Ausblenden, eigentlich alles, was jeder jemals denkt, einem Text mitgeben zu müssen, um mit ihm als gelungene eigene Poesie d'accord zu sein. Die Frage war also: Wie viel darf vom Anderen sein, damit ich es als Eigenes lieben kann.
So entstanden diese Texte, die sich bis in die Atome vermischen, alles Reaktionspotential aus zwei Richtungen erhalten. Es ist nicht feststellbar, wer wann was beigetragen hat. Das Gedicht ist ein Komplex, aus dem Handwerk beigebrachtes Gebilde und hier sind es zwei Hand-werker, die an der gleichen Sache schreiben, ohne sich für irgendetwas böse zu sein. Im LyrikerInnenhandwerk nicht üblich, wo selbst Kommas innere (und öffentliche) Debatten bedingen können.
Umso überraschender dies alles hier ausgeschaltet zu finden. Geradezu unwichtig. Tatsächlich hat hier jeder beim anderen ordentlich zugelangt, überschrieben, eingemischt, neues hinzugefügt, ganze Kapitel erfunden, erweitert, Vorhandenes rausgeschossen, die Warengruppe manipuliert und die Maische verfälscht. Jeweils mit vorausinvestierter Zustimmung des Vorträgers. Weil es wichtiger war, den Text unter fremder Hand wachsen zu sehen, befreit vom eigenen Griff und überrascht zu werden. Dazu gehört eine Grundeinstellung Texten gegenüber, die den Hintergrund des Genius verneint und ihnen eigene Rechte einräumt: Sie dürfen, müssen, sollen davontragen, was ihnen geschieht und nicht als Kniefallprodukt ein biobibliographisches Highlight darstellen müssen. Sprich: Man muß verzichten können, um Texte zu wollen. Und so alles Eigene ausliefern der Trompete des anderen, von dem man weiß, er will den Text auch. Genau das ist hier geschehen.«

»DIE DOKUMENTATION_31 SPRICHT DAVON: Du träumst: Leben kam, kam zur Drei und punktete … Leinen verdreckt, zwischen Rot und Blau trägt uns die Ritschka unsrer Avatare hin und her zu den Maltränken. Dokumentiert sind auch hierauf Kommentare. // Red langsam. / Räum Leben ein. // Das klingt doof und hat den Sound, der flog durch die Luft. / Vergewissere dich. Hab Maß und Gefälle, um ein breites / Anwendungsgebiet zu schaffen.«


Frank Milautzcki, geboren 1961 in Miltenberg, lebt in Klingenberg am Main. Nach einem Studium der Sozialarbeit in Frankfurt am Main arbeitete er von 1989 bis 2009 als Schichtarbeiter in der chemischen Industrie, wo er seit 2009 als HSE-Coordinator für Gesundheit, Arbeitssicherheit und Umwelt tätig ist.
Ebenfalls im gutleut verlag erschienen: verzargen | ein hölzernes alphabet [2022] sowie schwarz drosseln [2017].

Armin Steigenberger, geboren 1965 in Nürnberg, lebt in München. Dichter, Literaturkritiker, Ex-Architekt, schreibt vorwiegend Lyrik, verfasst Theaterstücke und veröffentlichte einen Roman. Als Mitherausgeber der Literaturzeitschrift außer.dem und Mitglied der Autorengruppe Reimfrei organisiert er die neue Lesereihe außer.der reihe sowie bei Radio Lora München 92,4 das poesie[magazin].

Frank Milautzcki, geboren 1961 in Miltenberg, lebt in Klingenberg am Main. Nach einem Studium der Sozialarbeit in Frankfurt am Main arbeitete er von 1989 bis 2009 als Schichtarbeiter in der chemischen Industrie, wo er seit 2009 als HSE-Coordinator für Gesundheit, Arbeitssicherheit und Umwelt tätig ist. Seit 1996 veröffentlicht er Gedichte und Texte in Anthologien [u. a. in: Jahrbuch der Lyrik [2022], Der große Conrady: Das Buch deutscher Gedichte [2008], Versnetze [2008, 2009, 2021], Rock Lyrik [2011], a global visuage – an international visual poetry anthology [2012] und Zeitschriften [u. a. in: Akzente, L. Der Literatur- bote, Ort der Augen, poet]. Ferner erschienen diverse Einzelbände, zuletzt verzargen | ein hölzernes alphabet [gutleut verlag, 2022], sprich: malhorndekor und barbotine, zusammen mit Armin Steigenberger, [Black Ink, 2021], schwarz drosseln [gutleut verlag, 2017], Hemden denken [2009] sowie Langustenbäume die auch reden, Gedichte zu Collagen von Stefan Heuer [2009], zudem zahlreiche Essays, u. a. Reinhard Goering – ein Unbekannter auf dem Berg der Wahrheit. Ein Essay und Kommentare zu drei Prosaskizzen [2007], ›Karten‹ in Sprache im technischen Zeitalter [2013], sowie online bei fixpoetry.com und lyrikkritik.de [u. a. Langweilige Spracharbeit [2016], Fallen für Wittgenstein [2016]. Seit 1996 ist er Herausgeber der handgemachten Literaturzeitschrift DAS ZWEITE BEIN sowie von 2014 bis 2015 der Online-Anthologie Lost Voices – im Ersten Weltkrieg gefallene Lyriker des literarischen Expressionismus auf fixpoetry.com. Als Grafiker veröffentlichte er 2005 das Mappenwerk Ich träumte der Welt ein Zuhause – ein Poem [alleskunstlabor, Bremen] und 2006 Die Gegenden unweit der Mitte [Duo-Edition, Annaberg-Buchholz] und zuletzt die Illustrationen der Zeitschrift ]trash[pool [2012] sowie die Ausstellung Arbeit in Auslage [2013] bei Babsi Daum, Wien.

Armin Steigenberger, geboren 1965 in Nürnberg, lebt in München. Dichter, Literaturkritiker, Ex-Architekt, schreibt vorwiegend Lyrik, verfasst Theaterstücke und veröffentlichte einen Roman. Als Mitherausgeber der Literaturzeitschrift außer.dem und Mitglied der Autorengruppe Reimfrei organisiert er die neue Lesereihe außer.der reihe sowie bei Radio Lora München 92,4 das poesie[magazin]. Er erhielt den u.a. den 2. Preis beim Feldkircher Lyrikpreis 2022 [ex aequo mit Philipp Hauser 2022], ein Literaturstipendium des Freistaats Bayern 2022, ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds 2021, den 2. Preis bei der Buchmesse im Ried 2013 und den 1. Preis beim 11. Irseer Pegasus 2009. Zahlreiche seiner Texte erschienen in Anthologien [u.a. in: Nur die Kontur eines Kreises, Edition Art Science, 2022; Jahrbuch der Lyrik, 2020; all dies hier, Majestät, ist deins: Lyrik im Anthropozän, kookbooks, 2016; Venedig, der venezianische Traum, hrsg. von Ron Winkler und Tom Schulz, Schöffling & Co., 2015; Muse, die zehnte. Antworten auf Sappho von Mytilene, freiraum-verlag, 2014; hab den der die das. Der Königin der Poesie. Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag, Edition Art Science, 2014; Kasinostraße 3, hrsg. von Kurt Drawert, 2014] und in Literaturzeitschriften [u.a. in: Am Erker, Dulzinea, erostepost, DAS GEDICHT, Literatur in Bayern, Macondo, NDL, Ostragehege, perspektive, poetin, stadtgelichter, Wortlaut]. Einzelbände: rohherz und antikkörper – reprisen zur zerschönerung der welt, Gedichte und Wortschöpfungsketten, edition offenes feld, 2023; sprich: malhorndekor und barbotine, Lyrikkooperation mit Frank Milautzcki, Black Ink, 2021; das ist der abgesägte lauf der welt, Gedichte und Geisterspiele, edition offenes feld, 2020; die fortsetzung des glücks mit anderen mitteln, Gedichte, Horlemann Verlag, 2014, gebrauchsanweisung für ein vaterland, POP Verlag, 2006; fleck, Roman, gangan verlag, 2002.

Michael Wagener, geboren 1966 in Morsbach/Sieg, ist Künstler, Gestalter, Autor und Übersetzer sowie Herausgeber und Verleger. Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik an der Frankfurter Goethe-Universität und im Anschluss Bildhauerei und Fotografie an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Seit 1992 zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Er erhielt zahlreiche Förderungen und Preise, zuletzt 2020 den Sonderpreis des Hessischen Verlagspreis und 2021 den Deutschen Verlagspreis. 1997 gründete er den gutleut 15 ausstellungsraum in Frankfurt am Main, wo zahlreiche Ausstellungen internationaler Künstler, Konzerte, Lesungen und Performances stattfanden, 2002 den gutleut verlag, der zunächst begleitend im Laufe der Zeit immer mehr zu einem eigenständigen Projekt wurde, in dessen Programm er als Verleger, Herausgeber und Gestalter, Künstler sowie Autor und Übersetzer unterschiedliche Bild-Text-Konzepte entwickelt und diese neu auslotet. Buchveröffentlichungen [Auswahl]: nichts | manifeste und poeme [zusammen mit Yevgeniy Breyger und Eva Köstner] (gutleut verlag, 2022) | aussichtsplattform | welten.9 | darsolarpolar [zusammen mit Dirk Uwe Hansen] (gutleut verlag, 2020) | dauerlandschaft – album | dauerlandschaft – the graphic remixes | dauerlandschaft – the lyrics volume one | dauerlandschaft – the remixes volume one (gutleut verlag, 2010-2014).

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie reihe licht ; 11
Illustrationen Michael Wagener
Zusatzinfo Ausstattung, Satz und Umschlag [unter Verwendung von Arbeiten aus der grafischen Serie die_dokumente_boletus_grimm von Michael Wagener sowie den Objekten fratres 1 & 2 von Michael und Werner Wagener ]: gutleut gestaltung Fotografien: Michael Wagener
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Maße 130 x 186 mm
Gewicht 270 g
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Kunst / Musik / Theater
Schlagworte Grafik • Kunst • Kurzprosa • Literarisches Experiment • Lyrik • Textcollage • Textmontagen
ISBN-10 3-948107-36-X / 394810736X
ISBN-13 978-3-948107-36-9 / 9783948107369
Zustand Neuware
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