Morgen, morgen und wieder morgen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
560 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7517-4265-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Morgen, morgen und wieder morgen -  Gabrielle Zevin
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MORGEN, MORGEN UND WIEDER MORGEN wurde 2024 von den Leser:innen der New York Times zu einem der zehn besten Romane des 21. Jahrhunderts gewählt

Mitte der 90er-Jahre in Massachusetts: An einer U-Bahn-Station trifft Sadie, hochbegabte Informatikstudentin und angehende Designerin von Computerspielen, ihren früheren Super-Mario-Partner Sam wieder. Die beiden beginnen, gemeinsam an einem Spiel zu arbeiten, und schnell zeigt sich, dass sie nicht nur auf freundschaftlicher, sondern auch auf kreativer Ebene ein gutes Team sind. Doch als ihr erstes gemeinsames Computerspiel zum Hit wird, brechen sich Rivalitäten Bahn, die ihre Verbundenheit zu bedrohen scheinen.

Ein Jahrzehnte umspannender Roman über Popkultur und Kreativität, Wagnis und Scheitern, über Verlust und über die Magie der Freundschaft.

Daniel Schreiber zu MORGEN, MORGEN UND WIEDER MORGEN: »Ein fulminanter Roman, superspannend und gleichzeitig wunderschön.«



<strong>Gabrielle Zevin</strong>ist Autorin diverser international gefeierter Bestseller, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Auf Deutsch erschien von ihr u. a.DIE WIDERSPENSTIGKEIT DES GLÜCKS. Eine Hollywood-Verfilmung von <strong>MORGEN, MORGEN UND WIEDER MORGEN</strong>ist in Planung. Zevin wurde in New York als Tochter einer koreanischen Mutter und eines jüdisch-amerikanischen Vaters geboren, die beide zeit ihres Lebens in der IT-Branche gearbeitet haben. Sie ist Drehbuchautorin, Gelegenheitsfeuilletonistin, hat in Harvard studiert und lebt in Los Angeles.

Gabrielle Zevin ist Autorin diverser international gefeierter Bestseller, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Auf Deutsch erschien von ihr u. a. Die Widerspenstigkeit des Glücks. Eine Hollywood-Verfilmung von MORGEN, MORGEN UND WIEDER MORGEN ist in Planung. Zevin wurde in New York als Tochter einer koreanischen Mutter und eines jüdisch-amerikanischen Vaters geboren, die beide zeit ihres Lebens in der IT-Branche gearbeitet haben. Sie ist Drehbuchautorin, Gelegenheitsfeuilletonistin, hat in Harvard studiert und lebt in Los Angeles.

1


Bevor Mazer sich als Mazer neu erfinden sollte, war er Samson Mazer, und davor hieß er Samson Masur. Zwei geänderte Buchstaben würden ausreichen, um aus einem netten, vermeintlich jüdischen Jungen einen professionellen Weltenbauer zu machen. In der Highscore-Tabelle des Donkey-Kong-Automaten seines Großvaters tauchte er als S.A.M. auf, aber meistens war er einfach nur Sam.

An einem späten Dezembernachmittag im ausklingenden zwanzigsten Jahrhundert stieg Sam aus der U-Bahn und sah, dass die Hauptverkehrsader zur Rolltreppe durch eine träge, auf eine Werbetafel starrende Menschenmasse verstopft war. Sam war spät dran. Er hatte einen Termin bei der Studienberatung, den er schon seit über einem Monat vor sich herschob, der aber nach einhelliger Meinung unbedingt noch vor den Winterferien stattfinden musste. Sam mochte keine Menschenmengen – weder hielt er sich gern darin auf noch konnte er Massenveranstaltungen etwas abgewinnen. Aber diese würde sich nicht vermeiden lassen. Wenn er in die überirdische Welt vordringen wollte, musste er sich einen Weg hindurch bahnen.

Sam trug einen riesenhaften marineblauen Wollmantel, den er von seinem Mitbewohner Marx geerbt hatte. Marx hatte den Mantel während seines ersten Studienjahrs im Armeeladen in der Stadt gekauft und ihn dann ein knappes Semester lang in einer Plastiktüte vergammeln lassen, bis Sam fragte, ob er ihn ausleihen dürfe. Der Winter war besonders unerbittlich gewesen, und im April (im April! Diese Winter in Massachusetts sind doch der Wahnsinn!) hatte der Nordostwind Sams Stolz so weit zermürbt, dass er Marx um den vergessenen Mantel bat. Sam tat so, als gefiele ihm der Stil, und da sagte Marx, er könne den Mantel gern behalten, was Sam genau so vorhergesehen hatte. Wie fast alles, was aus Armeelagerbeständen kam, roch der Mantel nach Schimmel, Staub und dem Schweiß toter junger Männer; Sam versuchte gar nicht erst darüber nachzudenken, warum das Stück in dem Laden gelandet war. Immerhin war der Mantel viel wärmer als die Windjacke, die er als Studienanfänger aus Kalifornien mitgebracht hatte. Außerdem hoffte Sam, dass der gigantische Mantel seine Gestalt kaschierte. Aber eigentlich ließen ihn die absurden Ausmaße des Kleidungsstücks nur noch kleiner und kindlicher wirken.

Mit anderen Worten hatte Sam Masur im Alter von einundzwanzig Jahren nicht gerade die passende Statur, um zu drängeln und zu schubsen, deshalb schlängelte er sich so gut es ging zwischen den Leuten hindurch und fühlte sich dabei wie die bemitleidenswerte Amphibie aus dem Videospiel Frogger. Immer wieder murmelte er ein unaufrichtiges »Verzeihung«. Das Großartige an der Kodierung des Hirns, dachte Sam, ist wohl die Tatsache, dass es »Verzeihung« sagen kann, wenn es eigentlich »Verpiss dich« meint. Sofern sie keine unzuverlässigen Erzähler oder eindeutig als verrückt oder böse markiert sind, sollten Figuren in Romanen, Filmen und Spielen unbedingt ernst genommen werden, als die Gesamtheit dessen, was sie tun oder sagen. Aber echte Menschen – gewöhnliche, anständige, eigentlich ehrliche Leute – könnten ohne dieses eine, unverzichtbare Detail in ihrer Programmierung, das es ihnen erlaubt, das eine zu sagen und etwas ganz anderes zu meinen, zu fühlen oder sogar zu tun, keinen Tag überstehen.

»Kannst du nicht außen rumgehen?«, blaffte ein Mann mit schwarz-grüner Makrameemütze ihn an.

»Verzeihung«, sagte Sam.

»So ein Mist, sie war fast eingeschlafen«, murmelte eine Frau mit Baby im Tragetuch, als Sam sich an ihr vorbeizwängte.

»Verzeihung«, sagte er.

Hier und dort machte jemand auf dem Absatz kehrt und hinterließ eine kleine Lücke in der Menge. Diese Lücken hätten Sams Fluchtweg sein können, aber irgendwie füllten sie sich jedes Mal prompt mit neuen ablenkungshungrigen Menschen.

Als er schon fast bei der Rolltreppe angekommen war, drehte er sich noch einmal um, um herauszufinden, was die Leute so faszinierte. Sam konnte sich jetzt schon vorstellen, wie er von dem Stau im Bahnhof berichtete und Marx sagte: »Und du warst gar nicht neugierig? Wenn du es schaffen würdest, deine Menschenfeindlichkeit mal für eine Sekunde abzulegen, würde dich da draußen eine Welt voller Menschen und Dinge erwarten.« Sam wollte nicht, dass Marx ihn für einen Menschenfeind hielt, selbst wenn er einer war, also drehte er sich um. Und da entdeckte er seine alte Kameradin Sadie Green.

Nicht, dass er sie in der Zwischenzeit nie gesehen hätte. Sie waren beide Stammgäste bei Wissenschaftsmessen, akademischen Spielen, Uni-Vorstellungsveranstaltungen, Wettbewerben (Rhetorik, Robotik, Kreatives Schreiben, Programmieren) und Festessen für die Jahrgangsbesten gewesen. Denn egal, ob man eine mittelmäßige öffentliche Schule im Osten der Stadt besuchte (Sam) oder eine schicke Privatschule im Westen (Sadie) – der Kreis der smartesten Kids von Los Angeles blieb derselbe. Oft hatten sie in einem Saal voller Nerds Blicke ausgetauscht, manchmal hatte sie sogar Entspannungspolitik betrieben und ihn angelächelt, nur um dann wieder in der Gruppe attraktiver smarter Kids zu verschwinden, die sie stets umgab. Jungs und Mädchen wie er, nur reicher, weißer und mit besseren Zähnen und Brillengestellen. Er wollte kein weiterer hässlicher Nerd sein, der um Sadie Green herumschlich. Manchmal erklärte er sie zum Bösewicht und redete sich ein, sie habe ihn gekränkt: dieses eine Mal, als sie ihm den Rücken zugekehrt hatte; das andere Mal, als sie seinem Blick ausgewichen war. Dabei hatte sie nichts dergleichen getan – und wenn doch, wäre es immerhin etwas gewesen.

Er hatte gewusst, dass sie am MIT studierte, und er hatte sich gefragt, ob er sie, wenn er in Harvard war, vielleicht irgendwo treffen würde. Aber dann hatte er zweieinhalb Jahre lang nichts getan, um eine Begegnung zu erzwingen, und sie auch nicht.

Aber da war sie nun: Sadie Green in Person. Bei ihrem Anblick hätte er heulen können. Es fühlte sich an, als wäre sie ein mathematischer Beweis, der ihm viele Jahre lang entgangen war, aber jetzt, mit frischen, ausgeruhten Augen, präsentierte sich ihm die offensichtliche Lösung. Da ist Sadie, dachte er. Ja.

Er war kurz davor, ihren Namen zu rufen, ließ es dann aber bleiben. So viel Zeit war vergangen, seit er zum letzten Mal mit Sadie allein gewesen war, dass das Gefühl ihn zu überwältigen schien. Wie konnte im Leben eines Menschen, der so unbestreitbar jung war wie er, so viel Zeit vergangen sein? Und wie konnte er so plötzlich vergessen, dass er sie eigentlich verachtete? Die Zeit, dachte Sam, war ein Rätsel. Aber dann besann er sich und schob das Gefühl beiseite. Die Zeit war mathematisch erklärbar; es war das Herz – also jener Teil des Gehirns, für den das Herz steht –, das Rätsel aufgab.

Sadie löste den Blick von was auch immer die Menge anstarrte und drehte sich zur herandonnernden Bahn der Red Line um.

Sam rief ihren Namen: »SADIE!« Zusätzlich zum Rumpeln des einfahrenden Zuges hallte der übliche menschliche Lärm durch die U-Bahn-Station. Ein Teenager hatte einen Hut vor sich aufgestellt und spielte auf dem Cello Musik vom Penguin Cafe Orchestra. Ein Mann in Paisley-Weste fragte alle Vorbeikommenden höflich, ob sie einen Augenblick Zeit für die muslimischen Flüchtlinge in Srebrenica hätten. Gleich neben Sadie war ein Stand, der Fruchtshakes zu sechs Dollar anbot. Just in dem Moment, als Sam ihren Namen rief, fing der Mixer zu sirren an, und in die abgestandene Bahnhofsluft mischte sich der Duft von Zitrusfrüchten und Erdbeeren. »Sadie Green!«, rief Sam abermals, aber sie hörte ihn immer noch nicht. Er beschleunigte seine Schritte, so gut er konnte. Wann immer Sam etwas schneller ging, fühlte er sich wie beim Dreibeinlauf.

»Sadie! SADIE!« Auf einmal kam er sich dumm vor. »SADIE MIRANDA GREEN! DU BIST AN DYSENTERIE GESTORBEN

Endlich drehte sie sich um. Langsam suchte sie die Menge ab, und als sie ihn schließlich entdeckte, entfaltete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Er musste an das Zeitraffervideo von der aufblühenden Rose denken, das er einmal im Physikunterricht gesehen hatte. Ihr Lächeln war wunderschön und, wie er befürchtete, einen Hauch gekünstelt. Lächelnd ging sie auf ihn zu – sie hatte ein Grübchen auf der rechten Wange und eine winzige Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen –, und die Menge schien sich für sie zu teilen. Für ihn hatte die Welt sich noch nie auf diese Weise bewegt.

»Meine Schwester war die mit der Dysenterie, Sam Masur«, sagte Sadie. »Ich bin an Erschöpfung gestorben, nach einem Schlangenbiss.«

»Und weil du nicht auf die Büffel schießen wolltest«, sagte Sam.

»Das ist Verschwendung!«, rief Sadie. »Das viele Fleisch verrottet einfach!«

Und damit umarmte sie ihn stürmisch. »Sam Masur! Ich hatte gehofft, dich irgendwann zu treffen.«

»Ich stehe im Telefonbuch«, sagte Sam.

»Nun, ich habe mir gewünscht, dass es sich ganz organisch ergibt«, sagte Sadie. »So wie jetzt.«

»Was führt dich zum Harvard Square?«

»Das magische Auge selbstverständlich«, sagte sie scherzhaft und gestikulierte in Richtung der Werbetafel. Zum ersten Mal nahm Sam das einen mal eineinhalb Meter große Plakat wahr, das die Pendler in eine Zombiehorde verwandelt hatte.

SIEH DIE WELT AUF GANZ NEUE WEISE.
ZU DIESEM...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2023
Übersetzer Sonia Bonné
Sprache deutsch
Original-Titel Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte Asian American • Behinderung • Computerspiele • Das Magische Auge • Diversität • donkey kong • Dreiecksbeziehung • Emily Dickinson • Freundschaft • Gaming • Gesellschaftsroman • Harvard • Identität • Jüdisches Leben • körperliche Beeinträchtigung • L.A. • Liebe • Liebesgeschichte • literarische Unterhaltung • Los Angeles • MIT • Nintendo • Platonische Liebe • Programmierung • Queerness • Shakespeare • Spieleentwicklung • super mario • Tamagotchi • Universität
ISBN-10 3-7517-4265-4 / 3751742654
ISBN-13 978-3-7517-4265-8 / 9783751742658
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