Ein Schluck Meer -  Hannes Krakolinig

Ein Schluck Meer (eBook)

Kurzgeschichten
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2022 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-347-4 (ISBN)
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Eine Kurzgeschichtensammlung aus drei Kontinenten unterhält mit spannenden, skurilen, zum Teil blutigen aber auch herzerwärmenden Erzählungen, die verschiedenes Gedankengut und Kulturen miteinander verweben. Ob korrupte Immobilienmakler und Politiker in Ecuador und Mexiko, trinkfeste Reiseanekdoten aus Irland oder philosophische Begegnungen in China, Krakolinig bietet in diesem Band neben Spaß und Spannung auch einen breiten Nährboden für Eigenreflexionen.

Der Österreicher lebt seit 2005 in Ecuador, hat in mehr als 30 Ländern über 12 verschiedene Berufe ausgeübt und spricht mehrere Sprachen

AMERIKA

Ein Schluck Meer

Und trotz des Morgengrauens umfing mich plötzlich die Finsternis und ich ging aus. Geschmeidig wie eine ohnmächtige Giraffe fiel ich um und auf meine Matratze, die mich sofort verschlang. Als ich wenige Stunden später – viel zu wenige um meinen Synapsen die notwendige Erholung zu gönnen – die Augen wieder aufschlug, war mir noch immer nicht wenig schwindlig. Ich setzte mich im Bett auf und mein Kopf flog aus dem offenen Fenster weit raus aufs Meer und mit einer Boomerangbewegung zu mir ins Zimmer zurück, wo er mit dem tonnenschweren Schlag eines Schwergewichtsboxers retour auf mein Genick krachte. Ich hatte durchaus schon frischere Vormittage.

Rotäugig, mit schnapsbelegter, dicker Zunge und pochenden Schläfen stapfte ich zum Waschbecken und würfelte mir ein paar Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht.

Was für eine intensive Nachtgestaltung ich wohl wieder hinter mir hatte, fragte ich mich leicht stirnrunzelnd.

Ich wollte doch nur mit Danilo auf ein, zwei Willkommensbier gehen, war er doch gerade erst raus aus dem Knast. Doch was haben wir uns nicht alles reingeschüttet….

Aber egal, zuerst einmal ins Meer. Ein kleiner Schluck mineralhaltiges Meerwasser ist doch das beste Frühstück, und den Kopf ordentlich in die Wellen halten bringt sicherlich das jodelnde Holterdipolter in meinen Gehirnwindungen zur Ruhe.

Einer der vielen Vorteile eines Strandlebens ist ja auch der, dass Pyjama und Tageswäsche ein und dasselbe Stück Bekleidung darstellen, vor allem, wenn man sich so wie ich einer äußerst arbeitsscheuen Lebensweise bediente, und so ersparte ich mir gleich einmal ein nerviges Um- und Anziehen. Zähneputzen sollte aber doch drin sein und tatsächlich schaffte ich die Dentalreinigung souverän und mit lediglich zwei kleinen Würgeattacken.

Fantastisch, wenn der Tag schon erfolgreich beginnt. Gepinkelt wird allerdings im Meer.

Minimalst schwankend und mit leicht verblödetem Gesichtsausdruck stapfte ich dann die paar Blocks runter zum Pazifik. Die letzten Meter legte ich in einem eindrucksvollen Sprint zurück, den selbst Usain Bolt hätte erblassen lassen, bevor ich mich kopfüber in die Wellen stürzte.

Herrlich! Das kühle Wasser holte auch meine Neuronen wieder zurück ins Leben und die oder der Fetzen der letzten Nacht formten oder formte farbige Bilder vor meinen Augen.

Danilo war vor einem halben Jahr eingesperrt worden, hatte angeblich einem Zivilbullen ein bisschen gestrecktes Weiß andrehen wollen und sich dann der Verhaftung widersetzt oder anders ausgedrückt, seinem Gegenüber das Gesicht ins Genick gedroschen. So wurde es zumindest im Dorf erzählt. Sein Vater aber, der in den Straßen Geld für einen Anwalt erbettelte, meinte – ohne allerdings in Details zu gehen – dass an der ganzen Geschichte der Bulle schuld war, ein bekannter Junkie, der seinem Sohn eins auswischen wollte.

Ich hab Danilo vor mehr als zehn Jahren kennengelernt. Kleingewachsen, zimtbraune Haut, schwarze, halblange Haare, ein rechtes Hinkebein, dass er sich zugezogen hat, als er von seiner Mutter als Kleinkind übel zerprügelt wurde, obwohl er jedem erzählte, dass er die Verletzung von einem Unfall mit seinem Pferd hatte, und ein breites, immerwährendes und ansteckendes Grinsen machten ihn zu einer dieser einnehmenden Persönlichkeiten, mit denen jeder Kontakt in fröhlich rauschige Begegnungen ausartet.

Und so erging es auch mir, wir lernten uns in einer verdreckten Billardkneipe kennen und als uns das Geld für den Sprit ausging, beschlossen wir zu mir aufs Zimmer zu gehen, wo ich noch einen feinen Liter Selbstgebrannten stehen hatte, sowie ein grünes Pfeifchen. Ich hatte damals ein Zimmer im zweiten Stock in einer dieser versifften, abgelutschten Unterkünfte, die von Straßenhändlern, Betrügern, Handlangern, billigen Nutten und anderen Gesocks häufig frequentiert wurden. Also rüber mit unseren trockenen Kehlen und rauf die paar Stufen und rein den Schlüssel ins Schlüsselloch des Billigschlosses, doch die Tür blieb verschlossen.

Schnapsgeil und gierig sagte ich Danilo er soll einen Schritt zur Seite gehen, schwankte selber ein paar Meter retour und warf mich dann mit aller Kraft, die mir der kurze Anlauf schenkte, gegen die Holztür. Etwas in meiner Schulter knackste, aber das Schloss ebenfalls und schon standen wir im Raum, vor einem Doppelbett, auf dem gerade ein sicher hundertfünfzig Kilo schwerer, zwei Meter langer, glatziger Mittvierziger mit einer verbrauchten Schokoschönheit in Hündchenstellung ordentlich zur Sache ging. Hätten wir uns schnell entschuldigt, höflich eingesehen, uns im Stockwerk geirrt zu haben und wären dann allerschnellstens abgehauen, hätten wir vielleicht und eventuell sogar eine klitzekleine Chance gehabt, doch spuckend vor lauter Lachen fielen unsere Sympathiewerte in den Keller.

Hochrot vor Wut stampfte der Glatzkopf auf mich zu und drosch mir eine seiner Pranken, auf die locker eine komplette Familienpizza gepasst hätte, mit einer Wucht auf die Brust, dass ich aus dem Zimmer hinauskatapultiert wurde und mit mehreren kurzen, aber dafür schmerzhaften Landungen die ganze Hoteltreppe hinunterpolterte.

Endlich unten angelangt flatterte mir die vage Überlegung durch den Kopf, dass wir das Ganze doch ein bisschen venünftiger hätten anfangen können, doch schon wurde ich in meinen Gedanken unterbrochen, da ich sah, wie der Beglatzte mit einer seiner riesigen Hände einen Schopf von Danilos Haar zerkrampfte, meinen Trinkkumpanen dann grob zur Seite drehte, am Hosenbund packte und schließlich mir nachschmiss.

Danilo hatte eine etwas weichere Landung als ich, nämlich auf mir, doch es blieb uns nicht viel Zeit für ein gemütliches Verweilen oder der Inventur unserer Knochen, da der Riese, übrigens noch immer nackt und mit einem rosaroten Kondom auf seinem halbsteifen Schwanz, bereits eilig die Stufen runterstampfte um sein gewalttätiges Werk zu vollenden.

In Sekundenbruchteilen waren wir auf unseren dreieinhalb Beinen und raus aus dem Hotel, bevor wir uns an der nächsten Ecke, als wir merkten, dass der Glatzkopf die Verfolgung nicht aufgenommen hatte, laut keuchend und lachend auf den Boden warfen.

Dieser Episode folgten mehr als zehn Jahre Freundschaft, in denen wir uns in langen Nächten so ziemlich alles Legale und Illegale in unsere Nervenbahnen schleuderten und so manch wildes Abenteuer erlebten.

Eine Welle erfasste mich, als ich mich lachend an die Geschichte mit dem verwechselten Zimmer erinnerte, und der sandige Meeresboden über den mich die Kraft der Wellen mit Gesicht nach unten schleifte, schürfte mir Hautfetzen von Kinn und Nase. Spuckend und hustend begab ich mich mit ein paar Kraulbewegungen wieder retour ins tiefere Nass und holte mir den gestrigen Abend in Erinnerung. Ich sah Danilo auf der Hauptstraße und wir umarmten uns voller Wiedersehensfreude. Ich löcherte ihn sofort mit Fragen zu der Geschichte mit dem Zivilbullen, aber er meinte, sowas könnte man nur bei ein paar Bieren erzählen und so setzten wir uns in den Schatten eines kleinen Ladens und öffneten zwei oder fünf Einliterflaschen Pilsener. Und dann erzählte er: Zwei Russen haben ihn eingeladen zum Saufen und zu dritt saßen sie an der Strandpromenade und tranken eine Flasche Whisky. Damit sich die Touristen nicht unwohl fühlten, vermied Danilo, direkt an der Flasche zu saugen, sondern organisierte sich ein Glas. Nachdem die erste Flasche zur Neige ging, wurde eine zweite gekauft und erneut angestoßen, als plötzlich ein anderer Typ auftauchte und in crackschwangeren Silben um ein paar Schluck bat. Danilo antwortet, dass der Whiskey nicht von ihm sei, aber er könnte ja fragen. Die Russen lehnten ab. Doch der Junkie meinte, Danilo wollte ihm nichts abgeben und suchte Streit, dem mein Freund allerdings aus dem Weg gehen wollte. Um jedwegen Brösel zu vermeiden tat er so, als müsste er Wasser lassen und bewegte sich auf eine Palme am Strand zu. Doch der aggressive Junkie ging ihm nach, stieß ihn mehrmals in den Rücken und nannte ihn einen Hurensohn und ähnlich Ehrenwertes. Danilo blieb weiterhin ruhig doch als plötzlich ein Streifenwagen bei einer seiner Kontrollfahrten an der Strandpromenade auftauchte, rief er den bewaffneten Beamten schnell zu, dass er Hilfe bräuchte, da er attackiert werde, doch keine Reaktion der Bullen. Reagiert hat dafür sein Gegenüber, der sich verraten fühlte und eine Pistole zog. Danilo, noch immer mit dem Glas in der Hand, reagierte nun ebenfalls, und zwar mit einem Uppercut unters Kinn und das Whiskeyglas bohrte sich in den Hals des Unruhestifters, der sofort die Waffe fallen ließ und sich beide Hände an seine Gurgel drückte. Das hat Danilo so nicht gewollt und in Panik lief er nach Hause. Seine blutbesudelte Kleidung warf er in eine Ecke und legte sich schlafen, doch schon eine Stunde später wurde er von der Polizei abgeholt. Sein Angreifer war bereits ins Krankenhaus gebracht worden und war Zivilpolizist der Drogenfahndung, und das war der Grund, warum die beuniformten Kollegen im Streifenwagen auf Danilos Beschwerde hin nicht reagiert...

Erscheint lt. Verlag 7.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-99139-347-6 / 3991393476
ISBN-13 978-3-99139-347-4 / 9783991393474
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