Der Türmer von Sankt Stephan (eBook)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-427-4 (ISBN)
Hinter dem Pseudonym Hans W. Thaller steht der Autor Dr. Hans Bilek-Schmidl (*1926 - ?2013). Er wurde am 31. 11. 1926 in Wien von der ledigen, mittellosen Maria Anna Bilek zur Welt gebracht. Sie übergab den kleinen Hans der Kinderübernahmestelle der Stadt Wien. Am 20. 12. 1927 wurde Hans Bilek von seinen Zieheltern Johann Thaller, Fuhrwerker, und Maria Thaller geborene Schmidl, Arbeiterin, aufgenommen und wuchs in Meidling auf. Nach dem baldigen Tod des Ziehvaters ermöglichte ihm seine Ziehmutter unter großem persönlichem Einsatz den Besuch eines Gymnasiums. Danach studierte Hans Chemie. Dr. Hans Bilek nahm, als er etwas über 30 Jahre alt war, als Ausdruck seiner Verbundenheit mit seiner Ziehmutter deren Mädchennamen als Zweitnamen an und hieß ab dann Dr. Hans Bilek-Schmidl. Nach damaligem Recht war es nicht möglich, den Namen Thaller anzunehmen, da der Ziehvater schon verstorben war. Ihm bekundet der Autor durch die Wahl des Pseudonyms Hans W. Thaller seine Dankbarkeit.
1. Szene
Zimmer im Türmerhaus. Vorhänge zugezogen. Von draußen strahlender Sonnenschein und fröhlicher Lärm; Vogelkäfige auf kleinen Tischchen, rechts hinten eine verhängte Nische. - Türmer, Puchsbaum, Maria.
Türmer | So sehr uns Eure Werbung um Mariens Hand auch ehrt, können wir doch nicht mit vollem Jubel dareinstimmen. |
Puchsbaum | Ich bin sehr traurig, Meister Wolfhart. Warum verwehrt Ihr mir Mariens Hand? |
Türmer | Wir wollen doch einmal ihr Herz auch sprechen lassen; vielleicht erübrigt sich dann jede weitere Rede. |
Puchsbaum | Jungfer Maria, sprecht mein Urteil. |
Maria | (oberflächlich) Warum so traurig, Meister Puchsbaum? Was heut nicht ist, kann morgen werden! Die Äpfel, die heut noch grünen, lachen morgen saftig und rot von den Bäumen. |
Puchsbaum | Wie schade, wenn dieser Baum in einem fremden Garten steht! |
Maria | Daß Ihr jetzt noch spotten könnt! |
Puchsbaum | Maria: sagt ein festes, klares Ja - oder Nein, ich bitte Euch. |
Maria | Nicht ja und nicht nein, Meister, habt Geduld; ich bin noch sehr jung. |
Türmer | Das merkt man. |
Puchsbaum | Wenn Schönheit noch von Jugend eingerahmt, dann soll ein Mannesherz ihr widerstehen? |
Maria | (herzlicher) Ich will Euch nicht auf die Folter spannen um meinetwillen. (sie reicht ihm die Hand) Nehmt meine Hand darauf: Ihr werdet bald von mir eine klare Antwort hören, bis - bis ich selber eine weiß. |
Puchsbaum | (küßt ihre Hand) Darf diesen warmen Ton in Ihrer Stimme ich als Ton des Herzens nehmen? |
Maria | Vielleicht? (sie zieht die Hand rasch zurück und tritt weg) |
Puchsbaum | (zum Türmer) Hier blüht noch eine Hoffnung für mich - habt Ihr gehört, gesehen? Wollt Ihr ein Traumgebilde mir zerstören? |
Türmer | Ein Truggebilde. (geht unmutig auf und ab) Das will mir nicht gefallen, Meister! Nicht Ja und nicht Nein, nicht Fisch, nicht Fleisch, Sonne und Regen in einem. Da habt Ihr an mir ein ehrliches, klares: Nein. (Maria setzt sich und sieht etwas gelangweilt beiden zu.) |
Puchsbaum | Es schmerzt mich sehr, was kann dazu Euch denn bewegen? Es geht jetzt ins dritte Jahr mit meiner Werbung: bangt Ihr um Mariens Wohl? Ich bin nicht reich, doch bin ich wohlhabend; ist nicht mein Name, mein künstlerischer Ruf noch ein Geschenk, wie es vielen nicht gegeben? |
Türmer | (auf- und abgehend) Ja, ja, Ihr seid berühmt, hochgeachtet, habt die 'Spinnerin am Kreuz' gebaut - ich gestehe, ein Wunderwerk, man vermeint ein Spinngeweb goldener Strahlen zu schauen, mein Glückwunsch dazu, Meister! Habt das Mittelschiff am Dom eingewölbt - ein prachtvolles Netzgewölbe, Meister! Ja, Ihr habt viel gelernt, als Ihr noch Parlier wart beim alten Prachatitz; seid schon ein Künstler geworden: wer die Barbarakapelle gesehen hat, wird dies nicht leugnen wollen. Das diskutiert Euch keiner weg. |
Puchsbaum | (mit einer leichten Verbeugung) Ich danke Euch, aber - |
Türmer | (erregt auf- und abgehend) Da, wo Ihr jetzt steht, saß Hans von Prachatitz - Gott hab ihn selig - dort saß er stundenlang und erzählte mir gläubigen Schimmers im Blick von seinem Turm; sooft er hinaufschaue, wie die steilen Grate laufen, geradewegs in den Himmel hinein, sei es ihm, als sänge ein brausender Chor von Engeln Halleluja, und dem Meister zitterten die Knie, daß er draußen auf dem Freithof fast wäre hingesunken, hätte die Hände gefaltet und ein stammelndes 'Großer Gott' zum Himmel geschickt, daß er noch einmal die Kreuzblume auf dem Turm sähe, daß der Allmächtige ihm sein Werk gelingen lassen möge, und ihm bebte die Brust in erhabenen Schauern ob solcher Tat. |
Puchsbaum | (lächelnd) Bei dem Gedanken umfängt auch mich eine selige Ahnung; ich bange immer noch, irgendwie könnte ich scheitern mit meinem Turm. |
Türmer | (hart) Ihr werdet scheitern mit Eurem Nordturm! Der Südturm steht, ein ewig Denkmal des Prachatitz, und duldet keinen neben sich, den Ehrgeiz und Ruhmsucht bauen will! |
Puchsbaum | Und doch hab ich den Grundstein gelegt zu diesem Turm, und bau' und bau', wer und was soll mich, kann mich hindern? |
Türmer | Ihr selbst! (in Gedanken) Hans Prachatitz, der war ein Künstler von der guten, alten Art; dem jedes Werk, das seinem Kopf entspringt, das seine Hände schufen, ein Geschenk der Gottheit ist, wie sie auch heißen mag, ein Künstler, der zu allerhöchstem Werk nur in die Seele braucht hineinzuhorchen; in Steine haut, zu Domen fügt, was er dort drinnen singen, klingen, jubeln hört! |
Puchsbaum | Euer Eifer muß mich glauben machen, daß Ihr mich doch nicht zu den Künstlern zählt. |
Türmer | (bleibt stehen und starrt ihn an; nach einer Pause) Wenn Ihr von Eurem Herzen wolltet mehr erwarten als von Fertigkeit der Hände - ich könnt' Euch höher schätzen. (kleine Pause) |
Puchsbaum | Erklärt Euch näher. |
Türmer | So wie Ihr damals hingetreten seid vor Herzog und Senat, das war bezeichnend, als ausgelobt war, wer es wagen wolle, den Nordturm, der dem Dom noch fehlt, zu bauen. Grad daß den Sauspieß Ihr habt weggelegt, das Blut noch vom gehetzten Wild am Rock, - den Kragen offen, Stoppeln von drei Tagen, ein Reitersmann, der in die Schenke stürzt am heißen Tag um eine Kanne Bier, und weiterjagt, mit kaiserlichem Siegel …! Mit lachendem Gesicht und staubbedeckten Schuh'n, so nebenbei nahmt Ihr den Auftrag an, als gält' es eine Hütte hinzustellen, und keinen Turm, wie dieser werden soll, vierhundert Schuh wohl hoch und mehr; das hat uns allen damals schon mißfallen wollen. |
Puchsbaum | Wer an den Weg baut, der hat viele Meister. |
Türmer | Es ist kein Zufall, daß Ihr bös verhaßt. |
Puchsbaum | Ich teile Euer Unglück, Meister. |
Türmer | Da habt Ihr grausam recht! |
Puchsbaum | Die ganze Stadt fast ist es; wenn auch nicht feind, so sind sie doch im Herzensgrund Euch fremd. |
Türmer | Das ist die Zeit, wie wir sie beide kennen. |
Erscheint lt. Verlag | 6.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Malerei / Plastik |
ISBN-10 | 3-99152-427-9 / 3991524279 |
ISBN-13 | 978-3-99152-427-4 / 9783991524274 |
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